Swami Omkarananda



 

INHALTSVERZEICHNIS

 

Vorwort

Die Suche nach Selbsterkenntnis ist universal

Die Wissenschaft des Selbst ist die höchste Wissenschaft, die Wissenschaft aller Wissenschaften

Die Natur der Welt, in der wir leben

Das Wesen des Menschen und sein Platz im Schöpfungsplan

Der grosse Umwandlungsprozess des Menschen in das Göttliche

I.
II.
III.

Höchste Erkenntnis ist die Erkenntnis des Selbst

I.

 

II.

Der geistige Lehrer

Aphorismen als Meditation

VORWORT

In der Bibel steht: "Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen" (Joh. 9,32)

Erkennet die Wahrheit, die Euch befreit und erleuchtet. Die Wahrheit allein befreit uns. Was bedeutet Wahrheit, und wie erkennen wir sie?

Diese Wahrheit, von der die Bibel verlangt, dass wir sie erkennen sollen, ist die göttliche Wahrheit. Dass eine Kerze vor uns steht, kann niemand leugnen. Es ist eine Wahrheit, aber diese Art Wahrheit befreit uns nicht.

Welche Wahrheit befreit uns dann? Nur das Göttliche kann uns frei machen. So ist also das Göttliche die Wahrheit. Das Königreich Gottes ist die Wahrheit. Uneingeschränktes, bedingungsloses, zeitloses und raumloses Sein ist die Wahrheit. Das Überbewusstsein in uns ist die Wahrheit. Das allwissende, allreinigende, allmächtige göttliche Bewusstsein ist die Wahrheit. Diese Wahrheit ist unveränderlich und selbstleuchtend. Sie befreit uns.

Der göttliche Geist in uns ist Gott, ist Wahrheit, und nur diese, wenn erkannt, befreit uns. Wahrheit ist ein anderer Name für Gott. Keine Wahrheit der Erscheinungswelt, der Erfahrung, des Handelns kann uns befreien. Befreiung liegt in dem, was ewig, was unbegrenzt ist in Erkenntnis, Macht, Frieden, Freude und Vollkommenheit. Nichts anderes als das Höchste, das Erhabenste, der Urgrund unseres Seins vermag uns Befreiung zu geben. Was ist dieses unbegrenzte Sein anderes als Gott? Darum: Gott erkennen heisst die Wahrheit erkennen; die Wahrheit erkennen heisst Gott erkennen.

Die Wahrheit, mit der sich die Bibel befasst, ist keine mentale Wahrheit oder eine Wahrheit, die dem Verstand oder Intellekt entspringt, noch eine moralische, politische, soziale oder wirtschaftliche Wahrheit, sondern die unendliche, göttliche Wahrheit. Die grosse Anzahl von mentalen, moralischen, politischen, sozialen, ökonomischen Wahrheiten haben all die Jahrhunderte hindurch die Menschheit nicht befreit. Es gibt keine wahre Freiheit, keine Ganzheit, keine wahre Freude in allem, was menschlich und endlich ist. Die Freiheit, deren wir uns auf Erden erfreuen, ist zeitbedingt, äusserlich, nicht völlig befriedigend und nicht bedingungslos. Die allbefriedigende und bedingungslose Freiheit liegt nur im "Königreich Gottes" im Inneren, in Gott, im göttlichen Geist, in der Wahrheit allein. Gott allein, wenn geliebt und erkannt, kann der Menschheit Befreiung bringen.

Um wahre Freiheit, Vollendung, Freude zu gewinnen, müssen wir das Unendliche, das Göttliche erkennen und erfahren. Darum gibt uns Jesus den Auftrag: "Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." In dieser Vollkommenheit allein liegt wahre Freiheit, Freude und wahres Leben.

Jeder Mensch auf Erden besitzt die Fähigkeit und die nötige Voraussetzung, um die Wahrheit zu erkennen, die frei macht. Niemand ist ausgeschlossen von den Segnungen des Königreiches der Wahrheit.

Lasst uns die Wahrheit, die uns und die ganze Menschheit befreit, erkennen und erfahren. Nur auf diesem Weg verwirklicht sich das Reich Gottes auf Erden.

Swami Omkarananda

Die Suche nach Selbsterkenntnis ist universal

"Erkenne dich selbst - und du wirst das Universum und die Götter erkennen"

Inschrift am Tempel in Delphi

Selbsterkenntnis ist das grundlegende Wesensmerkmal des Bewusstseins, des Lebens und aller Existenz. Erkenntnis ist das Höchste in der Welt. Sie tilgt die Unwissenheit, die aus vielen Formen von Begrenzungen besteht. Es gibt keine grössere Dunkelheit als die Unwissenheit über unsere Beziehungen zum Schöpfer, zur letzten Ursache. All unsere Probleme, unser Leiden, Kummer und Sorgen entstehen aus unserem inneren Mangel an Erkenntnis dieses allgegenwärtigen, allmächtigen und allwissenden Seins.

Eingefangen im Spiel unberechenbarer Kräfte, wird der Mensch mit verwirrenden Phänomenen konfrontiert und ringt darum, sie zu verstehen und zu überwinden. In diesem unaufhörlichen Lebensdrama sucht er im Grund nur ein Ziel, nämlich Glücklichsein und Befreiung aus den Begrenzungen. Selbsterkenntnis, Selbst-Verwirklichung stellen die erfolgreichste und zugleich höchst rationale Lösung dieses zweifachen Problems von Suchen und Ringen dar. Dieses Problem führt den Menschen unweigerlich zu einer raschen Erfüllung seines Suchens nach dem Ideal. Es setzt ihn unter Druck und hilft ihm dadurch, Meisterschaft über alle Kräfte zu erlangen, die ihn an der grossen Suche hindern.

Je früher wir die Wahrheit erkennen, dass das Göttliche oder das Selbst das zentrale Bewusstsein unseres inneren Wesens, die wahre Substanz unseres inneren Lebens ist, und dass unsere Rettung im täglichen Leben in der bewussten Wahrnehmung dieser göttlichen Gegenwart liegt, desto besser für uns. Das Ausmass unseres wahren, dauernden Friedens und Glücks, die Macht unserer Güte, die allumfassende Kraft unserer Liebe, der Grad an Weisheit, Grösse, an fruchtbringendem Reichtum und pulsierender Freude unseres Lebens beruhen auf dem Ausmass unseres bewussten Gewahrseins Gottes oder des Unendlichen im täglichen Leben.

Im grenzenlosen und unendlichen Frieden der Gottheit verankert, eins zu sein mit dem göttlichen Selbst, noch während wir hier auf Erden leben, eins zu sein mit der Gottheit in der ganzen Natur, dies ist unser Vorrecht, unsere Herrlichkeit und unsere Bestimmung.

Selbst-Verwirklichung zu erlangen, die alles absorbierende transzendentale Erfahrung des göttlichen Selbst, und damit eine weitreichende kreative Macht gewinnen und ein Erkennen, das alles erklärt und durchleuchtet, jenen Frieden, der alles Verstehen übersteigt, jenes Leben, das immerwährend ist, jene unbegrenzbare Vollkommenheit, die von allem unabhängige, bedingungslose tiefe Freude, das bewusste Erleben unserer Unsterblichkeit, Ewigkeit, Zeitlosigkeiit. Das ist unser Vorrecht und unser Heil. Wir sind geboren, um diese Seligkeit zu erfahren.

Die Wahrheit ist, dass der Mensch verwurzelt ist in Gott, und Gott verwurzelt ist im Menschen. Genauso kann der Mensch keine Erfahrung Gottes haben, ausser er ist in Gott, und Gott kann sich in der Welt nicht zum Ausdruck bringen, ausser durch den Menschen. Beide sind voneinander abhängig und ineinander verflochten, miteinander verbunden. Es sind die zwei Seiten ein und derselben Münze. Gleicherweise verhält es sich mit dem Leben: Das Leben ist verwurzelt in Gott, und Gott ist verwurzelt im Leben. Desgleichen die Welt: Die Welt ist verwurzelt in Gott, und Gott ist verwurzelt in der Welt. Dies zu erkennen, dazu sind wir geboren.

Selbst-Erkenntnis, Selbst-Erfahrung, Selbst-Verwirklichung stellen das höchste Ziel und die Erfüllung des menschlichen Lebens hier auf Erden dar. Der innere Drang im Menschen, sich selbst zu erkennen, sich über das, was er gegenwärtig ist, hinauszuentwickeln, der in seinem Inneren erfahrene Zwang, sich selbst zu transzendieren, der Hunger nach dem Wahren, Rechten, das die vielen, in allen Formen des empirischen Lebens einbezogenen Gegensätze aufhebt - dies sind wesentliche Funktionen, verursacht und bestimmt durch den Genius der empirischen Evolution, die der Formel der menschlichen Existenz innewohnt. Selbst-Erkenntnis ist das Ziel der Evolution des Bewusstseins im Menschen. Selbst-Erkenntnis war von jeher das höchste und alles umschliessende Ziel allen Strebens, Denkens und Tuns.

Was ist dieses Selbst, und was ist die Bedeutung seiner Verwirklichung, das Selbst, das zu erkennen die griechische Kultur uns nahelegt, und das die indische Kultur zu verwirklichen uns auffordert? Dieses Selbst ist nicht das kleine, äusserliche, physische Selbst, nicht das Emotionale des mentalen Selbst, nicht unsere psychologische Persönlichkeit, nicht ein endliches, irrendes, fehlbares, menschliches Einzelwesen. Dieses Selbst ist das unendliche Bewusstsein, das unsterbliche Prinzip, das "Königreich des Himmels". Es ist die Wahrheit aller Wahrheiten, der Gott in uns, die höchste und letzte Realität. Darum meinen wir mit Selbst-Verwirklichung oder Selbst-Erkenntnis die Erkenntnis oder Verwirklichung dieser höchsten und erhabensten Wirklichkeit in uns, welche Gott ist. Jeder Mensch, der dieses göttliche Selbst erkennt, erkennt Gott, und wer das Selbst verwirklicht, verwirklicht Gott.

Selbst-Verwirklichung ist, vom Standpunkt spiritueller Erfahrung aus betrachtet, identisch mit dem Erlangen der "Vollkommenheit des Vaters im Himmel" und besteht in unserem innigen und dynamischen Einssein mit der höchsten Wirklichkeit, die Gott ist. Diese grosse Erkenntnis hat Sokrates dahin geführt, die Selbst-Erkenntnis zum führenden Prinzip seines bewussten Lebens, seines Strebens und seiner inneren Entfaltung zu machen. Unglücklicherweise war das psychische Wesen der westlichen Welt in jenen und in späteren Jahrhunderten noch nicht bereit, das Licht, das er zu enthüllen versuchte, zu empfangen. Selbst die griechische Welt versagte darin, dem Licht dieser tiefen Weisheit, dem "Erkenne dich selbst" zu folgen und danach zu leben.

 

Die Wissenschaft des Selbst ist die höchste Wissenschaft, die Wissenschaft aller Wissenschaften

Wissenschaften und die Wissenschaft des Selbst

Unsere moderne Wissenschaft, wie vollkommen sie auch in ihren verschiedenen Fachgebieten sein mag, ist eine sich wandelnde Wissenschaft. Neue Wahrheiten tauchen auf, um alte Wahrheiten als Irrtum zu erklären. Der von der Wissenschaft heute angehäufte Wissensbestand kann im Voranschreiten und Entwickeln der Wissenschaft morgen abgelehnt und verworfen werden. Die Wissenschaft von gestern ist nicht die Wissenschaft von heute. Wissenschaftliche Wahrheit von heute wird nicht mehr wissenschaftliche Wahrheit von morgen sein.

Wissenschaft beschäftigt sich mit erkannten Tatsachen und physikalischen Wirklichkeiten. Wahre Philosophie oder spirituelle Erkenntnis befasst sich mit höheren Tatsachen und mit den beseelenden Ursachen, mit der wahren Substanz der physikalischen Wirklichkeiten. Diese höheren Tatsachen sind nur jenen mit besonderem inneren, geistigen Rüstzeug versehenen Menschen bekannt. Es gibt die Erkenntnis der sichtbaren Tatsachen durch die physischen Sinne, und eine Erkenntnis der unsichtbaren Tatsachen durch die feineren Sinne der entwickelten Intelligenz und durch die Fähigkeiten des höheren Bewusstseins in unserem Inneren.

Unsere Wissenschaft hilft uns auf eine grossartige Weise Satelliten oder eine Mondrakete zu konstruieren. Jedoch wird uns dadurch keine Möglichkeit gegeben, über Leid, Krankheit, Unglück und Tod zu triumphieren; dadurch können wir keine Harmonie und wahre Schönheit gestalten, keine Weisheit und Liebe zum Ausdruck bringen, auch nicht die Welt bereichern, Zeit und Raum überwinden und uns an wahrer Macht erfreuen. All dieses ist nur durch Selbst-Erkenntnis und Selbst-Erfahrung möglich. Wir leben durch das Unvergängliche. Wir sind verloren, wenn wir unser Leben auf dem Sand des Vergänglichen bauen. Die Wirkungen sind zerstörbar. Immer und ewig unzerstörbar und schöpferisch aber ist die letzte, ursachlose Ursache.

Alle Wissenschaften der Welt befassen sich mit äusseren Dingen, mit Dingen, wie sie sich unseren begrenzten Sinnen und Erkenntnisinstrumenten darbieten. Die Wissenschaft des Selbst, das Wissen um das Göttliche, um die letzte Ursache, befasst sich allein mit dem Eigentlichen, mit den Dingen an sich, mit den Dingen, wie sie ihrem innersten Wesen nach sind, mit der Wirklichkeit in den Dingen, der unwandelbaren, erhaltenden Wahrheit hinter Erscheinungen und Wirkungen; mit Dem was war, ist und immer sein wird. Die Erkenntnis als solche in bezug auf das Göttliche ist immer dieselbe, gestern, heute und morgen.

Daher ist jede Wissenschaft, die sich um diese höchste Wirklichkeit zentriert, um dieses unendliche Sein oder Selbst, das in und über allem endlichen Leben und aller Manifestation ist, die wahre Wissenschaft, die wahre Erkenntnis. Wissenschaft befasst sich mit Wahrheiten, und Gott ist die Wahrheit der Wahrheiten. Wissenschaft befasst sich mit dem menschlichen Verhalten, und Gott ist Das, was hinter dem menschlichen Verhalten ist. Wissenschaft untersucht die äussere Natur und die sichtbaren Aspekte des Universums. Gott ist das Wesen der Natur und Das, was das Sichtbare möglich macht. Wissenschaft beschäftigt sich mit der Aussenseite, mit dem, was in Erscheinung tritt und ein vergängliches Phänomen ist, und Gott ist Das, was alle Phänomene und Erscheinungen möglich macht. Somit ist jede auf das Göttliche bezogene Erkenntnis allein wahre Wissenschaft. Um diese Wissenschaft sollten daher alle sonstigen Wissensgebiete aufgebaut werden, wenn sie eine sichere Grundlage haben und der Menschheit in einer Weise nützlich sein sollen, die im Einklang mit dem Genius der göttlichen Realität ist. Wir erkennen durch das Allwissende. Wie umfassend unser Wissen auch sein mag, wir sind unwissend, wenn wir keine bewusste und lebendige Verbindung mit dem Allwissenden haben.

Da Gott uns nach seinem eigenen unzerstörbaren Ebenbild geschaffen hat und das Bewusstsein Gottes, dieses unbeschreibliche Sein, Seine unbegrenzte Macht, Sein Leben, Sein Bewusstsein in das "Königreich" in jedem von uns eingegossen hat, kann es keine Wissenschaft, kein Erkenntnissystem, keine Philosophie oder Ethik noch irgendein soziales Wirken geben, das grösser wäre als jenes, das sich mit diesem zentralen Prinzip, diesem göttlichen Selbst in jedem von uns befasst. Diese Wissenschaft aller Wissenschaften ist das geistige Gerüst zur allerhöchsten Erkenntnis. Dies ist wahre Wissenschaft. Diesem Wissen allein sollte unser Streben, Forschen und Studium dienen. Das allein ist die einzige Wissenschaft, in der wir wahren Sinn, Wert und Lebensfreude finden können, und dieses Wissen ist es auch, das zahlreiche grosse Philosophien der Welt, Schulen höheren Denkens und religiöse Erkenntnissysteme angeregt hat.

Alle Wissenschaften sind Teilwissenschaften - sie befassen sich nur
mit den Wirkungen der letzten Ursache.

Allen Wissenschaften dient das äussere Universum als Grundlage für ihre Studien. Sie beschäftigen sich mit den Wirkungen, mit der Beobachtung und experimentellen Erforschung der Aussenwelt. Somit handelt es sich um Teilwissenschaften, da sie nicht in das Wesen der eigentlichen innersten Ursache eindringen können. Ihre Arbeit beschränkt sich auf den einen oder anderen Aspekt des Phänomenalen, auf das äusserlich Wahrnehmbare der ewigen Wirklichkeit, das heisst, auf Wirkungen, die in unterschiedlichen Subtilitätsgraden von Substanz und Funktion - Materie, Leben und Geist (mind*) - von dieser ewigen Wahrheit abgeleitet sind. Der Wirklichkeitshintergrund entzieht sich immer dem Griff der Genies und der grossen Denker, da er kein Objekt ist, das vom menschlichen Geist (mind) oder dem begrenzten Intellekt erfasst werden kann. Nur dasjenige im Menschen, welches von demselben Wesen dieses Hintergrundes ist, kann allein Ihn verstehen und erkennen.

Biologie begrenzt ihre Aufmerksamkeit auf das Verständnis von Lebenserscheinungen im physischen Bereich. Die Psychologie begrenzt ihre Forschung auf menschliches Verhalten und etwas, das sie Geist, Selbst, Seele oder psychologische Funktion nennt, ohne von dessen eigentlichem Urgrund irgend welche Kenntnis zu besitzen. Die Parapsychologie wurde vor kurzem erst geboren und bleibt im allgemeinen eingefangen in die Untersuchung paranormaler Kräfte des menschlichen Geistes (mind), ohne eine Erkenntnis des wunderbaren Reichtums des höheren Bewusstseins im Menschen zu haben. Der Okkultismus* * befasst sich mit aufsehenerregenden okkulten Kräften unseres inneren psychischen Wesens, ist aber auch abgetrennt von den Wundern, die in der Unendlichkeit des Selbst, dem Königreich endlosen Friedens, der Freude und Schönheit in jedem Menschen verborgen sind.

In der Welt des Okkulten und der Parapsychologie findet sich wenig, das von wirklichem Wert für die innere spirituelle Entfaltung und für das Erlangen der supra-okkulten göttlichen Vollkommenheit sein könnte, der "Vollkommenheit des Vaters im Himmel". Okkulte und parapsychologische Forschung und Erkenntnis sind indessen wesentlich, um die Begrenzungen des psychologischen Bereiches zu korrigieren und unsere Sicht über das hinaus auszuweiten, was unseren stumpfen Sinnen verschlossen ist. Der Okkultismus hat seine ganz spezielle Rolle zu spielen, um die Illusionen jener zu zerstören, deren Denken ganz vom rein Materiellen und von der physikalischen Welt beherrscht und besessen ist. Für den geistig Strebenden ist es jedoch nicht nötig, Gedanken anderer Menschen zu lesen; es ist besser, ihn zu fragen, was er denkt. Es ist auch nicht nötig, auf dem Wasser zu gehen; besser ist es, für wenig Geld ein Boot zu mieten. Es liegt auch keine Weisheit darin, durch die Luft fliegen zu wollen, wenn man ein Flugzeug nehmen kann, um in ferne Länder zu reisen. Welcher Natur die aussergewöhnlichen Kräfte, die man gerne besitzen möchte, auch sein mögen, man wird durch sie in keiner Weise der Selbst-Erkenntnis, Selbst-Erfahrung und Selbst-Verwirklichung näher kommen. Das Wesentliche für den geistig Strebenden ist, das Selbst zu erkennen, wodurch alles andere erkannt wird, jene Macht zu besitzen, ohne die keine Macht auch nur irgendeine Existenz, irgendeinen Wert hat.

Die Erkenntnis dieses Selbst, das göttlich, unsterblich, ewig, allmächtig, allvollkommen ist, liegt ausserhalb des Bereiches jeder Spezialforschung, Praktik und Zielsetzung.

Wir brauchen die höchste, die ewige, unfehlbare Wissenschaft

Es besteht ein dringender Bedarf für die Wissenschaft des wahren Lebens, die Wissenschaft des Menschen, wie er an sich ist, die Wissenschaft des erfahrenden Subjekts. Der Mensch ist tatsächlich unwissend, wie gross auch sein Wissen über die Dinge der Aussenwelt sein mag, solange ihm kein wirkliches Wissen über sich selbst, sein wahres Sein, die zentrale Wirklichkeit in sich selbst, das erfahrende Subjekt, das göttliche Selbst zuteilgeworden ist.

Jedes Erkenntnissystem, jede Wissenschaft, die sich mit einem tieferen Eindringen in das Wesen des göttlichen Selbst im Menschen befasst, ist eine wahrhaft grosse Wissenschaft. Sie gibt dem Menschen eine erlösende Erkenntnis und lässt ihn Gott ähnlich sein, nämlich göttlich im Wesen, im Charakter, in der Erkenntnis, im Frieden und in der Vollkommenheit. Wie Jesus Christus sagt: "Werdet so vollkommen, wie der Vater im Himmel vollkommen ist." Ein solches Erkenntnissystem, eine solche Wissenschaft allein würde im Einklang sein mit den zentralen Lehren der Bibel, den grossen Werken unvergänglicher Offenbarung und höchster geistiger Erfahrung.

Welche grosse Macht belebte die Persönlichkeit Jesu Christi? Weder war es Bildung, hohe Kultur, noch hohe Errungenschaften, nicht irgendeine besondere Wissenschaft, keine hohe soziale Stellung, nichts, was wir auf Erden hochschätzen, sondern ein beständiges Sich-Bewusstsein und eine beständige Erfahrung des "Vaters" in Ihm Selbst und überall sowie das Zum-Ausdruck-Bringen der Liebe und der Weisheit dieses "Vaters". Das ist es, warum die Menschheit Ihn als Licht der Welt, als Erlöser und Retter verehrt. In Ihm finden wir das leuchtendste Beispiel der Selbst-Verwirklichung oder der Erfahrung Gottes in einem solchen Ausmass, dass Er sagen konnte: "Ich und der Vater sind eins."

Jesus Christus ist die bewusste Offenbarung Gottes, und Seine Mission auf Erden bestand in der Erlösung des Menschen aus seiner menschlichen Begrenzung und der Befreiung des göttlichen Geistes oder des Selbst in ihm zur Vollkommenheit des "Vaters im Himmel". In Seinem Erbarmen hat Er alle Menschen zum Teilhaben an allen Schätzen und Herrlichkeiten des himmlischen Königreichs aufgerufen. Er hat Sein Leben nicht nur vollendetem Dienen und höchstem Opfern geweiht, sondern lehrte uns auch durch das Wort Seiner eigenen Weisheit, so vollkommen wie der Vater im Himmel zu sein. Er hat uns in neuer Frische das Letzte und Höchste an menschlicher Weisheit gegeben und bestätigt, wenn er spricht: "Suchet als Erstes das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben."

Wie soll uns alles andere hinzugefügt werden? Nur, wenn wir die höchste Realität, die Gott ist, suchen. Wenn wir den Ozean wählen oder gewinnen, wird uns all das, was im Ozean ist, hinzugefügt. Nur wenn wir einen Garten wählen, statt hie und da eine Frucht oder eine Blume, werden uns alle Blumen, Früchte, Pflanzen und Bäume dazugegeben. Wenn wir den Schöpfer wählen, wird uns die ganze Schöpfung, die in Ihm ist, werden uns Millionen anderer wunderbarer Dinge, die in Ihm sind, hinzugefügt. Der menschliche Geist (mind) stellt nur eine der Millionen Möglichkeiten dar, welche dieses allwundervolle Königreich des göttlichen Selbst oder Bewusstseins offenbart. Unser Geist vermag einen kleinen Himmel oder eine grosse Hölle zu schaffen, während das göttliche Selbst in uns die Unendlichkeit an Licht, Liebe, Frieden, Freude, schöpferischer Schönheit, Leben, das Ganze des allvollkommenen Königreichs des Himmels ist. Erkenne Das, und Du erkennst das universale Prinzip, mit Dem, durch Das und in Dem alles offenbar wird.

Der Schüler der integralen Wissenschaft erfährt die Welt, indem er die Wahrheit in ihr erfährt, die alles erhaltende Existenz in ihr, die alles hervorbringende, unendliche Bewusstseinskraft, Gott in ihr. Darum ist für ihn alles schön auf der Welt, sogar die abgefallenen Äste sind ihm eine Freude, weil er weiss, dass es keine Zerstörung gibt, dass sich alles im Umwandlungsprozess befindet. In all diesen Umwandlungsprozessen ist das Göttliche überaus sichtbar. Einem der integralen Wissenschaft ergebenen Menschen ist alles heilig. Kein Teil des Lebens ist vom anderen getrennt, und in keinem Teil des Lebens sieht er eine Unvollkommenheit, eine Dunkelheit oder ein Unglück, denn jeder Teil des Lebens wird emporgehoben, veredelt, beseelt, strahlend und lichtvoll gemacht. Der Schüler der integralen Wissenschaft erfährt sich selbst durch die Erfahrung der Wahrheit in sich selbst, durch die Erfahrung des Selbst, des höchsten Bewusstseins in seinem Inneren, und dieses zu erkennen heisst, die Quelle des Geistes, den Ursprung der Welt, des Lebens, den ganzen Kosmos - die Quelle von allem zu erkennen. Im Bereich dieses göttlichen Bewusstseins ist Erkennen Sein und Sein Haben. Erkennen ist Haben. Das Reich des Göttlichen zu erkennen heisst, Es zu besitzen.

Erkenne das Selbst. Suche zuerst das Königreich Gottes. Sei so vollkommen wie der Vater im Himmel. Verwirkliche das Göttliche in Dir und überall. Das heisst, dass Du die Macht aller Mächte besitzt. Verwirkliche jenes Leben, das das Leben allen Lebens ist. Erkenne jene Wahrheit, die die Wahrheit aller Wahrheiten ist. Erfahre jenes Licht, das die Sonne, den Mond, die Sterne beleuchtet, das Licht, das ewig ist, das Licht, das hinter und jenseits der Energie steht, zu der die Wissenschaft das Phänomen des Universums reduziert.

Die grosse Mission unseres Lebens in diesem Bereich des Wachstums und der Evolution ist hier auf Erden.

Die Basisfrage der göttlichen Wissenschaft befasst sich mit dem eigentlichen Erfahrenden, dem wahren Erkennenden, dem wahren Sehenden. Es ist Beobachten durch Bewusstsein. Der Wissenschaftler erforscht die Natur. Der göttliche Wissenschaftler versucht den Wissenschaftler selbst zu erforschen. Der Forschende in der göttlichen Wissenschaft ist die eigentliche Intelligenz und das Bewusstsein des Menschen. Diese Intelligenz fragt: "Was ist diese Intelligenz im Wissenschaftler, die in die Geheimnisse der Natur einzudringen versucht? Was ist diese entdeckende Intelligenz im Entdecker? Was ist dieses denkende Prinzip in allen denkenden Menschen?" Den Erkennenden zu suchen und zu erkennen, den wahren Erfahrenden zu erfahren, das zu erkennen, wodurch wir alles andere erfahren und erkennen, die fundamentalen Gründe aller Existenzen zu erforschen, in die wahren Quellen des Lebens einzudringen, Sinn und Zweck der menschlichen Existenz auf Erden und das Warum und Wofür des Universums zu ergründen, dies ist das Forschungsgebiet der göttlichen Wissenschaft, der Wissenschaft des BEWUSSTSEINS.

Im Hinblick auf die Hintergrundfrage, woher wir kommen und wohin wir gehen und was unser eigentliches Wesen ist, ist eine psychologische Selbsterkenntnis wertlos. Eine überpsychologische Selbst-Erkenntnis ist erforderlich. Die Entdeckung der grossen Wahrheit, dass unser Wesen seinen Ursprung im Göttlichen hat, dass das Göttliche in uns wohnt - das allein kann uns von allen Problemen des äusseren Lebens erlösen, das allein kann uns die Erfahrung von Unsterblichkeit und die "Vollkommenheit des Vaters im Himmel" geben.

Nur Menschen der Selbst-Verwirklichung, Menschen, die Gott als das Unendliche erfahren haben, sind die wahren Meister des Lebens. Ihre alles verstehende Weisheit, die in ihrer Erfahrung des unendlichen Göttlichen begründet liegt, umschliesst und transzendiert alles Wissen in jedem Bereich des menschlichen Lebens und Denkens. Sie allein erfahren die Macht aller Mächte, die Gott ist. Sie allein erfahren jenes Prinzip, das Ursprung aller Manifestation ist. Sie allein kennen die höchste, überpsychologische Wirklichkeit.

DIE NATUR DER WELT, IN DER WIR LEBEN
Schwere Begrenzungen des menschlichen Lebens und der rettende Ausweg

Der eigentliche Name des Menschen ist Begrenzung. Er ist ein endliches Wesen, begrenzt in jeder Hinsicht, subjektiv wie objektiv. Er ist durch seine körperlich-sinnengebundene Erfahrung in einem solchen Ausmass in Beschlag genommen und steht unter einem solchen Zwang, dass er nicht weiss, woher er kommt, was er ist, was das Ziel seines Lebens ist, was Geist ist. Er ist von seinen begrenzten Erfahrungen völlig verblendet, und der Sohn Gottes, der er ist, ist tot. Das wunderbare Wesen, das er in sich selbst, in seinem Bewusstsein ist, hat er nicht begriffen. Von einer Erfahrung der einzigen grossen Wahrheit, dass in ihm unendliches Leben, dass überall das Königreich des Göttlichen ist, ist er abgeschnitten und auf irrationale Weise in menschlichem Tun befangen. Daher rührt menschliches Glücklich- und Unglücklichsein. Er ist das Opfer vieler Arten von Unwissenheit: wissenschaftliche und technische Unwissenheit, psychologische, psychische, spirituelle Unwissenheit und so fort. Was der Mensch durch seine Sinne und seinen Geist (mind) erfährt, ist eine Welt der Begrenzungen, wie sie sich aus einer Welt von Zeit und Raum, aus einem materiellen Universum, einer physikalischen Welt ergeben, in der seine Fähigkeiten und Kräfte äusserst beschränkt sind. Er denkt, er sei vernünftig und frei. Tatsächlich aber ist er überall gebunden. Sogar das Wetter macht ihn einmal unglücklich, einmal glücklich. Er hat keine Unabhängigkeit; das Wetter ist mächtiger als er. Wo ist seine Freiheit? Kann er das Wetter ändern? Die Umstände können ihn glücklich oder unglücklich machen. Er hat keine Macht über sie. Wenn Krankheiten kommen, kann er sich nicht selbst heilen. Wo bleibt seine Macht? Wenn Ärger in ihm hochsteigt, fehlt ihm die Fähigkeit, ihn unter Kontrolle zu bringen, ihn zu beherrschen. Wo ist seine Vernunft? Wo ist sein Verstand? Überall ist er Sklave von hundert Dingen und Faktoren.

In Wahrheit ist unendliches Leben in ihm. Er weist dieses unendliche Leben zurück und versinkt mit all seiner Aufmerksamkeit, mit Gefühl und Denken in seinem Körper. Er hält seinen physischen Atem für seinen wahren Atem, seinen physischen Körper für sein wahres Selbst, er hält die Körper anderer Menschen für ihr wahres Selbst. Doch so wie der Raum ständig mit ihm und um ihn ist, so ist die göttliche Gegenwart immer bei ihm, um ihn, in ihm. Er lebt im Göttlichen, ohne dass er es weiss. Er bewegt sich und atmet im Göttlichen, doch er erkennt Es nicht.

Erkenne diesen elenden, unglückseligen menschlichen Zustand der Unwissenheit, und strebe danach, wahre Weisheit, wahre Freiheit zu gewinnen. Gebrauche Deine Vernunft; lasse diese Deine Vernunft nicht beständig von Deinen Emotionen verschlungen werden. Versuche, diesem dauernden Hin- und Herpendeln von Weinen und Lachen ein Ende zu bereiten. Beschäftige Dich mit grossen Gedanken, und beginne Dich zu fragen: Was ist die Bedeutung des Lebens? Warum diese endlose Routine des täglichen Lebens? Warum bin ich nicht in der Lage, mich in jeder Stunde des Tages in Glück, Frieden und Kraft zu erhalten? Wer hat das wunderbare Universum zur Existenz gebracht? Wodurch wird es unterhalten? Woher kommt es? Warum ist es? Wer bin ich? Solche Fragen verlangen eine Antwort. Werde zu einem ernsthaften und aufrichtigen Fragenden und Untersuchenden. Erweitere Deine Selbstbetrachtungen, beginne zu suchen, und allmählich wirst Du in stetem Fortschritt die Wahrheit verstehen. Unterscheidung wird in Dir erwachen.

Alle Formen von Unwissenheit lösen sich in dem Augenblick auf, in dem die Berührung und die Vereinigung mit der innersten Essenz in uns, mit dem wahren Selbst stattfindet.

Einige Menschen erwachen allmählich, sei es aufgrund reicher Erfahrung, oder weil sie auf die Stimme grosser, weiser Menschen hören oder auch aufgrund eines Übermasses an Leiden in ihrem Leben oder infolge der Reinheit von Intelligenz und Herz, so dass der Bereich menschlicher Erfahrung versinkt und sie langsam die Dinge klar zu sehen beginnen. Sie suchen nach höherer Erkenntnis und nach Mitteln und Wegen, wie sie sich bewusst mit dieser zentralen Wirklichkeit in ihrem inneren Wesen verbinden können.

Die Erlösung aus den Begrenzungen des menschlichen Zustandes besteht darin, in unser wahres Wesen, in die Vollkommenheit unseres göttlichen Seins zurückzufinden. Die Fähigkeit, dieser Fessel menschlicher Begrenzungen zu entwachsen, sind im Menschen vorhanden. Da der Mensch in sich selbst das göttliche Sein trägt, sind die Möglichkeiten dieses göttlichen Seins auch die Möglichkeiten des Menschen. Die höheren Fähigkeiten des Bewusstseins, wie z.B. intuitive Erkenntnis, werden als Resultat der Umwandlung und Reinigung der rohen, unreifen Natur automatisch wirksam. Die Fähigkeiten, das Selbst in uns zu erkennen, die Instrumente der Erkenntnis zur Erforschung der Wunder des schöpferischen Seins, sind im Menschen selbst. Sie müssen entfaltet und vermehrt zur Wirkung gebracht werden.

Wir sind das Unendliche, das funktionell an das Endliche gebunden ist. Wir sind das Absolute, das funktionell in den Menschen eingefangen ist. Das Endliche, das Individuum, wird so lange herumgestossen und vor Rätsel gestellt, bis es eine dynamische und beherrschende Erkenntnis seiner ihm wesenseigenen Unendlichkeit, Absolutheit besitzt. Da wir strukturell mit der zeitlosen Welt in Beziehung stehen, ist ein Leben, das in seinen Zielen, seinem Planen und Streben nur auf diese wandelbare, vergängliche Zeit-Raum-Welt beschränkt bleibt, Gefahren ausgesetzt und all seiner grundlegenden Bedeutung, seines eigentlichen Wertes, seines wahren Reichtums und seiner Erfüllung beraubt.

Wenn wir es richtig betrachten, ist das Leben in all seinen Umständen, in seiner Beschaffenheit und mit seinen Einschränkungen eine Gelegenheit, um von Angesicht zu Angesicht die Wahrheit zu erschauen, eine Gelegenheit, den Sieg und die Herrlichkeit des göttlichen Geistes in den materiellen Begrenzungen offenbar werden zu lassen.

Der menschliche Zustand gleicht dem eines Träumenden, der etwa an einem Hochsommertag im Garten eingeschlafen ist. Überall ringsum ist Sonnenlicht, und er träumt, dass er sich irgendwo in einem schrecklichen Wald befindet, wo alles dunkel, wo Nacht ist. Ist es nun wahr, dass überall Nacht ist? In Wahrheit ist überall strahlender Sonnenschein. Wenn jener Mensch sich nun sagen würde: "Es ist überall Sonnenschein", sieht diese Aussage wie eine Verfälschung seiner eigenen Erfahrung aus. Ist sie jedoch tatsächlich vollkommen falsch? Angenommen, diese Behauptung: es ist überall Sonnenschein, wird zur beherrschenden Erfahrung für ihn, so wird der Druck der ihn beherrschenden Traumerfahrung diesen Traum plötzlich abbrechen, und er wird tatsächlich entdecken, dass wahrhaftig überall Sonnenschein herrscht, dass er sich nicht in einem grossen schreckenerregenden Wald, in pechschwarzer Nacht befunden hat.

Genauso ist der menschliche Zustand. Überall ist der Sonnenschein von Gottes Gegenwart und Macht, aber die Menschen sind so völlig in ihre Begrenzungen verloren, dass sie von ihren Träumen eingefangen und durch diese konditioniert sind. Wenn diese unglücklichen, unweisen, unerleuchteten Menschen, die begrenzt sind in ihrer Furchtlosigkeit, in ihrem Glück und ihrer Freiheit, begrenzt in ihrer Weisheit und Erkenntnis, ihrer Macht und ihrem Frieden, die Kunst erlernen, die Gegenwart des göttlichen Sonnenlichtes überall zu bejahen und beständig ihren Geist mit den Wahrheiten nähren, welche die Erleuchteten entdeckt haben, wenn sie ihr Herz mit grossen universalen, kosmisch weiten Gefühlen erfüllen, wenn sie sich beständig edlem, gutem Wirken weihen, wird nach einiger Zeit der begrenzte menschliche Zustand durchbrochen werden.

Einheit und Existenz

Aus der ewigen, transzendentalen Wirklichkeit ging eine schöpferische Kraft hervor, die das Universum zur Existenz brachte. Diese Kraft ist der Schöpfer, Gott, der Vater des Universums. Erkenne die Ursache, und Du wirst die Wirkung erkennen. Erkenne den Schöpfer, und Du wirst die Schöpfung erkennen.

Für die stumpfen Sinne des Menschen ist alles Materie. Sie nehmen nicht die innere Wirklichkeit wahr. Sie lassen sich von äusseren Erscheinungen täuschen. Für jemanden, der wissenschaftlich gebildet ist, ist alles Energie. Wer noch schärfere Wahrnehmungskräfte besitzt, erkennt alles als Intelligenz. Für den aus höchster Vernunft lebenden Menschen, für den wahren Philosophen, für den Weisen ist alles göttliche Realität. Für den, der dem Göttlichen ergeben ist, ist alles die göttliche Gegenwart.

Die Wahrheit der Wahrheiten liegt in der Tatsache, dass überall, was immer wir sehen, was immer wir erfahren, was immer wir fühlen, nichts anderes ist, als nur das Göttliche. Denn das Göttliche ist nicht als ein Objekt einem Objekt gegenüber gegenwärtig, sondern überall die leuchtende, allsehende Gegenwart des Göttlichen "IST". Vom Standpunkt der spirituellen Erfahrung aus gesehen, sind sogar jene Zustände und Dinge, welche dem Göttlichen diametral entgegengesetzt zu sein scheinen, das Göttliche selber. Das Böse, der Irrtum und die Fehler, Unwissenheit, Dunkelheit, Unglück, Leid und Tod, alles, was der Mensch mit "negativ" bezeichnen würde, sind nichts anderes als Nebenwirkungen der Ausdrucksweisen der positiven Eigenschaften des Göttlichen. Wo dann liegt die Quelle von Böse, Unwissenheit, Unglück, Fehler, Leid, Trauer?

Für die allgemeine menschliche Erfahrung gibt es überall Gegensätze in dem geoffenbarten Universum, entgegengesetzte Kräfte, Gegensatzpaare wie Tag und Nacht, Leid und Freude, Hitze und Kälte, hart und weich, weiblich und männlich, gut und böse, Vollkommenheit und Unvollkommenheit. Bei der Elektrizität gibt es positive und negative Pole. Dualität ist ein unvermeidliches Merkmal aller endlichen Phänomene.

Doch betrachten wir beispielsweise eine Kerze. Ist sie gut oder ist sie böse? Mit ihrer Hilfe können wir ein Haus anzünden oder aber ein Epos schreiben, das Millionen Menschen während Jahrtausenden Freude bereitet. So kann man die Kerze also gut, zu gleicher Zeit aber auch böse nennen. Das, was wir mit "gut" bezeichnen, ist immer von etwas begleitet, was wir böse nennen. Es gibt nichts Böses, welches nicht auch irgendeine ausgleichende Eigenschaft von Gutem hat.

Wenn Licht strahlt, gibt es auch Schatten. Könnte sich Licht nicht zum Ausdruck bringen, würde es auch keinen Schatten geben. Es gibt keinen Schatten in der pechschwarzen Nacht. Schatten ist nur sichtbar, wenn sich Licht herausbildet. Wissen, Erkennen, Glück, ewiges Leben, Friede, Schönheit, Vollkommenheit, all das sind charakteristische Eigenschaften des Göttlichen. Wenn sie zu wirken und sich auszudrücken beginnen, entstehen Schatten; sich gegenüberstehende Eigenschaften werden ins Dasein gerufen. Dies ist unausweichlich und wird es immer geben in einer relativen Welt von Zeit, Raum und Kausalität mit ihren Begrenzungen. Wo sich Begrenzungen dem Licht entgegenstellen, verursachen sie Schatten. Nur das Göttliche als solches ist schattenlos. Man kann den Schatten auch mit "Teufel" und das Licht mit "göttlich" bezeichnen. Aber für Gott gibt es keinen Teufel. In dem unendlichen Bewusstsein gibt es keinen Schatten, keine Dunkelheit. Es gibt keine zweite Wesenheit in der Unendlichkeit. Vom Standpunkt der Erfahrung des Göttlichen als dem Unendlichen besteht die Welt nicht aus Unterschiedlichkeiten und der Mannigfaltigkeit der Dinge. Da gibt es nur Eines - das wunderbare, unbeschreibliche, allschöpferische, allschöne göttliche Bewusstsein, welches allein ist, Eines ohne ein Zweites. Materie, Natur oder Welt ist Erscheinung. Die wahre Realität, die Existenz, das Sein oder das göttliche Bewusstsein ist der dynamische Urgrund aller Erscheinung.

Nur jene Menschen, welche sich um Gotterfahrung, um Selbst-Verwirklichung bemühen, wachsen über das Phänomen von Gut und Böse hinaus und überwinden es. Nur ihr Leben ist absolut gut, nur da ist das Böse abwesend. Doch kann das Böse nicht vollkommen überwunden werden, ehe nicht auch das, was gut genannt wird, überwunden ist. Es kann aber weder Gut noch Böse überwunden werden, solange man sie nicht in das transzendiert, was jenseits von Gut und Böse ist, in das, was das unbegrenzte, absolute, unendliche Gute ist, und das ist Gott.

Zu keiner Zeit in der Geschichte der Menschheit waren die wissenschaftlichen Umweltbedingungen zur Wahrnehmung und Erfahrung der höchsten spirituellen Wahrheit so günstig wie heute. Nie zuvor hätte die Menschheit den nötigen Antrieb gefunden, eine kosmisch weite Persönlichkeit und eine kosmische Sichtweise, eine kosmische Vision zu entwickeln. Der Impuls war noch nicht da. In diesem unserem Zeitalter der Astronauten und Kosmonauten liefert der Begriff des Raumes eine schöne Analogie zur besseren Darlegung und zum Verständnis dieser fundamentalen spirituellen Wahrheit.

Der Raum, der namenlos, formlos, substanzlos, farblos ist, umgibt uns und hüllt uns ein, während er gleichzeitig auch in uns ist. Im Raum und durch den Raum sind wir mit allen anderen Menschen und allen Dingen verbunden. Es gibt nur einen Raum, obwohl es der Dinge und Menschen darin viele gibt. Obwohl der Raum als ein Nichts aufgezeigt wird - dennoch: wo ist alles, was wir wahrnehmen, erfahren, fühlen, verstehen, erkennen, wenn nicht im Raum? Alle Himmelskörper, die kosmische Ordnung, alle Formationen und Systeme befinden sich im Raum. Magnetische Wellen, elektrische Wellen und Ströme, jedes nur denkbare Phänomen ist innerhalb des Raumes, und doch ist der Raum in sich selbst nichts. In diesem Nichts ist alles, einschliesslich unserer selbst und unserer Erfahrungen.

So wie es nur einen Raum gibt, ist auch überall nur ein Sein: das göttliche Sein. So wie es nichts gibt, was nicht innerhalb des Raumes wäre, so gibt es auch nichts, was sich nicht innerhalb dieses subtilsten göttlichen Prinzips befände. So wie unser träumendes Bewusstsein aus sich selbst heraus seinen eigenen Raum, seine Wälder, Städte, die wunderbaren Welten, die wir im Traum und im Raum darin sehen, erschafft und entfaltet, so sind alle Welten, die wir durch unsere physischen Augen erblicken, Entfaltungen im Bewusstsein des Göttlichen.

Es gibt nur einen Geist (Spirit) im ganzen Kosmos - den göttlichen Geist. Wir alle befinden uns im Geiste Gottes, im kosmischen Geist. Wir alle sind geformt im Bewusstsein Gottes. Es gibt nur eine Intelligenz, die göttliche Intelligenz, die sich in zahlloser Mannigfaltigkeit ausdrückt. Und die verschiedenen individuellen Intelligenzen sind innerhalb dieser einen Intelligenz. Es gibt nicht viele Bewusstsein, sondern nur Eines, und dieses Eine bringt sich auf verschiedene Art in den verschiedenen Individuen in der Welt zum Ausdruck. Bald wird es als guter, bald als schlechter Mensch bezeichnet, als Frau oder als Mann. Hier wird es Kind genannt, dort wird es als Baum, als ein Stück Eisen bezeichnet, aber immer ist es dasselbe göttliche Bewusstsein. Nichts hat Existenz ausserhalb dieses Bewusstseins. Es durchpulst die ganze Natur. Es befindet sich in allen atmenden Wesen. Es ist im Schlag des Herzens, in der Zirkulation des Blutes, im Ein- und Ausatmen. Es ist in der Macht der Sprache und des Sehvermögens. Überall ist Es, innen und aussen, im ganzen Universum. Es gibt nur die eine, die höchste göttliche Intelligenz, und alle Intelligenzen sind verschiedene Formulierungen derselben Intelligenz in Sich Selbst. Im Mittelpunkt von allem und jedem ist dieses Eine, das göttliche Bewusstsein, das sich zum Ausdruck bringt durch die Blumen als Schönheit und Duft, durch das Leuchten der blinkenden Sterne oder in dem Licht, das mit den Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke bricht. Dasselbe göttliche Bewusstsein, das sich durch das Atom als unbegreifliche Kraft manifestiert, erhält zu gleicher Zeit Millionen von Universen jenseits weiter, unmessbarer Räume und drückt sich zugleich auch als Intelligenz und Liebe durch das Herz des Menschen aus.

So wie das Element Wasser sich sowohl in Form von Flüssigkeit oder Eis, wenn es gefriert, als auch in Form von Dampf, wenn es erwärmt wird, zeigt, so kann sich das göttliche Bewusstsein, welches allein i s t , ebenfalls verdichten und vergröbern und sich auf diese Weise in verschiedenen Graden von Intensität und Licht durch die verschiedenen Daseinsformen in der Welt manifestieren. Diese selben Formen können wieder zurückverwandelt werden in die Seinsweise des göttlichen Bewusstseins, so wie Eis und Dampf wieder zu Wasser werden können.

Das Absolute ist die einzige Realität. Die relativen Dinge, Erfahrungen, Objekte und das Universum, das wir sehen, sind lediglich Wirkungen, und in jedem von ihnen ist das Absolute anwesend. Das Zeitlose ist die wahre Seele und Substanz aller Zeitprozesse. Das Ungesehene und Unsichtbare ist der wahre Erhalter von allem, was sichtbar ist. Wenn wir also ein materielles Objekt sehen und unsere Aufmerksamkeit nur auf die äussere Erscheinung beschränkt ist, sind wir begrenzt, ist unser Wissen falsch, sind wir unwissend. Daher ist auch unsere Erfahrung falsch, wir leiden, sind versklavt und unglücklich. Lasst uns also Erkenntnis gewinnen und die Dinge erkennen, wie sie in sich selbst sind. Da die Existenz, das Bewusstsein in der ganzen Schöpfung, in jedem Menschen oder jedem Wesen dasselbe ist wie die Existenz, das Bewusstsein, das in uns anwesend ist, ist es dem Bewusstsein in uns möglich durchzudringen, mit der ganzen Schöpfung identisch zu werden und direkte und unmittelbare Erkenntnis von allem zu erlangen.

Das Universum, in dem wir leben, ist Gottes Universum. Es ist Gottes Welt von innen und von aussen. In einer unendlichen Anzahl von Arten und Weisen ist Er in ihr gegenwärtig. Das eine, immer gleichbleibende, ruhende, unveränderliche, unwandelbare göttliche Prinzip ist die Grundlage und Quelle der sich immer bewegenden und sich verändernden Faktoren Mensch und Natur. Der ganze Kosmos ist ein Bewusstseinsprozess. Ein Prozess des Einen, das zum Vielen wird. Ein Prozess des Transzendenten, das manifest und immanent wird. Dieses eine göttliche Sein ist die absolute Wahrheit, die letzte transzendentale Realität, die eine unteilbare absolute Existenz.

Wenn wir uns zu höheren Zuständen des kontemplativen Bewusstseins emporentwickeln, wenn unsere Liebe zu Gott überwältigend ist und allen Umständen und Versuchungen, allen Herausforderungen standhält und fortdauert, dann bricht das Licht der inneren göttlichen Seele plötzlich hervor, und wir sehen überall das Königreich des Göttlichen.

Nur durch Selbsterkenntnis erhalten wir Meisterschaft über alles

Wie sehr sich auch geniale Menschen durch rein empirische Methoden um eine vermehrte Erweiterung ihres Wissens über den Kosmos bemühen mögen, sie werden uns nie wahre Einsichten in DAS bringen, was allein die Rätsel der kosmischen Manifestation lösen kann, noch viel weniger aber können sie uns jenes Glück und jenen Frieden geben, welche das Ziel unseres bewussten Lebens sind. Die Erkenntnis des Manifestierten, wie nützlich und wunderbar sie auch sein mag, ist nie wirklich wertvoll, ja sie kann ohne Erkenntnis dessen, das es hervorgebracht hat und erhält, sogar gefährlich werden. Niemals werden wir das Unmanifestierte durch intellektuelle, rationale oder empirische Prozesse erkennen, die ES manifestiert hat. Die Erkenntnis des Unmanifestierten ist nur durch das Wirken solcher Fähigkeiten zu erlangen, die dem Unmanifestierten innewohnen, mit oder auch ohne die Zweckdienlichkeit intellektueller oder rationaler Prozesse. Wir erkennen die Wahrheit durch die Wahrheit und nicht wirklich und wahrhaft durch das, was aus ihr erst entstehen konnte. Wir erkennen das Selbst durch etwas innerhalb des Selbst. Dunkelheit kann niemals das Licht erkennen, es sei denn, sie höre auf, Dunkelheit zu sein, indem sie sich zum Licht erhebt. Wir erfahren Gott wahrhaft nur durch Umwandlung unseres inneren Bewusstseins, indem wir es in das Wesen Gottes hineinverwandeln, denn Gott erkennt Sich Selbst, indem Er Gott ist. Niemals kann der göttliche Geist durch die Wahrheiten der Materie erkannt werden, während die Wahrheit des göttlichen Geistes alles über die Wahrheiten der Materie weiss, weil letztere durch den Ersteren geoffenbart werden.

Darum erkenne das Selbst in Dir, das Selbst in allem, das Selbst im Universum, das immanente und transzendente Selbst, was bedeutet: Erkenne die höchste Gottheit. Erkenntnis des Selbst zu gewinnen ist dasselbe, wie Erkenntnis unseres zutiefst innersten Göttlichen zu erlangen. Durch solch eine Erkenntnis allein wäre uns, in Übereinstimmung mit der biblischen Verheissung, die Herrschaft über Erde und Himmel gegeben.

DAS WESEN DES MENSCHEN UND SEIN PLATZ IM SCHÖPFUNGS-PLAN

,,DAS REICH GOTTES IST IN EUCH!" (Luk. 17,21)

Letztes Ziel menschlicher Existenz

Gott ist die wahre Essenz und der Atem unseres inneren Wesens, Gott ist das höchste Bewusstsein in uns, das göttliche Selbst, ein Bewusstsein, in dem sich alle Schätze des Königreichs Gottes befinden, ja das selbst dieses Königreich ist.

Die Menschen sind kleinwinzige Geschöpfe auf einem wirbelnden Stück Staub, das Erde ist. Doch ist in jedem Menschen ein Prinzip, das in seinen Dimensionen den ganzen Kosmos und Raum transzendiert, ein Prinzip, das das Göttliche Selbst, das Königreich Gottes oder das transzendentale Bewusstsein genannt wird. Welch grosse Torheit wäre es, dieses zu ignorieren, zu vernachlässigen, zu verschlafen und unser Leben in Kleinlichkeit, Minderwertigkeit und mit geringer Kraft zu leben. Welch kolossale Unwissenheit wäre es, unser Leben auf ein beschränktes wissenschaftliches und mechanisches Wissen zu gründen, vollkommen unwissend über die Gottheit, die in uns wohnt, in Dunkelheit umhertappend, total blind für das innere Königreich des göttlichen Selbst in uns, und dabei unsere wahre Stärke und Lebenskraft zu verfehlen. Welche Narrheit wäre es, unserem innersten Sein entfliehen zu wollen! So wie die Stärke eines Zweiges am Baum in seiner integralen Einheit mit dem Baume liegt, so liegt unsere Stärke und unsere Glorie in unserer integralen Einheit mit der Gottheit. So wie die Stärke der Welle im Ozean liegt und nur durch die Einheit mit dem Ozean besteht, genauso verhält es sich mit uns kleinen Wellen in dem weiten, unermesslichen Ozean des unermesslichen Bewusstseins. Unsere Stärke besteht im Suchen nach Verwirklichung unserer ewigen und untrennbaren Identität und Einheit mit dem unendlichen Bewusstseinsmeer, das Gott ist. Wir werden nicht wahrhaft leben, bis wir uns der unendlichen Stärke in der Tiefe unseres Seins bewusst geworden sind: des göttlichen Selbst, des Königreichs des Himmels. Solange wir das Göttliche nicht berührt haben und nicht eine bewusste und dauernde Beziehung mit diesem göttlichen Sein erreicht haben, werden wir nicht über den Tod lachen und über Krankheit hinweggehen können, werden wir nicht in Frieden und in Freude leben können. Darum müssen wir uns der göttlichen Macht bewusst werden, der todlosen Macht, die in unserem Herzen wohnt. Bis dahin sind wir wie ein Kind, das mit einem Holzpferd spielt und in ihm ein wirkliches Pferdchen sieht, während es doch allezeit nichts anderes als ein Stück Holz ist. Genauso sehen wir die Verschiedenheiten, die Gestalten, Namen und Formen in der Welt und halten sie für die Wirklichkeit. Wir spielen mit ihnen als der Wirklichkeit, und darum leiden wir und versäumen, das Holz in ihnen zu erkennen: das Holz des Göttlichen. In unserer Unwissenheit sehen wir nicht die Substanz, sondern wir konzentrieren uns auf die Formen.

Wenn wir wach geworden sind für die wunderbare, alles durchdringende Macht des göttlichen Seins, die insgeheim in allen Formen, Gestalten und Wesen der kosmischen Welt des Werdens wirkt, wird das spirituelle Sein in unserem Inneren seine eigenen, einzigartigen Methoden anwenden und seine eigenen zwingenden und notwendigen Weisen gebrauchen, um zum Selbst-Ausdruck zu erblühen und die innere Essenz aller Formen zu enthüllen.

In jedem Menschen findet das aus sich selbst bestehende Licht des inneren Bewusstseins, dieser in seinem Wirken nie endende, fundamentale, aufwärtsführende spirituelle Prozess, diese Leitung und Führung des ganzen Lebens statt, so lange, bis jede Unterscheidung und Trennung zwischen der Gottheit und dem Selbst des Menschen aufgehoben ist, bis die Gottheit und das Selbst des Menschen bewusst ineinander wohnen, bis das ganze Leben ein Gefäss geworden ist, das den Glanz des Göttlichen in sich trägt.

Darum ist das höchste Ziel menschlicher Existenz hier auf Erden, uns des Göttlichen in uns selbst bewusst zu werden und die bewusste Erfahrung unserer Einheit - unserer untrennbaren Einheit - mit dem göttlichen Sein, diesem höchsten Bewusstsein, diesem Königreich Gottes in uns wiederzugewinnen.

Verschiedene Bewusstseinsebenen des menschlichen Wesens

Der Mensch allein ist das wahre Forschungsobjekt im Universum. In ihm befindet sich ein doppeltes Element: die innere, spirituelle Identität und das äussere, sich verändernde Phänomen. Es gibt verschiedene Schichten in seinem Bewusstsein; verschiedene Bewusstseinsebenen befinden sich in seinem inneren Wesen.

Obwohl er einerseits der Tierwelt angehört und auf der physischen Ebene lebt, ist er doch nicht auf diesen von ihm bewohnten physischen Körper beschränkt. Dass er ein Naturgeschöpf ist, betrifft also nur eine Teiltatsache hinsichtlich seiner ganzen Persönlichkeit. Die physischen Sinne im Menschen sind ständig aktiv, er möchte immer etwas sehen, schmecken, hören, etwas haben. So führen sie die Seele auf chaotische Weise hierhin und dorthin. Durch die Sinne veräusserlicht sich die Seele und vergisst sich selbst. Sie hält irrtümlicherweise ihr Sinnenleben für ihr wahres Leben. Doch grundlegend ist der Mensch eine metaphysische, ontologische Wirklichkeit, ein überbewusstes Sein, eingefangen im Netz der Unwissenheit in bezug auf sein Selbst.

Das psychologische und mentale Wesen des Menschen ist ein unvollkommener Seinszustand, eine vorübergehend bestehende Struktur. Tatsächlich aber ist der Mensch etwas anderes als diese zeitbedingte Struktur. Da die wahre Grundlage allen Denkens das Bewusstsein ist, so ist also Bewusstsein die Voraussetzung aller mentalen Aktivitäten und Funktionen, die Voraussetzung des menschlichen Geistes.

Der Geist oder das Mentalorgan des Menschen ist ein bewusstes Prinzip. Bewusstsein steht hinter ihm, ist in ihm. Doch ist der menschliche Geist äusserst begrenzt, er erschöpft das Ganze des Bewusstseins bei weitem nicht, sondern ist nur eine bruchstückhafte Manifestation des unbegrenzten, weiten Ozeans des dahinterliegenden Bewusstseinsmeeres, eine kleine, matte Widerspiegelung, ein Schatten des inneren göttlichen Bewusstseins. Er ist ein Instrument dessen, was grösser ist als er, nämlich des Selbst.

So wie die physischen Sinne physikalische Gegenstände nur durch die unterstützende Aktivität des Mentalorgans wahrnehmen können, so kann seinerseits das Mentalorgan nur durch das Licht des göttlichen Selbst, des göttlichen Bewusstseins in Wirksamkeit treten. Da ein Verständnis für das Wesen des menschlichen Geistes äusserst wertvoll für den spirituellen Fortschritt ist, wollen wir hier etwas genauer darauf eingehen.

Der "Mind" oder das Mentalorgan selbst ist zusammengesetzt aus bewusstem Geist, der die Grundlage unseres Denkens und Fühlens ist und aus unterbewusstem und unbewusstem Geist. Letztere sind vom bewussten Geist verschieden. Der bewusste Geist steht darüber, steht an der Spitze, doch dringt vom Unbewussten etwas in das Bewusste ein. Das Unbewusste ist von Instinkten, Trieben und Leidenschaften erfüllt. Alle niederen Tendenzen, Erinnerungen, Eindrücke von Millionen von Jahren sind darin aufgespeichert. Es ist das Lagerhaus aller rückständigen Kräfte und Potentialitäten aus vergangenen Seinsweisen und Erfahrungen unseres Wesens, die sich nun durch die verschiedenen Tendenzen in diesem Leben ausdrücken. Bevor dieser Inhalt des Unbewussten nicht ausgeräumt ist, kann es keine Reinheit, keine Selbst-Verwirklichung geben.

Der Geist des Menschen ist ein Prinzip, das in der Welt der Dualität, in Zeit und Raum wirkt. Er ist die Ursache dafür, dass wir uns mit unserem Körper, mit den Dingen in der äusseren Welt identifizieren. Er besteht aus einer endlosen Folge von Gedanken, Einbildungen und Vorstellungen und ist eine irreführende Kraft, eine Kraft der Unwissenheit. Er ist immer eingefangen in die Wahrnehmung von Sinnesobjekten und Sinnesfreuden. Es ist der menschliche Geist, das Gemüt oder Mentaldenken, was veranlasst, dass wir uns schwach fühlen oder die Arbeit schwierig finden, oder was uns denken lässt, der andere liebe uns nicht. Es ist eben dieser Mind oder Geist, der uns misstrauisch macht, voll des Missverstehens und der Klagen sein lässt, voll eingebildeter Furcht, unnötiger Sorgen, Zweifel und Schwierigkeiten. Es ist der Geist, der hundert Gründe für uns schafft, um stolz, eitel, egoistisch, selbstsüchtig, deprimiert zu sein. Es entspricht ganz dem Wesen des Denkens oder Gemüts, von einem Gegenstand zum anderen zu springen, immer mit irgend etwas beschäftigt zu sein, mit dem einen oder anderen Gedanken, dem einen oder anderen Gefühl. Es entspricht seinem Wesen, zu mögen oder nicht zu mögen, abzuwägen, zu betrachten, zu beurteilen, Unterschiede zu machen, Standpunkte einzunehmen, Gegenüberstellungen zu machen, den einen Menschen vor dem anderen zu bevorzugen. Hin- und herzupendeln ist sein Wesen.

Täglich nimmt der menschliche Geist Tausende von Eindrücken in sich auf. Er ist äusserst sensitiv und absorbiert alle Eindrücke, die dem entströmen, was er wahrnimmt oder worüber er nachsinnt. Er sagt, dass diese bestimmte Frucht gut sei, und nimmt diesen Eindruck in sich auf. Er denkt, es schneit, und nimmt diesen Eindruck in sich auf. Was immer er sieht, weiss, fühlt, wahrnimmt, hinterlässt einen Eindruck.

So bewegt sich der Geist des Menschen im Durcheinander von Gedankenbildern wie Freunde, Nahrung, Eifersuchtsgrübeleien, Ärger; er verfällt in Gier und Hass, lässt sich von seinen Gedanken niederdrücken, wird dumpf, stumpf und düster. Dann sind es wieder lichte, fromme Gedanken, er fühlt sich erhoben und inspiriert. Der Geist (mind) identifiziert sich mit all den Gedanken und Eindrücken; der Mensch wird zu dem, woran er denkt.

Auch schöpferische Kräfte befinden sich im Geist des Menschen, die sich besonders bei Dichtern, Philosophen, Wissenschaftlern und anderen genialen Menschen offenbaren. Doch wie brilliant der Geist des Menschen auch sein mag, er bleibt doch Zustand der Begrenzung, in einem unglückseligen Zustand, einem Prinzip der Unwissenheit. Er lässt das Unendliche die Rolle des Endlichen spielen. Er trennt uns los von der unendlichen göttlichen Liebe und lässt uns in kleinen Gefühlen von Liebe oder Hass befangen sein. Er trennt uns von der unendlichen Erkenntnis Gottes und lässt uns ruhelos nach Wissen in der Aussenwelt forschen. Er lässt uns völlig das allsehende, allsegnende Göttliche Ganze voll unendlicher Vollkommenheit vergessen und uns nur der verschiedenen Menschen und Dinge bewusst sein. Er lässt uns das "Bildnis Gottes", das innere göttliche Selbst in uns, mit unserem Körper verwechseln. Wir glauben, unsere Stärke liege in der Stärke des Körpers. Ist der Körper alt und schwach, sind wir bedrückt von dem Gedanken, dass wir alt und schwach sind, während sich doch in Wahrheit in uns, als unser innerstes Sein, die grenzenlose Macht und Stärke des göttlichen Selbst befindet.

Es entspricht dem Wesen des Geistes (mind), den Menschen herabzuziehen, ihn an die Aussenwelt zu ketten, an Namen und Formen zu fesseln und ihn in der Welt von Namen und Formen gefangenzuhalten, so wie es andererseits das Wesen der Seelenkraft ist, ihn emporzuheben und ihm göttliche Schau zu gewähren, ihn zu befähigen, in die eine Essenz in allen Namen und Formen einzudringen.

Diese Seelenkraft innerhalb des psychischen Wesens des Menschen zeigt uns, dass der Mensch wesentlich nicht das ist, was er in seinem Geist (mind), in seinem Gemüt, in seinem menschlichen Herzen zu sein scheint. Er ist viel mehr als das, was in seiner Intelligenz sichtbar wird. Ein äusserst sensitives psychisches System befindet sich in ihm, welches in sich selbst das kosmische Bewusstsein trägt, das höhere, allwissende Prinzip. Es ist der Begegnungsgrund von Göttlichem und Menschlichem in uns. Es ist aus dem Licht des transzendentalen Bewusstseins in uns gebildet und steht in ursächlicher Beziehung zum denkenden Geist und den empirischen Erfahrungen des Menschen. Dieses psychische System trägt in sich selbst eine Anzahl jede Norm übersteigender Kräfte. Es ist die Quelle von Hellsehen, Hellhören, Telepathie etc.

In diesem psychischen Wesen liegt das Geheimnis des Menschen, sein Herz und seine Seele. Daraus kommen alle Bestrebungen, unsere Genialität, unsere Begabungen, Fähigkeiten, unser unsterbliches Suchen und Streben sowie das Verlangen nach Schönheit und die Liebe zur Wahrheit, unser Wunsch nicht zu sterben, sondern Unsterblichkeit zu erfahren, unsere Unzufriedenheit mit allem, was wir besitzen, und die Sehnsucht nach mehr: nach mehr Glück, mehr Frieden, mehr Liebe, mehr Schönheit.

Doch ist die psychische Seele, die individuelle Seele, nicht die höchste Seele - das Selbst - obwohl sie den physischen Tod überdauert. Sie ist nur ein geistiger Mechanismus, in welchem sich unser Bewusstsein, der unterbewusste Geist und alle psychischen Sinne befinden. Sie ist eine Entität in unserem inneren Wesen, auf die unsere äussere Persönlichkeit aufbaut und die die Basis all unserer endlichen Erfahrungen durch den Geist und den Körper ist. Um dieses Zentrum herum sind die verschiedenen Körper angeordnet: der physische, der vitale und der mentale Körper, jener der höheren Intelligenz sowie der allersubtilste: jener der göttlichen Glückseligkeit. Mit anderen Worten, die Seele ist ein Bewusstseinswirbel, in dessen Zentrum unendlicher Friede, Freude, Kraft und Vollkommenheit ist, der sich ins Unendliche erweitern sowie sich auch zu einem infinitesimal-winzigen Punkt zusammenziehen kann.

Der Mensch, so wie tatsächlich jedes Wesen, hat eine Seele, einen Mittelpunkt, in dem etwas vom göttlichen Bewusstsein anwesend ist, und dieser Brennpunkt, Seele genannt, ist wie eine Art Flamme, ist wie ein Licht, unbegrenzbar, allwissend, allvollkommen, göttlich. Das Licht der Seele ist das höhere Selbst, die Gottheit in uns. Es ist das Göttliche. Das Göttliche Selbst ist vom Wesen des Lichtes.

Die Behauptung, dass die Seele eine Art Flamme, also Licht sei, kann auf folgende Art wissenschaftlich bekräftigt werden: Intelligenz ist nur durch Bewusstsein möglich. Wenn wir einen Satz lesen, erfassen wir den Sinn, verstehen wir die Worte und schliessen daraus: Ich verstehe, ich sehe klar. Wahrnehmung und Erfassen ist der Prozess des Verstehens, und Verstehen ist Licht. Alle Wahrnehmung ist nur im Licht möglich. So ist also Intelligenz, ob im guten oder im schlechten Menschen, vom Wesen des Lichtes. Intelligenz und Licht ist ein und dasselbe. Und was ist Bewusstsein anderes als der Ursprung von Intelligenz und darum die Quelle des Lichtes?

Die Seele im Menschen ist eine endliche Gestaltwerdung des Unendlichen. Sie ist das relativ Unsterbliche. Als solche ist sie nicht unsterblich, sondern nur relativ unsterblich. Diese ihre relative Unsterblichkeit oder ihr relatives Ohne-Ende-Sein erlöscht, sobald der Mensch Kontakt mit dem Absoluten, dem Unendlichen hat. In diesem Augenblick verschmilzt der Mensch mit der Erfahrung des Unendlichen. Die Begrenzungen der Seele sowie die Seele selbst sind aufgelöst, und das innere Licht wird eins mit dem Licht des Unendlichen. - Das ist die Erfüllung und Erlösung unseres Lebens, die Erlangung des höchsten und letzten Zieles menschlicher Existenz.

Das wesentliche Sein des Menschen: das Selbst

In jedem Menschen lebt das allwissende, allmächtige Selbst, dessen Wesen Licht ist. Es ist unbegrenzt in seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten. Der Normalmensch ist absolut unwissend hinsichtlich dieses grossen Schatzes in ihm selbst, und darum tastet er suchend im Dunkel einer materiellen Welt, kämpft und ringt um Glück, während zugleich grenzenloses Glück im göttlichen Selbst in seinem Inneren ist. Er ringt um Erkenntnis, während doch immerzu ein allsehendes, all-lichtes, allwissendes Sein in ihm ist. Er kämpft und ringt um Macht in der äusseren Welt, begeht viele Fehler, wird aggressiv und fügt anderen Leid zu, um Macht zu erringen, gewinnt jedoch niemals wirkliche Macht, bis er in sich selbst die Quelle und den Mittelpunkt unendlicher Macht, den unsterblichen göttlichen Geist entdeckt hat.

Während unsere körperliche Verfassung, unser Denken und Fühlen dauernd Veränderungen unterworfen ist, geht das wahre Selbst in uns niemals verloren. Es ist alldurchdringend und doch verschieden von allem. Es ist die Quelle des Identitätsempfindens durch zahllose Umwandlungen hindurch. Es ist die eine Konstante, die in den vielfältigen Aktivitäten im Universum unveränderlich bleibt. Der Körper wurde vor einigen Jahrzehnten geboren und wird einige Jahrzehnte später sterben. Er ist Wachstum und Alter, Krankheit und Tod unterworfen, während das Selbst in uns keinem Alterungsprozess und keiner Krankheit unterliegt. Es ist zeitlos und endlos, allvollkommen und voll Allmacht.

Unser inneres Wesen kann sich vom Körper zurückziehen. Im Traum sind wir vom physischen Körper losgelöst und befinden uns im Traumkörper. Im Tiefschlaf haben wir kein körperliches Gewahrsein. Wir sind da unabhängig vom Körper. Ebenso können wir die körperliche Erfahrung transzendieren, wenn wir in eine künstlerische oder wissenschaftliche Arbeit vertieft sind. Es gibt Zustände des Bewusstseins, in welchen wir deutlich der Tatsache gewahr werden, dass wir nicht der Körper, nicht der Geist (mind), nicht die Gefühle sind.

Wenn unser Körper stirbt, gibt es ein Bewusstsein, einen Zeugen in uns, der beobachtet, wie der Körper stirbt und zu Grabe getragen wird. Was ist dieses alles bezeugende Bewusstsein, dieses Subjekt-Bewusstsein, dieses Ich-Prinzip, das absolut unberührt bleibt vom Tod des physischen Körpers? Es ist das Selbst in uns, das göttliche Sein in uns. Es ist unsterblich und ewig. Dieses muss erkannt, erfahren, verwirklicht werden.

Dieses Selbst in uns, das verschieden von allem ist, das sich von allem unterscheidet, was im allgemeinen unter dem Wort "Selbst" verstanden wird, ist der Atem Gottes, ist das Bildnis Gottes in uns. Es ist nicht der Geist (mind), weder der bewusste Geist noch das Unterbewusstsein, das die unterdrückten und untergetauchten Gedanken, Erfahrungen und Erinnerungen speichert, noch der unbewusste Geist, in dem die ganz tief untergründigen Erinnerungen, Tendenzen, Impulse, Gedanken, Einprägungen lagern.

Der Geist (mind) kann durch das innere Bewusstsein in uns beobachtet werden. Er kann kontrolliert, verändert, umgewandelt werden. Ein schlechter Mensch kann ein besserer Mensch werden, während das Selbst in uns, das Überbewusstsein, keiner solchen Kontrolle unterworfen ist. Das Unbewusste kann verändert werden, nicht aber das Überbewusstsein, das Selbst. Es ist all-vollkommen, all-leuchtend und braucht darum nicht geläutert oder verbessert zu werden. Es ist ja absolut gut und ewig all-rein. Es kann nicht mehr an Wissen erlangen, weil es absolutes Erkennen ist. Es ist unendliche Freiheit und ist der Beobachter und Beherrscher von allem. Es ist die Gottheit in der Unmittelbarkeit unserer inneren Erfahrung. Es ist das allsehende Licht Gottes in uns. Das Selbst sieht den Geist (mind), nicht aber der Geist das Selbst; es sei denn, er hörte auf, er selbst zu sein, indem er durch innere Identität mit dem Selbst zum Selbst wird.

Dieses Selbst in uns steht über der psychologischen Ebene, ohne in unsere geistigen Aktivitäten, in mentale Phänomene einbezogen zu sein. Es nimmt Abstand von ihnen und beobachtet sie. Es ist über dem Geist und jenseits von ihm, hinter den mentalen Aktivitäten. Der Geist (mind) ist ein niederes Prinzip. Obwohl er zum Selbst gehört, ist er von ihm völlig verschieden. Er ist dem Selbst gegenüber äusserlich.

Das zentrale Ich-Bewusstsein, das Selbst, kann die aufsteigenden Gedanken beobachten. Ob die Gedanken gut oder schlecht sind, berührt dieses beobachtende Bewusstsein nicht. Das Selbst in uns ist darum nicht ein Gedankenphänomen. Auch Gefühle und Emotionen ereignen sich ausserhalb des Selbst. Jenes Überbewusstsein in uns, das getrennt ist von den Gefühlen und über diesen steht, auf das Steigen und Fallen der Gefühle und Gedanken herabschaut, ihr Erscheinen und Vergehen beobachtet, jedoch seinerseits von ihnen nicht empfunden noch beobachtet oder wahrgenommen werden kann, ist das Selbst.

Gefühle und Gedanken haben einen Anfang und ein Ende, eine Geburt und einen Tod, während das göttliche Selbst, das göttliche Prinzip in uns geburt- und todlos ist. Es ist der unbeobachtete Beobachter. Es ist der Beobachter sogar auch unseres beobachtenden Bewusstseins, das bezeugende Ich-Bewusstsein und der Ur-Grund all unseres Erkennens und Erfahrens. Es ist all-rein, weil es nicht einbezogen ist in unsere Aktivitäten, unsere Verfehlungen und Unvollkommenheiten. Es ist ewig und göttlich. Dieses unveränderliche Bewusstsein in uns, das immer fortbestehende Selbst, ist das wesentliche Sein des Menschen, das ewige Subjekt. Es ist der Keimboden, dem jeder Akt der Erkenntnis entspringt und der jedes Organ und jede Fähigkeit belebt. Es ist die unvergängliche, unsterbliche Wahrheit in einem vergänglichen, sterblichen Körper. Das Unveränderliche ist die Wahrheit, nicht das Veränderliche. Wahre Erkenntnis ist nur in dem, was seinem Wesen nach unveränderlich ist.

Das höchste unveränderliche Prinzip im Menschen, das göttliche Selbst

Dieses höchste unwandelbare Prinzip in uns beobachtet unser physisches Wesen und kennt das Drama unseres psychologischen Selbst. Es steht über all diesen. Es wird von unseren intellektuellen und rationalen Aktivitäten nicht berührt, sondern ist der Beobachter all dieser Prozesse. Es ist seinem Wesen nach Intelligenz. Es ist die Wahrheit. Es ist der Zeuge aller Erfahrungen und auch deren Ursache. Dennoch ist es von den Erfahrungen, die es verursacht und deren Zeuge es ist, verschieden. Es bleibt unberührt, wenn unser physischer Körper vergeht, jedoch kann niemand und nichts ohne ES existieren. Es ist das höchste, das unbefleckte Prinzip im Menschen.

Nicht was als Gegensatz einem anderen gegenübersteht, ist unser wahres Selbst, sondern DAS, welches Eines ist - ohne eine zweite zeitlose Wirklichkeit - unbeschreiblich, absolut, allvollkommen, eins mit dem Göttlichen. Das sind wir. Das müssen wir erkennen. Erkennen wir es, haben wir keine Befürchtungen und keine Angst mehr, und der Tod hat keine Bedeutung mehr für uns. Das verleiht uns höchste Stärke, höchste Erkenntnis. Das ist die Erfüllung und Erlösung des Lebens. Dieses Selbst ist das "Ich bin" in jedem Menschen.

Wenn unser Geist (mind) still, rein und leuchtend ist, sieht das Selbst, dieses höchste Bewusstsein in uns, Sich Selbst, erkennt Sich Selbst, hat Selbst-Erfahrung, Selbst-Verwirklichung. Selbst-Erkenntnis ist untrennbar von Selbst-Existenz. Es ist die einzige, wahre und direkte Erkenntnis, und alles andere folgt daraus. Es ist die Voraussetzung aller anderen Erkenntnis und die Basis allen Beweises. In allem Gewahrsein ist das Ich inbegriffen. Direkte Erfahrung, unmittelbares intuitives Erfassen ist die letzte Quelle aller Beweise.

Zusammenfassend lässt sich also sagen:

Es ist ein Ich in uns, das egoistisch und persönlich ist, das äussere Ich, das diesen oder jenen Namen trägt und der Erfahrung von Schmerz und Freude, Lob und Tadel, Gut und Böse unterliegt, das verwickelt und miteinbezogen ist in alle Begebenheiten des Lebens und sich mit ihnen identifiziert. Sodann ist da ein anderes Ich, welches das wahre Ich ist, das in nichts einbezogen ist und von allem unberührt bleibt. Das ist unser eigentliches Selbst. Es ist das Licht in unserem Bewusstsein, das Glück in unserer Seele, die Essenz unserer Existenz. Es kann nicht von uns getrennt werden. Wir selbst sind in unserem tiefsten Wesen diese unveränderliche Wirklichkeit, dieser Gott. Nicht einmal der Tod kann uns vom Göttlichen scheiden. Es ist all-rein, ewig, unendliche Freude, Macht, Friede, Erkenntnis, grenzenloses Licht, das Schönheit ist. Dieses Selbst, das Ich in uns existiert seit jeher in Gott, ist in Gott und wird weiterhin in Gott sein. Es ist die wahre "Person" in jedermann. Es ist das fortdauernd Bleibende unseres inneren Bewusstseins. Es ist das innere Gesetz der Identität in uns. Es ist das Ehrfurcht einflössende Ich bin, das in Sich selbst eins seiende und allbewusste Sein im ständigen Wechsel unserer Erfahrungen. Dieses universale Selbst wird aufgrund mentaler Unreinheiten mit dem empirischen Selbst verwechselt.

Unsere Kindheit ist vergangen, unserer Jugend sind wir entwachsen, doch in allen diesen Zeitspannen ist dieses Ich-Bewusstsein gegenwärtig, das nicht altert mit fortschreitendem Alter und sich nicht verändert bei sich ändernden Umständen. Dieses Ich- oder Über-Bewusstsein ist die Grundlage unseres Erkennens von Vergangenheit und Gegenwart. Es ist beständig und unzerstörbar. Es sah den Kosmos ins Dasein treten, und es wird auch das Ende des Kosmos beobachten. Es sieht die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; sie sind das NUN in Ihm. Keine Zeit ist in Ihm, obwohl es alle Ordnungen von Zeit und Raum und alle Aktivitäten in sich trägt. Dies ist das Wunder des zeitlosen Selbst-Schauenden im Menschen. Es ist die Grundlage, auf welcher unser inneres und äusseres Leben aufgebaut ist. Es ist das Prinzip der Selbst-Identität in uns. Darüber hinaus können wir nicht gehen. Es ist das allerletzte Prinzip, das transzendentale Selbst, das transzendentale Bewusstsein. Es ist die absolute Existenz, Erkenntnis, Wonne. Es ist der unendliche schöpferische Bewusstseinsäther, der in sich alle Formen der Zeit, des Raumes und der Energie enthält. Es ist Erfahrung, verschieden von Wahrnehmung oder Vorstellung: Es zu sein bedeutet, es zu erkennen. Es ist das Unbedingte, das Absolute und steht daher über dem Begriff von Dualität und Gegensätzen. Es ist die höchste Gottheit. Dieses transzendentale Bewusstsin ist überall dasselbe. Es ist in allem und ist mehr als alles. Niemand und nichts hat Existenz ohne Es. Sobald das Transzendente im Universum geschaut wird, wird es zum Immanenten.

"Ich bin der ich bin" spricht Gott bzw. das Selbst zu Moses. Und als die Frage nach Seinem Alter aufgeworfen wurde, antwortete Jesus Christus: "Ehe Abraham ward, bin ich". Dieses Ich bin ist und wird immer sein. Es ist formlos, zeitlos, raumlos, ewig, All-Fülle, Selbst-erkennend und all-erkennend, Selbst-bezeugend und all-bezeugend. Es ist das reine, aus Sich Selbst leuchtende, Sich Selbst enthaltende, unsterbliche Prinzip in uns. Es ist das Königreich des Himmels in uns. Darum verlangt jeder, der um Gotterfahrung ringt, auch nach Erfahrung des Selbst, denn das Selbst ist Gott und Gott ist das Selbst.

Zu dieser Erfahrung müssen wir uns empor-entwickeln. Das müssen wir werden. Das ist das Ziel der Evolution.

DER GROSSE UMWANDLUNGS-PROZESS DES MENSCHEN IN DAS GÖTTLICHE

I.

Dem Menschen ist die Fähigkeit zur Selbst-Transzendierung
und Welt-Transzendierung angeboren

Der normale Mensch ist so sehr eingefangen, wird so völlig verschlungen von den empirischen, materiellen, psychologischen und emotionalen Erfahrungen, er verliert sich so sehr in den Begrenzungen des Geistes (mind) und der Sinne, wird von diesen äusseren Erfahrungen so völlig absorbiert und ist daher funktionell getrennt von der inneren Wirklichkeit, dass er nicht erkennt, wie er tatsächlich von innen heraus von dem strahlenden, unendlichen Licht der Schönheit, der Intelligenz, der Weisheit, dem Geist Gottes erhalten wird. Wie die dunklen Wolken die strahlende Sonne verhüllen, so verhüllen die empirischen, psychologischen und psychischen Erfahrungen des Menschen - also seine äussere Persönlichkeit - das strahlende Licht des göttlichen Geistes in seinem Inneren. In diesem Zustand ist er tatsächlich und funktionell abgeschnitten von der Gottheit, von seinem Selbst. Dieser Zustand ist der Zustand der "Sünde", der Unvollkommenheit oder Unwissenheit. Das ganze menschliche Leben ist ein solcher Zustand der Unwissenheit. Daraus ergeben sich die Probleme, Verwirrungen und Rätsel des täglichen Lebens.

Die Befreiung von den Begrenzungen dieses menschlichen Zustandes liegt im Zurückverfolgen unserer Schritte in unsere wesentliche Natur, in die Vollkommenheit unseres göttlichen Wesens, mit anderen Worten: Die Befreiung besteht darin, Kontakt mit dem Göttlichen aufzunehmen, Es zu erkennen, in Ihm zu leben, noch während man auf Erden, in dieser physischen Gestalt lebt und sich bewegt. Die Fähigkeiten, seine Schritte aus diesem Eingefangensein in menschlichen Begrenzungen und Schwächen zurückzulenken, befinden sich im Menschen, und die Erlösung des Menschen liegt in seiner Fähigkeit, sich selbst zu transzendieren. Allein der Mensch in der ganzen Schöpfung erfreut sich dieser Fähigkeit, sich selbst und die Welt zu transzendieren.

Das transzendierende Prinzip in uns ist das Ich-Prinzip. Je mehr wir dieses Ich einzufangen versuchen, desto mehr zieht es sich in den Hintergrund zurück. Wenn wir sagen: Ich bin der Körper, so können wir sofort fragen: Wer sieht den Körper? Da ist etwas, das den Körper sieht. Was ist es? Es ist der Geist (mind), der sieht. Nun versuchen wir den Geist einzufangen. Wollen wir den Geist beobachten, dann hat sich das Ich weiter zurückgezogen und ist Zeuge des Geistes. Das Ich ist demnach nicht der Geist - ist es vielleicht die Seele? Doch das Ich nimmt auch Abstand von der Seele. Die Seele ist also auch äusserlich, wie ein Objekt unter anderen Objekten. Weiter zurücktretend, transzendiert das Ich auch die individuelle Seele. So ist dieser Vorgang eine Kette des Zurückverfolgens.

Die Fähigkeit, vom Geist (mind) und seinen Funktionen, vom Gemüt und vom Körper Abstand zu nehmen, Zeit und Raum zu transzendieren und über dem Zeitprozess zu stehen, ist dem Menschen angeboren. Vernunft ist nur eine der vielen Fähigkeiten, mit denen der Mensch begabt ist. Es befinden sich andere Fähigkeiten des höheren Bewusstseins in ihm, die in Funktion treten, wenn die Vernunft diszipliniert ist, wenn sie geläutert und von all ihren Unvollkommenheiten und Begrenzungen befreit ist; wenn als Ergebnis des Umwandlungsprozesses seiner rohen und niederen Natur durch die Disziplin der Liebe und der Hingabe an höhere Werte und Ideale, innere Reinheit erlangt wird. Dann erst können die Fähigkeiten des höheren Bewusstseins unmittelbar zum Ausdruck kommen.

So wie die Alchimisten Gold machten, indem sie gewisse Metalle zusammen mit besonderen Chemikalien tagelang in einem Schmelztiegel verflüssigten, so taucht das Gold des Göttlichen aus unserem Inneren empor, wenn alles in uns verbrannt, geläutert und verfeinert worden ist. Die innere Natur bedarf grosser, ja enorm grosser Vorbereitungen, haben wir doch die Dunkelheit und den Einfluss von Jahrmillionen gewöhnlichen Lebens hinter uns. Alle niederen Tendenzen unserer Natur müssen emporgehoben, umgewandelt, verändert und in das Licht des Göttlichen verwandelt werden, bevor die höheren Fähigkeiten des Gottbewusstseins zum spontanen Wirken gelangen können.

Das transzendentale Prinzip in uns, das Selbst, ist das Geheimnis unserer Erlösung und unserer Befreiung. Es lässt den Menschen nicht ruhen und mit nichts zufrieden sein in Zeit und Raum. Was des Menschen Seele ersehnt, ist Zeitlosigkeit und Raumlosigkeit.

Dann und wann erheben sich in der menschlichen Geschichte hohe Geister, die den Rückweg zu ihrem eigentlichen Wesen beschritten haben oder beschreiten. Da ist beispielsweise ein Salomo, ein Sokrates, ein Plotinus, ein St. Augustin, ein St. Paulus in der westlichen Welt und eine grosse Zahl von Weisen in der östlichen Welt, die bewusst ein Wissen um die Tatsache erlangten, dass ihr eigentliches Wesen der göttliche Geist ist, der sie formt und erhält.

II.

Einige wesentliche Phasen des Umwandlungsprozesses,
der zur direkten, intuitiven Einheitserfahrung führt

Auf dem Weg des geistigen Fortschritts und der spirituellen Evolution wird vom Menschen eine seltene Willensstärke verlangt. Selbstkontrolle ist erforderlich sowie die Fähigkeit, die Umstände, in denen man lebt, für den Zweck des inneren Wachstums und der inneren Entwicklung zu gebrauchen. Es wird eine völlige Umwandlung des ganzen inneren Wesens, ein inneres Offensein für das Licht des höheren Selbst verlangt. Es ist ein Pfad, der zur ständigen Anwendung der Vernunft aufruft und mahnt, den Geist der Unterscheidung zu üben, um zu erkennen, was wertvoll und was wertlos ist, was wahr und was unwahr, was wesentlich und was unwesentlich, was menschlich und was göttlich ist. Es ist der Pfad, auf dem die menschliche Intelligenz in das universale, alles durchdringende Bewusstsein eingeht und von dessen Licht erhellt wird.

 

1. Überwindung des Geistes (mind): Umwandlung der fundamentalen menschlichen Triebe, Reinigung des Unterbewusstseins und des Unbewussten.

Es gibt besondere Kräfte der Erkenntnis, Fähigkeiten im göttlichen Bewusstsein, welche aus eigenem Antrieb zur Selbst-Manifestation gelangen, wenn die Begrenzungen des Geistes (mind) überschritten, das heisst durch seine totale und radikale Umwandlung überwunden sind, so dass der Geist nicht mehr Geist, das Herz nicht mehr Herz ist im Sinne von Spielplatz irdisch-menschlicher Emotionen wie Zorn, Leidenschaft, Eifersucht, begrenzter Liebe und so fort. Wenn also unser inneres Wesen gereinigt und das Herz erleuchtet ist durch eine grenzenlose Liebe, dann offenbart das göttliche Selbst, das göttliche Bewusstsein im Inneren seine Fähigkeit zu direkter, unmittelbarer intuitiver Erkenntnis.

Um uns rasch zu entwickeln und die letzte Phase des Umwandlungsprozesses zu erreichen, müssen wir aus unserem Leben alles ausschalten, was unwesentlich, nutzlos und eine Behinderung ist. Die Hindernisse für unsere spirituelle Entwicklung sind nicht immer äusserlicher Art. Sie sind oft direkt in uns selbst. Sie steigen auf aus der niederen Natur, aus der menschlichen Natur; darum muss hier die Umwandlung stattfinden.

Während langer Zeiträume unserer Evolution haben wir uns Instinkte, Wünsche, Triebe, Neigungen, Angst, Feindseligkeit, Zorn, die Vorstellung von Sex und dergleichen angeeignet, und diese sind uns sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen. Sie sind im Unbewussten und Unterbewussten gespeichert. Darum müssen wir jetzt darauf bedacht sein, dass unser Gottbewusstsein uns in Fleisch und Blut übergeht, alle unterbewusste und unbewusste Natur aus unserem Wesen entfernt wird und die Kräfte des göttlichen Selbst in unser Leben bringt.

Für eine rasche Umwandlung und eine introspektive Analyse des Geistes (mind) auf dem Weg des Innenmenschen ist ein tieferes Erkennen seines Wesens notwendig, sowohl seiner positiven als auch seiner negativen Aspekte.*** Hier ist das Wissen um das Unbewusste, das uns die moderne Psychologie liefert, wertvoll für den spirituellen Fortschritt, denn die dunklen, gefährlichen Kräfte und Neigungen, die sich im Unbewussten der menschlichen Psyche ansammeln und nach Selbstausdruck suchen, hat die Psychoanalyse und Tiefenpsychologie wiederentdeckt und aufgezeigt, und wer ernsthaft nach göttlicher Vollkommenheit strebt, kommt nicht darum herum, sie voll zur Kenntnis zu nehmen. Es kann auch von einigen Techniken zur Sublimierung der menschlichen Natur, wie sie von einigen der modernen Psychologen dargelegt werden, Gebrauch gemacht werden.

Die Reinigung des Unterbewussten und Unbewussten ist ein langwieriger Prozess, ist aber der Mühe wert, denn wir müssen wachsen, müssen uns entwickeln. Alles in uns muss göttlich, alles innerlich licht werden. All jene Tendenzen und Impulse in uns, die menschlich sind und der niederen psychologischen Natur angehören, müssen sublimiert und umgewandelt werden. Der Boden unserer bewussten Erfahrung wie auch der unter- und unbewussten Determinanten oder Bestimmungen unseres bewussten Verhaltens muss gesäubert und jeder Impuls aus der niederen Natur sublimiert werden. Wenn wir in moralischer Hinsicht wachsen, unsere Instinkte, Impulse und Triebe durch Vernunft beherrschen und lenken, unseren Energien neue Richtung geben und einer höheren Werteskala und höheren Idealen entsprechend leben, befähigen wir uns allmählich, den Geist (mind) zu beherrschen und nicht mehr von ihm beherrscht zu werden.

Jedesmal wenn wir unser Herz weit werden lassen, wenn wir Gefühle der Liebe, des Lichtes, der Vollkommenheit in uns wachrufen und Segen auf alle Natur, auf alle Tiere und die ganze Menschheit strömen lassen, sinken neue Gedanken und Gefühle, neue Kräfte in unser Unterbewusstes. Indem solche Eigenschaften, die man göttlich nennen kann - und somit göttliches Wesen - in uns lebendig werden, findet die Umwandlung statt. Das Unter- und Unbewusste erfährt durch die herabsteigenden Kräfte des überbewussten Geistes eine Umwandlung, so dass Reinheit wächst und neue Erkenntnis aufdämmert, ein neues Wertempfinden entsteht. Was zunächst nur theoretisch, intellektuell verstanden wurde, wird nun zu einer persönlichen inneren Erfahrung. Je mehr sich ein Mensch läutert, verfeinert, umso sensitiver, empfänglicher ist er für höhere Wahrheiten der Existenz und umso offener und durchlässiger für die Erfahrung des Selbst. Ist einmal der menschliche Geist (mind) überwunden, ist man göttlich, denn eben dieses menschlich beschränkte Denken und Fühlen, das wir Geist nennen, ist Ursache menschlicher Gebundenheit, menschlichen Leidens und menschlicher Begrenztheit. Der Mensch ohne diesen Geist (mind) ist Gott Selbst. Allerdings ist es nicht leicht, diese Herrschaft über unser Denken und Fühlen, über unseren Charakter und all unsere angeborenen Eigenarten auszuüben. Dazu bedarf es der Entwicklung hoher Heiligkeit und völliger innerer Reinheit durch Umwandlung des Unter- und Unbewussten und ständiger Erfüllung unseres ganzen Wesens mit dem Licht der Weisheit und einer ständig sich ausweitenden und vertiefenden Liebe, einer wahrhaft göttlichen kosmisch weiten Liebe, die grenzenlos ist. Und, wie gesagt, Reinheit auf allen Ebenen der Persönlichkeit ist dazu unerlässlich.

Der Wert der Reinheit ist überhaupt nicht hoch genug einzuschätzen. Unter wahrer Reinheit verstehen wir nicht nur viele Formen äusserer wie innerer Reinheit, wie sie die Welt versteht, sondern die höchste Form von Reinheit, wie sie sich im Leben der grossen Weisen und Heiligen zeigt: Reinheit des Bewusstseins, eine Reinheit, die durch Loslösung des Bewusstseins aus der materiellen Umwelt und durch ständiges Verwurzeltsein im Göttlichen geboren wird; eine Reinheit, die darin besteht, keinen Eindruck aufzunehmen, sondern nur den einen Eindruck Gottes bestehen zu lassen. Reinheit im tiefsten Sinne des Wortes ist also eine Empfänglichkeit gegenüber Gottes Gegenwart und Macht in enger Verbundenheit damit unter Loslösung von allem, was unsere Sichtweise sonst gefangennimmt und blendet. Reinheit schenkt uns die Bereitschaft, die unendliche Wahrheit und Wirklichkeit zu erfahren. Reinheit ist die höchste und grösste Tugend und gewaltigste Macht der Welt, der Wohnort des Göttlichen. Darum heisst es auch in der Bibel (Mt 5,8): "Gesegnet sind, die reinen Herzens sind, denn sie werden Gott schauen!"

2. Jenseits moralischer Entwicklung

Die moralische Autorität im Menschen ist das Gewissen, die Wahrnehmungs- und Bewusstseinskraft, die das Rechte vom Unrechten unterscheidet, eine Werteskala mit Verhaltenscode aufstellt. Moralische Entwicklung ist die Voraussetzung für geistig-spirituelle Evolution, denn eine Vernunft, die sich ständig von Impulsen, Trieben und flüchtigen Launen unterkriegen lässt, und ein Herz, das nicht geläutert, sondern in das Wirken und den Genuss der Sinne eingefangen ist, sind höheren Wahrheiten gegenüber nicht offen und streben auch nicht nach höheren Werten.

Dennoch muss festgestellt werden: Auch in ethischen Handlungen finden wir noch das Wirken des persönlichen Ego, weshalb moralische Handlungen allein nicht ausreichen, denn wir müssen auch vom Wirken des Ego freiwerden. Unser Interesse muss allein dem Göttlichen gelten. Also darf das ethische Tun und Handeln im Hinblick auf andere nicht als eigentliches Lebensziel betrachtet werden. Auch wenn es gilt, das gute Tun und Wirken für andere stets beizubehalten, müssen wir uns dabei zuallererst des Göttlichen bewusst sein. Dann erst wird mehr als eine ethische Handlung daraus: Aus der ethischen Tat wird dann ein rein geistig-spirituelles Tun, in dem das Ego untergeht und nur noch Gott am Werk ist.

3. Entwicklung der Erkenntnis

Hand in Hand mit der Läuterung des Geistes geht der Erwerb wahrer Erkenntnis. Diese hilft, die Kräfte des Denkens zu entwickeln, zu schärfen, die Unterscheidungsfähigkeit wirksam werden zu lassen. Es trägt zur Beschleunigung des Fortschritts auf dem Pfad der geistigen Höherentwicklung bei, wenn auch die Intelligenz durch Einsicht und Weisheit bereichert wird. Eine direkte, unmittelbare intuitive Erkenntnis der Dinge ist eine natürliche Fähigkeit des Überbewusstseins, des Selbst in uns. Ein begrenzter Sinn, ein in seiner Reichweite begrenztes Erkenntnisinstrument kann jedoch niemals das Unbegrenzte erfahren, und unsere fünf Sinne und unser menschlicher Geist sind begrenzt, können also nur von einer Welt Bericht erstatten, die ihrerseits begrenzt ist. Und es handelt sich hierbei um indirekte Erfahrung, vermittelt durch Sinne und Verstand. Jede Wirklichkeit jenseits der Reichweite der körperlichen und mentalen Sinnesfähigkeiten und Aufnahmeorgane entgeht denn auch unserer Wahrnehmung und Erfahrung.

a) Instrumente der indirekten Erkenntnis: physische Sinne und Fähigkeiten des Geistes (mind)

Auf der physischen Ebene sind die leiblichen Sinne nur zur Erfahrung einer physikalischen Welt befähigt. Unsere Erkenntnis, die durch die Sinne als Instrument erlangt wird, ist wie gesagt indirekt. Wenn unsere Sinne nun Mängel aufweisen, ist auch unsere Erkenntnis über die wahrgenommenen Objekte mangelhaft. Einem Fieberkranken beispielsweise schmeckt ein noch so köstliches Gericht oder Getränk nicht in gleicher Weise wie dem Gesunden. So bringt also ein fehlerhaftes Wahrnehmungsinstrument auch fehlerhaftes Erkennen mit sich, und auch dann, wenn die Sinne vollkommen in Ordnung sind, ist unser Erkennen und Wahrnehmen der Dinge dennoch nur mittelbare Erkenntnis und Wahrnehmung, insofern sie durch die Sinne hindurch, also nicht direkt, erlangt wird, und diese Sinne sind immer begrenzt in ihrer Aufnahmefähigkeit.

Auf der psychologischen und mentalen Ebene ist die gewonnene Erkenntnis ebenfalls indirekt. Verschiedene Denker haben verschiedene Meinungen über das Universum und die Natur des menschlichen Lebens. Relatives Wissen kann durch verschiedene Erkenntnisinstrumente gewonnen werden. Es besteht hier eine Abhängigkeit vom inneren Entwicklungsgrad des Einzelnen sowie von seiner sozialen Umwelt und natürlichen Befähigung. Die Erkenntnis der Aussenwelt sowie unseres eigenen Lebens, Denkens und Fühlens - ob sie nun durch das Wirken der Vernunft oder mittels anderer psychologischer Gegebenheiten wie etwa das empfindende Herz erlangt wird - ist immer indirekt und begrenzt und nicht unter allen Bedingungen universal gültig. Der Geist, der ein Bündel von Gedanken und Eindrücken ist, stellt ein begrenztes Erkenntnisinstrument dar und kann uns nur von einer begrenzten Welt berichten.

Somit sind wir also überall in eine indirekte Erfahrung eingefangen. Unseren Körper sehen wir mit Hilfe des Geistes (mind) und durch unsere Sinne. Unsere Gedanken sehen wir und unsere Gefühle nehmen wir wahr mit Hilfe einer beobachtenden Fähigkeit oder Eigenschaft des Geistes. Von nichts haben wir direkte Erkenntnis.

Um das göttliche Selbst überall zu erfahren, oder um die Welt und die vielen Dinge in ihr so, wie sie in sich selbst, ihrem eigentlichen Wesen nach sind, zu erfahren, erweisen sich die physischen Sinne und Fähigkeiten als wertlos, und ebenso auch unsere psychologischen und mentalen Fähigkeiten. Der Geist des Menschen ist da hilflos, wenn es darum geht, das Antlitz Gottes zu schauen. Wir können das Göttliche nicht auf physikalischer, physischer oder auf psychologischer Ebene erfassen oder begreifen, denn es ist unbegrenzt, absolut, zeitlos, alldurchdringend. Dieses göttliche Sein ist immateriell, nicht-physikalisch; es muss daher auf supramentale Art und Weise erkannt und erfahren werden. In der Bibel heisst es: "Gott ist Geist" - hier natürlich nicht im Sinn von menschlichem Denken und Sinnen, von "mind" - und "die Ihn anbeten, müssen Ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten".

b) Instrumente direkter Erkenntnis: Intuition und Offenbarung

Da unsere Sinne und unser Geist wertlos sind, wenn es darum geht, auf dem Weg zur Selbst-Erfahrung voranzuschreiten, weil wir durch sie nur eine indirekte Erfahrung von allem haben, zwingt uns schon die Vernunft dazu, nach direkter Erkenntnis zu streben, und diese kann nur in Gotterfahrung, in Selbst-Erkenntnis, Selbst-Verwirklichung und nirgends sonst gefunden werden.

So wie das beobachtende mentale Bewusstsein in uns die inneren subjektiven Phänomene beobachten kann, wie etwa das Kommen und Gehen von Gedanken und Gefühlen, so ist ein tieferes Bewusstsein in uns, welches seinerseits das beobachtende mentale Bewusstsein beobachtet, das aber selbst von nichts beobachtet werden kann; und von dem allein haben wir direkte Erfahrung: Es ist die Existenz in uns, und eine Annäherung an diese muss durch die höheren Kräfte des Bewusstseins erfolgen.

Dieses innere, tiefere Bewusstsein, dieses eigentliche Erkennende ist die göttliche Wirklichkeit in der Seele, das 'Ich-bin', die Existenz in uns, das letztlich Erfahrende, das Selbst. Es erfährt durch Sich Selbst. Es erkennt Sich Selbst als seiend. (It knows Itself to be): Das ist direkte, identische, vollkommene, vollendete Erkenntnis. Dazu bedarf es keines Erkenntnisinstrumentes, keines Erkenntnisprozesses. Nur von Gott haben wir direkte Erfahrung. Darum ist das höchste Begehren wahrer Vernunft das Göttliche.

Im Zustand der Selbst-Verwirklichung fallen alle Begrenzungen menschlichen Bewusstseins weg. Wir sind erlöst und befreit in ein grenzenloses Bewusstsein. In diesem Zustand haben wir kein Gefühl für physikalische Zeit und physikalischen Raum, keine Vorstellung von einem Zeit-Raum-Begriff, weder auf mentaler noch auf psychologischer Ebene. Wir leben im ewigen 'Hier und Jetzt' des göttlichen Selbst, dieses letztlichen Erfahrenden, dieses beobachtenden, allbezeugenden Bewusstseins in uns, das ganz und gar Licht ist, ganz und gar Intelligenz, und nicht wie alles andere der Zeit und dem Raum unterliegt, so dass der menschliche Geist darüber auch nichts aussagen kann, weil er nicht dessen Zeuge ist.

Um diesen Zustand zu erreichen, in dem wir durch die höhere Wahrnehmungs- und Unterscheidungskraft uns des inneren Erfahrenden als der Grundlage unseres Wesens bewusst werden, müssen wir uns einer totalen inneren Transformation unterziehen, unsere Sinne zum Schweigen bringen, uns in der grenzenlosen inneren Ruhe verankern und uns bewusst von allem Äusseren wie auch Inneren loslösen. Erst dann kommen die aussergewöhnlichen Erkenntniskräfte des göttlichen Bewusstseins in uns zum Selbstausdruck; erst dann lässt das göttliche Selbst im Inneren seine Fähigkeit zu direkter, unmittelbarer intuitiver Erkenntnis offenbar werden.

Der letzte und absolute Wahrheitsbeweis ist unmittelbares, direktes Verstehen. Weder heilige Schriften noch geistige Führer können uns von aussen her dieses innerste Wissen und die Erfahrung der letzten Realität vermitteln. Diese erlangen wir ausschliesslich durch das innere Selbst in uns, das Sich Selbst erschaut, sobald der menschliche Geist völlig unbewegt, unvoreingenommen und zur Ruhe gekommen ist, wenn er also nur noch Stille und Reinheit ist. Dann kann sich intuitive Erkenntnis offenbaren.

Intuition ist die einzige Methode einer Annäherung an die göttliche Realität, die einzige Methode, um die göttliche Wirklichkeit und letzte Wahrheit zu erfahren. Sie ist der einzige Weg, auf dem das Absolute in seiner Totalität und Integrität erfahren und verwirklicht werden kann. Die endllichen, begrenzten, unvollkommenen Sinne wie auch der Intellekt können ja die Realität, die unsterblich, unendlich, alldurchdringend ist, nicht erfassen. Intuition ist von innen entspringende Erkenntnis, die unmittelbare Erkenntnis des Absoluten, direkte Schau der göttlichen Wirklichkeit, die allem zugrundeliegt. Durch Intuition wird alles klar; alle Zweifel verschwinden gänzlich und vollkommen. Im Gegensatz zu indirekter Erkenntnis ist Intuition unmittelbare Erkenntnis, direkt und integral. Nur durch Intuition ist Selbst-Verwirklichung möglich. Ohne die Entfaltung der Intuition bleiben auch die intellektuellen Fähigkeiten unvollkommen und blind für die Wahrheit hinter allen Erscheinungen.

Zum Unterschied von Vernunft ist Intuition jene Kraft in den höheren Bereichen des Bewusstseins, welche die Wahrheit der Dinge in der Unmittelbarkeit der Erfahrung wahrnimmt, als direkt erfassende Kraft des Überbewusstseins. Den vernunftgemässen Prozess der Beweisführung und Ableitung kann sie uns nicht liefern, und mittelbare Erkenntnis ist hier ausgeschlossen; dafür bringt uns Intuition eine Erkenntnis, die von gar nichts abgeleitet, die nicht-sinnlicher Natur, unmittelbar, innigstvertraut und direkt ist. Während Vernunft bei der Erkenntnisfindung auf Begriffen aufbaut und dann Schlussfolgerungen zieht, erfasst Intuition die Essenz der Dinge in aller Unmittelbarkeit. Vernunft untersucht die Oberfläche der Objekte, analysiert und kategorisiert ihre äussere Natur; Intuition dagegen erfährt das innerste Herz, die Wahrheit der Dinge. Während Vernunft über die Dinge spricht, so wie sie erscheinen, erfasst und erfährt intuitive Erkenntnis direkt das wahre, innerste Leben der Dinge. Sie lässt uns der Dinge gewahrwerden, wie sie in sich, an sich, ihrer wesentlichen Natur nach sind.

Intuition verleiht die volle transzendentale Weisheit; der Intellekt vermittelt ein Wissen um äussere Gegenstände. Intuition ist unfehlbar; der Intellekt erwägt und rätselt, glaubt und wünscht. Intuition ist ein Aufblitzen, eine Erleuchtung; der Intellekt verwickelt sich im Ringen um einen Schimmer von Erkenntnis. Intuition erhebt Zeit zur Ewigkeit, Raum zur Unendlichkeit.

Reine Vernunft führt den Menschen bis ans Tor der Intuition. Intuition widerspricht nie der Vernunft, überschreitet sie jedoch. Intuition ist das Auge der Weisheit, Intellekt das Auge der Welterkenntnis. Das Auge der Intuition öffnet sich, wenn das Herz durch Übung verschiedener geistiger Disziplinen genügend geläutert ist, der Geist bzw. Intellekt und die Sinne ihre Funktion einstellen. In der Intuition bewegt sich das Bewusstsein des Menschen aufwärts, dem Selbst und Seiner Erleuchtung entgegen.

Da Intuition eine direkte, supramentale Erkenntnis des Selbst in der Unmittelbarkeit geistiger Verwirklichung ist, findet hier kein Vernunft- und Denkvorgang statt, keine Funktion des Intellekts, keine Empfindungs- und Sinneserfahrung. Es handelt sich um eine innere spirituelle Erfahrung, die mit Worten nicht annähernd beschrieben werden kann. Worte sind nur Übereinkunft. Da menschliche Sprache unvollkommen ist, kann sie auch die ganzheitliche, unfassbare, transzendentale Erfahrung niemals wiedergeben. Der menschliche Geist und die Sinne bedürfen der Zeit und des Raumes zu ihrer Funktion; die Wirklichkeit aber, die jenseits dieser raumzeitlich-kausalen Ordnung der Dinge liegt, lässt sich nur durch Intuition erfassen und wahrnehmen.

Intuition ist jenseits der Relativität. Die unserem materiehaften Universum innewohnende Seele ist reines Bewusstsein. Das haben die grossen Seher in Ganzheit und Vollkommenheit intuitiv erschaut und der Menschheit das reiche und kostbare Wissen um das Selbst vermittelt. Die Erkenntnis des Göttlichen wäre der Menschheit verlorengegangen, gäbe es nicht Intuition und die Offenbarung durch Weise und Seher. Der Weise erhebt sich in seinem geistigen Höhenflug der Intuition in jene supramentale Region, in der er die göttliche Wirklichkeit oder das Absolute erfährt. Diese überbewusste Erfahrung ist ihrem Wesen nach höchst vital und von lebendiger Kraft durchpulst: gross, sublim, erhaben und tief, durchdringend ist die Erfahrungstotalität der Intuition, von intensivster Wirklichkeit für den Weisen.

c) Liebe - ein weiteres Erkenntnisinstrument

Tausende von Heiligen sind auf unserer Welt erstanden. Meist waren sie ungebildet oder zumindest nicht gelehrt; manchmal konnten sie nicht einmal schreiben. Und doch besassen sie eine gewaltig hohe Erkenntnis, so dass ihre Worte von der Menschheit bewahrt und über lange Zeiten gelesen werden. Diese zeitlose Erkenntnis wurde ihnen durch ihre fast grenzenlose Liebe zuteil. Liebe kann uns jedes Mass an Erkenntnis vermitteln, und sie kann auch übermenschliche Kräfte verleihen.

Liebe ist nicht dasselbe wie menschliche Empfindungen und Gefühle, wenn auch unsere Empfindungen und Regungen mit einem Teil dieser wahren Liebe aufgeladen sein können. Liebe ist vielmehr die wesentliche Natur des Lebens in uns. Liebe ist das Wesen der Wahrheit. Liebe ist überall wirksam, in der ganzen Natur; sogar Magnetismus und gegenseitige Anziehung von Metallen entspringt dem Drang nach Vereinigung und wird von der Macht der Liebe regiert, obschon bei Metallen in sehr rudimentärer Form. Liebe ist eine vereinigende, integrierende Macht, eine harmonisierende Gegenwart, eine umwandelnde Macht.

Die von der Liebe zum Göttlichen geleitete Erkenntnis ist Weisheit, eine Erkenntnis, die der inneren Entwicklung, dem beachtlichen Wachstum in der Güte entspringt, eine Erkenntnis, die aus der Reinheit des Wesens, aus der Demut, aus der Liebe zu allen Wesen und aus Selbstauslöschung und Freisein vom Ego erwächst.

Diese von der Liebe zum Göttlichen abgeleitete Weisheit ist eine Eigenschaft, die zur Synthese drängt. Sie ist eine allumfassende, alles umarmende, alles verstehende und vereinigende Eigenschaft der höchsten Wahrheit. Sie trägt in sich jede nur denkbare göttliche Vorzüglichkeit. Doch wollen wir diese Weisheit nicht mit derjenigen verwechseln, die man aus dem Alltagsleben kennt. Sie ist keine alltägliche Weisheit, sondern die Weisheit des göttlichen Geistes, und die Weisheit des Göttlichen ist das Göttliche Selbst, aus Sich Selbst hervorstrahlend und Sich Selbst erhaltend, die Vernunft der höchsten Wahrheit.

Liebe ist für die spirituelle Evolution wichtigste Voraussetzung. Blosses Suchen nach Erkenntnis genügt nämlich nicht. Alle grossen Wahrheitserkennenden waren notwendigerweise auch Menschen grosser, wahrer Liebe. Alle jene, die Erkenntnis des Unendlichen haben oder hatten, die also das Unendliche erfahren durften, sind oder waren Menschen, deren Herzblut die allumfassende, kosmisch weite, göttliche Liebe ist.

4. Auflösung des Ego

"Nur jener, der seiner selbst entsagt, dringt in die verborgenen Geheimnisse der Herrlichkeit und Unsterblichkeit ein, die in den Tiefen seines Herzens ihren Sitz haben. Einen anderen Weg dorthin gibt es nicht!"

(Mund.-Upanishad und Svet.-Upanishad)

Das Aufgeben des Ego ist der Preis, der uns auf dem Pfad der Selbst-Erkenntnis abverlangt wird. Was ist aber das Ego anderes als ein stark ausgeprägter Sinn der Eigenbetrachtung? Der Mensch zieht sich im allgemeinen so sehr selbst in Betracht, dass er die wahre Grundlage, die wahre Wirklichkeit, die das Göttliche ist, übersieht. Ego ist der Sitz spiritueller Unwissenheit, des Nichterkennens des göttlichen Selbst in uns, welches die eine, einzige Ursache und Grundlage unseres Daseins ist. Dieses Ego ist eine Kraft der Zerteilung, ein Prinzip der Selbstzersplitterung. Solange das Ego besteht, wird auch die Dualität in der Erfahrung fortdauern, wird sich ein Ding dem anderen entgegenstellen, wird die Erfahrung von Problemen und Unterschieden unvermeidlich sein.

Das Ego ist der einzige Wall zwischen Mensch und Gott. Das Ego ist es, das diese Wand aufbaut und die Ursache von Wünschen, Ängsten, Streitigkeiten ist. Es hat tausend hässliche Formen wie Hochmut, Missverstehen, Vorurteil, Überlegenheitskomplex, Minderwertigkeitskomplex u.a. Dieser Wall muss zerbrechen, um Vereinigung mit dem Göttlichen zu erfahren. In einem wahrhaft demütigen Menschen ist das Ego zum Nichts reduziert, der Wall des Ego zerbrochen, und er ist in Einheit mit dem Göttlichen. Ein solcher Mensch ist nicht mehr menschlich, sondern göttlich.

Durch beständiges Nachsinnen über das Wesen des Göttlichen muss unsere Egozentriertheit aufgelöst werden, aufgelöst in grenzenloses göttliches Bewusstsein. Durch den Druck einer beständigen Reflexion über die Gegenwart und das Wesen des Göttlichen steht das Ego unter Kontrolle, ist auf Eines ausgerichtet und wird durchgöttlicht. Der Geist (mind) muss aufhören, Geist zu sein. Wo kein Geist, kein Ego ist, da ist Gott; da gibt es nur Eines: Zeitlosigkeit, Raumlosigkeit und die Vollkommenheit des Königreichs des Himmels. Solange das Ego bestehenbleibt, besteht auch die Erfahrung der Dualität, die Erfahrung der Probleme, der Zweifel und der Schwierigkeiten. Wir sind nirgendwo anders sicher und geborgen ausser in der Gottheit, in dem göttlichen Selbst.

5. Letzte Phase des Umwandlungsprozesses: Geburt der spirituellen Individualität, der göttlichen Individualität

Solange die menschliche Individualität weiterbesteht, begeht der Mensch Fehler, ist er in Erkenntnis, Liebe, Güte begrenzt, ist er dem Wandel und der Erfahrung des Todes unterworfen. Die alte Individualität muss sich auflösen und eine neue Individualität muss geformt werden. Solange wir einen physischen Körper haben und auf Erden leben, ist immer eine Individualität da. Ist einmal die alte Individualität mit ihren Unreinheiten und Begrenzungen zerstört, entsteht sogleich eine neue, eine göttliche Individualität. Was vor sich geht, ist ein Zurückziehen unserer Erfahrung und unseres Bewusstseins vom Körper, vom Geist (mind) und von den Sinnen und ein Sich-Versenken in die Gottheit. Am besten liesse sich dieser Zustand als Selbst-Transzendierung beschreiben: Ein Transzendieren des Körperbewusstseins, ein Transzendieren des mentalen Bewusstseins, ein Transzendieren der Persöndlichkeit, die wir sind, ein Hinausgehen über alles, was die Endlichkeit, die Individualität ausmacht, ein Hinausgehen über die Erfahrungen unserer Individualität. In einem solchen Zustand existiert unser Egoismus nicht mehr, existiert unser niederes Selbst nicht mehr. Die Vorstellung, ein menschliches Wesen zu sein, abgetrennt vom Göttlichen, existiert nicht mehr. Wir leben in einer anderen Erfahrungsdimension: Wir sind im Bewusstsein des Göttlichen.

Dieser Zustand, in dem wir über die sinnliche, physische, materielle Erfahrung hinausgehen, und unser Versunkensein in das Bewusstsein des Göttlichen ist das, was mit "der Tod von dem, was wir sind" bezeichnet wird und mit "die Geburt von dem, was wir sein sollen"; die Geburt all dessen, was die Gottheit in uns ist. Wir sind nicht mehr wir selbst, unser Selbst ist das Gott-Selbst; das Selbst, das herabkam, ist das göttliche Selbst. Gott ist in uns eingetreten und lebt in uns als wir.

III.

Reinkarnation, eine evolutionäre Notwendigkeit

Wie die Erfahrung zeigt, genügt ein einziges Menschenleben nicht, um zur Selbst-Verwirklichung zu gelangen, weshalb die Notwendigkeit weiterer Leben des Bemühens und ständigen Fortschreitens auf dem Pfad der spirituellen Entwicklung besteht, um diesen hohen Bewusstseinszustand zu erreichen. Unser Überleben des physischen Todes und die Reinkarnation sind eine evolutionäre Notwendigkeit, ist doch die Chance zur Selbstverwirklichung das Wesentliche des Menschseins und ein einziges Leben zu kurz, all die Tugenden und edlen Eigenschaften zu entwickeln, derer es zur wahrhaft spirituellen Lebensführung bedarf.

Die Wissenschaft stellt fest, dass es Millionen und Millionen Jahre in Anspruch nahm, bis sich der winzige Einzeller-Organismus zum Tier entwickelte, und die Natur brauchte nochmals Jahrmillionen, um aus dem Tierorganismus den menschlichen Organismus herauszuentwickeln. So kann es vielleicht einige weitere Millionen Jahre dauern, bis sich aus dem heutigen Menschen der Heilige und Gottmensch entwickelt hat. So sind wir also vom Standpunkt der Logik, der Wissenschaft, vom geistig-spirituellen Standpunkt des 'Königreichs Gottes' gesehen, sowie vom okkulten und moralischen, ja fast von jeglichem Standpunkt aus gezwungen, die Tatsache der Wiedergeburt zu akzeptieren.

Manche Menschen sind schon weise und edel geboren, und ihre Erkenntnis überrascht, ihre spontane Güte überwältigt. Obwohl sie kein einziges Buch über spirituelle Wahrheiten gelesen haben, sind ihre Worte voll göttlicher Weisheit. Das sind jene Menschen, die in vergangenen Inkarnationen genügend Fortschritt gemacht haben, denn Fortschritt geht niemals verloren. Alle Weisheit, die wir in diesem Leben erwerben, alle geistigen Bemühungen in diesem Leben, auch wenn sie scheinbar keine grossen Resultate gebracht haben, werden aufbewahrt und werden uns auf unserer nächsten Entwicklungsstufe zugeteilt; sie werden in der inneren Seele, im psychischen Wesen bewahrt. So wie die Sonne, ehe sie hinter dem westlichen Horizont versinkt, gleichsam alle ihre Myriaden Strahlen schnell zusammensammelt und dann der menschlichen Sicht entschwindet, so sammelt die Seele augenblicklich, ehe sie die physische Form verlässt, all ihre Fähigkeiten, Kräfte und inneren Sinne, ihr erworbenes Wissen und die Ergebnisse ihrer Werke und wird für menschliche Augen unsichtbar.

Schicksal ist nichts anderes als das, was wir durch unsere eigenen Gedanken, Gefühle und Bestrebungen erschaffen. Durch unser gegenwärtiges Planen, Handeln, Denken und Fühlen können wir unser Schicksal vorausbestimmen. Schicksal ist etwas, das ständig durch die Gedanken, Bemühungen, Aktivitäten und das Wollen eines Menschen gebildet wird. Schicksal ist nichts anderes als die aus unserem vergangenen Streben, Denken, Fühlen und Tun resultierende Wirkung. Unser gegenwärtiges geistiges Streben ist unsere vorherbestimmbare Zukunft. Bestimmung ist vorangegangenes Wollen.

Das gegenwärtige Geschick oder Karma (Ergebnis von guten und bösen Handlungen der Vergangenheit) und die Vorherbestimmung ist nichts als ein Sichabbilden der Ergebnisse des im vergangenen Leben geübten freien Willens. Es ist begrenzt wirksam, es wirkt nicht bedingungslos. Wenn mit unserem gegenwärtigen Schicksal etwas nicht in Ordnung ist, wenn wir unglücklich sind, so ist das die Folge eines entsprechenden Fehlverhaltens in der Vergangenheit. Um dies zu löschen und seine Auswirkungen zu beseitigen, müssen wir jetzt etwas sehr Gutes, etwas aussergewöhnlich Gutes tun, so dass das nächste Leben uns gute Voraussetzungen und Entfaltungsmöglichkeiten bringt.

In der gleichen Weise gehen auch intellektuelle Fähigkeiten, Vorzüglichkeit des Herzens, spirituelle Erkenntnis nicht verloren, denn auch sie bilden unser zukünftiges Schicksal. Jede Anstrengung, jede Mühe hat ihre guten und segensreichen Auswirkungen. Ungute Handlungen bringen ungute Frucht hervor, und umgekehrt. Geistesgrösse bedeutet also reiche Ernte angesammelter guter Handlungsresultate. Nur Unwissende sprechen von Zufall. Im ganzen Kosmos gibt es keine Zufälle. Es gibt nur Gesetz, und alles geschieht kraft des Gesetzes, und das Gesetz wird durch den Menschen, durch seine Gedanken, Gefühle und Handlungen zur Wirksamkeit gebracht. Was der Mensch dann mit Zufall bezeichnet, ist das, wovon er die Ursache nicht kennt. Manche Gesetze sind offensichtlich, andere sind es nicht; die meisten moralischen und geistigen Gesetze wirken im Verborgenen.

Durch Reinkarnation machen wir tatsächlich Fortschritt. In jedem Leben gewinnt der Mensch etwas an Weisheit und Erkenntnis hinzu. Der Weise versucht, die Zahl seiner Geburten zu verringern, indem er sich in einem einzigen Leben ein Höchstmass an Fortschritt abverlangt und äusserste Güte ausübt. Dieses Gute zerstört Karma, verringert die Zahl der Leben, läutert das Herz und öffnet es für spirituelle Weisheit und für die Erfahrung des höchsten Selbst.

HÖCHSTE ERKENNTNIS IST DIE ERKENNTNIS DES SELBST
I.

Erkenne das göttliche Selbst im Inneren,
erkenne das immanente kosmische Selbst!

Selbst-Erkenntnis ist das Ziel der Evolution des Bewusstseins im Menschen. Jene sind weise und gross in der Seele, die bewusst die innere Existenz, den inneren göttlichen Geist berühren und Kontakt mit Ihm aufnehmen können. Tatsächlich sind alle befähigt, diese innere Existenz zu erfahren. So wie die Fähigkeit zu schlafen allen von uns gegeben ist, ist auch die Fähigkeit zur bewussten Erfahrung dieser inneren Existenz in uns allen angelegt, allerdings muss sie entwickelt werden. Es muss der entsprechende innere Zustand von Intelligenz und Liebe geschaffen werden, damit das ganze innere Wesen durchsichtig wird und die Vollkommenheit des Selbst hindurchleuchten kann. Diese innere Existenz gilt es zu entdecken und ihr Wesen in diesem Leben zum Ausdruck zu bringen, also nicht erst nach dem Tode, sondern jetzt, während wir hier atmen, arbeiten, uns bewegen. In allen Umständen des bewussten Lebens können wir sie erfahren.

Die innere Existenz im Menschen, dieses innere Selbst und das Göttliche sind ein und dasselbe. Das ist es, was Meister Eckhart meint, wenn er sagt: "Willst du den Menschen verstehen, dann verstehe Gott! Willst du die Seele des Menschen ermessen, ermesse sie mit der Seele Gottes!" Wir erkennen das Göttliche, indem wir das Göttliche sind; bis dahin erkennen wir nichts vom Göttlichen, sondern sprechen lediglich darüber.

Wenn unsere Intelligenz eine tiefere Beziehung zu diesem transzendentalen Prinzip gewinnt, finden im Bereich unserer inneren Erfahrung und unseres Bewusstseins zahllose Fähigkeiten ihren Ausdruck. Wir erlangen grenzenlosen Frieden und den nötigen Abstand von den vorübergehenden, den flüchtigen Erfahrungen unseres Lebens; diese Perspektive, dieser innere Abstand befähigen uns, mit den Problemen des Lebens auf rechte Weise umzugehen und fertig zu werden.

Mit dem Halt am Göttlichen Selbst, mit dem Hinausgehen über unser kleines Ego und unsere engen Begrenzungen haben wir einen Stand ausserhalb unserer kleinmenschlichen Individualität gewonnen, der uns die Fähigkeit verleiht, das Leben emporzuheben, umzuwandeln, zu erleuchten, zu vergöttlichen, es zur Erfüllung zu bringen. Wie einst ein Archimedes sagen konnte: "Gebt mir einen Standort ausserhalb der Welt, und ich werde die Welt emporheben!" so kann jeder sagen, der einen Standort ausserhalb der persönlichen Individualität, ausserhalb des Ego und des kleinen Selbst erreicht, indem er einen Teil seines inneren Herzens zum Göttlichen emporhebt oder den besten Teil seiner Intelligenz mit der Gottheit verbindet: "Durch die Gnade des Göttlichen, durch Sein Licht, Seine Stärke und Weisheit bin ich Meister des Lebens!"

Das ganze Menschenleben ändert sein Gesicht, sobald wir die sich immer mehr vertiefende Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit im Inneren gewinnen. Die Umstände mögen nach wie vor dieselben sein, die Umgebung mag dieselbe sein, aber unsere Sichtweise ist nicht mehr dieselbe, und damit unsere Haltung, unser Geist (mind). Das Leben wird jetzt vom Standpunkt des göttlichen Selbst im Inneren gelebt; verwurzelt in der Welt des göttlichen Geistes handelt man in der Materiewelt.

Das grosse Erwachen zur Selbst-Erkenntnis

Was ist Erleuchtung? Eine innere Wahrnehmung, ein lichtvolles Sich-Öffnen der inneren Wahrnehmung. Es gibt ihrer vielerlei Arten: Erleuchtungserfahrungen, die einem Blitz gleichen; sie kommen und gehen. Sie sind nicht von Dauer, und ihr Einfluss auf die ganze Persönlichkeit und das psychologische Wesen des Menschen ist nicht gross. Aus einer Erleuchtung hingegen, die stetig aus dem Inneren kommt, jede Minute und Stunde, jeden Tag, erheben sich Gedanken und Gefühle, die göttlich sind und das Wesen der göttlichen Wirklichkeit für den Betreffenden erhellen. Dieses blosse Innewerden von Wahrheit und Wirklichkeit des Göttlichen ändert das Verhalten des Menschen, sein Bewusstsein, seinen Charakter, seine Bestrebungen, sein ganzes Wesen. Ein solcher Mensch ist von innerem Frieden und innerer Freude erfüllt, von einem Empfinden, in der Gegenwart des Göttlichen zu sein.

Selbst-Verwirklichung ist kein Prozess des Werdens; es ist vielmehr ein reiner Seinszustand (pure Be-ness). Es ist Eintreten in das grosse Königreich der Seligkeit und Schönheit. Wenn ein Suchender plötzlich Gott oder das göttliche Selbst erfährt, so kommt dieses nicht von irgendwoher, sondern das Selbst ist immer da, überall und jederzeit. Der Tag, an dem der Gottsuchende seine erste wunderbare Erfahrung des Selbst hat, ist auch der Tag, an dem sein ganzes Wesen geläutert und somit für diese Erfahrung bereit ist. Der Zeitpunkt, zu dem er die Erfahrung des Selbst hat, ist derjenige, zu dem plötzlich ein Auflodern von Reinheit im Suchenden vor sich geht, und diese Reinheit erschliesst ihm augenblicklich die grosse Gegenwart, die immer war, ist und immer sein wird. Der inneren Schau des reinen Herzens entfalten sich die zeitlosen Wunder Gottes: Plötzlich sind Bewusstsein, Geist und Herz ins grenzenlose Licht göttlicher Vollkommenheit und wahren Glücks hineinbefreit. Alle Verschiedenheiten und Unterscheidungen verschwinden. Alles erscheint als das, was es in Wahrheit ist: das Göttliche.

Erleuchtung bewirkt nicht plötzlich äussere physikalische Veränderungen, sondern entrückt den geistig Strebenden in eine andere Erfahrungsdimension. Die Erfahrung der Wahrheit ist also ein innerer Bewusstseinszustand. Das innere Herz wird von einer Unendlichkeit an Seligkeit ergriffen, das innere Bewusstsein in eine Welt des Friedens und der Vollkommenheit hinein entlassen. Wo immer seine innere Schau sich hinbewegt, erfährt er die Wunder des göttlichen Selbst, des göttlichen Bewusstseins. Er lebt in einem raumlosen, zeitlosen Universum voll endloser göttlicher Kraft und eines Bewusstseins, das voll Glanz erstrahlt und erfüllt ist von unendlicher Schönheit.

Sobald der Suchende von dieser Erfahrung berührt wurde, in der er das göttliche Selbst, die erhabene hohe Wirklichkeit in sich selbst, ringsum und überall erfährt - eine Wirklichkeit, die Intelligenz, Bewusstsein, Friede, Glück, Liebe, Licht, Schönheit, Gnade, Vollkommenheit, unendliche Macht und unbegrenztes Leben zugleich ist, ist er so überaus glücklich, so erleuchtet, so zutiefst in der Wahrheit verankert, dass er, wenn er zurückblickt auf das Leben, dieses wie einen dunklen Traum empfindet! Er lacht jetzt über Besitz, Reichtum, materiellen Komfort, Ruhm - so stumpfsinnig und dumm erscheinen sie ihm! Das ganze irdische Leben mit all seiner Herrlichkeit ist nur ein Traum, eine Illusion, eine Täuschung. Er beginnt befreit zu lachen - er hat unendliche Freiheit erlangt!

Erkenne das Selbst in allem, das Selbst im Universum!

Das hohe spirituelle Leben beginnt erst auf der supramentalen Ebene. Es beginnt erst, wenn man Beziehungen mit der transzendentalen Dimension in allem Offenbargewordenen hat, das heisst, nachdem man kosmisches Bewusstsein erlangt hat. Solange der Mensch an Körper- und Umweltbewusstsein, an die materielle Welt gebunden ist, ist er nicht wahrhaft spirituell, nicht wahrhaft geistig, sondern vom Dualitätsbewusstsein geprägt und geleitet, erfährt er Vielheit statt Einheit, hat er keine Erfahrung des Einen im Vielen.

Wahres spirituelles Leben beginnt auf der kosmischen Ebene. Wenn der Mensch nicht mehr in bezug auf seinen Körper, seinen Namen, seine Stellung, seine Erziehung und Bildung, seinen kulturellen Hintergrund und seine Rasse denkt, sondern in bezug auf das transzendentale Sein in allen Wesen, allen Dingen, überall im Kosmos, dann erkennt, fühlt und erfährt er mit dem Licht der göttlichen Intelligenz in sich, mit demselben Licht, das auch in Sonne und Sternen ist. Er erkennt, dass die sichtbare Schönheit in der Natur und im Kosmos eine Widerspiegelung der Schönheit des Selbst, des göttlichen Geistes in ihm ist. Er erkennt, dass die Macht, die von aussen kommt, um ihn anzugreifen, seine eigene Macht und in ihm selbst ist. Er erkennt, dass der Atem, der in seine Nase einströmt, derselbe ist, der durch die Nase von Billionen Geschöpfen dringt und schon vor Jahrmillionen Menschen belebte. Er erkennt, dass die Liebe im Herzen der ganzen Menschheit und im Herzen der ganzen Natur dieselbe ist wie die Liebe in seinem Herzen. Er erkennt, dass die unwandelbare, ewige, zeitlose Wirklichkeit in ihm selbst, hinter seinem beobachtenden Bewusstsein, in allen Wesen ist. Er hat sich so sehr mit dem göttlichen Geist im ganzen Kosmos, in allen Geschöpfen gross und klein identifiziert, dass er völlig kosmisch denkt, fühlt, handelt, lebt. Er hat kosmisches Bewusstsein erlangt.

Der kosmische Bewusstseinszustand

Kosmisches Bewusstsein ist jener Zustand unseres inneren Bewusstseins, in dem wir unmittelbar erfahren und erkennen:

"Er, der hier im Herzen ist, und Er, der dort in der Sonne ist, ist Einer!"

(Mait. Upanishad)

Wie ist das Göttliche in allen Wesen zugegen? Nicht als eine Zelle unter den Millionen Zellen des Gehirns, sondern als eine subtile Essenz, ohne die keine Zelle Leben hat. Das Göttliche ist in allen Wesen als die subtilste Essenz, die unsichtbare, supra-subtile, allschöpferische Essenz gegenwärtig, die Bewusstsein, Wahrheit, letztlicher Zeuge ist.

Im kosmischen Bewusstseinszustand haben wir die unmittelbare bewusste Erfahrung desselben Bewusstseins, desselben Selbst in allem, das für uns im Kosmos sichtbar ist. In diesem hohen Bewusstseinszustand erfahren wir das göttliche Selbst, das Ich bin, die Wirklichkeit, das göttliche Sein, das die Quelle von allem ist, Grundlage und Kulminationspunkt aller Manifestation. Tatsächlich scheint die ganze Schöpfung um dieses zentrale Ich bin zu kreisen, an dieses schöpferische Prinzip gebunden zu sein. Wie die Planeten um die Sonne, so kreist die ganze Schöpfung um dieses zentrale Ich. Der Baum sagt Ich bin, der Vogel sagt Ich bin, der Stern sagt Ich bin, alles und jedes sagt Ich bin, weil alles IST. Der Ist-Zustand (Is-ness), der Seins-Zustand (Be-ness), das Ich bin sind ein und dasselbe: Existenz. Wo immer wir uns befinden, ob allein oder unter Menschen, wir wissen, dass wir sind. Etwas tief drinnen in uns sagt Ich bin, und das Ich bin in Dir, das Ich bin im Baum, in allen Wesen, ist ein und dasselbe. Es gibt nur e i n Ich bin, und dieses ist die Grundlage aller Erfahrung.

Dass Du bist, ist die erste Tatsache in diesem Selbst-Gewahrsein. In dieser Erkenntnis, dass Du bist, liegt die Wahrheit. In unserem unbedeutenden, vergänglichen Körper, unserem Namen, unserer Ego-Persönlichkeit sind wir verschieden voneinander, sind wir von allem getrennt. Doch das Ich bin in jedermann ist ein und dasselbe. Darin sind wir eins mit allem. Das Ego, das Körperempfinden, der Name, die Form sind Ursache unserer Begrenzungen und Probleme und der Grund allen Unglücks, aller Disharmonie. Der normale Mensch betrachtet sich immer in bezug auf seinen Körper, seinen Besitz, auf das was er an der Oberfläche hat oder nicht hat, zu sein und zu haben scheint. In dieser kleinen menschlichen Persönlichkeit, in diesem Körperbewusstsein ist jeder Mensch ein 'Sünder', losgetrennt von der Wahrheit, die in jedem und allem zugegen ist. Im Ich bin-Bewusstsein sind wir alles, sind wir eins mit der ganzen Schöpfung. Im Ich bin ist Alpha und Omega, im Ich bin ist jeder das Alpha und Omega.

Jener, der - obschon im Körper lebend - voll bewusst in diesem Ich bin-Bewusstsein verwurzelt ist, kann als Weiser, als Mystiker bezeichnet werden. Für ihn, der kosmisches Bewusstsein erlangt hat, ist die ganze Natur durchpulst von diesem Selbst, diesem Ich bin, denn jedes Phänomen birgt in sich selbst die Gegenwart des noumenalen Selbst. Dieses göttliche Selbst oder Sein ist das schöpferische Prinzip, das alles ins Dasein brachte, alle Universen und was sich in ihnen befindet erschuf, und ist daher auch in allem gegenwärtig mit all Seinen Vollkommenheiten.

Jener Mystiker oder Weise erkennt das Ich bin als das All in allem, ungeteilt und ewig, allgegenwärtig, unendlich, das Eine im Vielen - auch dass die Vielen in dem Einen sind. Er weiss auch, dass dieses Eine überall ist, im Stoff, im Raum, in allen Wesen und Dingen. Es allein ist, und obwohl in allem zugegen, ist es doch nicht das Viele, sondern das Eine!

Er weiss, dass nur ein Sein überall ist, das göttliche Sein. Er erkennt die ganze Schöpfung als eine Manifestation der göttlichen Intelligenz in der göttlichen Intelligenz, und überall nimmt er das Wirken dieser göttlichen Intelligenz wahr. Er erkennt sich selbst in seinem innersten Wesen als eine Manifestation und Gestaltwerdung der höchsten Intelligenz, des göttlichen Seins. Er weiss, dass die vielen Dinge, die wir sehen, zeitliche Gestaltungen ein und desselben gestaltlosen göttlichen Seins innerhalb Seiner Selbst sind, dass sie strukturell miteinander verbunden sind. Er erfährt dies, daher kann er sagen: Der ferne Stern ist strukturell mit uns verbunden; ein winziges Tierlein irgendwo im australischen Busch oder in den Meerestiefen steht mit uns in struktureller Beziehung. Der Mond und die Sonne, die Planeten, die Wolken, der Wind, die ganze Menschheit, alles sind Strukturen, die mit uns in Beziehung sind, und wir in Beziehung mit ihnen. Sie alle haben teil an der unendlichen Stille, dem Frieden und schöpferischen Bewusstsein, aus dem auch wir gebildet sind.

Als Beispiel möge der 'Sonnengesang' des heiligen Franziskus von Assisi dienen, um aufzuzeigen, wie stark der Heilige die Einheit in allem erfuhr! Alle Sorgen und Ängste der Menschen, all ihre Schmerzen und Leiden, Freuden und Vergnügungen, all ihr Gutes und Böses sind nur zeitweilige Strukturen, die in ständiger Veränderung begriffen sind. Sie hören auf zu bestehen, sobald man des einen göttlichen Prinzips, des einen unendlichen Geistes, des Selbst in allem gewahr wird.

Erkenne das transzendentale Selbst, das höchste Subjekt!
"Das Selbst ist die absolute Wirklichkeit"

(Svet. Upanishad)

Das Selbst wird transzendental genannt, weil es grösser und weiter als das Universum ist, das ganze Universum transzendiert und dennoch auch im Universum ist. Dieses transzendentale Selbst ist das höchste Subjekt, die Substanz an sich, aus der Zeit und Raum sich bilden. Es ist all das, was erschaffen ist, und dennoch auch etwas, das über alles hinausreicht, also transzendent ist und durch nichts Erschaffenes berührt wird. Es ist unendlich, unbegrenzt, absolut, allvollkommen, über alles schön. Seine unendliche göttliche Intelligenz drückt sich in winzigem Masse durch die Intelligenz des Menschen aus, und Seine unendliche Liebe wird in kleinwinziger Weise im Herzen einer Mutter wirksam. Es ist ein allgegenwärtiges Sein, dessen transzendierendes Wesen überall ist. Es ist eine allwissende Wirklichkeit, deren allsehendes Auge überall ist. Es ist Bewusstsein, das unbegrenzt und allvollkommen ist. Es ist die transzendentale Realität, die Grundlage aller Mächte, Kräfte, Energien im Werden und Bestehen des Universums ist. Es ist der Ursprung aller Formen von Erkenntnis und Wissen. Es ist die unendliche, universale, zeitlose göttliche Wirklichkeit, allwissendes Gewahrsein, das auf alles anspricht, reagiert. Es ist unendliche göttliche Liebe.

Die beste Beschreibung Gottes oder des göttlichen Bewusstseins oder des transzendentalen Selbst ist: Glückseligkeit. Da die Welt durch das Göttliche in Erscheinung trat und von Ihm in Ihm erhalten wird, pulsiert auch jeder Punkt des Raumes in Freude, in unendlicher Freude. Es gibt nichts in dem, was als das Universum in Erscheinung tritt, noch in der transzendentalen Wirklichkeit, wo dieses Glück, diese Freude, diese Seligkeit nicht wäre! Glückseligkeit ist tief in uns selbst vorhanden, ist das höchste Bewusstsein in uns selbst, das wahre Kennzeichen des Bewusstseins, der Existenz in uns! Daher bedeutet das Erkennen des transzendentalen Selbst in unserem Inneren zugleich auch Erlangen höchster Seligkeit.

Der transzendentale Bewusstseinszustand

Kosmisches Bewusstsein ist ein Zustand der göttlichen Erfahrung. Dieser geistige Zustand, in dem wir das immanente Selbst in uns, im Universum, in allen Dingen erfahren, ist seinerseits noch nicht das Höchste. Denn selbst da sind noch zwei Dinge: etwas, das wir mit wir bezeichnen und das sich des inneren Erfahrenden bewusst ist, und der transzendentale Bewusstseinszustand jenseits dieser Erfahrung. Wenn die innere Stille sich vertieft und das Wir sich in diesen Erfahrenden hinein auflöst, dann bestehen wir nur noch als blosser Erfahrender, indem wir zum Erfahrenden werden. Dann erst besteht der transzendentale Bewusstseinszustand, in dem der Meditierende, das Objekt, über das meditiert wird, und der Meditationsvorgang einswerden. In anderen Worten: Es ist das der Zustand, in dem der Erkennende, der Erkenntnisprozess und das Erkannte ein und dasselbe sind. Dann erst haben wir volle Selbst-Verwirklichung. Dann erst gewinnen wir unseren eigentlichen Zustand, leben als unser wahres Selbst! Das ist die vollkommene Erfahrung. In diesem höchsten Bewusstseinszustand ist man im Unendlichen fest verankert. Keine Weltwahrnehmung ist mehr vorhanden, kein Gegenstand, nicht einmal Gott als Schöpfer. Hier sind wir am Kulminationspunkt aller Erkenntnis und allen Lebens, aller Existenz angekommen. Das ist die Wissenschaft der höchsten Wirklichkeit.

Auf dieser Stufe des transzendentalen Bewusstseins werden wir ins Herz und Sein der höchsten Gottheit zurückgeholt und erfahren Einheit mit der Gottheit. Unser Wesen wird eins mit dem Wesen der göttlichen Wirklichkeit. Wir erschauen das Universum mit den Augen des Göttlichen. Wir begegnen in jedem Menschenherzen der Gottheit. Wir werden zur göttlichen Persönlichkeit, die unaufhörlich umwandelndes göttliches Licht ausstrahlt. Alles in uns ist sublimiert und umgewandelt in göttliche Natur und Wesensart. Gottes Sein und Leben beginnt durch uns zu wirken. Wir sind am Ziel der Evolution angelangt.

Diese Art Erfahrung, diese Art von Auflösung der menschlichen Individualität und deren Aufgehen im unendlichen All wurde einigen grössten Mystikern und Weisen gewährt. Einer von ihnen fasst diese Erfahrung in kurzen Worten zusammen: "Sobald ich meine Augen schliesse, höre ich auf, die Welt zu erfahren. Ich ziehe mich in einen kontemplativen Zustand zurück, in dem ich mich wie der Eisberg unter der warmen Sonne in das unendliche All-Ganze auflöse, und es folgt die unbeschreibliche, grenzenlose Freude, mich selbst als das unendliche 'Alles' zu erkennen. Alles ist Ich - Ich bin alles. Nichts ist ausser diesem Ich, dieser unendlichen Wirklichkeit, dem Königreich, dem Selbst, der Seligkeit der höchsten Realität."

Einheitserfahrung, Selbst-Verwirklichung geht in Sekundenschnelle, im Bruchteil eines Augenblicks vor sich. Wenn unser Wesen vorbereitet ist, flammt es plötzlich auf. In dieser Feuererfahrung wird der persönliche Bereich des individuellen Selbst in das universale Selbst, den letztlichen Erfahrenden, aufgebrochen und von diesem, mit dem sich nun das Individuum identifiziert, übernommen. Dieser Erfahrende steht nur für die erste Person Einzahl 'Ich'. Er ist ein Erfahrender ohne ein Erfahrungsobjekt, ohne einen Vorgang der Erfahrung. Er ist völlig in Sich Selbst. Das ist alles. Er ist einfach da, blosse Existenz, reine Existenz. Nichts befindet sich in dieser reinen Existenz, sie ist Eines ohne ein Zweites, unendlich, absolut, ohne Erfahrungsobjekt, und dennoch voll von reinster Seligkeit, Frieden und Schönheit. Er erfährt die Wirklichkeit als Wirklichkeit in der Wirklichkeit und verliert sich in dieser Wirklichkeit - doch nicht im Sinne eines Verlustes, sondern von Absorbiert- und Aufgelöstsein in dieser Wirklichkeit. In dieser Erfahrung ist Bewusstsein in vollkommenster Vereinigung mit 'Existenz'.

Die Seele ist von all ihren Begrenzungen freigeworden und eins mit dem Selbst, mit dem Seher. Da sie zum Selbst geworden ist, kann sie in der Welt auch Individualität annehmen und Werke ausführen, kann die Welt erfahren und in dieser Welt die Erhabenheit, die Grösse, das Licht, das Glück und den Frieden des Selbst zum Ausdruck bringen. Während der Erfahrung selbst hat sie kein Bewusstsein von sich als individueller Wesenheit mit Begrenzungen, sondern da ist nur Bewusstsein vom Selbst als unendliche Individualität. Auch danach besitzt die Seele wohl eine Individualität, aber es ist die unendliche Individualität.

Auf diese Weise bewegt sich ein endliches menschliches Wesen aus der begrenzten Individualität in die unendliche Individualität hinein.

Gotterfahrung, Selbst-Verwirklichung heisst nicht, dass man alles aufgibt, sondern dass man alles gewinnt und sich von allem Positiven in Absolutheit erfüllen lässt. Der Mensch verliert dabei nichts, ausser seine Begrenzungen, und er gewinnt alles. Wenn er nach der Erfahrung des Göttlichen, Unendlichen, des höchsten Subjekts, wieder in die Welt zurückkehrt, um hier zu wirken, lebt er wohl wie andere Menschen auch in Begrenzungen, diese aber bilden kein Karma mehr für ihn. Er ist insofern nicht mehr wie andere Menschen, als auch die Begrenzungen ihn nicht mehr begrenzen. Er ist nicht mehr eingefangen von diesen Begrenzungen, während andere Menschen deren Opfer sind.

Wenn man Erkenntnis des Sehers, des Selbst hat, wird das Leben leicht, indem man es unverkrampft lebt. Vorher ist das Leben mühsam und anstrengend, eine Bürde und Herausforderung, stets problematisch, trotz aller kleinen Annehmlichkeiten. Wenn jedoch das Selbst einmal erfahren worden ist, gibt es kein Problem und keine Schwierigkeit und kein unverständliches Rätsel mehr. Das Leben wird dann von steter, sich selbst erhaltender und aus sich selbst hervorströmender innerer Freude getragen. Es ist dann vollkommen durchlichtet. Tausend Wahrheiten zeigen sich unverhüllt, liegen offen vor uns und erschliessen das Geheimnis von Leben und Bewusstsein. Man beginnt zu verstehen, und das mit einer Gewissheit, die nur durch unmittelbare Erfahrungserkenntnis zu erlangen ist. Wir erkennen, dass die Gottheit, die wir erschauen, nicht nur im Menschen ist, sondern das Göttliche Selbst unser ganzer Erfahrungsbereich ist. Und erkennen heisst hier sein.

So kommt der Weise durch den Hochflug innerer Meditation und Kontemplation zur objektlosen Erfahrung. Der Erfahrende erfährt Sich Selbst als Sich Selbst. Er befindet sich in einem Zustand wesenhafter Existenz (Be-ness), des reinen Seins. Der Erfahrende allein i s t ..

In uralten vedischen Zeiten, Jahrtausende vor dem Heraufdämmern der christlichen Ära, hat eine Hausfrau namens Lopamudra das göttliche Sein verwirklicht, das Selbst erfahren und in der Ekstase ihrer vollkommenen inneren Verwirklichung und Erfahrung in erhebender Sprache unsterblicher Dichtkunst die Worte hervorströmen lassen:

"Ich bin das Zeitlose. Durch meine Macht geschieht es, dass Sonne, Mond und Sterne leuchten. Ich bin es, was das Universum erhält. Ich war vor allen Göttern. Ich bin das Höchste. Ich bin die unsterbliche Existenz. Ich bin Quelle und Mittelpunkt des unendlichen Bewusstseins und der unendlichen Schönheit. Ich bin Ursache und Fortbestand allen Lebens. Durch mich allein denkt jeder Geist und fühlt jedes Herz."

Wie konnte sie höchste Meisterschaft über alles Erschaffene erreichen? Nur durch ihre innige und dynamische Vereinigung, Identität, Einheit mit dem höchsten Vater, dem supramentalen, überkosmischen Selbst, dem einen, unteilbaren und alles in sich enthaltenden absoluten Sein.

Für den modernen Menschen ist es nicht leicht, das zu verstehen, doch wenn er sich ein wenig auf eine höhere Erkenntnisebene erhebt, ist es schon möglich, solche aussergewöhnlichen Aussagen, die aus der Erfahrung innerer Einheit mit der höchsten Gottheit strömen, zu begreifen.

Jene Hausfrau war völlig ins Gottbewusstsein versunken. Noch während sie im physischen Körper lebte, wurde ihr ganzes inneres Bewusstsein eins mit dem unendlichen Vater. Ihr Geist war aufgelöst im unendlichen Licht und in der höchsten Wirklichkeitserkenntnis. Ihr inneres Wesen gelangte zur Einheit mit der unbegrenzbaren absoluten Liebe. Der Tropfen des menschlichen endlichen Wesens, der sie war, hatte sich im unbegrenzten Meer göttlichen Bewusstseins aufgelöst, und einmal aufgelöst in jenem Meer des unbegrenzbaren, zeitlosen, unsterblichen, ewigen höchsten Bewusstseins konnte sie sich ihrer kleinen menschlichen Individualität nicht mehr bewusst sein. Doch fand ihre Unendlichkeit herrlichen Selbstausdruck im täglichen Leben eines Menschen, der von allem begrenzenden, entstellenden, egoistischen Selbstbewusstsein befreit ist. Tod, Krankheit, Begrenzungen irgendwelcher Art waren ihr unbekannt. Ihr Leben wurde zum Lobpreis Gottes, zu einem Gesang auf Gott, gedichtet und gesungen von Gott selbst. In ihr finden wir die Höhen göttlicher Erfahrung, zu der Selbstverwirklichung den geläuterten und erleuchteten, ganz von Frieden und Segen erfüllten Menschen hinführt.

Dieselbe Erfahrung mit anderen Worten

Es lässt sich auch sagen, dass das Selbst der Christus in uns oder der Vater im Himmel in uns ist. Wenn wir bewusst in Christus, im Vater oder im Selbst leben, sind wir unsterblich. Da dieses Christus-Bewusstsein oder göttliche Bewusstsein oder Selbst unbegrenzbar, unendlich und unsterblich ist, sind wir, sobald wir bewusst in unserem ganzen inneren Wesen eins mit Ihm sind, unzerstörbar, zeitlos, raumlos, alldurchdringend, allvollkommen.

In einem Seiner höchsten, gesegneten Augenblicke veranlasste das dynamische Gewahrwerden und die Verwirklichung dieses göttlichen Bewusstseins des Vaters im Himmel Jesus zu sagen: "Ich und der Vater sind eins. Alles, was des Vaters ist, ist mein!" (Joh. 10,30 / 16,15).

In Jesus Christus war das Ego in deutlich erkennbarer Weise abwesend. Er war sich ununterbrochen des 'Vaters' als der Quelle der Weisheit in sich und als das Leben des Lebens im Inneren bewusst. Christus war sich immerzu der grenzenlosen Macht und unmittelbaren Gegenwart des Göttlichen bewusst mit dem Ergebnis, dass des göttlichen Vaters Liebe und Intelligenz, der Geist des Dienens, die Weisheit und Barmherzigkeit, die rettende Gnade sich durch Seine wunderbare Persönlichkeit kundtat. Darum konnte er sagen: "Der Vater, der in mir ist, vollbringt durch mich Seine Werke!" (Joh. 14,10) Jesus hat Seine Identität mit dem Vater bereits erlangt und damit auch die Identität mit dem Vater in allen Wesen. Das ist es, was Er Selbst feststellt, wenn Er den Vater bittet: "So wie du in mir bist und ich in dir, Vater, so sollen auch sie durch uns eins werden!" (Joh. 17,21) In dieser Aussage finden sich zwei Aspekte vor: Zunächst ein klarer Ausdruck Seiner inneren Erfahrung der Einheit mit dem Vater, und sodann das Bedauern, dass die Menschen, die Ihn umgaben, noch nicht in dieser Einheitserfahrung leben. Deshalb besteht die zentrale Aufgabe der Christusoffenbarung auf Erden in dem Bemühen, das Bewusstsein der Menschen zur Erfahrung dieser Identität mit dem Göttlichen emporzuheben.

Wenn der Apostel Paulus sagt: "Wir leben, bewegen uns und haben unser Sein in Gott!" dann ist es die Sprache der Wahrheit, die ewige Sprache, die durch den Geist (Spirit) in uns überall verstanden wird. Es ist eine Erfahrungstatsache, eine Sache der Wahrnehmung, die für sich selbst spricht, allerdings nicht jedermannsErfahrung, denn nicht jeder lebt aus den Tiefen seines wesentlichen Seins und göttlichen Wesensgrundes, sondern die meisten leben an der Oberfläche der äusseren, schwachen, mentalen, psychologischen, physischen, sinnenbefangenen Existenz. Paulus' Gewahrwerden des göttlichen Bewusstseins oder des Selbst oder des Christus in uns liess ihn schreiben: "Ich vermag alles in dem, der mich stärkt!" (Phil. 4,13). Somit war es Paulus möglich, im Christusbewusstsein sein eigenes kleines Selbst zu überwinden und sich zu jener wundervollen Erfahrung zu erheben, wo er sagen konnte: "Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir!" (Gal. 2,20) Paulus hat sich von sich ab- und Christus zugewandt mit dem Ergebnis, dass Christus das kleine Ich des Paulus durch Sein göttliches Selbst ersetzt hat. Wer kann in einem solchen Zustand Christus noch von Paulus unterscheiden? Der Tod des einen, des Begrenzten, brachte das Leben des anderen, des Unbegrenzten zum Wirken. Die zwei wurden das Eine.

Jesus Christus, der geistige Führer der Menschheit, stellt in Sich Selbst die eine wirkliche Bestimmung des Menschen im eigentlichen Sinne und somit das Ziel und Ende aller Evolution dar. Er hat durch Sein Leben und Seine Lehre die exakte Lösung des Dramas der Entfaltung des Menschen im latent vorhandenen höchsten Bewusstsein aufgezeigt und beleuchtet. Der Name und die Worte Christi sind ein Weckruf zur Grösse. Sie laden uns zu dem transzendentalen Leben ein, um in unserer eigenen Existenz die Vollkommenheit des Vaters im Himmel festzuhalten. Dieser Himmel ist das höchste spirituelle Bewusstsein in uns.

Wenn wir uns bei den grossen Mystikern umsehen, stellen wir fest, dass sie alle in ihren Grundaussagen übereinstimmen. Katharina von Genua sagt: "Das Ich in mir ist Gott!" Was bedeutet das anderes als dass der Gott, den der Mensch sucht, in ihm selbst zu finden ist? Augustinus in seinen 'Bekenntnissen' spricht es so aus: "Mein Geist zog seine Gedanken aus der Erfahrung zurück, indem er sich dem widersprüchlichen Gedränge sinnlicher Anschauungsbilder verschloss, um herauszufinden, was das für ein Licht sei, worin er gebadet war. Und so wurde ihm im Aufleuchten eines flüchtigen Augenblicks die Schau Dessen, was ist, zuteil."

Meister Eckhart spricht von der Seele, die "aus sich selbst heraus und in das namenlose Sein hineingezogen wird, in ihren ersten Ursprung, der allein Gott ist". Jakob Böhme, der ein von Gott Berauschter war, geriet einmal in eine innere Ekstase, als er auf ein poliertes Zinngefäss blickte. Es schien ihm, als könne er "in die innerste Seele aller Dinge schauen". So sehen wir also, dass alle Erleuchteten auf der ganzen Welt von derselben inneren Erfahrung sprechen, wenn sie auch aufgrund ihrer unterschiedlichen Tradition mit verschiedenen Worten ausgedrückt wird.

Um das Wesen der Einheitserfahrung besser zu verstehen, sei die Analogie des Tiefschlafs gewählt. In dieser Erfahrung des Tiefschlafzustands gibt es keine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, keine zwei Dinge mehr. Man ist einfach in Schlaf versunken und weiss nichts davon, dass man sich im Tiefschlaf befindet. Wüsste man es, wäre man der Erfahrende und der Tiefschlaf das Erfahrungsobjekt; doch erlebt man den Tiefschlafzustand nicht auf diese Weise. Es ist vielmehr eine Einheitserfahrung, eine objektlose Erfahrung. Aber im Tiefschlaf findet eine Erfahrung von 'Nichtsheit' (nothingness) und nicht eine Erfahrung der Wirklichkeit statt, während im inneren Bewusstsein des Weisen das objektlose Bewusstsein, zu dem er durch tiefe Kontemplation gelangt, eine bewusste Erfahrung ist, die aus der göttlichen Wirklichkeit besteht. Sie ist voll Licht, Frieden, voll jeder nur denkbaren Möglichkeit, Fähigkeit und Macht. Die göttliche Existenz, mit der wir in tiefer Meditation in Berührung kommen, ist dieselbe Existenz, die wir auch im Tiefschlaf berühren, ist dieselbe Grösse und Herrlichkeit, doch sind wir im Tiefschlaf ohne Bewusstheit, und das Bewusstsein ist es, das hier Welten über Welten des Unterschiedes ausmacht.

Wie jeder, der den bewussten Zustand erfährt, auch den unbewussten Schlafzustand erfahren kann, so kann jeder zu jeder Zeit durch kontemplative Übung den überbewussten Zustand erfahren. Dieser überbewusste Zustand ist latent in jedem Menschen vorhanden, und er lässt sich von jedem Menschen auch zu jeder Zeit erfahren, wenn er nur die richtigen Voraussetzungen und Bedingungen schafft. Also muss zugegeben werden, dass beide Zustände, der unbewusste wie der überbewusste Seinszustand, sich latent in uns befinden.

Was geschieht mit unserem Schlafzustand, wenn wir wieder erwachen? Ist er von uns abgetrennt, vollkommen von uns entfernt? Sicherlich nicht. Er ist noch in uns. Er ist nur im Augenblick, als wir uns der äusseren Welt von Zeit und Raum bewusst geworden sind, in den Hintergrund gerückt, latent geworden. Wir können jederzeit wieder in jenen Zustand zurückkehren. Und was geschieht dann mit unserem Wachzustand? Er wird seinerseits latent. Desgleichen der überbewusste Zustand, während wir den bewussten Zustand erfahren, in dem wir die vielen Dinge, Gegenstände, Menschen in Zeit und Raum vorfinden. Wie der unbewusste Schlafzustand ist dieser überbewusste Zustand latent in uns vorhanden und kann also auch verwirklicht werden.

Selbsterkenntnis ist die Grundlage echter Liebe

"Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!" (Mat. 19,119)

Niemand kann behaupten, dass er seinen Nächsten wie sich selbst liebe, es sei denn, er habe Selbst-Erkenntnis und Selbst-Verwirklichung erlangt. Warum sollte ich meinen Nächsten wie mich selbst lieben? Er ist ich selbst, weil tief in seinem Innersten, hinter der Oberfläche seiner Persönlichkeit, hinter seinen äusseren Gegebenheiten, hinter seinem bewussten Geist (mind), hinter seinem Unterbewussten und Unbewussten dasselbe Bewusstseinsprinzip lebt, mit dem ich innigst verbunden bin. Das Bildnis Gottes in ihm ist nicht verschieden von dem Bildnis Gottes in mir. Darin unterscheidet er sich nicht von mir. Das göttliche Selbst in ihm ist nicht verschieden von dem göttlichen Selbst in mir. Körperlich und in seinem physischen Wesen, in seinen Zielen, Bestrebungen und Fähigkeiten mag er völlig verschieden von mir sein. Doch in der spirituellen Dimension ist das Leben des Lebens, das Selbst in ihm und in mir ein und dasselbe.

Den Nächsten zu lieben ist dasselbe, wie das Göttliche in uns zu lieben. Würden wir Opfer von Furcht und Ängsten sein, und bliebe da noch Raum für das Spiel des Hasses in unserem Herzen, wenn wir die gleiche, all-sehende, all-liebende Gottheit in allen Wesen erschauen? Wenn ein Mensch sich seines eigenen inneren göttlichen Selbst in den Herzen aller Wesen, aller Menschheit, aller Natur, in allem Geoffenbarten bewusst ist, wird es ihm dann nicht sehr leicht fallen, seinen Nächsten wie sein eigenes Selbst zu lieben? Diese Erkenntnis ruft in ihm eine grosse Liebe wach, sein innerer Geist ist erfüllt von Liebe und Verehrung für alle Wesen. Wenn das geschieht, wird kosmische Liebe in unserem Herzen geboren. Unser ganzes Verhalten ist dann von echter Liebe getragen, sehen wir doch in uns und in anderen unser göttliches, alles beobachtendes, alles bezeugendes Selbst. Diese echte Liebe, diese innere, liebende Zärtlichkeit erwächst aus der Erkenntnis von Gottes Gegenwart in dem Herzen eines jeden Menschen. Darum muss diese wahre Liebe an den Quellen unseres inneren Wesens und Seins entwickelt werden. Dann haben wir den richtigen Schlüssel für ein besonderes Verständnis der biblischen Aussage: "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst."

II.

Der das Selbst Erkennende, der Weise, ist das höchste Phänomen auf Erden

Die wahren Weisen sind jene, die in allen Umständen das Göttliche erfahren, von nichts beeinflusst werden und über allen Gegensätzen stehen. Ihre innere Stille ist unzerstörbar, ihr Körper ein gefügiges Werkzeug für das Spiel des Göttlichen. Sie sind einsgeworden mit dem Licht in allen Herzen, dem spirituellen, alles transzendierenden Bewusstseinslicht in aller Schöpfung. Obschon vom eigenen Geist (mind) befreit, sind sie keineswegs ohne Vernunft oder ohne Denken und Intelligenz, nur dass diese Vernunft und dieses Denken, diese Intelligenz vom göttlichen Bewusstsein beherrscht sind. Sie sind zu spirituell erwachsenen Menschen geworden.

Der Weise sieht das Göttliche, die anderen sehen nicht, was er sieht. Sie halten ihn für einen Menschen wie jeder andere auch. Während sein Blick anscheinend ins Leere oder auf nichts Bestimmtes gerichtet ist und nach aussenhin auch nichts weiter geschieht, sehen sie nicht, dass er in Wirklichkeit das Göttliche wahrnimmt. Denn ihm ist das Göttliche sichtbar, allen anderen nicht.

Spiritualität ist eine ausgesprochen innerliche Angelegenheit. Sie kann nicht wahrgenommen, sondern muss erfahren werden. Es ist schwierig, den Unterschied zwischen einem normalen Alltagsmenschen und dem grössten Weisen der Welt zu sehen, weil es nach aussenhin keinen gibt. Der Unterschied liegt nicht in der äusseren Erscheinung, sondern im inneren Wesen. Es ist das ärgste Missgeschick dieser Welt, ihre gröss-ten Weisen nicht erkennen zu können, solange sie leben. Äusserlich mag der Weise als dieser oder jener erscheinen, innerlich ist er völlig göttlich im Denken und Fühlen, im Herzen und im Willen, in der ganzen Seele, im ganzen Bewusstsein. Er lebt im Göttlichen, weilt beim Göttlichen, lebt und arbeitet zur Verherrlichung des Göttlichen. Seine Liebe für alle ist kompromisslos und unbedingt. Selbstlose Liebe ist ihm so natürlich wie der Blume zu duften.Sein Leben ist ein ständiges Geben und unablässiges Sichverströmen aus den Quellen der Existenz.

Spiritualität ist ein innerer Bewusstseinszustand, ein Zustand der inneren Seele, in ihrer Erleuchtung und Vollkommenheit. Diese Tatsache macht es möglich, dass man spirituell sein kann, während man schreibt oder kocht, dass man in einem Zustand der Erleuchtung und Gotterfahrung beheimatet sein kann, während man den Boden wischt oder mit Geld umgeht oder badet. In allen Umständen des Lebens kann man innerlich in Gotterfahrung verweilen.

Der Weise, der eine lebendige Erfahrung des zentralen göttlichen Selbst hat, betrachtet die Welt aus der Höhe der göttlichen Schau, also gewissermassen mit den Augen Gottes. Seine unsichtbaren Reaktionen auf Personen und Umwelt sind von denen anderer Menschen vollkommen verschieden. Sein Leben spielt sich in seiner Inwendigkeit ab. Wie seine äussere Lebensform auch aussehen mag, niemand hat den Schlüssel zu seinem inneren Leben, das eingebettet ist ins supramentale Licht des göttlichen Bewusstseins. Was darin vorsichgeht, ist ein grosses Mysterium, was sich dort ereignet, ist ein wahrhaft geistiges Phänomen.

Zeitgenössische Weise sind der Menschheit jeweils zu nahe, um von ihr verstanden und in ganzer Grösse erschaut zu werden. Doch es fehlt zu keiner Zeit an Zeugen für die grosse Wirklichkeit des Göttlichen hier wie dort und überall. Wo immer das Herz eines Weisen ist, sind die Mächte Gottes zugegen und das segnende Wesen des Göttlichen am Werk. Wenn Weisheit ihren Atem auf die Intelligenz eines Menschen haucht, wird er zum Mystiker, zum Superphilosophen, zu einem Menschen, der lebt, was er erkennt, und ist, was er wahrnimmt. Er lebt im Hier und Jetzt, weil die göttliche Wahrheit hier und jetzt ist.

Der die Wahrheit erkennt, sieht alles im Licht der Wahrheit: Was ist eine Frau? Eine Verkörperung der Wahrheit. Was ist ein Mann? Eine Verkörperung der Wahrheit. Was ist der Raum? Der Mond? Verkörperung der Wahrheit. - Das ist die Grundlage seiner Erfahrung, und von dieser aus weiss er dann um Frau, Mann, Mond. Sein Standort ist in der Wahrheit. Das ist seine Stärke und sein Licht. Aus dieser Hintergrunderfahrung heraus, mit dieser Wahrnehmung im Hintergrund befasst er sich mit allem, und so ist er in Harmonie mit sich selbst und ein Friede in sich selbst. Er ist wandelnde Weisheit, lebende Liebe, sich zum Ausdruck bringender Gottesfriede, sich ständig weitende Erkenntnis. Er hat die rechte Sicht- und Auffassungsweise und ist somit fähig, die Rätsel des Lebens zu lösen.

Der Weise sieht Leben und Welt im Licht der höchsten Wirklichkeit, erkennt sie als Gebilde des Lichtes im unendlichen Licht, als Substanz der unendlichen Glückseligkeit in der unendlichen Glückseligkeit. Der Weise ist im Einklang mit der grenzenlosen Seligkeit des inneren göttlichen Geistes. Er ist erfüllt von dieser Glückseligkeit, ein Fürst des Friedens. Wenn ihm, wie einst dem Sokrates, sein Todesurteil überbracht wird, kann er sagen: "Was tut's, der Körper mag gehen! Die Existenz in mir ist unzerstörbar und unendliche Seligkeit. Mit ihr bin ich eins. Sie ist meine Sicherheit. Ich bin befreit und fürchte mich nicht!" So ist der Weise Herr über den Tod, weil er weiss, dass die seinem Wesen innewohnende Intelligenz zur Einheit mit der Wahrheit geworden und dass Wahrheit unzerstörbar ist. Der Tod ist nur eine Erscheinung, ein Übergang, der ohne grosse Bedeutung ist. Er hat bewusst die Erfahrung der Unsterblichkeit.

Willst du das Wesen des Göttlichen wahrhaft erkennen, dann geschieht das nicht durch Lesen geistiger Schriften, sondern dadurch, dass Du in der Lage bist, ins göttliche Wesen und den Geist eines wirklich spirituellen Menschen einzudringen. Da siehst Du den lebendigen Gott, das Wesen des Göttlichen widergespiegelt. Die unsichtbare Wahrheit wird sichtbar in seiner Gegenwart; die unpersönliche, zeitlos-absolute Wahrheit wird in seiner Gegenwart persönlich. Er ist Bote des göttlichen Geistes in einer Welt der Materie. In ihm hat der Evolutionsprozess der Natur sich vollzogen, erfüllt, hat Ziel und Ende gefunden.

Der geistige Lehrer

Die geistigen Lehrer haben sich nicht selbst zu solchen ernannt, noch werden sie von den Menschen zu solchen gemacht. Sie sind Manifestationen der Gnade und Liebe Gottes für die Menschheit. Das Göttliche wirkt nicht unpersönlich von irgendwoher im Himmel, sondern arbeitet durch Seine eigenen erleuchteten Seelen. In ihnen ist ES aktiv, sehend, hörend, wirksam am Werk, lebend und atmend.

Diese Grossen des Gottbewusstseins überzeugen die Menschheit durch Liebe, Güte und Licht. Sie werden deshalb Meister genannt, doch im Tun und Handeln sind sie Diener aller. Sie lehren durch ihr eigenes Beispiel, sie wandeln durch die Schönheit und das Vorbild ihres eigenen Lebens andere um. Sie sprechen aus, was sie sind, damit die Menschheit das sein möge, was sie noch nicht ist, aber gerne sein möchte. Ihre Hilfe und Führung, ihre Liebe ist zum Wachstum des inneren Geistes (mind), des Herzens, der Seele, des Bewusstseins unerlässlich. Ein Blick, eine Berührung, ein Wort von ihnen genügt, um die Seele des geistig Suchenden emporzuheben. Doch ist in Gegenwart eines Meisters die Frage nicht die, wieviel er geben, sondern wieviel der andere von ihm annehmen kann.

Wahre geistige Lehrer sind Quelle erleuchtender Ideen, inspirierender Gedanken, erhebender Ideale und umwandelnder Übungen. Wie Kopernikus unsere Vorstellung von der Erde völlig umgestaltete, so gestalten wahre geistige Lehrer menschliche Vorstellungen und Sichtweisen über das Leben um. Sie lassen die Wirklichkeit offenbar werden, lösen das Dunkel der Unwissenheit auf, das Ursache allen menschlichen Irrtums und Unglücklichseins ist. Sie befreien von entstellenden Leidenschaften und gewähren uns die Freude, die Schönheit des Göttlichen hier und allerorts wahrzunehmen. Sie sprengen unsere allzu engen Denkhorizonte, damit wir eine uneingeschränkte wahre Sicht gewinnen. Sie heben den menschlichen Geist empor auf die Höhen spiritueller Schau. Sie gewähren dem menschlichen Herzen einen Vorgeschmack göttlicher Liebe und offenbaren auf Erden etwas vom göttlichen Wesen, das sie in sich tragen. Im Selbstausdruck ihres inneren Lebens und ihrer Seele, aus ihren Gedanken lässt sich die allerhabene Schönheit göttlicher Qualitäten erahnen. Ein kleinwenig Einblick in ihr Leben genügt schon, um etwas von der Wirklichkeit und dem Wesen des Göttlichen zu erfassen. Das Licht, das sie sind, weckt in der Intelligenz der suchenden Menschheit den Drang nach Erkenntnis der wahren Natur des unvergänglichen Hintergrundes allen Daseins.

Diese grossen geistigen Lehrer verkörpern in sich das Licht des göttlichen Bewusstseins, das voll und ganz offenbar wird. Sie übermitteln der Menschheit Methoden, durch die sie selbst Gott erfahren haben, durch lange Zeiten hindurch erprobte universal und ewig gültige Techniken, die zu dem hohen geistigen Ziel führen, und sie geben auch den Segen ihrer Anstrengungen und Erfolge auf dem Pfad spiritueller Evolution weiter. Sie erweisen den Menschen, die in geistiger Unwissenheit leben, wie auch jenen, die schon nach Vollkommenheit streben, aber noch in die Begrenzungen durch die Sinne, den menschlichen Geist und Körper eingefangen sind, eine grenzenlose, allumfassende und alles umwandelnde Liebe. Sie hüllen sie ein in ihre wahrhaft kosmisch weite göttliche Liebe, eine Liebe, die nicht in menschlicher Zuneigung befangen ist, sondern die umwandelt, ohne zu berühren, die wir fühlen, ohne dass sie sich auszudrücken braucht, eine Liebe, die auch dann nicht unterbrochen wird, wenn wir uns gegen sie wenden, eine Liebe, die ewig, zeitlos, eins mit Gott ist und sich bedingungslos verströmt.

Der geistige Lehrer wird zu einem Instrument, um mit geeigneten Methoden die innere Erkenntnis aus dem Schüler hervorzuholen. Aber selbst die Natur dieses Vorgangs, Erkenntnis hervorzuholen, hängt von der geistigen Reife des Schülers ab. Der Lehrer verkörpert die Stimme der grenzenlosen Vollkommenheit im Schüler, die nach Selbstausdruck verlangt. Das Licht muss aus dem Inneren des Schülers kommen. Der äussere Meister wird ihm dabei helfen, dieses Licht hervorzuholen, es hell aufleuchten zu lassen, doch die Arbeit muss der Schüler leisten, das innere Wachstum und die Entwicklung hängt vom Schüler ab. Das göttliche Licht im Schüler ist der wahre Meister, das sich im lebenden Meister widerspiegelt.

Der Lehrer ist der Kanal, durch den die Gnade des Göttlichen fliesst. Das Göttliche wird sichtbar und wirkt fühlbar durch den Meister. Die Übergabe des Schülers an den Lehrer ist in Wahrheit der Versuch der individuellen Seele, in das universale Selbst einzugehen. Diese Übergabe ist ein völliges Überlassen des persönlichen Selbst in die Obhut des Meisters. Die Aufgabe des Schülers ist es also, die Anweisungen des Lehrers zu befolgen und diese heilige Beziehung zwischen sich und dem Lehrer nicht durch den Gebrauch seines ungeübten und unerfahrenen Intellekts zu beeinträchtigen. Das Wort des Meisters ist das Gesetz Gottes im Hinblick auf den Schüler. Ob die Gnade des Meisters dem Schüler früher oder später entgegenkommt, hängt davon ab, in welchem Mass der Schüler sein persönliches Selbst übergeben hat. Denn obwohl Gott überall ist, kann Seine Gegenwart doch nicht von jenem empfunden werden, dem noch nicht die nötige Stärke und Reife erwachsen ist, durch die allein man göttliche Erfahrung erlangt.

Der geistige Lehrer hat kein persönliches Selbst. Auch wenn man ihm die ganze Welt schenken würde, wäre es nutzlos für ihn, und selbst wenn man ihm alle Vergnügungen, alle Freuden und allen Luxus der Welt überreichen würde, könnte das seinem unendlichen Glück nichts hinzufügen. Denn sein Friede, seine Stärke, seine Vollkommenheit sind im Göttlichen verankert und unabhängig von dem, was aussen ist, wie Welt, Geist (mind) und Körper.

Um von der Gnade des Lehrers vollen Nutzen zu haben, braucht es ein Herz, das völlig leer, völlig von allem Verlangen gereinigt ist. Jene, die noch keinem solchen geistigen Lehrer begegnet sind, können aus Büchern erleuchteter Menschen so viel Licht wie möglich herausholen, um sich vorzubereiten. Es wird ihnen dann die Führung aus dem Licht und der Liebe, die Gott in ihnen ist, zuteil werden. Jeder Mensch trägt ja in seiner Seele den Schlüssel zum himmlischen Königreich, und in dem Masse, in dem er auf die göttliche Gegenwart anspricht und für sie empfänglich wird, ist er befähigt, diesen inneren Schlüssel zu gebrauchen.

Das Wesen der Vorgänge im spirituellen Bereich ist ein grosses Mysterium, das das menschliche Verstehen übersteigt. Man kann also nichts darüber sagen, wie sie geschehen und was sie bedeuten oder andeuten wollen, es sei denn, man habe die erhabenen geistigen Höhen erreicht und die Wahrheit im eigenen Bewusstsein unmittelbar erfasst,

Es gibt nur einen Geist, eine Intelligenz, ein Bewusstsein im Universum. Es ist überall und vollbringt Millionen verschiedener Dinge zu gleicher Zeit und an Millionen verschiedenen Orten. Es wirkt durch alles. Es wirkt durch Dich. Wenn Du ein Anliegen hast, wenn Dein Herz Antwort auf eine bestimmte Frage sucht, dann sieht dieser göttliche Geist schon im voraus, was Du suchst, und weiss, wo die Antwort zu finden ist, und wird Dich, ohne dass Du es merkst, veranlassen, ein bestimmtes Buch zur Hand zu nehmen und eine bestimmte Seite umzuwenden, wo sich der Abschnitt befindet, der die Antwort auf Deine Fragen enthält. Oder Er veranlasst jemanden, etwas zu sagen, was sich gar nicht auf Dich bezieht, sondern jemand anderen betrifft, was aber die Antwort auf Deine Frage enthält. Es ist ein wunderbares Wirken der Seele im Universum, der Seele, die in Deinem Herzen wohnt. Das hat nichts mit dem zu tun, was wir Gewissen oder besseres Urteil nennen, sondern es ist ein direktes Wirken an der Oberfläche der inneren allwissenden Seele in Dir.

Wie soll man dieses innere Licht nun veranlassen, die rechte Führung zu geben? Dies geschieht, indem man immer ernst und aufrichtig auf Gott vertraut und sich ständig Gott ausliefert, ständig zu Gott um Führung betet und bestrebt ist, die Gegenwart Gottes zu empfinden. Dann wird das innere Licht immer stärker und wird uns den rechten Weg weisen. Denke daran, dass die Führung schon in Dir ist. Sie beginnt für Dich zu wirken und löst alle Deine Probleme, sobald Du Dich gänzlich dem Göttlichen anvertraust; denn diese Führung ist die Gottheit Selbst.

So lehrt Dich also, indem Du wächst und Dich entfaltest, Dein eigenes inneres Wesen die Art und Weise und die Methoden, wie Du allmählich göttlich werden kannst. Du trägst nicht nur das Bildnis Gottes in Dir - das Selbst - sondern alle notwendigen Methoden, um dieses Bildnis zum Ausdruck zu bringen, das Selbst zu verwirklichen.

In der ganzen Schöpfung ist das Göttliche verhüllt, und im Verlauf der Evolution tritt das Göttliche zutage.

"Er war in der Welt, und die Welt ist durch Ihn geworden, aber die Welt erkannte Ihn nicht. In Ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht scheint in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen!"

(Joh. 1,10/1,4)

 

Aphorismen als Meditation

Das Wesen des Göttlichen

Von aussen betrachtet ist der Raum der beste Vergleich für das Göttliche. Der Raum ist eine Manifestation der göttlichen Wahrheit, er ist der sichtbare Ausdruck des göttlichen Geistes. Was aber ist Raum? Nichts Greifbares. Er ist so subtil, das subtilste dinghafte Etwas, das wir wahrnehmen können. Er ist eine mächtige Schöpfung, vollkommen rein, unzerstörbar, überall gegenwärtig, eine unentrinnbare Gegenwart. Wir können uns von einem Land zum anderen, von einem Planeten zum anderen bewegen, doch gibt es keine Möglichkeit, dem Raum zu entrinnen. Desgleichen gibt es auch keine Möglichkeit, dem was den Raum erfüllt - der göttlichen Wirklichkeit - zu entrinnen, unter gar keinen Umständen, auch nicht durch den Tod.

Liebe ist das Wesensmerkmal der göttlichen Macht.

Obwohl namenlos und gestaltlos, antwortet das Göttliche auf jeden Namen und auf jede Gestalt, die man Ihm gibt. Allein schon die Vorstellung in Dir, dass das Göttliche namenlos und gestaltlos ist, ist so etwas wie Begriffsbildung oder Formgebung, die Verleihung eines Namens. Auf jede Art und Weise und unter allen Bedingungen und Umständen kann man dem Göttlichen näherkommen. Es ist Unwissenheit zu glauben, das Göttliche sei nichts als namenlose und gestaltlose Wirklichkeit. Ebenso ist es Unwissenheit, zu glauben Gott sei nicht mehr als eine bestimmte Gestalt, als ein Name, eine bestimmte Persönlichkeit. Das Göttliche transzendiert alle Beschreibungen wie alle Annäherungsweisen.

 

Schöpfung

Das göttliche Bewusstsein hat durch Meditation die Welt ins Dasein gerufen. Alles Erschaffene nahm seinen Anfang aufgrund einer Durchkraftung des transzendentalen Bewusstseins in Meditation. Bewusstseinskraft im Brutofen der Meditation schuf alle Welten, das ganze Universum.

Aus der Stille ist alles hervorgegangen, und Stille ist das innere Wesen des Menschen, ist das wahre Wesen der höchsten Wirklichkeit im Menschen.

Einige grosse Mystiker und Heilige haben es so formuliert: Gott habe in Seinen unendlichen schöpferischen Möglichkeiten gewählt, im Menschen zu schlafen, auf dass Er im Menschen erwache und sich neu in Seiner unendlichen Vollkommenheit erfahre.

Gott ist der Schöpfer, der Mensch das Geschöpf. Doch ganz so einfach ist es nicht, denn alles was sich im Schöpfer befindet, befindet sich auch im Menschen als Seinem Geschöpf. Deshalb ist die Beziehung von Gott und Mensch dieselbe wie die Beziehung Gottes zu Sich Selbst.

Da Gott den Menschen nach Seinem Bilde erschuf, ist Er dem Menschen auch innewohnend mit Seinem ganzen Sein und Wesen, mit all Seiner Macht, Seiner Schönheit, Seinem Frieden, Seiner Freude und Vollkommenheit. Daher die Einzigartigkeit dieser Beziehung. Es ist Gott, der Sich Selbst im Spiegel betrachtet.

 

Spirituelles Leben

Dem Atem gleich muss das spirituelle Leben sein, das heisst kontinuierlich.

Wirkliches Leben ist ein nach innen gelebtes Leben, ein Leben, das um das Göttliche kreist.

Lasse Dein Herz um das Göttliche kreisen, so wie die Erde um die Sonne kreist.

Der Prüfstein eines wahren geistigen Aspiranten liegt in der Fähigkeit, unter allen Umständen fröhlich, glücklich und gottbewusst zu sein. Es genügt nicht, nur über das Göttliche zu sprechen, sondern er muss nach den Prinzipien des göttlichen Lebens auch sein Dasein ausrichten. Er muss im täglichen Leben spirituelle Wahrheit unter Beweis stellen.

Das geistige Herz ist immerzu berauscht von der göttlichen Weisheit und Erkenntnis, trunken von göttlicher Freude, göttlicher Liebe.

Atme spirituell, arbeite spirituell, erwache und schlafe spirituell, iss und trinke spirituell, bewege Dich spirituell, verrichte alle Dinge spirituell. Betrachte die Menschen spirituell, reagiere auf sie spirituell, lebe mit ihnen spirituell. Lasse so Dein ganzes Leben spirituelles Leben werden!

Lasse Dein Leben ungeteilt sein: Versuche, weltliches Tun reiner und reiner werden zu lassen, und bringe göttliches Wirken mehr und mehr in die Welt, bis der Unterschied zwischen beiden aufgehoben und Dein Leben ein fortlaufender Prozess spiritueller Erfahrung ist.

 

Das Wesen des Menschen

Du bist nicht, was Du zu sein scheinst, sondern was in Deinem Herzen ist. Du bist das, wovon Du erfüllt bist.

Jemand betritt einen Eisenbahnwagen und identifiziert sich mit diesem, denkt, er sei nun der Wagen. Er vergisst, dass er den Wagen betreten hat und wieder verlässt. Ebenso ist der Geist (Spirit) in den Menschenkörper eingezogen und hat vergessen, dass er ihn betreten hat und wieder verlassen muss.

Der Geist (mind) ist das, was das Wirkliche vergessen und das Unwirkliche erfahren lässt, als wäre es das Wirkliche.

Die wahre Blindheit des Menschen ist seine Unfähigkeit, das Göttliche zu sehen.

Sünde ist nichts anderes als: anders zu sein als das Göttliche, das heisst, das eigene wahre Wesen nicht erkennen, welches eben das Göttliche ist. Das ist die eine Sünde, die tausend Sünden, einen wahren Tausendfüssler an Sündhaftigkeit gebiert.

Das Licht in Deinen Augen reflektiert das Licht des unendlichen göttlichen Bewusstseins. Die Liebe in Deinem Herzen ist eine Manifestation der Liebe des Unendlichen. Dein Leben ist ein grossartiger Ausdruck der unendlichen Freude. Die Gottheit, die unendliche Existenz und Wonne ist, bereitet Sich die Freude, Sich als eine endliche Individualität Sich Selbst gegenüberzustellen.

Was sind wir? Gottes Bewusstsein, sich umherbewegend in diesen Formen und mit diesen Namen.

Der Mystiker Heinrich Suso sagt: "Der Mensch ist Gott in Gott!" Was soll das heissen? Die Seele im Menschen und Gott sind ein und dasselbe.

 

Äusseres Leben

Akzeptiere nicht den Bericht der Sinne, dass Du in einer physikalischen Welt vieler Dinge lebst! Akzeptiere den Bericht des inneren spirituellen Bewusstseins, dass es überall nur das Königreich des Göttlichen allein gibt!

Sei Dir intensiv der Wahrheit bewusst, dass Du von innen und ringsumher eingehüllt bist vom Licht des Göttlichen. In diesem Bewusstsein lebe, arbeite, meditiere!

Die Art und Weise, wie Du auf die Umgebung, auf die Menschen um Dich her reagierst, hängt von Deinem eigenen inneren Wesen ab.

Angenommen, wir schwimmen im Meer. Würden wir nicht die Nase über Wasser halten, müssten wir ertrinken. Erst wenn wir den Kopf über Wasser halten, können wir vergnüglich schwimmen, ohne zu ersticken und zu ertrinken. Ebenso muss im Alltag der wichtigste Teil unseres Wesens sich über dem Meer des Lebens halten und in der freien Luft des Göttlichen verweilen, so dass wir in den Alltagsdingen weder ersticken noch ertrinken.

Wenn Du Dich am Göttlichen festhalten kannst, ohne Dich durch das äussere Leben, durch Gedanken, Gefühle und Erfahrungen versklaven zu lassen, bist Du tatsächlich grösser und machtvoller als der Mächtigste der Welt.

Vergiss nie die Wahrheit, dass das äussere Leben niemals so wichtig ist, wie Du meinst; es soll auch kein Bereich sein, um Deine Selbstsucht auszutoben. Ob Dich jemand beleidigt oder lobt, oder nicht lobt, ist nicht so wichtig, auch nicht, welchen Alters und Geschlechts Du bist. Es spielt auch keine Rolle, ob Du reich oder arm bist, in angenehmen oder misslichen Umständen lebst. Wichtig ist einzig die Erkenntnis der unbeschreiblichen Herrlichkeit des ewigen Lebens, des zeitlosen Hier und Jetzt!

 

Unwissenheit

Was ist Unwissenheit anderes als der Mangel an Erkenntnis darüber, dass das Göttliche Substanz aller Dinge ist, dass Gott in uns lebt und uns umgibt. Unwissenheit ist mangelnde Erkenntnis, dass das Göttliche die einzige Realität ist, die einzige Substanz von Leben, Geist, Materie, Natur, und dass ES allvollkommen, die vollste Fülle, Allvollendung, Allschönheit, unsterblich, ewig, unendlich ist. Was also ist das Wesentliche für den Menschen? Wahre Erkenntnis!

 

Wahre Erkenntnis

Wahre Erkenntnis nimmt den Schleier vom Antlitz der Natur und enthüllt uns die göttliche Gegenwart dahinter. Wahre Erkenntnis ist das, was uns die zentrale Substanz und Kraft und das Bewusstsein offenbart, aus dem alle Phänomene gebildet sind, was die Materie ihrer Materialität entkleidet und uns die Bewusstseinsdimension in ihr erschliesst, was uns erfahren lässt, dass der ganze Kosmos von der Freude des Göttlichen vibriert.

Das wunderbare Feuer, das unser Ego verbrennt, ist die göttliche Erkenntnis. Erkenntnis ist Macht, ist Licht, ist Freude, ist Befreiung und sagt uns, dass das innerste Sein in allem und jedem man selbst ist, das Selbst, so dass alle Ängste und Sorgen hinfällig werden. Wie gebildet und gelehrt einer sein mag, hat hier nichts zu sagen, denn im Grunde kann er hinsichtlich des eigenen Wesens und des Wesens anderer dennoch unwissend sein. Nur spirituelle, göttliche Erkenntnis ist wahrhaft erlösende Erkenntnis.

Erkenntnis lässt den erleuchteten Menschen die strahlende Sonne der unendlichen Erkenntnis und Macht in seinem Kopf und den Lotos der Liebe und Hingabe in seinem Herzen fühlen.

 

Anbetung

Anbetung ist nichts anderes als reine Liebe, die von tiefer Ehrfurcht erfüllt ist. Anbetung ist Bewunderung und ein In-Sich-Aufnehmen der Eigenschaften des Angebetenen. Anbetung ist totale Selbstauslieferung.

Entbiete Deine Anbetung der göttlichen Gegenwart als der subtilsten, höchsten schöpferischen Essenz in allen Wesen. Das zerbricht Dein Karma, bringt Dir Gnade, sichert Dir raschen spirituellen Fortschritt.

Allein schon an das Göttliche zu denken, heisst, tausend Reaktionen im Göttlichen in Beziehung zu Dir hervorrufen. Das Göttliche ist eine machtvolle, auf alles Antwort gebende Gegenwart.

 

Meditation

Was geschieht, wenn Du eine Flamme ins lodernde Feuer gibst? Sie wird eins mit dem Feuer. Ebenso lasse die Konzentration Deines Herzens so machtvoll sein, dass sie die Flamme Deiner Seele mit dem lodernden Feuer und Licht des Göttlichen vereint.

 

Hingabe

Hingabe ist das Einzige, womit Du bei Gott ankommst.

 

Glaube

Glaube ist es, was den Vogel schon vor der Morgenröte das Licht erahnen und besingen lässt. Glaube ist das Vermögen in der Menschenseele, noch vor dem Aufdämmern der Gotterkenntnis die göttliche Gegenwart zu lieben und zu verherrlichen.

 

Aufeinanderfolge

Warum ist die Wand zwischen uns und Gott so stark? Weil die menschliche Natur so stark ist. Und was macht sie schwach? Unser Herz muss heilig werden. Was ist ein heiliges Herz? Es ist das ein Herz, das auf die Gottgegenwart anspricht wie das Barometer auf den Luftdruck oder das Quecksilber im Thermometer auf die Wassertemperatur. Wenn Du stattdessen ein Holzscheit ins Wasser wirfst, geht keine Veränderung vor sich. Die Menschen gleichen hier Holzscheiten, die Heiligen dem Thermometer. Doch wie lassen wir unser Herz zum Thermometer werden? Es muss schmelzbar sein. Wie kommt es zum Schmelzen? Es schmilzt entweder unter grossen Leiden oder dringlichem Verlangen nach unmittelbarer göttlicher Erfahrung. Es kann auch aufgrund grosser Weisheit schmelzen, aufgrund einer Weisheit, die sagt: Genug von dieser Art Leben! Ich will nur die Wahrheit. Sie ist mir alles!

 

Wahrheit

Paradox ist der Schlüssel zum Wesen der Wahrheit.

Die Wahrheit ist: In uns und um uns herum ist die strahlende Wirklichkeit des allsehenden, allwissenden Gottes.

Die Wahrheit ist: Durch die Liebe Gottes wurden wir in die Existenz gebracht, und durch Seine Liebe werden wir erhalten.

 

Befreiung

Die Befreiung beruht auf Gnade. Nichts ist so wichtig im spirituellen Leben wie Gnade. Und Gnade ist wie der Wind, der weht, wo er will, und sein Wille ist der Wille des Göttlichen.

Wieso siehst Du die Sonne? Durch das Licht, das die Sonne Deinen Augen gibt. Wie entdeckst Du das göttliche Selbst in Dir? Durch das Licht, das Es Deiner Intelligenz eingiesst.

 

Ein goldener Rat

Denke dreimal, bevor Du sprichtst; warte ruhig, ehe Du auf etwas reagierst; lass Weisheit Dein Führer sein; lass Stille Dein Lehrer sein; lass Liebe Deine Macht sein.


Fussnoten:

* siehe nächste Seite

** Wenn von Geist (mind) gesprochen wird, ist immer der menschliche Geist gemeint - zum Unterschied vom göttlichen Geist (spirit) -, jedoch beinhaltet in der englischen Sprache der Begriff "mind" nicht nur den Verstand, sondern auch das Gemüt des Menschen: Denkvermögen, Erinnerungen, Eindrücke, Gesinnung, Neigungen, Geisteshaltung, Wollen und Wünschen usw.

*** psychische bzw. parapsychologische Forschung, die ausserhalb der Universitäten betrieben wird.

**** Siehe auch Erläuterungen über den Geist des Menschen in der Anmerkung zum Wortgebrauch 'Geist' im Sinne des englischen 'mind' (S. 16).

 

 

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