INHALT SWAMI OMKARANANDA: STUFEN ZUR SELBSTVERWIRKLICHUNG
I. Gedankenführung und göttliche Vollkommenheit
- Gedanken, Gegengedanken und göttliches Leben
- Der dreifache Segen positiver Gedanken
- Psychologisches Gesetz und geistige Entwicklung
- Psychogene Ursachen körperlicher Störungen
- Methoden, um psychogenen Krankheitsfaktoren entgegenzuwirken
- Therapeutische, schöpferische Möglichkeiten der Meditation
- Die Meditation als vorbeugendes und stärkendes göttliches Mittel
- Der therapeutische Wert von Liebe und Wahrheit
- Wunderbare Wege zu geistiger Gesundheit
- Vermeide Argwohn und zeige Sympathie
- Übungen und Winke zur Verstärkung der Konzentration
- Wertvolle Konzentrationsergebnisse
- Der Einfluß eines geistig entwickelten Menschen
- Was gewinnt die Menschheit vom meditierenden Menschen
- Erste Gebetsresultate
- Psychologische Betrachtung des Gebets
- Gefährliche Fallstricke auf dem Weg zur Vollkommenheit
- Der Vorgang der geistigen Entfaltung
- Die Dimension der göttlichen Größe für die menschliche Persönlichkeit
- Die Schau der erleuchteten Weisen
- Der auf Erden lebende befreite Mensch
II. Die praktische Psychologie der Selbstverwirklichung
- Die Gabe der griechischen Kultur
- Die Europa beherrschenden Faktoren
- Die Selbsterkenntnis - das Ziel der Bewußtseinsentwicklung
- Die Natur des Selbst und die Bedeutung seiner Verwirklichung
- Der Geist der griechischen Welt und seine Weisheit
- Das wirkliche Selbst - das "Ich bin Ich" in jedem Menschen
- Die Wissenschaft des Selbst - die Wissenschaft aller Wissenschaften
- Alle Wissenschaften befassen sich mit den Wirkungen und kennen die eigentlichen Ursachen nicht
- Erkenne die Ursache und du kennst die Wirkungen
- Selbsterkenntnis
- Wir bedürfen der höchsten ewigen und unfehlbaren Wissenschaft
- Die Aufgabe unseres Lebens auf Erden, unserem Wachstums- und Entwicklungsbereich
- Dynamische Methoden zur Erfüllung unseres Lebens in der Welt
- Das Selbst und die geistigen Fähigkeiten des Menschen
- Das Selbst ist nicht das mentale Phänomen
- Das Selbst ist nicht das emotionale Wesen
- Das Selbst ist nicht der Körper
- Die größten Menschen sind die sich selbst Erkennenden
- Der Segen unseres Lebens
- Das universale Wesen
- Gottesliebe - Nächstenliebe
- Die Selbsterkenntnis - die Grundlage echter Liebe
- Das Vorrecht unseres Lebens
I. Gedankenführung und göttliche Vollkommenheit
Gedanken, Gegengedanken
und göttliches LebenJeder Gedanke und jede Erregung bewirkt eine mächtige Schwingung in den einzelnen Körperzellen und hinterläßt dort einen Eindruck. Wenn man weiß, wie ein Gegen-Gedanke erzeugt wird, schafft man die Voraussetzungen für ein glückliches, harmonisches Leben voller Frieden und Kraft.
Ein Liebesgedanke wird sogleich einen Haßgedanken neutralisieren. Ein mutiger Gedanke wirkt als sofortiges Gegenmittel für einen Furchtgedanken. Jeder unserer Gedanken muß andern Friede und Trost bringen, er darf nicht den geringsten Schmerz oder Kummer bereiten.
Wenn wir in dieser Weise stets positiv denken, werden wir schon hier auf Erden eine segenspendende Seele. Wir können vielen helfen, viele heilen und viele Menschen vergeistigen und erheben, wie dies die großen Heiligen und Weisen der Welt getan haben.
Der dreifache Segen positiver Gedanken Gedanken der Furcht und des Kummers sind gefährliche Kräfte in uns. Sie vergiften unsere eigentlichen Lebensquellen und zerstören die Harmonie, die Leistungsfähigkeit, die Vitalität und die Kraft; während Gedanken der Freude, der Fröhlichkeit und des Mutes heilend und besänftigend wirken und nicht aufreizen. Sie erhöhen die Leistungsfähigkeit und vermehren die geistigen Kräfte. Sei allezeit fröhlich! Lächle! Lache!
Ein guter positiver Gedanke ist dreifach gesegnet. Erstens nützt er dem Denkenden, indem er seine Geistigkeit verbessert, zweitens hilft er dem Menschen, auf den der Gedanke gerichtet wird, und schließlich dient er der ganzen Menschheit durch Hebung der allgemeinen Atmosphäre.
Das Wesen des Gemütes ist so beschaffen, daß es zu dem wird, woran es intensiv denkt. Deshalb wird unser Gemüt, wenn es sich mit den Schwächen und Fehlern eines andern Menschen beschäftigt - wenigstens für den Moment - mit den betreffenden Fehlern und Schwächen belastet. Wer dieses psychologische Gesetz kennt, wird nicht versucht sein, andere zu verurteilen oder ihr Verhalten zu kritisieren. Er wird nur das Gute in ihnen sehen und sie ermutigen. Diese Einstellung wird uns helfen, in der Konzentration, in der Geistigkeit und im göttlichen Leben zu wachsen.
Selbstbefangenheit, Egoismus, Sorgen und Haß ziehen die Blutgefäße zusammen und verursachen großen Schaden in den Nervenfasern. Sie verhindern die Zirkulation der Vitalkraft oder des Lebensstromes und schwächen die Vitalität und Widerstandskraft gegenüber äußeren Kräften und Einflüssen. -Ärger erzeugt Gift im Blut, im Gehirn, in der Leber und im ganzen Körpersystem; er verursacht Fieber und Depressionen. - Haß bewirkt nervöse Schwäche, Unbehagen, Ruhelosigkeit, Husten, Fieber, Blutverluste, Verdauungsstörungen usw. - Furcht führt zu niedrigem Blutdruck und zu Schwächen, zerstört die roten Blutkörperchen, erzeugt Gesichtsblässe, greift das Herz, die Leber und den Magen an und verursacht Verdauungsstörungen, Durchfall oder Verstopfung und Impotenz. - Eifersucht bringt Minderwertigkeits-Komplexe, schwächt das Gemüt und ruiniert die Gesundheit. Sie ist die Ursache des nervösen Zusammenbruchs für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt.
Methoden,
um psychogenen
Krankheitsfaktoren entgegenzuwirken
Nur wenige Menschen wissen, daß ihnen schlechte Eigenschaften wie Haß, Neid, Ärger, Empfindsamkeit und Ungeduld selber mehr schaden als denjenigen, gegen die sie gerichtet sind. Ein Wutanfall, der zehn Minuten dauert, verbraucht mehr Energie als die Arbeit hinter dem Pflug während zwei Tagen ohne Nahrung. Sorgen und ähnliche Kümmernisse lassen das Haar Jahrzehnte früher ergrauen.Sei heiter! Erkenne die guten Eigenschaften der andern, dann wirst du niemanden hassen. Lerne bewundern, was andere erreicht haben, dann wirst du gegen niemanden Neid empfinden. Da Haß, Zweifel und Niedergeschlagenheit disharmonische Vibrationen im physischen Körper erzeugen, wirke ihnen durch Fröhlichkeit, Glauben, Heiterkeit und Liebe entgegen, die im Körper gute, harmonische und gesunde Schwingungen hervorbringen. Entferne durch das Vertrauen auf den allmächtigen Gott, der in dir und um dich herum ist, alle Furcht, alle Sorgen und alle Ängstlichkeit.
Die Meditation über Gott als Unendlichkeit des Lichtes, der Liebe, des Friedens und der Schönheit ist ein wirksames mentales und nervenstärkendes Mittel. Die heiligen Schwingungen durchdringen alle Körperzellen und heilen Krankheiten. Die mächtigen, beruhigenden Wellen, welche während der Meditation entstehen, üben einen wohltuenden Einfluß auf das Gemüt, die Nerven, die Organe und die Körperzellen aus. Die göttliche Energie fließt ungehemmt -wie Öl von einem Gefäß zum andern - von dem alldurchdringenden Bewußtsein zu allen Körperteilen des geistig Strebenden.Baue durch regelmäßige Meditationsübungen rings um dich herum eine starke Festung zum Schutze gegen die schlechten Kräfte der unwissenden Welt und umgib dich mit einer positiven Ausstrahlung!
Die Meditation als vorbeugendes
und stärkendes göttliches MittelEs gibt kein besseres, antiseptischeres Mittel auf der Welt als die Meditation. Sie vernichtet alle Arten von Viren, Mikroben und Bakterien und ist ein wunderbares Stärkungsmittel, welches das ganze Körpersystem kräftigt, die Zellen erneuert, Krankheiten beseitigt und die Entwicklung ansteckender Krankheiten verhindert.
Der Wert der Meditation ist unschätzbar. Deshalb sollten wir täglich, wenn auch nur für kurze Zeit, meditieren. Die Feuerkraft echter Meditation vernichtet alle Fäulnis, die in geistiger Unwissenheit durch unsere Untugenden, Schwächen und alle möglichen Übel gebildet wird. Durch sie setzt die Erkenntnis oder göttliche Weisheit ein, die direkt zur letzten Befreiung führt. Die echte Meditation bewirkt ein unaufhörliches Durchströmtwerden vom Gottesbewußtsein.
Der therapeutische Wert
von Liebe und WahrheitDie reine Liebe erzeugt Freude, Gemütsruhe und die harmonische Funktion der Körperorgane. Sie verbessert die Eigenschaften des Blutes und wendet unser Gemüt Gott zu.
Die Wahrheit stärkt Herz und Gemüt und bringt Seelenfrieden, Glück, innere Ruhe, geistige Kraft und Furchtlosigkeit.
Da die Krankheiten ihren Ursprung im Gemüt haben, behandle dieses zuerst! Beseitige den Haß durch kosmische Liebe, durch freudiges Dienen, durch Freundschaft, Güte, Sympathie und Barmherzigkeit! Überwinde die Begierde durch selbstlosen Dienst, durch gütige Handlungen und Mildtätigkeit! Ersetze den Stolz durch Demut! All dies wird weitgehend dazu beitragen, gute geistige Gesundheit zu erlangen. - Wenn schlechte Gedanken zerstört werden, verschwinden viele körperliche Leiden.Gott oder das göttliche Selbst, das im Innern deines Herzens wohnt, ist die Schatzkammer von Gesundheit, Kraft, Stärke und Vitalität. Es kann nicht durch
Mikroben, Viren usw. angegriffen werden. Denke immer an Gott! Verwirkliche das göttliche Selbst in dir!
Verdächtige niemanden! Mache andere ebenso glücklich, wie du es selber sein möchtest. Sprich ein hilfreiches Wort! Schenke ein freundliches Lächeln! Tue etwas Gutes! Ebne den holprigen Weg deiner Mitmenschen! Dies wird dich mit großer Freude erfüllen. Die guten Kräfte der Welt werden dich umgeben und zu deiner Verfügung sein.
Befreiung von Leidenschaften, Atemübungen, Einschränkung von Bedürfnissen und Wünschen, Abbau weltlicher Tätigkeiten, ein bis zwei Stunden tägliche Stille und Zurückgezogenheit und Gebete, verstärkte Unterscheidungskraft, Disziplinierung der Sinne, Kontrolle über Ärger und Zorn, Vernichtung von Gier und Selbstsucht, keine Kontaktnahme mit unerwünschten Menschen, überwachte Körperhaltung, Freisein von störenden Eindrücken und Gedanken bei unserer Arbeit, vertiefte Meditationsübungen, Wiederholen inspitierender Hymnen, Liebe und Barmherzigkeit gegenüber allen, Entwicklung der Beobachtungsgabe, Erkennen der wunderbaren Werte der Konzentration, brennende Sehnsucht nach Gotterfahrung im gegenwärtigen Leben, geistig-religiöse Neigungen -, dies sind die Mittel zur Verstärkung und Vertiefung der Konzentrationsfähigkeit.Wer diese entwickelt hat, gelangt zur Intuition, macht rasche Fortschritte und erwirbt starke geistige Kraft. Gemeinschaft mit Gott und echte Glückseligkeit werden die Frucht all dieser Bestrebungen sein.
Durch Konzentration wird unser Denken scharf und kraftvoll. Wir gewinnen einen alles durchdringenden Einblick in die großen sich offenbarenden Zustände der zeitlosen geistigen Erfahrung. - Der innere Sinn und die esoterische Bedeutung der großen Schriften und der intuitiven philosophischen Werke der Welt werden blitzartig im Bereich unseres geistigen Bewußtseins aufleuchten.Wer sich in der Konzentration übt, erfreut sich guter Gesundheit und hat heitere Gedankenbilder. Er macht schnelle Fortschritte auf dem Pfad der geistigen Entwicklung. Die Konzentration reinigt und beruhigt die aufsteigenden Regungen und klärt die Ideen. Nichts ist dem sich regelmäßig in der Konzentration übenden Menschen unmöglich.
Die tieferen Freuden unseres Lebens und der Einfluß unserer Gegenwart und unseres Wesens auf andere hängen mit der inneren geistigen Entwicklung unseres Gemütes zusammen.Beachte den Einfluß einer hoch entwickelten Persönlichkeit auf einen geistig weniger entwickelten Menschen. Es ist schwierig - wenn nicht fast unmöglich - diesen Eindruck wiederzugeben. In seiner schweigenden Gegenwart zu sitzen ist schon eine inspirierende Erfahrung. Wir fühlen neue Ideen und göttliche Gefühle in uns aufsteigen.
Das Gemüt hat seine eigene Ausstrahlung. Die geistige Aura ist der Glorienschein, der vom Gemüt ausgeht. Die Ausstrahlung der Menschen, welche geistig entwickelt sind, zeigt einen außergewöhnlichen Glanz. Sie kann sich auf große Entfernungen erstrecken und in wohltuender Weise sehr viele Menschen berühren, die unter ihren Einfluß gelangen.
Die geistige Aura ist stärker als die psychische Ausstrahlung. Der Mensch, der sein Gemüt gereinigt hat, wird zu einem Kraftzentrum und zu einer anziehenden Persönlichkeit. Alle weniger entwickelten Menschen fühlen sich unbewußt zu ihr hingezogen.
Die wirklich geistige Persönlichkeit und der Mensch, der den allesdurchdringenden Gott von ganzem Herzen liebt, dienen der Welt weit mehr als der tüchtigste Geschäftsmann. Wer mit reinem Herzen in der Stille seines Zimmers meditiert, erweist der Welt mit seinen geistigen Vibrationen bessere Dienste als derjenige, welcher öffentliche Reden hält.Gleich den sich durch den Äther fortbewegenden Tonwellen legen auch die geistigen Schwingungen des Meditierenden weite Strecken zurück und überbringen Tausenden von Menschen Friede und Kraft. Wenn der Meditierende die Ebene des Gemütes überschreitet,
durchdringt sein Bewußtsein die ganze Welt. Nur unwissende Menschen können dies als selbstsüchtig betrachten.
Wie der süße Duft des Jasmin die ganze Luft erfüllt, werden Gemüt und Leben der Menschen durch die friedenspendenden, reinigenden und heilenden geistigen Vibrationen des Meditierenden tief angerührt und beeinflußt. Schon ein kleiner Kontakt genügt, den Menschen einen dauernden Eindruck von göttlicher Seligkeit und Verwandlungskraft zu vermitteln.
Das Gebet erzeugt gute, geistige Strömungen und tiefe Gemütsruhe. Es erhebt unser ganzes Gefühlsleben in strahlende Verbindung mit der befreienden göttlichen Gegenwart, durch die uns zunehmend innere Gnade und geistige Kraft zufließen. Durch das Ruhigwerden des Gemütes beim Beten werden wir für die Harmonie mit dem Unendlichen empfänglich.Das Gebet verbindet das Herz des Menschen mit der kosmischen Quelle unerschöpflicher Energien und Überflutet es mit Kraft, Gnade und Licht. Wenn die Gebete tiefer Herzensfrömmigkeit entspringen und von Menschen ausgehen, die den weltlichen Interessen entsagten; wenn ein unerschütterlicher Glaube an das Göttliche hinzukommt, bringen sie viele Segnungen und führen uns zur höchsten geistigen Erfahrung.
Psychologisch betrachtet ist das Gebet nicht nur bloße Wortäußerung, sondern das Betreten der Erfahrungsbereiche unbegrenzter Liebe, unbegrenzten Friedens, unbegrenzter Macht, Gnade und Schönheit, jenes Erfahrungsbereiches, der von der Religion Gott genannt wird. Es handelt sich um die intensive, aufrichtige Sehnsucht nach der zunehmenden Verbindung mit der Gegenwart jener göttlichen Kraft, die alles durchdringt, alles in sich schließt und das Wirklichste aller Dinge ist.Das Wesen des Denkens und Fühlens ist so geartet, daß es nicht möglich ist, an etwas zu denken oder etwas zu fühlen, ohne daß sich das psychologische Sein in die Wesensart des Gedanken- oder Gefühlsobjektes transformiert. Da das Gebetsobjekt selber unendliche Macht ist, nimmt das Gemüt eine solche Form an, daß der betende Mensch übernatürliche Kräfte erlangt, abgesehen von der Erfüllung des gesprochenen Gebets.
Das geistige Leben erfordert ein wachsames Gemüt, einen tapferen Willen und eine demütige und empfängliche Haltung. Von allem Anfang an müssen wir uns klar darüber sein, daß der einzige Weg zum wirklichen Fortschritt im aufrichtigen Bemühen liegt, Stolz, Egoismus und Eifersucht auszumerzen und im ernsten Streben nach Selbsterkenntnis die eigenen Schwächen herauszufinden, um zu der wahren Güte zu gelangen. Ohne diese Voraussetzung wird jede Art geistiger Übungen zu einer Täuschung und ergebnislosen Anstrengung. Wir werden nur eingebildet, stolz und egoistisch, und alle guten Ratschläge und Belehrungen bleiben vergeblich. Höhere Einflüsse haben nicht die geringste Wirkung auf uns, da wir eigensinnig und absichtlich für sie unempfänglich sind. Unaufhörliche Wachsamkeit ist notwendig, um nicht in diesen gefährlichen Zustand zu verfallen. Das geistige Leben ist keine leichte Angelegenheit. Es ist nur für die Helden des Geistes und für die Gesegneten bestimmt.
Vergeistige all deine Tätigkeiten! Besorge sie in der vollen Erkenntnis, daß der wirklich Handelnde die Lebensenergie und die Bewußtseinskraft in dir ist, welche alle Tätigkeiten deiner Intelligenz aufrecht erhalten. Steh' vom wirklich Handelnden zurück. Übergib ihm die Früchte deiner Werke! Gott, das höchste Bewußtsein in uns, ist der wirkliche Täter. Ohne Ihn können wir weder leben noch handeln, weder denken noch fühlen.Laß Güte aus deinen Augen strahlen! Laß deine Zunge sanfte Worte sprechen! Berühre alles mit zarten Händen! Nähre dein Gemüt mit Gedanken an Gott! Fülle dein Herz mit Reinheit, und lasse deine Hände selbstlosen Dienst verrichten! Sei ganz und gar vom intensiven Bewußtsein und der Erfahrung der Gegenwart, der Macht und des Friedens Gottes durchdrungen!
Die
Dimension der göttlichen Größe
für die menschliche Persönlichkeit
Große Menschen sind nicht die, welche viel sprechen oder sehr tätig sind, sondern jene, die tief denken, richtig leben und Gott in sich, in der ganzen Menschheit und in der ganzen Natur lieben. Richtiges Denken liegt in der sündelosen Einstellung des Gemütes; Sünde ist der Glaube an vergängliche Dinge. - Die großen Helden sind jene, welche das Animalische in sich abtöten und ihre menschliche Natur verwandelt haben; welche die Kraft universaler Liebe erlangten, göttliches Wissen erwarben und über alle Leiden und Kümmernisse gesiegt haben. Noch größer aber sind die Erlöser, welche ihre rettende Hand den Seelen hinreichen, die danach ringen, einen Funken des nie verlöschenden Lichtes zu erhaschen und die sich nach dem Leben sehnen, das niemals vergeht.Die Heiligen erstehen aus allen Volksschichten. Ihre Anwesenheit übt einen ungeheuren Einfluß auf das Leben wahrer geistiger Sucher aus und erhebt sie zu den höchsten Höhen erhabener Reinheit und Geistigkeit. Sie beeinflußt sogar ausgesprochene Materialisten. Studiere das Leben der Heiligen! Du wirst sofort inspiriert sein. Erinnere dich ihrer Worte! Du fühlst dich sogleich innerlich erhoben. Ahme sie nach! Du wirst von jeder Form der Not befreit sein, den Frieden finden, der höher ist denn alle Vernunft, und unsterbliches Leben erlangen.
Der Erleuchtete ist die Verkörperung göttlicher Weisheit, göttlichen Bewußtseins und göttlicher Erfahrung. Im weinenden kleinen Kind, im feurigen Jüngling, in der verwirrten Frau und im enttäuschten alten Mann nimmt der Weise das gleiche göttliche Selbst wahr. Er erkennt in allen Menschen das eine, allen gemeinsame göttliche Bewußtsein, den Atem und das Bild Gottes sowie das Himmelreich.Die äußere Erscheinung, die Verschiedenheit des Denkens und Fühlens und die Eigenarten menschlichen Wesens beeindrucken ihn nicht. Die scheinbare Änderung, welche die Menschen Tod nennen, hat mit dem göttlichen Geist im Innern nichts zu tun. Das Leben setzt sich im Jenseits fort. Der Mensch schläft in einer bestimmten Umhüllung ein und erwacht nach kurzer Zeit in einer andern. Für den erleuchteten Weisen hat der Tod seine Schrecken verloren. Er hat das Unmögliche erreicht, das die Agnostiker das Unerkennbare nennen. Er hat die göttliche Unendlichkeit der Wissenschaftler gefunden und ist dem Griff des Todes entronnen!
Wie dieser Weise können auch wir den Tod besiegen, die göttliche Schau erlangen und dynamisch in der allgegenwärtigen Gottheit leben.
Aufgrund der Tatsache, daß das innere göttliche Wesen des wahren Erleuchteten aus den tiefen, wirkenden geistigen Bereichen des göttlichen Seins lebt - aus Bereichen, deren Existenz der gewöhnliche Mensch nicht einmal anerkennt -verkörpert das innere göttliche Wesen der Erleuchteten hier auf Erden in einem physischen Körper in Wirklichkeit Gott. Dies ist für jeden kritischen, richtig einschätzenden Verstand ein tief inspirierendes, funkelndes Symbol der großartigen Durchdringung von Gott und Mensch - Gott mit seinen gewaltigen Kräften des Bewußtseins, mit seinen absoluten Eigenschaften, den charakteristischen Taten der Liebe und den verborgenen Gnadenakten - und dem Menschen ohne seine Fehler, ohne die naturbedingten Mängel, Unreinheiten und Unvollkommenheiten der irdischen Existenz.
II. Die praktische Psychologie der Selbstverwirklichung
Erkenne dich selbst
Inschrift am Tempel zu Delphi
Die größte Botschaft, welche die alte griechische Kultur der westlichen Welt geschenkt hat, heißt: "Erkenne dich selbst". Es war jedoch nicht im Westen, sondern in der östlichen Welt, in Indien, wo wir in jenen alten Zeiten eine Anzahl Menschen aufstehen sahen, die diese Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung gehabt haben.
Europa hat die tiefsten, edelsten Kräfte der römischen und griechischen Kultur absorbiert. Es war aber trotzdem nicht imstande, in der höchsten Weisheit und im Licht der griechischen Kultur zu leben, die in dem Gebot "Erkenne dich selbst", dargelegt sind. Europa wurde von den Instinkten für äußeres Glück und Vollkommenheit geführt und beherrscht. Es wurde mehr durch oberflächliche Vernunftsgründe geleitet und durch die Logik seines Wissens zu Tätigkeiten gedrängt, die dazu führten, ein irdisches Paradies aufzubauen.
In der östlichen Welt war die Selbsterkenntnis der wahre Lebensgenius des geistigen Indiens. Die Selbsterfahrung ist von jeher das hohe und all-umschließende Ziel allen Strebens, Denkens und aller Tätigkeit gewesen. Selbsterkenntnis, Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung bilden das Ziel und die Erfüllung des menschlichen Lebens hier auf Erden. Wir sind das Unendliche, das funktionell an das Endliche gebunden ist.Wir sind das Absolute, das im Individuellen gefangen ist. Das Endliche, das Individuelle, wird zerschlagen und getäuscht, bis es ein dynamisches und beherrschendes Wissen seiner eigentlichen Unendlichkeit und Absolutheit gewinnt. Da wir strukturelle Beziehungen mit der zeitlosen Welt unterhalten, ist ein Leben, das sein Ziel, sein Programm und seine Bestrebungen nur auf die wechselnde, vergängliche Welt von Raum und Zeit beschränkt, Gefahren ausgesetzt und geht all' seiner fundamentalen Bedeutung, seinem Wert, seinem Reichtum und seiner Erfüllung verlustig.
Die
Natur des Selbst und die
Bedeutung seiner Verwirklichung
Was ist dieses Selbst? Das Selbst, dessen Erkenntnis die griechische Kultur uns nahelegt, und dessen Verwirklichung die indische Kultur verlangt, ist nicht das kleine, äußere, körperliche Selbst; es ist weder das emotionale, noch das mentale Selbst; es ist nicht unsere psychologische Persönlichkeit, nicht die begrenzte, sündigende, irrende und strauchelnde menschliche Individualität. Dieses Selbst ist das unendliche Bewußtsein, das ewige Prinzip, das Reich Gottes, die Wahrheit aller Wahrheiten, Gott in uns. Es ist die höchste und letzte Wirklichkeit. Deshalb verstehen wir unter Selbst-Erkenntnis oder Selbst-Verwirklichung die Erkenntnis und die Verwirklichung der höchsten und größten Realität in uns, welche Gott ist. Jeder Mensch, der dieses göttliche Selbst erkennt und das Selbst verwirklicht, erkennt und verwirklicht Gott.
Vom Standpunkt der geistigen Erfahrung aus bedeutet die Selbstverwirklichung das Erlangen der Vollkommenheit des Vaters im Himmel sowie unsere eigenste, dynamische Einheit mit der höchsten Wirklichkeit, die Gott ist. Deshalb war es die große Weisheit des Sokrates, die ihn bewog, die Selbsterkenntnis zum führenden Prinzip seines bewußten Lebens und Strebens zu machen. Er war einer der geistig gesundesten Menschen der alten Zeit, der Worte höchster Weisheit aussprach. Unglücklicherweise war die westliche Welt in jenen und in späteren Jahrhunderten außerstande, das Licht der Weisheit aufzunehmen, das Sokrates zu vermitteln suchte.Die griechische Welt war mit all ihrer leidenschaftlichen Liebe für das Schöne, mit den Prachtwerken der Kultur, die sie schuf, mit den zahlreichen philosophischen Systemen, die sie aufbaute, nicht bereit, im Licht der großen Weisheit: "Erkenne Dich selbst!" zu ]eben. Wie konnten wir dann von den Menschen des späteren Europa erwarten, daß sie die Weisheit, die in den dringlichen zentralen Worten: "Erkenne Dich selbst", verkörpert ist, zu assimilieren vermochten? Noch weniger war es ihnen möglich, die Selbsterkenntnis zum Mittelpunkt ihres täglichen Lebens zu machen!
Die immer gleiche, unveränderliche, unbeschreiblich wunderbare innere Wirklichkeit ist das Selbst. Es ist nicht das psychologische, emotionelle, schwächliche, kleinliche persönliche Selbst, das den Erfahrungen von Schmerz und Freude, von Lob oder Tadel, von Gut und Böse ausgesetzt ist. Es ist nicht das kleine Ego, sondern die Gottheit in uns. Es ist das Ehrfurcht inspirierende und all-bewußte Wesen, "Ich bin", das im ständigen Wechsel unserer Erfahrungen selbst-identisch bleibt. Auf die Frage: "Was bist du und welches ist dein Name?" antwortet das Selbst: "Ich bin Ich". Auf die Frage, wann es geboren oder gestaltet wurde, antwortet es, es sei vor Abraham da gewesen und werde weiter da sein, wenn die ganze Schöpfung nicht mehr existiert. Es war, es ist und wird immer sein. Es ist formlos, zeitlos, raumlos, ewig, selbsterkennend und allwissend, sich selbst-beobachtend und alles beobachtend. Es ist das reine, selbst-leuchtende, selbst-enthaltende unsterbliche Prinzip, das all-vollkommene Reich Gottes in uns. Deshalb sucht jeder Mensch, der nach der Erfahrung Gottes trachtet, auch die Erfahrung des Selbst. Denn das Selbst ist Gott, und Gott ist das Selbst.
Die
Wissenschaft des Selbst - die
Wissenschaft aller Wissenschaften
Jede Wissenschaft, jede Erkenntnis, die dieses Selbst, diese höchste Wirklichkeit, dieses unendliche Sein, das in und über allem vergänglichen Leben und aller Offenbarung liegt, zum Mittelpunkt hat, stellt die wahre Wissenschaft, die eigentliche Erkenntnis dar. Weil wir Kinder Gottes sind, weil Gott uns nach Seinem unzerstörbaren Bildnis geschaffen, Seinen eigenen Odem in uns eingehaucht und all Seine Kraft, Seine Schönheit, Sein Bewußtsein, Sein Leben, Sein unbeschreibliches Wesen und Seine grenzenlose Macht in das in uns befindliche Gottesreich versenkt hat -, kann es keine Wissenschaft, keine Philosophie, keine Ethik, keine sozialen Werke geben, die größer sind als die eine Wissenschaft, die sich mit dem zentralen Prinzip des göttlichen Selbst in jedem von uns befaßt. Diese Wissenschaft ist das System des höchsten Wissens; sie ist wirkliches Wissen, und sie sollte der Gegenstand unseres Strebens, Forschens und Studierens sein. Sie ist die einzige Wissenschaft, in der wir den wirklichen Sinn, die wahre Bedeutung, den eigentlichen Wert und die echte Freude des Lebens finden können. Sie ist es, welche zahlreiche große Weltphilosophien, Schulen höheren Denkens und religiöse Systeme inspiriert hat. Alle anderen Wissenschaften in der Welt beziehen sich auf die äußeren Dinge, wie sie uns erscheinen und wie sie sich unseren begrenzten Sinnen und Kenntnismitteln zeigen. Die Wissenschaft des Selbst, die Weisheit Gottes, beschäftigt sich allein mit den Dingen an sich, mit Dingen, wie sie wesentlich und eigentlich sind, mit der Wirklichkeit in ihnen, mit der erhaltenden, stützenden Wahrheit hinter den Erscheinungen und Wirkungen, mit dem Reich Gottes, das unser Lebensatem ist, mit Dem, welches war, ist und immer sein wird.
Alle
Wissenschaften befassen sich
mit den Wirkungen und kennen
die eigentlichen Ursachen nicht
Die moderne Wissenschaft beschäftigt sich ausschließlich mit der Beobachtung und dem Studium des äußeren Universums. Die Biologie konzentriert ihre volle Aufmerksamkeit auf das physische und äußere Verständnis der Lebensphänomene. Die Psychologie begrenzt ihre Tätigkeit auf das Studium der menschlichen Verhaltensweise und auf etwas, was sie mit Psyche oder Geist bezeichnet, über dessen Urgrund und Quelle sie aber mit keinem Wissen ausgestattet ist. Die Parapsychologie ist gerade erst geboren und noch gefangen im Studium gewisser paranormaler Kräfte des menschlichen Geistes. Es fehlt ihr die Kenntnis des wunderbaren Reichtums des höheren Bewußtseins, das dem Menschen innewohnt.Der Okkultismus befaßt sich mit gewissen außergewöhnlichen, verborgenen Kräften unseres inneren psychischen Seins und ist abgeschnitten von den Wundern, die in der Unendlichkeit des Selbst, im Reiche Gottes, des Friedens, der Freude und der Schönheit in jedem Menschen vorhanden sind. Die Erkenntnis dieses Selbst, das göttlich, unsterblich, ewig, allmächtig und all-vollkommen ist, befindet sich außerhalb des Bereiches seiner spezialisierten Forschungen, seiner Übungspraxis und seiner Zielsetzung. So beschäftigt sich jede Wissenschaft in der Welt mit dem einen oder anderen Aspekt des Phänomens, das außerhalb der ewigen Wirklichkeit liegt, aus welcher - in verschiedenen Subtilitätsgraden der Substanz und Funktion - Materie, Leben und geistige Fähigkeiten hervorgehen.
Die Begegnung mit einem großen Vertreter der wissenschaftlichen Welt, der uns die Quelle der Universalenergie erklären kann, steht noch aus. Der allerwichtigste Urgrund entzieht sich immer dem Zugriff des Genies und der großen Denker, denn er ist kein Subjekt, kein Gebiet für den begrenzten Intellekt. Nur das in uns, welches gleichen Wesens mit jenem Urgrund ist, kann ihn verstehen und erkennen. Kann uns einer der hervorragendsten Biologen der Welt einen Einblick in die wahre Natur des Phänomens des Lebens geben?
Obwohl wir alle grundlegenden Werke der Psychologie studiert haben, finden wir kein hilfreiches und allgemein gültiges Wissen in ihnen über das eigentliche Wesen von Geist und Bewußtsein.
Ich selbst habe nicht nur die okkulte sowie die parapsychologische Literatur der östlichen wie der westlichen Welt studiert, sondern auch spezielle und wenig bekannte Übungen gemacht, mit deren Hilfe man die übersinnlichen Wahrnehmungen und okkulten Kräfte entwickeln kann. Deshalb sehe ich mich veranlaßt zu sagen, daß im Okkultismus und in der Parapsychologie sehr wenig vorhanden ist, das für die innere geistige Entwicklung und die Erlangung supra-okkulter, göttlicher Vollkommenheit, der Vollkommenheit des Vaters im Himmel, wirklich wertvoll ist. Okkulte und parapsychologische Schulung und Erkenntnisse sind sehr wesentlich zur Überwindung der Grenzen des psychologischen Gebietes und zur Ausweitung der inneren Schau über den Bereich hinaus, der unseren stumpfen Sinnen zugänglich ist. Die eigene, besondere Aufgabe des Okkultismus besteht darin, die Illusionen, denen wir durch unsere rein materielle und physische Betrachtungsweise unterliegen, zu vertreiben.
Es ist nicht nötig, daß wir die Gedanken von Fräulein Felicia lesen können. Besser ist es, sie zu fragen, was sie denkt. Es ist nicht nötig, über das Wasser zu gehen, besser ist es, ein Schiff zu mieten und etwas dafür zu bezahlen. Es zeugt auch nicht von Weisheit, in der Luft herumfliegen zu wollen, wenn man im Flugzeug die entferntesten Gegenden erreichen kann. Was auch immer die Natur der außergewöhnlichen Kräfte sein mag, denen wir Ausdruck zu geben suchen, wir kommen dadurch in keiner Weise der Selbsterkenntnis, Selbstverwirklichung und Selbsterfahrung näher. Das Wesentlichste für uns bleibt, das Selbst zu erkennen, vermöge dessen wir alles andere erkennen und jene Macht erlangen, ohne die keine Macht bestehen oder einen Wert haben kann.
Erkenne Gott, den Schöpfer, und du wirst alles über die Schöpfung wissen. Je mehr man auf den Gebietender Physik, der Chemie, der Biologie, der Psychologie oder der Soziologie Fortschritte macht, um so mehr wird man sich der Tatsache bewußt werden, daß auf diesem Wege keine Möglichkeit besteht, zu jenem letzten Prinzip vorzudringen, das jedes andere Prinzip im Leben zu erklären vermag. Eine solche Möglichkeit liegt jedoch in dem, was die Grundlage unseres bewußten Strebens - die dahinter verborgene Ursache -bildet.
Die wahren Meister des Lebens, die wirklichen Welteroberer sind weder die Naturwissenschaftler noch die Psychologen, weder die Okkultisten noch die Spiritisten, weder die Politiker, noch die Soziologen; es sind nicht die Pädagogen und nicht einmal die Philosophen, sondern nur die Menschen der Selbstverwirklichung, der unendlichen Gotterfahrung. Ihre durch das Erleben des unendlichen Gottes erreichte alles umfassende Weisheit überschreitet das Wissen eines jeden Bereiches des menschlichen Lebens und Denkens.
Suchen wir die Macht der Mächte zu erfahren, welche Gott ist! Erkennen wir das Prinzip, das die Ursache von allem ist, was in Erscheinung tritt. Erkennen wir die höchste überpsychologische und überokkulte Realität.
Erkenne das Selbst in dir, das Selbst in allen, das Selbst im Universum, das immanente und transzendentale Selbst, welches die höchste Gottheit ist. Durch eine solche Erkenntnis und Erfahrung allein wird uns, wie dies die Bibel erklärt, die Herrschaft über die Erde und den Himmel gegeben. Durch diese Selbst-Erkenntnis und Selbst-Erfahrung allein erlangen wir Unsterblichkeit, Unzerstörbarkeit und unüberwindliche Kraft.Mögen sich große Gelehrte, wie das Genie Einstein, durch rein empirische Methoden um ein immer ausgedehnteres Wissen über den Kosmos bemühen, sie werden nie einen wahren Einblick in das erlangen, was allein die Rätsel der kosmischen Offenbarung lösen kann. Noch weniger werden sie uns jenes Glück und jenen Frieden vermitteln, welche das Ziel all unseres bewußten Strebens sind. Sie können uns nicht wirklich dazu verhelfen, die kosmische Umwelt zu beherrschen und die Unsterblichkeit zu erlangen. Das Ungeoffenbarte erhält und stützt das Geoffenbarte. Die Kenntnis des Geoffenbarten - mag sie noch so wertvoll sein, ist nie wirklich von Nutzen und ohne die Kenntnis der offenbarenden Ursache oft sogar gefährlich. Was das Ungeoffenbarte zur Erscheinung gebracht hat, vermögen wir nie auf intellektuellem, rationalem oder empirischem Wege zu erkennen. Ein solches Wissen kann nur durch die Wirkung der im Ungeoffenbarten liegenden Fähigkeiten gewonnen werden - mit oder ohne die Hilfe der intellektuellen oder rationalen Fähigkeiten. Wir erkennen die Wahrheit durch die Wahrheit und nicht durch das, was sie hervorgebracht hat. Wir erkennen das Kleinere durch das Größere, das Niedrigere durch das Höhere, und nicht das Größere durch das Kleinere und das Höhere durch das Niedrigere. Wir erkennen das Selbst durch etwas im Inneren des Selbst; wir erfahren Gott in Wahrheit nur dadurch, daß wir unser Bewußtsein in das Wesen Gottes umwandeln. Die Dunkelheit vermag das Licht nicht zu erkennen; es sei denn sie hörte auf, Dunkelheit zu sein und erhöbe sich zum Licht. Die Wahrheit allein sieht die Wahrheit. Die Liebe erkennt die Liebe.
Gott erkennt Sich selbst dadurch, daß Er Gott ist. Das Absolute wird nicht am Individuellen gemessen. Das Individuum kann das Absolute nur dadurch erkennen, daß es aufhört, das Individuelle zu sein, und mit dem Absoluten eins wird. Das Unendliche kann nicht durch das Endliche verstanden, erklärt oder erfahren werden, es sei denn, das Endliche löse seine Endlichkeit auf und werde identisch mit dem Unendlichen. Die Wahrheiten des Geistes können nie die Wahrheiten der Materie sein. Die Wahrheiten der Materie können die Wahrheiten des Geistes nie verstehen. Die Wahrheiten des Geistes verstehen alles, was die Wahrheiten der Materie betrifft, weil die Materie durch den Geist geschaffen worden ist.
Die Wissenschaft befaßt sich mit bekannten Tatsachen und physischen Realitäten. Wahre Philosophie, geistiges Wissen, hat es mit den grundlegenden Ursachen und der Substanz der physischen Realitäten zu tun, die nur von denjenigen erkannt werden, die spezielle innere Voraussetzungen dafür haben. Durch die körperlichen Sinne gelangen wir zur Kenntnis der sichtbaren Tatsachen. Die unsichtbaren Tatsachen lernen wir mit Hilfe der feineren Sinne einer entwickelten Intelligenz und den Fähigkeiten des Bewußtseins im Innern kennen. Die Naturwissenschaft mag uns in wunderbarer Weise helfen, Sputniks und Satelliten zu bauen; werden wir aber dadurch zu einem vollkommenen Dasein gelangen? Es wird uns auf diese Art nicht möglich sein, Krankheit und Tod zu überwinden, Unglück zu verhüten und Harmonie und Schönheit zu schaffen! Es wird uns nicht möglich sein, durch Weisheit und Liebe die Erde zu bereichern, Zeit und Raum zu besiegen und uns wahrer Macht zu erfreuen! Dies ist nur dann erreichbar, wenn wir zur Selbst-Erkenntnis und Selbst-Erfahrung kommen. Wir leben aus dem Unvergänglichen; wenn wir unser Leben auf dem Flugsand des Vergänglichen bauen, werden wir vernichtet. Die Wirkungen gehen vorüber, die Ursache ist unzerstörbar und immer schöpferisch. Unser Wissen gründet sich auf Das, was allwissend ist. Unsere Kenntnisse mögen noch so umfangreich sein, wir sind unwissend, wenn wir keine bewußte und lebendige Beziehung zu dem allwissenden Sein haben.
Das Selbst in uns können wir auch Christus oder den Vater im Himmel nennen. Wenn wir bewußt in Christus, im Vater, im Selbst sind, sind wir unsterblich. Da dieses Christus- oder Gottesbewußtsein oder das Selbst unbegrenzt, unendlich und unsterblich ist, sind wir in dem Augenblick, da wir bewußt mit unserem ganzen inneren Wesen eins mit ihm werden, auch unzerstörbar, zeitlos, raumlos, alldurchdringend und allvollkommen.
Diese großen Wahrheiten können wir nicht erkennen, wenn wir nicht - wenigstens für einen Augenblick - uns vom Vergänglichen abkehren und uns dem Ewigen zuwenden. Man kann nicht zur gleichen Zeit sein Gesicht im Spiegel betrachten und in das Antlitz eines Freundes blicken. Man kann nur dann das Gesicht des Freundes anschauen, wenn man sein Gesicht vom Spiegel abwendet und den Blick auf das Gesicht des Freundes richtet.
In einem gesegneten Augenblick wurde der Apostel Paulus durch eine solche dynamische Erkenntnis des Selbst oder Christus veranlaßt zu sagen: "Ich bin alles in Christus, ich vermag alles durch ihn." Es gelang ihm, sein eigenes kleines Selbst im Christusbewußtsein aufgehen zu lassen und sich zu jener schönen Erfahrung zu erheben, wo er sagen konnte: "Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir." Paulus wandte sich von sich selber ab, um sich Christus zuzuwenden, so daß Christus das kleine Selbst des Paulus durch Sein eigenes göttliches Selbst ersetzte. Wer kann unter solchen Umständen Paulus von Christus oder Christus von Paulus unterscheiden? Der Tod des einen, Begrenzten, hat das Unbegrenzte ins Leben des anderen gebracht. Das unvergängliche Licht im Begrenzten wurde eins mit dem Licht des unvergänglichen unbegrenzten Seins; die beiden wurden eins.
Gegenüber einer solchen Tatsache verblaßt die Mathematik, die Grundlage aller Naturwissenschaften. Die Metaphysik brüstet sich mit ihr. Das Unendliche aber hat seine eigene Mathematik und Logik und bringt die Mathematik und Logik des rationalen Menschen in Verwirrung, obschon das Unendliche selbst die Quelle, die erhaltende Kraft und die Erfüllung der vom Menschen geschaffenen Mathematik und Logik ist.
Eine Frau namens Lopamudra hat in den alten vedischen Zeiten, mehrere tausend Jahre vor Christi Geburt, das göttliche Sein verwirklicht, das Selbst erfahren, und in der Ekstase der vollständigen inneren Verwirklichung und Erfahrung des Selbst die folgenden inspirierenden und unsterblichen Worte geprägt: "Ich bin zeitlos, es ist durch meine Macht, daß Sonne, Mond und Sterne erstrahlen. Ich bin es, das das Universum aufrecht erhält. Ich war da vor allen Göttern. Ich bin das höchste Wesen, die unsterbliche Existenz. Ich bin die Quelle und das Zentrum des unendlichen Bewußtseins und seiner Schönheit. Ich bin der Urgrund und Erhalter allen Lebens. Durch mich allein denkt jeglicher Verstand und fühlen alle Herzen."
Dies ist für moderne Menschen schwer verständlich. Wenn wir aber unser Wissen ein wenig zu erheben vermögen, so ist es möglich, solche außerordentlichen Feststellungen über die innere Identitätserfahrung mit der höchsten Gottheit zu begreifen. Diese Frau war durch das Gottesbewußtsein völlig absorbiert. Während sie noch in einem physischen Körper lebte, wurde ihr inneres Bewußtsein vollkommen eins mit dem unendlichen Vater. Ihr Geist löste sich im unendlichen Licht und der Weisheit der höchsten Wirklichkeit auf, ihr inneres Wesen wurde eins mit der unbegrenzten, absoluten Liebe. Der Tropfen des begrenzt Menschlichen, der sie war, ging im unbegrenzten Meer des Gottesbewußtseins auf. Sobald sie einmal in jenes Meer des unbegrenzten, zeitlosen, unsterblichen, ewigen, höchsten Bewußtseins verströmt war, vermochte sie sich ihrer Individualität nicht mehr bewußt zu sein! Doch fand ihre Unendlichkeit wunderbaren Selbstausdruck im Leben eines Individuums, das vom beschränkenden, verzerrenden egoistischen Selbstbewußtsein vollkommen befreit war. Tod und Krankheit sowie Begrenzungen irgendwelcher Art kannte sie nicht mehr. Ihr inneres Leben war ein Lied Gottes, komponiert und gesungen von Gott selbst.
Wenn man ein Glas Wasser ins Meer schüttet, wird dann dieses Wasser nicht eins mit dem ganzen Ozean? Besitzt es dann nicht alle Eigenschaften des Meeres? Genau so konnte jene Frau des alten Indien dadurch, daß sie ihr Bewußtsein ins ozeanische Bewußtsein des Unendlichen einströmen ließ, wie Gott empfinden, wie Gott leben, wie Gott wirken und sagen, was Gott selber durch die Offenbarungen, die Er den Propheten schenkt, oder durch die Eingebungen, die Er den Großen des Geistes und des Herzens gewährt, kundtut.
Es liegt nichts Fantastisches, nichts Irrationales in ihrer Aussage, daß sie vor allen Göttern da war und alle Welten stützend hält, daß sie der höchste Schöpfer und als Macht über allen anderen Mächten steht, daß sie eine Unendlichkeit von Freude, Schönheit und Frieden ist und überall und zu allen Zeiten gegenwärtig. In ihr findet sich die Höhe der göttlichen Erfahrung, zu welcher die Selbstverwirklichung des geläuterten, erleuchteten, friedeerfüllten und gesegneten Menschen führt.
Wir
bedürfen der höchsten ewigen
und unfehlbaren Wissenschaft
Jede Wissenschaft, die tiefer in das Wesen des Göttlichen Selbst im Menschen eindringt, ist eine wirkliche Wissenschaft. Sie rüstet den Menschen mit befreiendem Wissen aus und macht ihn göttlich; d. h. göttlich im Wesen, im Charakter und im Erkennen; göttlich in der Kraft, im Frieden und in der Vollkommenheit. Nur ein solches Wissenssystem, nur eine solche Wissenschaft befindet sich in Harmonie mit der zentralen Lehre der Bibel und den großen, unvergänglichen Werken der Offenbarung und der geistigen Erfahrung der Welt.Welches war die große Kraft, welche die Persönlichkeit Jesu Christi beseelte? Es war nicht Bildung, nicht hohe Kultur, keine großen Errungenschaften, nicht irgendeine spezielle Schulung, keine hohe Aristokratie, nichts von dem, was wir auf Erden schätzen. Es war das ständige Bewußtsein und Erfahren des himmlischen Vaters, die alles durchdringende Ausstrahlung Seiner Liebe und Weisheit, welche bewirkten, daß die Menschheit Ihn als Licht der Welt, als Erretter und Erlöser verehrt. In Ihm finden wir das leuchtendste Beispiel der Selbst-Verwirklichung, der Gotteserfahrung, und zwar in einer solchen Vollendung, daß Er sagen konnte: "Ich und der Vater sind eins." Jesus Christus ist die bewußte Offenbarung Gottes, dessen Mission auf Erden es war, den Menschen von seiner irdischen Begrenzung zu erlösen und seinen göttlichen Geist oder das Selbst in ihm für die Vollkommenheit des Vaters im Himmel zu befreien. In Seiner Barmherzigkeit läßt Er uns an allen Schätzen und Wundem des Reiches Gottes teilhaben. Er hat Sein Leben nicht nur für höchste Liebesdienste und Opfer hingegeben, sondern uns auch die Botschaft gebracht, so vollkommen zu sein wie der Vater im Himmel. Er hat uns von neuem das Höchste an menschlicher Weisheit gegeben als Er erklärte: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches alles zufallen".
Wie wird uns dann alles andere zufallen? Nur unter der Bedingung, daß wir die höchste Wirklichkeit suchen, welche Gott ist. Wenn wir das Meer erwählen und erwerben, dann wird uns all das im Meer Befindliche zufallen. Wenn wir die Schöpfung wählen und erlangen, dann wird alles, was die Schöpfung umfaßt, uns zufallen. Wenn wir den Schöpfer wählen, dann wird die ganze Schöpfung und Millionen wunderbarer Dinge, die in Ihr sind, uns zufallen. Wenn wir - statt eine Blume hier oder eine Pflanze dort - den Garten wählen, werden uns alle Blumen, Früchte, Pflanzen, Bäume und alles, was wertvoll und wunderbar darin ist, zufallen. Wenn wir statt der Freuden des Himmels den Himmel selber wählen, wird alles sich darin Befindliche uns zufallen. Der Geist des Menschen ist nur eine der Millionen Möglichkeiten, die das allwunderbare Reich des göttlichen Selbst oder des Bewußtseins zur Offenbarung bringt. Er kann ein kleines Himmelreich oder eine große Hölle schaffen, während das göttliche Selbst im Inneren als Unendlichkeit von Licht, Liebe, Freude, schöpferischer Schönheit und Leben die ganze Vollkommenheit des Reiches Gottes umfaßt. Wenn Es unser eigen ist, haben wir die volle Genialität, alle Fähigkeiten, die ganze Wahrheit, alles Wissen, alles, was wertvoll und unendlich ist.
Wie konnte jene Frau des alten Indien die höchste Herrschaft über alles Geschaffene erlangen? Nur durch ihre innere dynamische Gemeinschaft, Identität und Einheit mit dem höchsten Vater, mit dem supramentalen, suprakosmischen Selbst, mit dem einen, unteilbaren und alles-enthaltenden, absoluten Sein.
Die
Aufgabe unseres Lebens auf
Erden, unserem Wachstums-
und Entwicklungsbereich
Erkenne das Selbst! Suche das Reich Gottes! Sei so vollkommen wie der Vater im Himmel! Verwirkliche das Göttliche in dir und überall; das heißt, besitze die Macht aller Mächte! Verwirkliche das Leben, welches das Leben aller Leben ist! Erkenne die Wahrheit, welche die Wahrheit aller Wahrheiten ist! Erlebe das Licht, das Sonne, Mond und Sterne erleuchtet und ewig ist, - das Licht hinter der Energie, auf welche die moderne Wissenschaft die Erscheinungsformen des Weltalls zurückführt.Welches ist der Hintergrund, die Substanz, die erhaltende Kraft hinter der elektrischen Energie oder irgendeiner anderen Energie im Universum? Es ist die allerhaltende, unendliche Existenz, das allerzeugende, unendliche Bewußtsein; es ist das Selbst, welches die wirkliche Energie hinter allen Energien ist. Es ist das unsichtbare Licht hinter allen sichtbaren Lichtern.
Welches ist nun die Ursache all dieser Phänomene? Welches ist das universale Prinzip, das hinter allem steht, was unsere Sinne aufnehmen? Welches ist die Macht, weiche die Millionen Welten erschaffen hat? Was ist das wunderbare Ding, das wir den menschlichen Geist nennen, der so große Wunder vollbringt und dabei doch eine so unbedeutende Macht ist im Vergleich zu dem, was hinter ihm liegt? Was ist dessen Quelle? Wer ist dessen Schöpfer? Sie zu kennen, Ihn zu kennen, heißt, das Selbst zu kennen. Wenn wir Ihn kennen, kennen wir den Geist, die Welt, die Energie, das Leben, den Kosmos und alles. Im Reich dieses göttlichen Bewußtseins ist Erkennen Sein, und Sein ist Besitzen. Erkennen ist Besitzen. Wenn wir das Reich Gottes erkennen, besitzen wir es; wenn wir es besitzen, dann wird uns alles übrige zufallen. Wenn wir die zentrale Kraft all dessen besitzen, was in der Schöpfung existiert, dann sind wir die wahren Besitzer alles Geschaffenen. Deshalb legt die Bibel Nachdruck auf ihre Ermahnung: "Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes, dann wird euch solches alles zufallen."
Dynamische
Methoden zur Erfüllung
unseres Lebens in der Welt
Laßt uns durch unbegrenzte Liebe, durch außergewöhnliches und beharrliches Bemühen unser Wissen erweitern durch allumwandelnde Hingabe an die höchste schöpferische Intelligenz und Gottheit, laßt uns zu den erhabenen Zuständen innerer Entwicklung, Entfaltung und Erfahrung uns erheben, in denen wir mit dem allvollkommenen Schöpfer eins werden. Sobald wir in unserem ganzen bewußten Wissen und Sein eins mit dem Selbst sind, mit der allmächtigen Gottheit, erlangen wir die vollkommene Herrschaft über alles, was offenbar, was geschaffen und innerhalb von Zeit und Raum zum Leben gebracht wurde.Durch das unbegrenzte Bewußtsein und in ihm überwinden wir alles, was nicht Bewußtsein ist, alles, was aus ihm hervorgegangen, was kreatürlich ist. Dies ist allein möglich durch die Erkenntnis und Erfahrung des unendlichen Selbst, durch das Einswerden mit der Seele, mit der Liebe, dem Licht und dem Leben von allem, was offenbart ist. Deshalb verkörpern diese drei Worte: "Erkenne dich selbst" die bedeutendste Weisung und die höchste geistige Führung der Welt.
Es gibt viele Methoden der Selbstverwirklichung. Durch die Jahrhunderte hindurch haben Menschen mit hoher Intelligenz, tiefer Liebe und intensiver Sehnsucht um die göttliche Vollkommenheit gekämpft und uns eine Anzahl geistiger Übungen hinterlassen, durch die sie zur Selbstverwirklichung gelangt sind. Wenn diese geistigen Übungen weise angewandt und ernsthaft von uns durchgeführt werden, wird die Selbstverwirklichung erlangt. Aber, wie alle Wissenschaften, erfordert die Wissenschaft der Selbstverwirklichung das geistige Rüstzeug oder die Erfüllung gewisser Vorbedingungen.
Kein Flugzeug kann dort landen, wo es den Piloten gefällt. Ein Flugplatz muß zu diesem Zweck gebaut werden. So sollen auch wir den Ort vorbereiten, auf den sich das Flugzeug der Gottesgnade niederlassen kann. Das Gras, das von Feuchtigkeit oder Schnee bedeckt und naß ist, kann kein Feuer fangen. Durch nichts auf Erden vermögen wir das Feuer der Selbstverwirklichung einzufangen, bevor nicht alles in uns vom Schnee befreit und trocken ist. Wir haben Schnee und Eis vollständig zu entfernen -, den Schnee und das Eis der groben, niederen menschlichen Natur, der irreführenden Triebe und Leidenschaften, der widernatürlichen Motive und Tendenzen, Schwächen und Unzulänglichkeiten. Das Gras der menschlichen Begrenzungen sollte in uns freigelegt werden und der Wärme und Hitze des brennenden Sehnens nach göttlicher Vollkommenheit, des rastlosen Suchens nach der Weisheit des Selbst, der Erkenntnis und Erfahrung Gottes, d. h. der Selbstverwirklichung ausgesetzt werden.
Dann wird es unsere nächste Tätigkeit sein, das Feuer der Meditation anzuzünden. Dann erst haben wir die richtigen Verhältnisse für das Erlangen der Selbst-Verwirklichung.
Das Selbst in uns ist etwas anders als das, was wir normalerweise unter dem Wort "selbst" verstehen. Es ist der Atem, das Bildnis Gottes. Es handelt sich nicht um den menschlichen Geist oder das Gemüt. Dieses kann durch das innere Bewußtsein in uns beobachtet werden. Es kann von uns kontrolliert, verändert und verwandelt werden, während das Selbst in uns jenseits aller Kontrolle steht. Das Selbst ist unendliche Freiheit und überwacht und beherrscht alles. Das Gemüt kann gereinigt oder vervollkommnet werden. Das Selbst ist ewig allrein, es ist ewig allvollkommen. Es ist die Gottheit in der Unmittelbarkeit unserer inneren Erfahrung. Es ist das allsehende Licht Gottes in uns.Das Selbst sieht das Gemüt und alle geistigen Fähigkeiten des Menschen, doch jene können das Selbst nicht sehen. Dies geschieht nur, wenn wir aufhören, selbst etwas zu sein und durch die innere Identität mit dem Selbst zu diesem Selbst werden. Der Mensch sieht seinen eigenen Schatten, aber der Schatten sieht den Menschen nicht, und er verschwindet, sobald der Mensch von allen Seiten umleuchtet wird.
Das Selbst in uns wird nicht in die Tätigkeiten und Phänomene von Gemüt und Verstand verstrickt; es hält Distanz von ihnen und beobachtet sie. Es ist hinter und über ihnen als etwas von ihnen Getrenntes, Verschiedenes. Deshalb ist das Selbst in uns nicht das Gedankenphänomen. Es ist der unbeobachtete Beobachter in uns, sogar der Beobachter unseres beobachtenden Bewußtseins. Es ist das bezeugende Bewußtsein und der Urgrund all unseres Wissens und unserer Erfahrung.
Ist das Selbst in uns der Name für eine Gruppe von Emotionen und Gefühlen? Nein. Auch diese sind außerhalb des Selbst. Das Bewußtsein in uns, das getrennt von den Gefühlen und über ihnen steht, das beobachtet, wie sie steigen und fallen, erscheinen und verschwinden, und das von den Gefühlen nicht berührt wird, ist das Selbst. Die Gefühle haben Anfang und Ende, Geburt und Tod, während das göttliche Selbst, das göttliche Prinzip in uns, frei von Geburt und Tod ist.
Wenn das Selbst weder unser Geist, noch unsere Gefühlswelt ist, was ist es dann? Ist es unser Körper? Nein. Es ist etwas vom Körper Verschiedenes und Verschiedenartiges. Der Körper wurde vor einigen Jahrzehnten geboren und wird nach einigen Jahrzehnten sterben. Er ist dem Wachstum und Alter, der Krankheit und dem Tod unterworfen, während das Selbst in uns ohne Alter, ohne Krankheit, zeitlos, unsterblich, ohne Ende, All-Vollkommenheit, Allmacht und Allschönheit ist. Unser inneres Wesen vermag sich vom Körper zu lösen. Im Traum trennen wir uns vom physischen Körper und nehmen einen anderen Körper an. Es gibt Bewußtseinszustände, in denen wir uns deutlich der Tatsache bewußt werden, daß wir nicht der Körper, nicht der Verstand und nicht die Gefühle sind. Nehmenwir an, unser Körper sei tot; es ist aber ein Bewußtsein in uns, das den Tod des Körpers beobachtet; es schaut zu, wie der Körper zum Friedhof gebracht wird. Welches ist nun dieses beobachtende, bezeugende Bewußtsein, dieses subjektive Bewußtsein, dieses "Ich"-Prinzip, das vom Tod des physischen
Körpers vollständig unberührt bleibt? Es ist das Selbst, das göttliche Wesen in uns. Dieses Selbst muß erkannt, erfahren und verwirklicht werden. Es ist unsterblich, ewig und unendlich.
Die weisesten und gesegnetsten Menschen sind die, welche sich dieses unvergänglichen göttlichen Selbst in sich bewußt sind und versuchen, lebendige Beziehungen mit dessen Frieden, dessen Macht und dessen Vollkommenheit einzugehen. Solche Menschen stehen über der Krankheit, über den Sorgen und den Verhältnissen und lächeln über den Tod. Weil sie allbeherrschende Erkenntnis des Selbst erlangt haben, nehmen sie teil an der grenzenlosen Freude des höchsten Vaters im eigenen inneren Selbst. Nur solche Menschen sind die Meister des Lebens und der Natur. Auf dieser Entwicklungsstufe werden sie zur Verkörperung der Liebe und gewinnen unendliche göttliche Macht.Erfolgreiche Eroberer, wie Alexander der Große, große Schriftsteller, wie Shakespeare und Goethe, bedeutende Philosophen und Wissenschaftler, wie Kant und Einstein, können von den Händen der Zeit nicht lange unangegriffen bleiben. Da sie nicht über sich selbst hinausgewachsen, d. h. die grundlegende Unwissenheit über das in ihrem eigenen Inneren eingeschlossene, all-leuchtende, göttliche Selbst nicht überwanden, da sie das Licht der Gotterfahrung nicht erlangten, das die kleine menschliche Ichheit, das Ego, die Individualität, auflöst und sie zu einem wahren Liebenden, einem Wohltäter und Befreier der Menschheit macht, konnten sie die Welt nicht für alle kommenden Zeiten erobern, nicht das Erbe der Erde antreten. Es konnte ihnen nicht "alles zufallen" als Folge der Erlangung des Reiches Gottes.
Die wirklichen Sieger, die Unsterblichen, die wahrhaft Großen sind die, welche das Selbst verwirklicht haben, welche in ihrem inneren göttlichen Bewußtsein so vollkommen wurden wie der Vater im Himmel und die Seiner allumarmenden Liebe und allumfassenden Weisheit immerwährend Ausdruck verleihen.
Ein jeder ist gesegnet; ein jeder trägt das Reich Gottes und alle jene Fähigkeiten im Innern, durch welche die lebendige Erfahrung jenes Reiches im täglichen Leben zur Wirklichkeit wird. Jesus Christus nannte seine Jünger das Salz der Erde, das Licht der Welt und die Träger des göttlichen Reiches und ermahnte sie, so vollkommen zu sein wie der Vater im Himmel. Dies gilt für jeden von uns. Unser Streben und unsere schöpferische Möglichkeit, die Vollkommenheit des Vaters im Himmel zu erlangen, ist der Segen unseres Lebens. Deshalb trägt ein jeder den unbegrenzten Frieden, die grenzenlose Freude, Schönheit und Vollkommenheit in sich. Das ist unsere wahre göttliche Bestimmung, die von unsterblichem Ruhm gekrönt sein wird.
Wir haben gesehen, daß hinter unseren Gedanken und Gefühlen das unzerstörbare, selbstleuchtende, allvollkommene Licht des Selbst, Gott, steht. Ist dieses Selbst nur in uns? Nein, es ist nicht nur in jedem von uns, es ist in jedem Ding und überall. Die ganze Natur vibriert durch seine Gegenwart. Jede Erscheinungsform hält die Gegenwart des noumenalen Selbst in sich verborgen. Dieses göttliche Selbst oder Sein ist das schöpferische Prinzip, das alle Welten und aller Welten Inhalt zur Existenz gebracht hat. Während es alle Dinge erschuf, ist es auch in ganzer Vollkommenheit in jedem von ihnen anwesend. Es ist das All in allem. Es ist das Eine in den Vielen, und die Vielen sind in Ihm enthalten.Wenn wir das Selbst oder Gott in uns erkennen, werden wir das Selbst oder Gott auch in allen Wesen, in der ganzen Menschheit, in der ganzen Natur erkennen. Wir werden Gott nicht nur in unserem eigenen inneren Sein erfahren, sondern in allem, was geoffenbart ist. Es ist dasselbe Selbst in uns und in jedem Objekt. Wenn wir es in uns selbst erfahren, erfahren wir es in jedem Menschen; und wenn wir es in jedem Menschen und in jedem Ding erfahren, erfahren wir es auch in uns selbst.
Vielseitig muß unser Zugang zu Gott sein. Können wir Furcht und Angst zum Opfer fallen, kann Haß in unserem Herzen Platz ergreifen, wenn wir die allsehende und all-liebende Gottheit in allen Wesen schauen? Wird es dem, der das eigene innere göttliche Selbst kennt, das in dem Herzen jedes Menschen gegenwärtig ist, nicht ganz leicht fallen, den Nächsten als sein eigenes Selbst zu lieben? Gerade hier besitzen wir den Schlüssel für ein besseres Verständnis der biblischen Mahnung. "Liebe Deinen Nächsten als dich selbst."
Niemand kann den Anspruch erheben, seinen Nächsten wirklich als sich selbst zu lieben, es sei denn er besitze die Selbst-Erkenntnis und die Selbst-Verwirklichung. - Wenn wir die Erfahrung des unsterblichen, ewigen, unendlichen Lichtes, des einen Selbst im Inneren aller Wesen, noch nicht haben, laßt uns ihr entgegengehen!Es gibt keine größere Dunkelheit als die Unwissenheit über unsere Beziehung zum Vater. All unsere Probleme, Leiden und Sorgen entstehen aus unserem Mangel an Erkenntnis über die allgegenwärtige, allmächtige und allwissende Gottheit. Alles Unglück, alle Begrenztheiten gehen zurück auf unsere große Unwissenheit über das zeitlose und allfriedvolle Bewußtsein der Gottheit in uns. Diese Unwissenheit darf nicht Herr über uns werden und uns dem Schmerz, den Sorgen, Leiden und Begrenzungen ausliefern. Mit äußerstem Eifer sollten wir dieser Gottheit, dieser Wahrheit, dieser Schönheit, der Quelle unversiegbaren Lichtes, der Liebe und des Lebens zustreben.
Unsere Bestimmung, unser Vorrecht und unser Heil ist es, im unbegrenzten und unendlichen Frieden in der Einheit mit Gott zu sein, während wir noch hier auf Erden sind. Eins zu sein mit der Gottheit in der ganzen Natur, diese von ihrem Herzen aus zu regieren - das ist unser Vorrecht und unser Gottessegen.Durch die Gottverwirklichung, durch das Gottesbewußtsein, durch das lebendige, dynamische und alles absorbierende Erlebnis der Gottheit - wird uns jene Erkenntnis zuteil, die alles erklärt und erleuchtet, jener Friede, der höher ist denn alle Vernunft; jenes Leben, das ewig, und jene Vollkommenheit, die unbegrenzt ist. In der transzendentalen Erfahrung des göttlichen Selbst besitzen wir eine unendliche schöpferische Macht; wir werden uns unserer Unsterblichkeit, Ewigkeit und Zeitlosigkeit bewußt; wir empfinden jene Seligkeit, die von allem unabhängig und bedingungslos ist.
Laßt uns - um die Selbstverwirklichung zu erlangen - rastlos nach immer tieferer Erkenntnis der Gottheit, ihrer geistigen Gesetze, Wahrheiten und Wirklichkeiten trachten. Laßt uns erhabene Gefühle und weitherzige Ansichten hegen, und mit unseren Gedanken über die kleinlichen Notwendigkeiten des physischen Körpers hinauskommen. Nicht länger wollen wir hier auf Erden ärgerliche, wütende, aufgeregte und lästige Geschöpfe, sondern eine Quelle der Kraft und der Inspiration, des Friedens und der Freude für uns selbst und andere sein. Bilden wir die Kraft des Durchhaltens aus, die über die Schwierigkeiten des Lebens triumphiert! Laßt uns von jener Weisheit leben, die der oft selbstvernichtenden menschlichen Weisheit überlegen ist! Laßt uns wachsen in jener Güte, die mehr ist als die belästigende, moralische Güte! Mögen wir uns entfalten in jener Liebe, die weder durch Eigeninteresse noch durch Selbstsucht beeinflußt, noch durch vergängliche heftige Impulse verzerrt wird, sondern in ihrer eigenen beharrlichen Kraft und dem nie versagenden Licht sie selbst bleibt! Möge unser Bewußtsein im grenzenlosen göttlichen Wissen aufgehen! Möge Denken und Handeln sich gleicherweise zu den strahlenden Bereichen erheben, welche uns die erleuchtenden Worte jener Menschen nahebringen, welche die Selbsterkenntnis und die Gotterfahrung erlangt haben! Laßt uns das Urteilsvermögen entwickeln und klar unterscheiden lernen zwischen dem, was recht und unrecht, was wirklich und unwirklich, was wertvoll und wertlos, was von Gott und was nicht von Gott, was das Selbst und nicht das Selbst ist. Gleichzeitig mit dieser Entwicklung der Urteilskraft wird auch unsere Leidenschaftslosigkeit zunehmen. Dann wird uns die göttliche Gnade und wahre Fülle gewährt.
Seien wir nie mit dem erreichten Wissen und unserem Entwicklungszustand zufrieden; suchen wir ständig zu wachsen, uns im Wissen zu entwickeln, in der Erfahrung, der Reinheit, der Güte und der Göttlichkeit zuzunehmen und dadurch über die äußeren Verhältnisse und Umstände hinauszuwachsen. Schreiten wir von einer Weisheit zu einer höheren Weisheit und von einer Vollkommenheit zu einer größeren Vollkommenheit. Bringen wir die Kräfte und Vorzüglichkeiten des Gottesbewußtseins in uns zur Geltung! Warum sollten wir unterhalb unserer Möglichkeiten und schöpferischen Kräfte, Gaben und Geschicklichkeiten leben? Sollte das Meer sich abschließen in der Vorstellung, daß es ein Teich sei und dadurch sich und den andern Sorgen und Schwierigkeiten bereiten? Sollte die Sonne sich als eine Kerze betrachten und sich selbst die Majestät ihrer grenzenlosen Leuchtkraft vorenthalten und damit der ganzen Schöpfung ihr Licht und ihr Leben versagen? - Strahle in der Fülle des Lichtes, welches das Bildnis Gottes in dir trägt! Heb' dich empor zur vollen Größe des wunderbaren Bewußtseins in deinem Inneren.
Swami Omkarananda
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