Swami Omkarananda

Gedanken zum Tag

September 2017

Kalender Jan2000



1. Tag

Mit jeder Wiederholung des Mantras verstärkt der Gottsucher seine Konzentration auf den Zeugen, den Beobachter in allen Wesen und Dingen, den Zeugen in der gesamten Schöpfung, den Beobachter in allen diesseitigen und jenseitigen Welten, den Zeugen, der sich seiner selbst im eigenen Bewusstseinslicht gewahr ist und die Dreiheit der Erfahrung transzendiert.


2. Tag

Kein Mensch ist eine einfache Einheit, und keine Wissenschaft vom Menschen kann den Anspruch erheben, den Menschen in wahrer, angemessener wissenschaftlicher Weise zu erfassen, ohne dass sie nicht wenigstens die unentbehrlichsten Elemente der relevanten Erkenntnisse anderer Wissenschaftszweige in den Bereich ihrer eigenen Forschung mit einbezieht oder sie wenigstens zur Kenntnis nimmt.

Der Mensch weist in seiner Struktur mehrere Dimensionen auf. Er ist gleichzeitig eine Verkörperung im physischen Bereich, ein mentales Phänomen sowie eine geistige Wesenheit.

3. Tag

Keine Wissenschaft dieser Welt kann mit Überzeugung behaupten, den Menschen durch und durch erkannt zu haben. Diese Begrenztheit unseres Wissens schränkt auch Sinn und Wert, Bedeutung und Anwendbarkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse ein.

Dieser Umstand verpflichtet jede wissenschaftlich wertvolle Psychologie, den höheren Einsichten in das Phänomen Mensch Beachtung zu schenken und daraus relevante Informationen zu entnehmen; es handelt sich um Einsichten, wie wir sie nicht nur in den Sozial, Geistes und Naturwissenschaften, sondern auch in der zeitlos gültigen philosophia perennis – der geistigmystischen Erfahrung vieler Kulturen – vorfinden.

4. Tag

Das Universum fordert für jede gültige Erklärung der Gesamtheit seiner schwer erfassbaren Fakten die Annahme einer präexistenten Wirklichkeit innerhalb und jenseits seiner Prozesse.

Bei tieferer Erforschung erweist sich die ganze Natur ihrem inneren Aufbau nach als geistig, als zweckhaft in ihren wesentlichen Funktionen und als evolutiv in ihren grundlegenden Bewegungen und Tendenzen.


5. Tag

Das menschliche Bewusstsein hat als wesentliches Merkmal nicht nur die Freiheit, sondern ist einzigartig als die subjektivistische Grundlage aller Erfahrung und Erkenntnis und liegt völlig außerhalb der Kategorien wissenschaftlicher, mechanistischer und naturalistischer Interpretationen.

6. Tag

Als wirklicher, fester Ausgangspunkt aller Wahrnehmung genießt das erfahrende Subjekt – der wahrnehmende, erkennende Mensch als zentrales Bewusstsein – den höchsten ontologischen Status und ist zugleich wesentliche Voraussetzung aller Erkenntnis, auf die alle Objekte in ihrem Offenbarwerden und ihrer Wirklichkeit bezogen sind.

Darin hat alles, was wir erfahren, seinen Ursprung.


7. Tag

Durch das erfahrende Subjekt wird die Materie und alles Wahrgenommene erst erhellt und erkannt.

Ohne die Wahrnehmung durch den Erfahrenden gibt es keine Welt der Dinge, da ja jedes Objekt das Subjekt als die wahrnehmende Instanz voraussetzt.

8. Tag 

Das Bewusstsein als das, was nicht aus der raumzeitlichen Bedingtheit hervorgeht, sondern in sich selbst der Faktor ist, der die Erkenntnis erhellt, hat offensichtlich überall höchste, vorrangige Bedeutung für die bewusste Erfahrung.

Dieses Bewusstsein ist Vorbedingung aller Erkenntnisprozesse und spielt eine wirksame Rolle bei der Darstellung aller Zustände des psychophysischen Organismus, bei der Lenkung des Willens und in dem Bemühen, seine Erkenntnisfähigkeit auf die Prozesse und Phänomene der Natur anzuwenden.

Das Bewusstsein untersteht dem Einfluss von Idealen, die es selbst geschaffen haben mag, wobei durch Vermittlung von Idealen und bewussten Energien die Persönlichkeitsprägung und der Verlauf des äußeren Lebens beeinflusst wird.

9. Tag

Für jemanden, der reichlich über geistige Weisheit und Erfahrung verfügt, der sich der wunderbaren Entfaltung der im menschlichen Bewusstsein schlummernden schöpferischen Kräfte bewusst ist und aus einem unwiderstehlichen Drang heraus dazu neigt, der Menschheit zur Erkenntnis der ihr innewohnenden Möglichkeiten zu verhelfen, ihr Tun sinnerfüllt, gesegnet und schöpferisch zu gestalten, stellt das Bewusstsein die Grundlage aller Erkenntnis, den zentralen Schlüssel für die Bedeutung der Dinge, das Sesam-öffne-dich für die Rätsel des Lebens und die Seligkeit des Seins dar.

10. Tag

Schon der physische Körper offenbart in Struktur und Funktion eine Komplexität, die ohne Eingeständnis eines vorher bestehenden, der Materie innewohnenden und sie transzendierenden Bewusstseins nicht erklärbar ist.

Ohne das richtige Verständnis des Vorrangs und der wahren Natur des Bewusstseins besitzt keine Wissenschaft ein festes Fundament.

11. Tag

Die phänomenalen Erfolge und Errungenschaften naturwissenschaftlichen Experimentierens und Denkens brachten Erkenntnisse über den menschlichen Körper mit sich, die ihn als das erkennen lassen, was er ist – nämlich ein Kosmos voller Wunder, ein sich ununterbrochen im Fließgleichgewicht befindlicher Organismus, eine wundervolle Apparatur, die mit ihren komplexen Strukturen und Staunen erregenden Vorgängen für den betrachtenden Geist die unvergleichlich hohe Kunst und das unmissverständliche Wirken der göttlichen Intelligenz widerspiegelt.


12. Tag

Das Ziel des Weisen wird immer darin zu sehen sein, dass er seinen Standpunkt auf dem Prinzip der Wahrnehmung aufbaut, einem Prinzip, das sich selbst wahrnimmt und durch nichts außerhalb seiner selbst wahrgenommen werden kann, einem Wahrnehmungsprinzip, ohne das es keinerlei Art gewöhnlicher menschlicher Wahrnehmung gibt und geben kann.

13. Tag

Die einzigartige und endgültige Entwicklung – speziell im alten indischen Denken – besteht in der Konzeption des inneren Geistes, der das Wahrnehmungsobjekt erkennt oder empfängt, indem er selbst dessen Gestalt annimmt.

Ein weiterer Zug dieser einzigartigen Sichtweise mit Einblick in das Wie und Warum der Dinge und Phänomene liegt in dem Standpunkt, der besagt, dass diese Erkenntnis durch Identität, die über den menschlichen Geist erlangt wird, lediglich empirisch ist und es eine weitere Erkenntnis durch Identität über das höhere Bewusstsein gibt: Diese Erkenntnis ist die gültige und wirkliche, und nur sie liefert die ewig wahre, reale und grundlegende Einsicht in das Wesen der Wahrheit und aller Dinge.


14. Tag

Von seinen unfehlbaren und ewig gültigen Intuitionen geleitet, wird der spirituell Suchende dahin geführt, im menschlichen Geist oder Gemüt nicht so sehr das Substrat der organischen Totalität zu sehen, also das Substrat dessen, was den psychischen Strukturen und Prozessen wie dem individuell Bewussten und Unbewussten zugrunde liegt, als vielmehr eine nach außen weisende, differenzierende, zerstreuende, abgrenzende, unterteilende negative Kraft, die viele Ebenen, Stufen, Ausdrucks und Tätigkeitsgebiete umfasst.

15. Tag 

Unsere psychologische Natur ist etwas anderes als unser wahres Sein und Wesen. Sie ist etwas Nichtwesentliches, auch wenn sie erfahrungsmäßigpragmatisch einen, wenn auch problematischen Teil unseres wirklichen Selbst darstellt.

Unser wesentliches Sein ist das unberührte, alles trans zendierende unendliche Bewusstsein von absolutem Reichtum und unschätzbarem Wert.

16. Tag

Auch wenn der Mensch äußerlich betrachtet ein vorwiegend psychologisch bedingtes Wesen darstellt, ist er im Eigentlichen doch ein überpsychologisches Individuum.

Psychologische Untersuchungen und psychologische Experimente sind nicht imstande, eine wahre Erkenntnis des Menschen zu vermitteln, weil dieser grundlegend und wesentlich ein metaphysisches Subjekt ist.

Er ist nichts ohne das Sein – die Existenz – in ihm, und dieses Sein wiederum ist das erste Grundprinzip aller Metaphysik.

17. Tag

Das praktische Leben des Alltags hat weder wirkliche Kraft, wirklichen Wert noch eine erhaltende Seinsgrundlage oder Sinn und Zweck, wenn es auf die bewusste Beziehung zu dem verzichtet, was die Grundlage allen Lebens ist, nämlich die Existenz, die wiederum eine metaphysische Kategorie ist und das zentrale Thema der Wissenschaft aller Wissenschaften darstellt.


18. Tag

Sein ist vom Bewusstsein nicht zu trennen.

Bewusstsein und Sein gehören unzertrennlich zusammen.

Und Bewusstsein ist das, was alle Erkenntnis und Liebe, alles Leben, allen Frieden und alle Freude, alle schöpferische Aktivität, allen Fortschritt bewirkt und alles, was Wachstum und Schönheit, Fülle und Segen hervorruft – kurz alles, was der Mensch tagtäglich auf dieser Erde sucht.

19. Tag

Die unbestreitbare Tatsache, dass der Mensch mehr als Verhalten und mehr als Gemüt, mehr als die Gesamtpersönlichkeit ist, verwickelt die Psychologie in Probleme, die sie nicht klären oder lösen kann, ohne die Hilfe einer Erkenntnis in Anspruch zu nehmen, welche die Vernunft und andere verwandte kognitive Fähigkeiten des Menschen in ihrer besten Form liefern.
20. Tag

Die Psychologie studiert das menschliche Verhalten.

Das menschliche Gemüt ist mehr als menschliches Verhalten. Die Psychologie ist daher gezwungen, das Phänomen des Gemüts zu untersuchen. Doch gibt es etwas im Menschen, das noch mehr ist als das menschliche Gemüt.

An diesem Punkt stehen Religion und Psychologie in gegenseitiger Abhängigkeit und sind in ihrer Funktion zur Förderung menschlichen Wachstums und Wohlergehens, menschlichen Fortschritts, Friedens und Glücks untrennbar verbunden.


21. Tag

Das Leben des Menschen kann in seinem wachen Bewusstsein nicht ordentlich, edel, würdig, friedlich und froh sein, wenn es – gemäß den Aussagen der Psychologie – ständig von unbewussten Tendenzen, Instinkten und Trieben bestimmt wird. Hier fällt der spirituellen Philosophie eine Rolle zu, indem sie dem bewussten Menschengeist Ideale, Ziele, Werte und Vorbilder liefert.

Diese Ideale, Ziele, Werte, Vorbilder und Normen verleihen dem Leben erst Frieden, Ordnung, Schönheit und Harmonie und verändern die unbewusste Natur, die unbewussten Kräfte und Faktoren.

22. Tag

Wir dürfen den Wert eines geistigen Lebensstils und seine Bedeutung für den Frieden, den Fortschritt, das Glück und die Höherentwicklung der Menschheit nicht unterschätzen.

In der Entfaltung der moralischen und geistigen Natur liegt die Lösung der menschlichen Probleme.

Hierauf beruht auch der unvergängliche Wert einer universalen Religion.


23. Tag 

Das Gemüt unterliegt dem Wechsel und der Erneuerung, der Entwicklung und Degeneration, der Einschränkung und Vernichtung. Es ist ein Instrument dessen, was nicht Materie, sondern aus sich selbst heraus strahlendes, allschöpferisches und alles transzendierendes Sein ist.

Das Psychische kann nur dann seine Funktion erfüllen, wenn es vom Licht dessen getragen und ernährt wird, das größer ist als es selbst, nämlich von der göttlichen Existenz in ihm, vom Licht des allreinen Gottbewusstseins – genauso wie die Augen des Körpers nur dann physikalische Gegenstände wahrnehmen, wenn sie die Unterstützung der psychologischen Kräfte dabei erfahren.

24. Tag

Das, was das eigentliche, wahre Selbst in uns ist, bildet die Grundlage unseres gesamten Seins und Erlebens.

Wir können Fragen über die Natur des Psychischen aufwerfen, ja das Vorhandensein einer Psyche überhaupt anzweifeln.

Wir können alles bezweifeln und verneinen, jedoch nicht den Zweifler oder den Verneinenden selbst.

25. Tag

Jenes Sein, das Geist und Gemüt, beziehungsweise das Psychische und seine Funktionen, die Psychologie oder ihre Ergebnisse anzweifelt oder verneint, existiert immerhin.

Dieses Sein kann aus logischen Gründen unmöglich angezweifelt werden.

Es stellt das letzte Prinzip in uns dar, aus dessen Licht heraus das Psychische geboren wird.

26. Tag

Das Gemüt, beziehungsweise das Psychische, stellt kein unentbehrliches Instrument für das höchste und letzte Prinzip in uns dar.

Dieses letzte oder höchste Prinzip kann unmittelbar in Aktion treten und unabhängig vom Psychischen Funktionen ausüben, während das Psychische ohne jenes Prinzip keine Existenz besitzt und daher auch ohne es nicht aktiv werden kann.

27. Tag

Sich nicht auf die zentrale, unzerstörbare Wirklichkeit im Menschen zu beziehen heißt, die Wissenschaft vom menschlichen Verhalten ihrer zentralen Grundlage und Substanz zu berauben.

Wir können auf wechselhaften, widersprüchlichen Grundlagen keine Wissenschaft aufbauen.

Die Wissenschaft kann ihren wissenschaftlichen Charakter nur beibehalten, indem sie auf unveränderliche Gesetze zurückgreift, die ihrerseits ihren Ursprung in der höchsten Realität im Menschen und im Kosmos haben.


28. Tag

Seinem wesentlichen Sein nach steht der Mensch jenseits aller psychologischen Zustände und Funktionen. Er hat Anteil am höchsten Sein.

Die ewige Essenz des aus sich selbst leuchtenden Prinzips in ihm transzendiert alle Vorgänge und Voraussetzungen von Denken, Fühlen, Wollen und Handeln.

29. Tag

Der Mensch ist kein elender Sklave oder hilfloser Gefangener des Psychischen. Er kann dieses verändern und umwandeln, ihm eine neue Richtung geben und es unter seine Herrschaft bringen. Er kann es bemeistern und transzendieren.


30. Tag

Jenes Prinzip im Menschen, welches das Psychische unter seine Herrschaft stellt, ist das wahre Selbst, das unwandelbare, alles bezeugende und alles übersteigende transzendente Bewusstsein.

Als das, was im Psychischen enthalten, zugleich aber höher als das Psychische ist, ist es Beobachter und Zeuge und kann die mentalen Funktionen und psychologischen Erfahrungen beliebig bestimmen.

Mit seiner Hilfe ist es uns möglich, uns von unseren mentalen Prozessen loszulösen, sie zu lenken und zu verändern oder im Licht des allsehenden unendlichen Bewusstseins aufzulösen.

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September 2017

Monatliche Zeitschrift, Jahrgang 42, Nr. 491

Herausgeber: Omkarananda Ashram

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