Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung

Im Lichte des Bewusstseins

Die unendliche Wirklichkeit in uns

Göttliche und menschliche Erfahrung

Das Geheimnis der Grösse

Der Kosmos als Offenbarung des Göttlichen

Der Mittelpunkt des Unendlichen ist überall

Das Wunder in uns und um uns

Die Kräfte des Bewusstseins

Der Beobachter und Zeuge in uns

Vom Licht und Feuer des Bewusstseins

Erinnerungsvermögen

Das Phänomen der Sprachengabe

Das Gewissen

Höhere Intuition

Das Traumbewusstsein und seine schöpferischen Fähigkeiten

Traumwelten durchdringen sich im Raum

Die Materialität der Welt wird in wissenschaftlicher Analyse zur Energiestruktur

Die Traumwelt ist von geringerer Solidität oder Stofflichkeit

Der Mensch als Bildnis Gottes

Bewusstsein und Materie

Der träumende Thomas

Musik

Der Mass-Stab menschlicher Grösse

Die Kunst der rechten Einstellung

Die menschliche Denkkraft

Das menschliche Denken als Fessel des Bewusstseins und als Sprungbrett zur Befreiung

Das Problem des menschlichen Lebens

Die Laufbahn der Vollkommenheit

Wachstum ist ein unsichtbarer Vorgang

Die Reaktion des Normalmenschen

Das Saatkorn Mensch

Die Überwindung der Gedankenebene durch einen Hauptgedanken

Die grundlegende Disziplin zur Höherentwicklung

Wirklichkeitsbewusstsein

Die Welt im Licht des göttlichen Bewusstseins

Warum fühlen wir uns nach der Meditation frisch?

Das Bewusstsein nimmt die Form an, auf die unsere Aufmerksamkeit gerichtet ist

Wir wollen nicht im Alltag aufgehen

Der Felsengrund

Wissenschaft und Geist

Bewusstsein und Existenz

Innerer Reichtum

Gotterfahrung durch Drogen?

Das unsterbliche Bewusstsein

Eine neue Welt

Ein gutes Herz - der kostbarste Besitz

Die Logik des Unendlichen

Vom menschlichen Denken zum transzendentalen Bewusstsein

Suprakosmische Mathematik

Das Leben erobern

 

Vorwort

Über seinen erfolgreichen Bemühungen um Bewältigung der Aussenwelt, ja um Eroberung des Weltalls, hat der moderne Mensch weite Gebiete seines eigenen Inneren brachliegen lassen. Er weiss nichts von der tiefen, unabhängigen Freude und der lebensbereichernden Kraft, die in seinem Innersten verborgen liegen.

Hinter allen vordergründigen Bewusstseinsphänomenen weist Swami Omkarananda anhand vieler Beispiele in klarere Analyse auf das höchste Bewusstsein hin, in dem der Mensch seine letzte Erfüllung findet. Der Mensch vermag sich selbst zu transzendieren. Auf dieser Tatsache beruht der Fortgang seiner wahren Höherenwicklung, die Grundlage der herrlichsten Ausformungen von Kultur und Zivilisation, das Heilmittel für alle Krankheiten und Übel und die dauerhafteste Lösung aller sozialen, nationalen, politischen, ethischen, wirtschaftlichen und kulturellen Probleme. Das ist die Botschaft Swami Omkaranandas, und in diese legt er uns in einer alle Wissensgebiete umspannenden Psychologie der Seelentiefe vor, die tatsächlich faszinieren vermag und den müden Skeptiker wie ein Feuer anspringt. Nicht in den Bereich des Irrationalen, sondern des Überrationalen führen uns die lichtvollen Ausführungen dieses Weisen unserer Zeit, die nicht irgendwelchen Theorien und Lehren, sondern der eigenen Praxis und Erfahrung entspringen. Seine Untersuchungen führen in die unbekannten Dimensionen menschlicher Intelligenz und ihren unerschöpflichen Quellbereich. Es werden Wege gewiesen, wie der Mensch zu seinem eigenen Mittelpunkt gelangen kann, der zugleich Mittelpunkt des Unendlichen ist und sich im jedem einzelnen Menschen befindet.

Die Umstände und Erfordernisse unserer Zeit bringen es selbst mit sich, dass wir an die Erforschung an dieser unbekannten Dimensionen gehen, die hinter der Kraft unserer Gedanken und Gefühle stehen und unermessliche Möglichkeiten in sich bergen.

Dr. phil H. Becker

Zur Einführung

Wir eilen auf eine Zeit zu, in der die Menschheit zu einer einzigen grossen Familie zusammenwächst. Wissenschaft und Technik helfen die Grenzen von Zeit und Raum zu überwinden, so dass unser Zeitalter mehr und mehr weltweite Perspektiven gewinnt und vom Materiellen her ein Weltbewusstsein vorbereiten hilft. Es bestehen im menschliche Leben heute eine Anzahl von Kräften und Faktoren, die auf die Weitung des Bewusstseinhorizontes auch im äusseren menschlichen Bereich hin wirken. Dies geschieht auf Grund des gleichen inneren Strebens. Die gemeinsamme Wesengrundlage setzt dem Menschen gleiche Ziele. Dennoch ist es offensichtlich , dass in verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten unterschiedliche Tendenzen im Vordergrund stehen. So hat der moderne Mensch insbesondere die Kräfte der Aussenwelt zu unterwerfen versucht. Doch bei diesem Bemühen, bei dem er in einem besonderen Ausmass Erfolg hatte, wie uns die Spaltung des Atomkerns und die Entwicklung der Mondrakete beweisen, hat er die Kräfte des Herzens vernachlässigt. Der noch weitaus grösseren Kräfte seines inneren Seins ist er sich noch nicht bewusst geworden. Er weiss überhaupt nichts von der Freude, die in seinem Inneren verborgen liegt. So ist der Mensch rastlos auf der Suche nach immer besseren Umständen und Lebensbedingungen; doch je mehr er nach Freude im äusseren Bereich des Lebens Ausschau hält, um so mehr Schmerz und Unbehagen hat das bezeichnenderweise zur Folge, während die viele Jahrtausende alten Bemühungen um Weisheit und Erleuchtung dem östlichen Menschen die Erkenntnis einbrachten, dass in Wahrheit alle Freude in dem unendlichen, schöpferischen, allsehenden, göttlichen Bewusstsein im Inneren zu suchen ist. Aus ihr vermag der Mensch Freude zu gewinnen, die von allen äusseren Umständen, Bedingungen und Lebenslagen unabhängig ist. Da er jedoch nichts von dem unendlichen Frieden weiss, der alles Verstehen übersteigt, von dem Frieden, der unbegrenzt in ihm selbst liegt, müht er sich beständig vergebens, Frieden auf der Welt und Frieden in seinem Inneren herzu stellen. Immer wieder erntet er statt dessen Ruhelosigkeit und Unbefriedigtsein, während der östliche Weise den Frieden in seinen Händen hält, in seiner Seele trägt und aus seinen Augen strahlen lässt; ist doch dieser Friede identisch mit dem göttlichen Be Bewusstsein in seinem Inneren. Er erfährt ihn jeden Tag, jede Stunde, jede Minute seines Lebens. Weil der Mensch des Westens nichts weiss von der grossen, unbestreitbaren göttlichen Wahrheit, dass dieses Bewusstsein die Quelle aller Erkenntnis und ein Meer der Allwissenheit ist, sammelt er ungeheures Wissen über die äussere Welt und gewinnt eine Menge Informationen und Erkenntnisse, die jedoch keinen grundlegenden Wert haben, während der Mensch des Ostens um die Tatsache weiss, dass jede Erkenntnis ihre Quelle in diesem inneren Sein hat, das unendlich ist. Darum wendet er den Blick nach innen.

Wenn im folgenden vom göttlichen Bewusstsein die Rede ist, dann ist damit das unendliche Bewusstsein gemeint, aus dem alles hervorgegangen ist und das alles erhält. Es wird aber damit zugleich auch der höchste erreichbare Bewusstseinszustand des Menschen angedeutet, der in seiner letzten Vollendung mit dem ersteren zusammenfällt. Der Ausdruck "Gottbewusstsein" indessen bezeichnet einen Zustand des menschlichen Inneren, der durch beständige Ausrichtung auf das Göttliche gekennzeichnet und von der Hingabe an das Göttliche durchdrungen ist. Dieser Zustand kann als Vorstufe auf dem Weg zum göttlichen Bewusstsein betrachtet und als Gegensatz zu einem körper- und umweltbezogenen Bewusstsein gesehen werden.

Das Buch nimmt also nicht das empirische, psychologisch erforschbare menschliche Bewusstsein zum Ausgangspunkt seiner Untersuchung. Es entspringt vielmehr der erfahrungsmässigen Erkenntnis des alle Dinge durchwaltenden, göttlichen Bewusstseins. Das lässt die psychologische Forschung nicht überflüssig werden. Ihr Wert wird durchaus anerkannt, und aus dem Blickwinkel einer höheren Schau ergeben sich auch für die Psychologie neue Perspektiven und Erkenntnisse. Doch könnte man hier die Worte Swami Omkaranandas zitieren, die er an anderer Stelle aus spricht: "Es gibt nichts Besseres als das Beste, womit sich der Mensch befassen kann, und dieses besteht in der Erforschung der Essenz aller Dinge." Nach Ansicht des Swami ist es des Menschen nicht würdig, das Leben hinzunehmen, ohne es auf seinen wesentlichen Gehalt und seine eigentliche Bedeutung hin zu prüfen, wie es von selten der Wissenschaft und intellektueller Menschenführung zuweilen geschieht. Er besteht auf dessen kritischer Durchforschung, um es auf solide und dauerhafte Grundlagen zu stellen. Aufgrund seiner Erfahrung der einen und universalen Wahrheit sowie der daraus folgenden Verbundenheit mit dem Herzen der ganzen Menschheit durch die Bande der alles transzendierenden Weisheit und Liebe, kann Swami Omkarananda nicht irgend einem Land der Erde noch irgend einer kulturellen oder geistigen Tradition zugeordnet werden. Der grundlegende universale Charakter seines Denkens, Fühlens und Lebens ist die ganz natürliche Folge einer Entwicklung, die schon früh in seinem Leben zur Erfüllung in der göttlichen Erfahrung gelangte und ihn zu einer Perspektive befähigt, die alle geistigen Wege und alle Wissenschaftsgebiete umschliesst und in einer unmittelbaren Wahrheitsschau integrierend zusammenfasst.

Es ist eine ganze, vollkommene Welt, eine Welt der Unzerstörbarkeit und des Bleibenden, in die er uns führt, eine Welt, in die Vernichtung und Krieg nicht hineinreichen. Dabei wird nicht bestritten, dass es diese Erscheinungen auf der menschlichen Erfahrungsebene gibt; doch weist Swami Omkarananda aus seiner eigenen inneren Erfahrung heraus Wege, wie der Mensch aus dieser Ebene in eine Welt des ewigen Lebens und zu einem höheren Bewusstsein gelangt, wo er in Wahrheit beheimatet ist und zum eigentlichen Mittelpunkt in sich zurückkehrt, wobei sein Leben im Ausseren auf erstaunenswerte Weise durch den Frieden, die Kraft, die Freude und unzählige Schätze aus dem inneren Bewusstsein bereichert wird.

Damit zeigt sich nicht nur ein Weg, wie der Einzelne zum Frieden und zum wahren Glück gelangt, sondern es ist damit ebenfalls der Weg zur Aufwärtsentwicklung der Menschheit gegeben; das menschliche Problem ist letztlich nur durch das zu lösen, was das Höchste im Menschen selbst darstellt. Dieses finden wir im höchsten göttlichen Bewusstsein in seinem Inneren.

Es handelt sich hier nicht um blosse Ideen; Swami Omkarananda liefert uns mit seinem Leben und seiner Persönlichkeit den Beweis, dass dem Menschen der Weg in die Transzendenz schon während dieses Erdenlebens offensteht. Jeder, der ihn aus der Nähe kennt, wird früher oder später zu dieser Einsicht kommen. Es gibt wirklich einen Zustand innerer Reinheit, in dem der Mensch für das höhere Bewusstsein transparent wird und aus einer unerschöpflichen Quelle im Hintergrund einen Frieden, eine Kraft und innere Freude zu schöpfen vermag, die ihn auch im aufreibendsten Alltag unerschütterlich sein lässt. Das Verlangen nach dem Vollkommenen, nach Freude, Friede und Unsterblichkeit ist unerbittlich, und der Ruf nach mehr Erkenntnis und Licht lässt sich auf die Dauer nicht unterdrücken, selbst wenn wir es versuchen wollten. Das innere Sein im Menschen verlangt nach der Unendlichkeit des Lebens, weil sich das Göttliche in seinem Herzen verbirgt, weil Freude, Friede, Kraft und Weisheit ganz natürlicherweise zum Menschen gehören und sein inneres Wesen aus zeichnen.

Nun ist aber das irdische Leben Bedingungen unterworfen und durch menschliche Schwächen eingeengt. In diesen liegt jedoch nichts Unentrinnbares, nichts Definitives. Die Begrenzungen können überwunden werden, und jeden Tag gibt es Menschen auf der ganzen Welt, die sie überwinden. Wir sind nicht auf ewig durch unsere gegenwärtigen Begrenzungen gebunden, sondern sind in Tat und Wahrheit Kraftfelder und Mittelpunkte eines unendlichen Bewusstseins. Zuerst und zuletzt sind wir unserem eigentlichen Wesen nach Eigentum dieser göttlichen Wirklichkeit, dieses ewigen Seins, das ein einziges ist. Alle Begrenzungen und alle Trennungen von dieser Wirklichkeit nehmen sich - aus höherer Schau gesehen - vielmehr wie künstlich aus und bleiben an der Oberfläche. Ihr Weiterbestehen ist davon abhängig, dass etwas in unserem Willen sie bejaht, dass sich unser Bewusstsein und unsere innere Einstellung ihnen zuwendet. Unser wesentliches Sein ist unendliche göttliche Vollkommenheit! Alle sind eins in diesem inneren Gesetz alles Bestehenden, denn das göttliche Bewusstsein ist allen gemeinsam. Wie der deutsche Philosoph Kant, so ist sich auch der Weise des Ostens der Grenzen menschlicher Vernunft bewusst und ist ebenso von der Wirklichkeit dessen, was unendlich und absolut ist, überzeugt. Er gelangt über die Begrenzungen der menschlichen Vernunft hinaus, indem er die Kräfte des Bewusstseins entwickelt: Kräfte der direkten Wahrnehmung und der höheren Intuition, um Erkenntnis durch Einssein mit dem göttlichen Bewusstsein in allem zu erlangen. Durch besondere Disziplinen sucht er die Grenzen menschlichen Denkens zu überschreiten und einzugehen in das unermessliche Licht des göttlichen Bewusstseins.

Dieses unvergängliche Prinzip im Menschen kann wohl denkerisch erschlossen werden, doch ist es rational letztlich nicht mehr erfassbar. Es ist nur in seinem eigenen Licht erfahrbar. Somit ergeben sich unterschiedliche Perspektiven, je nachdem, ob es aus der Sicht der Vernunft oder vom erwachten göttlichen Bewusstsein aus betrachtet wird. Für die Ratio, die hier nicht mehr zufolgen vermag, bleibt es ein blosses Postulat. Für den geistig Erleuchteten ist dieses Bewusstsein die Wirklichkeit aller Wirklichkeiten und wird als weitaus wirklicher erfahren als alle seine Manifestationen auf der Schöpfungsebene. Was alle Kulturen und Religionen eint und worin sich auch Religion und Wissenschaft einmal treffen müssen, wird hier in einer der Tiefenpsychologie entgegengesetzten Höhenpsychologie dargelegt. - Oder sollen wir es Philosophie der Seelentiefe nennen? Nicht in den Bereich des Irrationalen, sondern in den des Überrationalen führen uns die lichtvollen Ausführungen, die nicht der Theorie des Denkers, sondern der praktischen, tatsächlichen inneren Erfahrung des Weisen entspringen. Sie sind auch nichtgeschriebenes, sondern gesprochenes Wort, direkt an den Zuhörer gerichtet, und etwas davon drückt sich auch noch in der Zusammenfassung im Buche aus. Die menschliche Intelligenz ist keine festgesetzte und messbare Grosse, nicht das an die Oberfläche der Erscheinung gebundene Vermögen, als das sie sich einer quantifizierenden Psychologie darbietet. Sie besitzt noch unerkannte Dimensionen und unentdeckte Quellen, zu denen höchstens die Genieforschung zaghafte Vorstösse gewagt hat. Indem wir die nötigen Bedingungen schaffen, unter denen unsere höhere Geistestätigkeit in Wirksamkeit treten kann, kommen wir diesen unbekannten Gebieten des menschlichen Bewusstseins näher, dessen Quellbereich im Unendlichen liegt, und dieses wiederum hat seinen Mittel punkt im Menschen - in jedem Einzelnen, denn der Mittelpunkt des Unendlichen ist überall. Unsummen wurden investiert, um den Mond zu er reichen. Der unerforschte Kern des Menschen ist sicher des Nachdenkens, ja einer ernsthaften Untersuchung wert. Das vorliegende Buch bietet Anleitung und Hilfe, die höchsten im inneren Bewusstsein des Menschen ruhenden Möglichkeiten zu erkunden, zu erfahren und zu entfalten, indem es auf dessen Äusserungsformen sowie auf Möglichkeiten zu seiner Beobachtung hinweist und Wege zeigt, auf denen es erlangt werden kann. Das Problem des menschlichen Lebens ist das Problem des Individuellen, das sich seiner Unbegrenztheit bewusst werden soll, um schliesslich zu seiner bewussten Einheit mit dem Überindividuellen zu gelangen. Diese Möglichkeiten, die im Bewusstsein des Menschen verborgen liegen, sind so unendlich reich, dass der Unterschied zwischen dem Menschen, wie er sich gegenwärtig zeigt, und dem, was er tatsächlich sein kann, dem Unterschied zwischen dem einzelligen Organismus und dem höchstentwickelten menschlichen Individuum vergleichbar ist. Die Umstände und Erfordernisse unserer Zeit selbst bringen es mit sich, dass wir die noch weithin unbekannten Dimensionen in uns erforschen und die Quellen erschliessen lernen, die hinter der Kraft der Gedanken und der Kraft des Herzens stehen und noch weit grössere Möglichkeiten in sich bergen.

Dr. med. C.-E. Wetter

Im Lichte des Bewusstseins

Wirkliche Genies und Helden des Geistes, Künstler, Wissenschaftler und Entdecker sind im Bereich des Bewusstseins zuhause, und das Bewusstsein an sich in seiner Unendlichkeit ist das Göttliche. Die höchste Potentialität in aller Materie, in allem Leben, in allem Denken ist das Reich des Göttlichen, ist das unendliche Licht, ist die absolute Energie, ist die unerfassliche Schönheit, ist das schöpferische Bewusstsein. Darum werden auch die Grössten dieser Welt noch von jenen überragt, die sich der Erfahrung und Erforschung des Göttlichen weihen.

Unter den grossen Dichtern der Welt finden sich solche, die, ohne selbst Heilige oder Philosophen zu sein, doch aufgrund der Reinheit ihres Strebens nach der Vollkommenheit dichterischer Schönheit und Schau die Gegenwart des Göttlichen berührten und in ihrem Werk etwas von dem aufklingen liessen, das sonst nur den Heiligen eigen ist. So konnte der Dichter William Blake wie ein Mystiker sagen: «Wenn die Tore Deiner inneren Schau gereinigt sind, wirst Du das Unendliche überall erblicken. Er spricht hier eine Wahrheit aus, die in allen Jahrhunderten menschlicher Geschichte immer wieder von neuem entdeckt wurde. Wohin auch immer ein solch geläutertes Auge schaut, überall sieht es das Göttliche.

Gotterfahrung ist eine Sache des inneren Bewusstseins, eine dem Menschen natürliche Erfahrung, die dem höchsten Selbst in uns eigen ist; eine Erfahrung, die uns vorbestimmt ist und auf die wir durch die verschiedenen Erfahrungen unseres menschlichen Lebens hingeführt werden. Diese Grossen haben im Bereich ihres Mühens und Ringens Hunderte von Hilfen und Erkenntnissen für unser inneres Wachstum erarbeitet, so dass es nicht an Mitteln und Wegen fehlen dürfte, um unser ganzes Wesen umzuwandeln, unser Wahrnehmungsvermögen zu läutern und die latenten Kräfte unseres inneren Bewusstseins wachzurufen. Da es sich bei dieser Welt des höchsten Gottbewusstseins nicht um ein Gebiet handelt, das mit körperlichen oder mentalen Wahrnehmungsorganen erfahren wird, ist es ganz und gar zu unterstreichen, wenn der Apostel Paulus sagt, dass geistige Dinge geistig beurteilt werden wollen. Auch können sie nur mit geistigen Sinnen wahrgenommen werden. Das Göttliche wird nicht durch die äusseren Sinne, sondern durch erwachte geistige Sinne in uns erkannt.

Die Probleme des menschlichen Lebens erwachsen aus dem menschlichen Fühlen und Denken. Darum muss hier die Läuterung und Umwandlung einsetzen. Des Menschen Herz, von dem die Bibel sagt, dass es böse sei von Jugend auf, muss einem Läuterungs- und Umwandlungsprozess unterzogen werden. Darum mahnt auch Paulus zur Erneuerung im Geiste. Die Kräfte und Fähigkeiten, um das Göttliche auf jede nur mögliche Weise zu erfahren, liegen schon in uns bereit. Sie müssen nur geläutert und emporgehoben werden, damit die Gegenwart des Göttlichen für uns erkennbar und erfahrbar wird. Dies geschieht durch Liebe und Glauben, durch das Erkenntnislicht im Inneren und durch Disziplinierung des Bewusstseins. Auf diese Weise gelangen alle Grossen zum Gottbewusstsein.

Jedem Menschen ist es möglich, aus seinem Leben ein herrliches Epos der Höherentwicklung, eine Geschichte beständigen inneren Wachstums und der Offenbarung der Schätze des Zeitlosen und Ewigen in ihm zu machen. Dahin führen viele Wege, und jeder Lebensweg kann zu einem Weg der Gotterfahrung werden, auf dem uns die Erfahrung des Göttlichen zuteil wird, wenn erst unser Inneres geläutert und erhoben ist. Neigt sich das Denken jedoch zum Irdischen herab, dann wird es nicht nur enger der Materie verbunden, sondern es wird zur Ursache aller Begrenzungen und Schwächen, aller Irrtümer und Sünden, während das Denken zum Befreier werden kann, wenn es sich hohen Idealen und philosophischen Gedankengängen hingibt, sich durch Disziplinen des Körpers und des Bewusstseins läutert, und sich gütigem, liebendem Tun zuwendet.

Ein so geläutertes Denken trägt dazu bei, die Welt des Göttlichen auf Erden sichtbar werden zu lassen. Selbst psychologische Studien können dann eine Hilfe sein, um der göttlichen Vollkommenheit näherzukommen, indem wir das Menschliche und seine Eigenarten, Schwächen und Neigungen besser durch schauen lernen. Die Methoden zur Umwandlung, wie sie in mystischen Schriften niedergelegt sind, werden wir dann mit grösserem Verständnis einsetzen können.

Unsere Wissenschaftler und Psychologen haben uns einen entschiedenen Dienst erwiesen, indem sie einige der Begrenzungen des Wissens über uns selbst und über die Welt beseitigen halfen. Doch da die Psychologie wie jede Wissenschaft aus unserer begrenzten Intelligenz hervorging, sollten wir nicht vergessen, dass wir trotz aller guten Dienste, die uns die wissenschaftliche Psychologie im praktischen Leben zu er weisen vermag, über ihre Grenzen hinausgelangen müssen. Mit Hilfe dessen, was das Beste in unserer Intelligenz und unserem Bewusstsein ist, sollten wir uns um die Quelle aller Erkenntnis und aller Erfahrung, aller Wissenschaften und Gedankensysteme bemühen. Unsere Freiheit, unsere Rettung beruht auf einer Fähigkeit, in ein grenzenloses Universum göttlicher Liebe, des Lichtes und des Lebens emporzusteigen. Die Umstände, die das Leben als Mensch hier auf Erden täglich mit sich bringt, sind eine beständige Herausforderung an uns und zwingen den geistig Wachen, sich die Erforschung der Bereiche des inneren göttlichen Bewusstseins zum Ziel zu setzen.

Dieses göttliche Bewusstsein in uns, das absolut, ohne Grenzen und ewig ist, dieses Göttliche in uns sieht alles und weiss alles; es schläft nie und ist unendliche Schönheit, unendlich in der Freude seines absoluten Seins. Es sind irrtümliche Vorstellungen über Gott, mangelnde Erfahrung und ein Hängen an überkommenen Auffassungen, die dem heutigen Verständnis nicht mehr angemessen sind, was den modernen Menschen davor zurückschrecken lässt, sich nach dem eigentlichen Wesen Gottes zu erkundigen und seine wahre Natur anzuerkennen.

Gott ist die Möglichkeit unendlicher Vollkommenheit innerhalb unserer psychologischen, psychischen und physischen Umhüllung. Wenn unser Denken still geworden, unser Herz auf kosmische Liebe eingestellt und unser ganzes Wesen geläutert ist, indem wir beständig grosse, göttliche Gedanken und Gefühle unterhalten, beständig über die hohen Erfahrungen der Grössten des Geistes nachdenken und uns der Liebe zur Wahrheit, zur Schönheit, zur Güte weihen, gelangen wir zur Erkenntnis der wundersamen göttlichen Möglichkeiten unendlicher Vollkommenheit, dieses namenlos-formlosen, unendlichen, absoluten Bewusstseins in uns, das überall und jederzeit zugegen ist. Es ist in allen Situationen bei uns und trägt auch die Möglichkeit in sich, als Vater im Himmel offenbar zu werden.

Unsere Betrachtungsweise dem Leben gegenüber weicht von der sonst üblichen erheblich ab. So ist auch unser Menschenbild ein sehr, sehr hohes, erhabenes; doch es beruht auf innerster Erfahrung. Auch die Einstellung zur Welt entspricht nicht der üblichen Anschauungsweise; doch was in ihr zum Ausdruck kommt, ist eine Weisheit, die der Erfahrung des Unendlichen entspringt. Was auch immer die psychologische Forschung über menschliche Tendenzen und Triebe erkunden mag - eines ist sicher und unbestreitbar: unser inneres geistiges Sein ist voll unerschöpflicher Gotteskraft. Das bedeutet, dass jeder Mensch die zeitlose Wirklichkeit schon in sich trägt; doch bleibt diese in einem von Zeit, Raum, Kausalität und allen Umständen unberührten Zustand. Betrachten wir uns im Hinblick auf diese zentrale Wirklichkeit in uns und nicht im Hinblick auf den Körper und das psychologische Wesen, das der Entwicklung und dem Wachstum unterworfen ist, auch nicht unter irgendwelchen ethischen Aspekten, noch auch im Blickwinkel tiefenpsychologischer oder sonstiger neuerer Strömungen, sondern rein nur von dem aus, was sich in uns Ausdruck zu verschaffen sucht, dann stossen wir auf den göttlichen Urgrund, ein göttliches Bewusstsein und Wesen in uns, das zur einen oder anderen Zeit im Menschenleben seine Macht und Gegenwart bekundet.

Es gibt ein Streben im Menschen, das über den rein empirischen Wertstandpunkt hinausreicht. Es sind Kräfte im Menschen, für die unsere Wissenschaft keine angemessenen Erklärungen mehr geben kann. Das Prinzip des göttlichen Bewusstseins in uns hat an der allerhöchsten Gottheit Teil und ist eins mit Ihr. Diese Tatsache liegt dem ständigen Streben, die menschlichen Grenzen zu überwinden, zugrunde.

Die unendliche Wirklichkeit in uns

Was ist das für ein Reich, dieses Himmelreich, von dem die Bibel immer wieder spricht? Der Mensch, so wie er für gewöhnlich ist, das heisst, so lange sein Wesen noch nicht durch den Glauben auf eine höhere Seinsebene emporgehoben, noch nicht durch höhere göttliche Erkenntnis und durch die Kraft göttlicher Güte erleuchtet ist, findet normalerweise nichts von diesem Himmel in sich selbst. Wo ist dann dieser Himmel, von dem die Bibel spricht? Er ist in dem so fragenden Bewusstsein bereits zugegen. Und was steht hinter dieser so fragenden Intelligenz? Es ist dies etwas vom Wesen des Bewusstseins. - Ist damit nun ein mentales Bewusstsein gemeint? Es ist keineswegs eine Art von Bewusstsein, wie es sich im menschlichen Denken äussert. Dieses Bewusstsein ist unvollkommen und begrenzt, dem Wachstum und dem Wandel unterworfen. Es ist die Ursache menschlicher Schwächen und keineswegs das Reich des Göttlichen in uns. - Ist es dann vielleicht ein gefühlsmässiges Bewusstsein, dieses Himmelreich in uns? Auch dies ist damit nicht gemeint, denn unsere Gefühle sind voll Unruhe und Aufruhr; die guten werden gar zu leicht von schlechten verdrängt. Im Herzen des Durchschnittsmenschen herrscht oftmals ein gewaltiges Chaos. So dürfen wir auch im emotionellen Bewusstsein nicht das Himmelreich suchen. Was soll dann dieses himmlische Reich in uns sein? Vielleicht ein poetisches Bewusstsein? Das poetische Bewusstsein kann sich das eine Mal regen und dann wieder schweigen, doch nimmt es ein Ende, und es hängt von der Inspiration ab. Es unterliegt Bedingungen und erscheint unter bestimmten Voraussetzungen. Fehlen diese, dann verliert auch der Dichter das poetische Bewusstsein.

Was nur könnte dieses himmlische Königreich sein? Ist es ein philosophisches Bewusstsein? Auch das ist es nicht. Oder das wissenschaftliche? Weder das eine noch das andere. Wäre es ein philosophisches oder ein wissenschaftliches Bewusstsein, dann wären alle Wissenschaftler und Philosophen im Himmel. Jedoch haben das philosophische wie das wissenschaftliche Bewusstsein erst eine mühsame Schulung zu ihrer Entfaltung nötig, und überdies sind auch sie nicht vollkommen. Auch sie haben Anfang und Ende. Keine Form von Bewusstsein, die wir üblicherweise im Menschen finden, entspricht tatsächlich diesem himmlischen Reich. Es ist dies vielmehr ein Bewusstsein, das hinter all diesen Erscheinungsformen des Bewusstseins steht, es ist etwas anderes als all dies; es ist jenseits dieser Bewusstseinsformen. All diese Bewusstseinsformen wurden durch etwas verursacht und hervorgerufen, während das göttliche Bewusstsein oder das Himmelreich in uns durch nichts verursacht und von nichts abhängig ist. Alles andere beruht auf ihm, während es selbst von allem unabhängig aus sich selbst besteht. Alles andere in uns, jede andere Fähigkeit der Intelligenz und des Bewusstseins kann nur aufgrund der Anwesenheit dieses göttlichen Bewusstseins bestehen, während dieses selbst vollkommen unabhängig ist. Es ist immer in uns zugegen, sieht und weiss alles, ist allmächtig und allvollkommen, überreich an Frieden und Freude und kann darum als das Himmelreich in uns bezeichnet werden. Es liegt allem menschlichen Bewusstsein als das Bleibende, Ewige, Unwandelbare, Unsterbliche und Ungeborene zugrunde.

Göttliche und menschliche Erfahrung

Zwei Standpunkte in bezug auf die Frage des einen Geistes im Universum sind möglich: Die Erfahrung des göttlichen Bewusstseins in uns erschliesst uns, dass ein einziger Geist in allem wirkt. Die menschliche Erfahrung steht dazu im Widerspruch, indem sie uns viele getrennte Einheiten, eine Vielzahl von Persönlichkeiten vor Augen führt. Die letzte Wahrheit aber ist auf Seiten der göttlichen Erfahrung. Eine vordergründige, bedingte und vorübergehende Wahrheit ist auch auf Seiten der menschlichen Erfahrung gegeben, aber das ist nur eine zeitbedingte Wirklichkeit. Sie kann gar nicht «Wahrheit» genannt werden, weil sie vor Millionen Jahren noch nicht da war und in Millionen Jahren nicht mehr vorhanden sein wird. Wir erkennen das menschliche Leben nicht wahrhaft und finden aus der Problematik der menschlichen Situation niemals heraus - weder durch Weisheit noch durch Gnade, noch durch innere geistige Erfahrung - so lange wir nicht die menschliche Erlebensweise beiseitestellen und die göttliche Wahrheit entdecken, die Tatsache nämlich, dass es nur einen einzigen göttlichen Geist, ein einziges göttliches Bewusstsein gibt. Hunderte, ja Tausende haben, seitdem die Menschheit besteht, dieses göttliche Bewusstsein erlebt. Unser menschliches Denken steht verwirrt still, wenn es versucht, sein wunderbares Wesen zu verstehen, weil es tatsächlich nicht über die Fähigkeit verfügt, das Wesen des Göttlichen in uns zu erkennen. Dieses höchste göttliche Sein ist die Grundlage und das Leben unseres Lebens, die Seele unserer Seele, das Licht allen Lichtes. Wir sind aus seiner Substanz geformt und von seinem Atem erhalten.

Den grössten Geistern aller Jahrhunderte, die das Göttliche unmittelbar erfahren und erkannt haben, war dies nicht etwa durch irgend eine Kraft des menschlichen Denkens, sondern durch ein völliges Überschreiten der Grenzen des Denkbereiches möglich. Wir erkennen Gott nur durch das, was das Göttliche in uns ist. Wir erleben Ihn im überbewussten Zustand unseres inneren Seins. Wenn wir von diesen Höhen des Bewusstseins ins normal-bewusste Denken herabsteigen, werden wir gewaltsam in jenen Bereich gezogen, in dem wir die materielle Welt der Unterscheidungen und Gegensätze erleben. Um uns zum Aufstieg in die überbewusste Ebene unseres Seins zu qualifizieren, müssen wir uns mit den Bedingungen und Materialien, die uns gegenwärtig zur Verfügung stehen, voranarbeiten. Unsere Gedanken und Gefühle erschliessen uns nur eine sinnlich-wahrnehmbare Erfahrungswelt körperlichmaterieller Art. Das Erwachen der höheren Empfindungsfähigkeiten in uns, das ständige Unterhalten höherer Gedanken und Gefühle, die Pflege der feineren Wahrnehmungskräfte, die Entwicklung unserer moralischen, künstlerisch-ästhetischen, intellektuellen und geistigen Fähigkeiten können uns aus dieser Enge, dieser Unzulänglichkeit des Lebens in einer materiellen Welt befreien.

Die Entdeckung dieser Wirklichkeit verlangt nicht mehr und nicht weniger als den Einsatz unserer besten Vernunftkräfte, etwas Selbstbeobachtung, einige Erkenntnisdisziplinen und Übung in der betrachtenden Schau. Das Bewusstsein, in welchem wir selbst als unvergängliche Wirklichkeit, als alles einschliessende Realität, als Ursprung aller nur denkbaren Werte und als letzte Quelle unendlichen Friedens und Glückes, unendlicher Freude, Schönheit und Wahrheit erscheinen - dieses Bewusstsein sollen wir in uns, in anderen Menschen und überall erfahren. Diese Bewusstseinswirklichkeit ist überall zugegen. Die ganze Schöpfung ist in ihr enthalten, und sie ist grösser als alles, was je erschaffen wurde, insofern sie auch den Aspekt des Nichtgeoffenbarten enthält, dem gegenüber das Offenbargewordene ein Geringes ist.

Diese Bewusstseinswirklichkeit ist also nicht nur das Innewohnende, sondern zugleich das Transzendente in uns, und es ist gerade diese Wirklichkeit, die dem menschlichen Intellekt Schwierigkeiten bereitet, weil er gezwungen ist, Unterscheidungen zu treffen, die vom Standpunkt der Realität gesehen keine Gültigkeit mehr haben. Darum müssen wir uns das Wesen des Bewusstseins näher betrachten. Um über das grundlegende Wesen unseres inneren Seins Aufschluss zu erhalten, wollen wir eine Analogie zuhilfe nehmen: Im Traum haben wir alle möglichen Erlebnisse. Wir befinden uns in einem Haus, das völlig niederbrennt. Wenn der Traum zuende ist, findet sich keine Spur mehr von einem Brand. Das Bewusstsein lässt sich nicht verbrennen. Es ist unzerstörbar und alldurchdringend. Das Bewusstsein ist das Wunder aller Wunder. Es ist allschöpferisch. Es ist zeitlos und raumlos. Es erschafft alle Zeitordnungen, wie es im Traumzustand, aber auch in höheren Bewusstseinszuständen der Fall ist. Es vermag die Raumlosigkeit, es vermag sich selbst in seinen absoluten Dimensionen zu erleben. Durch täglich geübte Betrachtung können überbewusste Zustände erreicht werden, in denen wir tieferen Einblick in diese Wirklichkeit gewinnen. Ein wenig Einsicht in diese Wirklichkeit genügt schon, um unser Leben zu einem äusserst fruchtbaren Erlebnis und einem äusserst wertvollen und bedeutungsvollen Vorgang werden zu lassen.

Das Geheimnis der Grösse

Wie jedes Atom das Zentrum ungeheurer Energie darstellt, so ist jede Zelle unseres Seins Mittelpunkt unendlicher Energie, unendlichen Lichtes, unendlicher Liebe und unendlichen Bewusstseins. Mit welchem Recht können wir so etwas behaupten? Es geschieht dies sowohl aufgrund unserer eigenen, unmittelbaren und beständigen Erfahrung, als auch aufgrund der Autorität dessen, was uns die grossen heiligen Schriften der Welt offenbaren. Nicht nur tiefste metaphysische Einsicht, sondern auch die Vernunft in ihrer Bestform legt Zeugnis davon ab. Die Erfahrungen grosser Propheten, sowie von Menschen mit allumfassender Liebe und unbegrenztem guten Willen, die sich innerlich gewandelt, geläutert und durch lebenslange Selbstdisziplinierung vergöttlicht haben, bezeugen diese soeben gemachte Feststellung.

Während unsere Sinne von einem äusserlich wahrnehmbaren, stofflichen Universum, von der Welt der Sinneserfahrung, berichten, ist etwas in uns Zeuge einer anderen Welt innerhalb dieser Welt der Sinne einer Welt göttlicher Kraft und Vollkommenheit, einer Welt endloser Erkenntnis, Gnade und Schönheit. Diese durchdringt das materielle Universum, und sie hat ihr Zentrum, ihren Sitz, in unserem inneren Sein und Wesen. Wir leben in einem wunderbaren Universum der endlosen Vollkommenheit und des Friedens, dessen Name Gott oder die Wahrheit ist und diese Welt wiederum ist es, die es uns ermöglicht, das stoffliche Universum zu erleben.

Im Körper sind wir nicht frei. Durch diesen sind wir Begrenzungen unterworfen. Wir können nicht durch die Wände hindurchgehen; wir sind begrenzt. Das Wesen des Körpers selbst ist Begrenzung. Er befindet sich z. B. an einem bestimmten Ort und nirgendwo anders. Doch wir können uns an irgendeinem Platz aufhalten, unser inneres Bewusstsein erweitern und über alle Horizonte hinauswachsen. Im Bewusstsein sind wir frei; in ihm können wir Wände durchschreiten.

Das Leben ist uns gegeben, um zu den Wundern des göttlichen Bewusstseins vorzustossen, um die Furchtlosigkeit, das Glück, den Frieden und die innere Fülle zu erlangen, die dem unbegrenzten Bewusstsein zu eigen sind. Das Leben gibt uns eine grosse Gelegenheit, um die Kräfte des höheren Bewusstseins, die Eigenschaften des Göttlichen voll und ganz in uns zur Entfaltung zu bringen. Nicht um etwas von der Welt zu empfangen, sind wir hier, sondern um die Welt in Liebe zu überwinden und sie mit dem Licht der höheren Intelligenz in uns zu bereichern, um sie durch unser wunderbares Dienen, Lieben und Opfern in Hingabe und Erkenntnis zu segnen.

Der Kosmos als Offenbarung des Göttlichen

Überall ist Gott zugegen - letztlich nur Gott allein. Unendlicher Friede, eine Unendlichkeit an Freude, Kraft und Erkenntnis findet sich überall und kann von jedem Menschen jederzeit und unter allen Umständen erfahren werden. Der ganze Kosmos ist vom Göttlichen durchdrungen, erfüllt von Seinem unermesslichen Frieden, Seinem Glück, von der Macht und Erkenntniskraft des Göttlichen - so wie der Eisberg, der im Meere schwimmt, von Wasser durchdrungen ist. Man könnte ihn als Teil des Ozeans bezeichnen, ja geradezu von ihm sagen, dass er selber <Meer> sei. Doch ergibt sich dadurch eine Unterscheidung, insofern er verglichen mit dem Ozean seine umgrenzte Ausdehnung besitzt, während das Meer vergleichsweise unermesslich und unbegrenzt ist. Das Wasser des Meeres befindet sich in seinem ursprünglichen, natürlichen Zustand, während man den Zustand des Eisberges als Ausnahmezustand des Ozeans bezeichnen könnte, in dem eine dem Ozean sonst nicht übliche Härte und Festigkeit zutage tritt. Auch wenn der Eisberg auf diese Weise in seinen Dimensionen begrenzt ist und sich dadurch vom Meer unterscheidet, ist er dennoch ein Teil des Meeres, ist der Ozean immer noch im Eisberg. So befindet sich auch der gesamte Kosmos im nicht offenbargewordenen Ozean des Göttlichen.

Der Mittelpunkt des Unendlichen ist überall

Das Zentrum und die Quelle des unendlichen, alldurchdringenden Gottesreiches befindet sich in Deinem Herzen, in Deinem inneren Sein. Es wird vom Erleuchteten als das wahre Sein eines jeden einzelnen Menschen wahrgenommen, als das Himmelreich in uns. Jeder von all den Millionen und Milliarden Menschen ist Mittelpunkt des göttlichen Reiches! Eine solche Feststellung muss den forschenden Verstand verwirren. Wie kann sich ein einziger Mittelpunkt in Millionen Menschen finden? Wie kann diese grenzenlose göttliche Welt ihren Mittelpunkt in unserer winzigen Seele haben? Nun, das lässt sich am besten wie folgt veranschaulichen: Sagen wir, an der Oberfläche eines unermesslichen Ozeans schwimmen Millionen Eisstückchen. Sie befinden sich im Meer, und das Meer durchdringt sie. Wo ist nun das Zentrum dieses unermesslichen Ozeans? Weil er so unermesslich und so unbegrenzt ist, kannst Du jeden Punkt an seiner Oberfläche zum Mittelpunkt erklären. An einer Kugeloberfläche kannst Du sagen: «Hier ist der Mittelpunkt oder auch dort». - Immer wirst Du recht haben. Oder versuche, den Mittelpunkt sonst irgendwo im Raum des Universums festzulegen. Die Menschen auf einem entfernten Stern, das heisst auf einem Planeten, der um eine weit von uns entfernte Sonne kreist - auch sie werden von sich sagen, dass sie sich im Mittelpunkt des Weltalls befinden, denn die Unermesslichkeit hat überall ihr Zentrum. Für einen unermesslichen Ozean ist der Mittelpunkt überall, während ein begrenzter Gegenstand, wie etwa ein Tisch, einen ganz bestimmten Mittelpunkt besitzt. So kann auch jede einzelne von unzähligen Eisschollen im Meer sagen: «In mir befindet sich der Mittelpunkt des Meeres». Und sie kann sich fernerhin auflösen und mit dem Ozean eins werden und sagen: «Ich bin der Ozean». Wo wäre da der Mittelpunkt des Unendlichen, der Mittelpunkt dieses unermesslich unbegrenzbaren Bereiches? Der Mittelpunkt befindet sich in Dir wie auch in jedem anderen; in jedem Blatt und in jedem Planeten, in jedem Stern und in jedem Staubkörnchen befindet sich der Mittelpunkt des unendlichen Gottesreiches. Erkennst Du dieses Zentrum, ist Dein Glück ohne Grenzen. Du wirst eins mit diesem Gottesreich, und so wie das Eisstückchen im Meer, nachdem es sich aufgelöst hat, von sich sagen kann: «Ich bin der Ozean», so kannst Du dann mit Jesus Christus sagen: «Ich und der Vater sind eins». Du kannst dann in bezug auf das Reich des Göttlichen sagen, dass sich sein Mittelpunkt in Deinem eigenen Inneren befindet.

Das Wunder in uns und um uns

Wunder umgeben uns. Wir sind nur blind für sie, weil unsere Fähigkeiten und Kräfte der Wahrnehmung begrenzt sind. Musik umgibt uns. Nachrichten umschwirren uns. Wir hören nichts. Unsere technischen Empfangsgeräte sind in diesem Falle mehr wert als unsere Ohren, denn sie vermögen diese Töne einzufangen und sie für unsere Ohren hörbar zu machen. Unsere Augen wiederum sehen nicht die Bildsendungen, die von verschiedenen Sendestationen ausgestrahlt werden und von denen die Atmosphäre um uns her erfüllt ist. Hier besitzt wiederum unser Fernsehempfänger grössere Fähigkeiten als wir, um diese Bilder einzufangen und sie unserem leiblichen Auge sichtbar zu machen. Doch im Bewusstsein des Menschen befindet sich jene Intelligenz, die all das hervorgebracht hat, den Fernsehempfänger wie das Radiogerät - und das ist noch nicht das Letzte, was diese Intelligenz zu leisten vermag.

Es liegt noch mehr in ihr. Tatsächlich sind die Fähigkeiten, die in diesem Bewusstsein ruhen, unendlich. Der Mensch kann sich zu jeder Höhe der Entwicklung und Erfahrung emporstrecken. Er kann Allwissenheit erlangen. So wie die Seelenkräfte im Traum, während der Körper sichtbar gegenwärtig ist, in ferne, fremde Erfahrungswelten entschwinden, von denen wir nichts wissen, so kann auch ein Erleuchteter mitten unter uns verweilen und doch zugleich im Himmel sein, im Reich des Göttlichen, das unbegrenzbar ist in seinem ausgeweiteten Bewusstsein, empfänglich, aufgeschlossen und wach für die Wirklichkeiten des höchsten Seins.

Jene, welche die höchsten Kräfte des Bewusstseins in ihrer Seele entwickelt haben, können aus dem leeren Raum heraus Welten erschaffen, so wie heute die Wissenschaft ungeheure Energien aus einem kleinsten Stückchen Materie heraus zu erzeugen vermag. Etwas durchdringt alles, was wir sehen. Es ist diese unendliche, unauslotbare, dimensionslose Wirklichkeit. Dies ist eine Tatsache von höchster Wissenschaftlichkeit, auch wenn wir sie vom begrenzten Standpunkt unserer Wissenschaften aus heute noch als eine überwissenschaftliche Tatsache bezeichnen müssen. Können wir diese Tatsache anhand von Illustrationen aus der wissenschaftlichen Welt verständlich machen? Das ist durchaus möglich. Der Raum enthält vieles, ja ganze Welten. Unser äusseres Auge sagt: «Dies ist leerer Raum. Nichts befindet sich in dieser Leere.» Wissenschaft und Technik sagen: Keineswegs, es befindet sich sehr vieles in ihm. Da sind die radiomagnetischen Wellen, die von hundert Rundfunkstationen der Welt ausgestrahlt werden. Du kannst jederzeit aus dem Raum Musik oder Rede oder Gesang entnehmen - sie alle sind um uns her gegenwärtig. Sehen wir sie etwa? Hören wir sie? Gewiss nicht. Unsere äusseren Sinne sind in ihrer Wahrnehmungskraft begrenzt. Alle Arten von Welten durchdringen den Raum. Die Fernsehsendestationen strahlen ihre Bilderwelten in den Raum aus. Du kannst hier und jetzt mit einem Fernsehapparat verschiedene Ausschnitte aus den riesenhaften, begeisternden und zugleich schreckerregenden Urwäldern Zentralafrikas sehen, und Du kannst jetzt Bilder sehen, die auf dem Mond aufgenommen wurden. In Deinem Zimmer kannst Du New York sehen oder den BuckinghamPalast in London und was dort vor sich geht. Hunderte und Tausende von Bildern sind hier und jetzt gegenwärtig. Alle Arten von Geräuschen und Stimmen sind hier und jetzt im Raum zugegen. Sehen wir jene Bilder? Hören wir jene Stimmen und Geräusche, jene ausgestrahlte Musik? Wir wären geneigt zu sagen: «Da ist nichts als leerer Raum» - wenn wir nicht einen Radioempfänger und ein Fernsehgerät hätten. Schalte von Sender zu Sender, und Du wirst eine Welt nach der anderen empfangen: bald hörst Du Musik, bald Nachrichten, dann wiederum eine Rede, und all das ist im Raum zugegen.

Die Kräfte des Bewusstseins

Wie lässt sich dem gesunden Menschenverstand beweisen, dass jeder Mensch eine Verkörperung des unendlichen Friedens, der Liebe, des Lichtes, der Freude und der Vollkommenheit des höchsten Bewusstseins ist? Es lässt sich dies durch eine Analogie erläutern. Für den, der die Erfahrung kennt, sind Erklärungen überflüssig. Wenn zwei Erleuchtete zusammentreffen, sprechen sie nicht. Sie schweigen. Sie verstehen einander. Sie sind in Freude und Licht getaucht. Jede Feststellung erübrigt sich für sie. Sprechen sie jedoch zu anderen Menschen, dann sind Erklärungen notwendig. Wie kann man jemandem, der diese Erfahrung noch nicht kennt, beweisen, dass wirklich jeder Mensch eine Verkörperung des einen, unendlichen, grenzen- und bedingungslosen Lichtes, des Friedens und der Liebe ist?

Ich schliesse meine Augen und stelle mir den Zürcher Hauptbahnhof vor. Alles, was ich sehe, geschieht in meiner Vorstellung, in meinen Gedanken. Im Geiste sehe ich den Bahnhof, die Menschen dort, die Züge, die Gepäckwagen. Ich sehe verschiedene Menschen verschiedene Funktionen ausüben. Jemand erfrischt sich mit einem Tee. Da liest einer auf dem Bahnsteig die Zeitung. Ein anderer hastet, um den Zug auf Gleis sieben zu erreichen. All das sehe ich. Wie und wo? In Gedanken, mit Hilfe gedanklicher Vorstellungskraft. So sind es also Gedankenbilder, Formen und Gestalten aus der Substanz des Gedankens.

Plötzlich öffne ich die Augen. Der ganze Bahnhof, alles, was ich sah, ist verschwunden. Oder sagen wir, jemand neben mir lenke meine Aufmerksamkeit ab und weise mich auf etwas in der Umgebung hin. Sobald meine Aufmerksamkeit sich diesem zukehrt, verschwindet der Zürcher Bahnhof. Woraus also war alles gebildet? Aus dem Licht des Gedankens, aus dem Bewusstseinslicht. Wenn ich meine Gedanken davon abwende, ist alles verschwunden.

Ich hätte zu den Menschen, die ich auf dem Bahnhof sah, sagen können: «Ihr alle seid aus meinen Gedanken gebildet. Ihr alle seid Verkörperungen meines Verstandeslichtes, meiner Vorstellungskraft.» Hätte ich damit etwa Unrecht gehabt? Es wäre dies eine absolute Tatsachenfeststellung gewesen. Ich brauche meine Aufmerksamkeit nur etwas anderem zuzuwenden, um damit alles wieder aufzulösen.

Angenommen, die Menschen meines Gedanken- oder Vorstellungsgebildes verfügten über ein eigenes persönliches Ich und würden mir entgegnen: «Was Du da sagst, ist nicht wahr. Wir sind eine unabhängige Wirklichkeit für uns und verschieden von Dir. Siehst Du denn nicht, dass jeder von uns seine jeweils verschiedene Funktion ausübt?» Sie würden sich wie die Menschen dieser unserer Welt verhalten, die mit starkem Ich-Bewusstsein ausgerüstet sind und denen jedes Wissen um die Substanz, aus der sie gebildet sind, abgeht.

Das Universum ist aus dem Geist Gottes gebildet, und ebenso sind auch wir aus Seiner Substanz geformt. Wir sind nach dem Bilde Gottes geschaffen, das heisst nach dem Wesen Gottes, im Lichte Gottes, aus der Essenz des Göttlichen, aus dem unendlichen Frieden, dem Licht, der Liebe und der Vollkommenheit des Göttlichen. Überall befindet sich die gleiche Essenz des unendlichen Lebens. Überall ist das grenzenlose Licht; hier und jetzt ist Gott, ist der Himmel, sind Vollkommenheit und unvergängliche Macht zugegen. Jene, deren Wesen geläutert, deren persönliches Ich aufgelöst und in eine alles umfassende, allsehende Intelligenz und Liebe hineinversunken ist, erfahren Gott hier und jetzt und überall, denn für sie sind die äusseren Namen und Formen verschwunden, und die Essenz allein ist sichtbar.

Wenn ich nun meine Augen schliesse und mir wieder in Gedanken den Zürcher Bahnhof vergegenwärtige, sehe ich viele Dinge: Menschen stehen da in bunten Kleidern, jeder verschieden vom anderen; alle möglichen Gegenstände erscheinen vor meinem inneren Auge, vom Trolleybus bis zum Handkoffer und bis zur Zeitung. Sobald ich meinen Gedanken Einhalt gebiete, verschwindet alles wieder. Was bleibt, ist das reine, blosse Verstandeslicht, die Vorstellungskraft. In gleicher Weise betrachtet ein Weiser die Welt. Die äusseren Namen und Formen verschwinden, und er steht von Angesicht zu Angesicht der unbedingten Schönheit und Liebe gegenüber. In seinem Herzen und ringsumher ist nichts als die Fülle des strahlenden, grenzenlosen und allschöpferischen wunderbaren Lichtes.

Du magst auf eine Frau hinweisen und sagen: »Sie ist eine üble Schwätzerin und macht ihrem Mann das Leben zur Hölle.» Der Weise sieht sie und erblickt auch in ihr eine Form des göttlichen Lichtes. Wer sieht sie richtig? Jeder ist von seinem Standpunkt aus im Recht. Von Dir aus gesehen, ist sie eine böse Frau, und wenn der Erleuchtete aus seinem inneren Zustand heraus sagt, dass sie eine Offenbarung der Existenz Gottes und somit Licht und Freude ist, dann hat er von seinem Standpunkt aus ebenfalls recht. Irrt er nun mit seiner Feststellung, dass alles die wundersame Offenbarung von Gottes Licht, Liebe, Gnade und Vollkommenheit ist? Ist es etwa verkehrt, überall das Königreich Gottes wahrzunehmen? Keineswegs. Nach aussen benimmt er sich wie jeder andere Mensch, doch ist seine innere Erfahrung, sein inneres Verständnis, sein Denken und seine Reaktionsweise von dem grenzenlosen Lichte, der Weisheit, dem Frieden und der Liebe des Göttlichen erfüllt und befähigt ihn, Dinge zu sehen, die anderen verborgen sind.

Sein Bewusstsein ist gewissermassen zweifach. Da ist die im Mittelpunkt stehende Erfahrung und das Wissen darum, dass alles göttlich ist, dass er sich hier und jetzt in der Unsterblichkeit, im Königreich des Göttlichen befindet und mit Gott untrennbar verbunden ist - und zwar so untrennbar, wie die Kälte vom Eis oder die Hitze vom Feuer oder das Licht von der Sonne. Er lebt im Bewusstsein des Friedens, während alle Welt von Krieg redet. Er erlebt unbedingtes Glück, während fast jeder Mensch auf Erden in seine eigene Geschichte des Kummers und Unglücks verstrickt ist. Er steht in seinem erleuchteten Bewusstsein von Angesicht zu Angesicht dem Göttlichen gegenüber. Sein ganzes Wesen, sein Denken, seine Seele, sein Wille und sein Herz sind im Bewusstsein Gottes verwurzelt. Wenn auf dem Flughafen die Pässe kontrolliert werden, dann weist er wie die anderen seinen Pass vor und benimmt sich wie jeder andere Mensch. Kein Anzeichen irgendeiner Abweichung von der Norm wird bei ihm sichtbar. Doch während er sich so der äusseren Situation entsprechend benimmt, erlebt er doch innerlich in tiefem Erkennen und Bewusstsein immer nur Gott; im Beamten, im Pass und in der ausgestreckten Hand sieht er Gott. Innerlich erlebt er die ganze Umgebung als göttlich. Überall ist Glück, Stärke, Furchtlosigkeit, ewig neue Freude und ein Friede, der durch nichts erschüttert werden kann. Der Flughafen mag vom Lärm und vom Getöse abfliegender und landender Flugzeuge erfüllt sein, doch er ist in der Stille verankert: ein gesegneter und reiner Mensch, dessen Freude das Göttliche ist, dessen Frieden das Göttliche ist, dessen Licht das Göttliche ist und dessen Erkenntnis das Göttliche ist. Der Inhalt seines Erlebens ist immer nur das Eine: das Göttliche.

Der Beobachter und Zeuge in uns

In jedem Menschen wohnt ein Bewusstsein, das auch dann, wenn wir in tiefen Schlaf versunken sind, nicht schläft. In jedem von uns ist ein Bewusstsein zugegen, das auch dann noch wach ist, wenn wir in tiefer Ohnmacht liegen. Ein Bewusstsein ist in uns, das vom Traum des Schläfers nicht berührt wird, ein Bewusstsein, das den Traum zwar sieht und ihn versteht, doch niemals in ihn einbezogen ist. Es ist das göttliche Bewusstsein, das in keinem Falle schläft - auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind - und das am Morgen sagt: «Da bist Du wieder. Du hast gut geschlafen.» Nicht unser menschlicher Geist kann uns diese Auskunft geben, denn wäre er in Tätigkeit gewesen, dann hätten wir nicht gut geschlafen, dann hätten wir einen gestörten Schlaf gehabt. Ein gesunder tiefer Schlaf setzt voraus, dass das Denken völlig zur Ruhe gekommen ist. Doch, ob wir schlafen oder träumen etwas ist in uns, das über allem steht, und das man den Beobachter oder Zeugen in uns nennen kann.

Wenn unser Inneres zur Ruhe gelangt, fängt etwas in uns an, die aufsteigenden Gedanken zu beobachten. Dringen wir noch ein wenig tiefer in die Stille ein und beobachten wir genauer, dann finden wir, dass noch ein weiterer Beobachter im Hintergrund ist, der den Beobachter der Gedanken beobachtet. Dieser Hintergrundbeobachter lässt sich seinerseits wiederum beobachten. Je weiter wir nun diesen Prozess der inneren Beobachtung vorantreiben, umso näher kommen wir einem letzten Beobachter, der keiner weiteren Beobachtung mehr zugänglich ist, jedoch jede Beobachtung erst möglich macht.

Dies gilt ausschliesslich für die Stufe der Reflexion, der gedanklichen Beobachtung. Wenn wir nun von diesem Stadium des Überlegens-und Nachsinnens weiter zum eigentlichen Zustand der Meditation vordringen, erlangen wir ein tieferes und angemesseneres Wissen um dieses fundamentale, alles bezeugende Bewusstsein in uns. Die Gegenwart dieses innersten Bewusstseins, dieses Zeugenbewusstseins, das alles beobachtet und das seinerseits von keiner menschlichen Geisteskraft mehr erfasst werden kann, ist nichts anderes als Gott selbst.

Dieser letzte Beobachter aller Bewusstseinsfunktionen ist voll Licht, voll Intelligenz, ist aufs höchste potenziertes Bewusstsein. Intelligenz und Bewusstsein sind ihrem Wesen nach Licht. Intelligenz und Licht was sind sie letztlich anderes als Erkennen? Wird uns dieses Erkennen, dieses Verstehen von etwas Äusserem gegeben? Sicher nicht, und es besteht auch keine Möglichkeit, dieses zentrale Bewusstsein mit irgend einem unserer Sinne zu erfassen oder durch unser Denken zu erreichen. Alle Funktionen der Sinne sowie des Denkvermögens sind ihrerseits von diesem inneren göttlichen, alles bezeugenden Bewusstsein getragen und erhalten. Und dieses göttliche Bewusstsein im Menschen ist seinem Wesen nach Licht. Wie sollen wir die Anwesenheit dieses Lichtes im Menschen erklären; können wir dieses doch nicht mit unseren leiblichen Augen erkennen. Unsere äusseren Sinne machen uns das physikalische Licht sichtbar doch selbst dazu sind sie ausserstande, wenn das Erkenntnislicht im Inneren fehlt. Ein Toter kann die Augen offen haben und doch nichts sehen, denn es fehlt das innere Wahrnehmungsvermögen, das Licht im Inneren. Bei gewissen Blinden können die Augen unversehrt und vollständig ausgebildet sein, doch die Verbindung zum inneren Erkennen ist unterbrochen. Betrachten wir diese Intelligenz, wie sie im Traumbewusstsein wirksam wird. Nun, ein Heiliger träumt, er sei der schlimmste Sünder auf der Welt, der von einem Fehler in den anderen falle und bei dem ein Unheil dem nächsten auf dem Fusse folge, ein Elender, der tief im Pfuhl stecke. Daraufhin sieht er sich in einem Wald, der in Flammen steht, und er sieht, wie alles niederbrennt, und er selbst verbrennt ebenfalls. Sein Bewusstsein sagt ihm, dass alles, was er ausgestanden hat, nur ein Traum war. Hat nun etwa sein Bewusstsein Schlammspritzer davongetragen oder im brennenden Wald Feuer gefangen? Weder das Feuer, noch die übelriechenden Tümpel konnten das Bewusstsein versengen oder beschmutzen.

Vom Licht und Feuer des Bewusstseins

Im Menschen ist Licht. Manchmal verzichten wir auf den Gebrauch des äusseren Sehorgans und sehen innerlich, so etwa, wenn wir uns aus der Erinnerung vorstellen, wo sich in einer Stadt ein bestimmtes Haus befindet. Licht ist also in uns selbst. Auch ein Schlafender sieht - allerdings im Traumzustand. Auch in hypnotischen Zuständen sieht man, doch geschieht dies im Licht des inneren psychischen Wesens. Auch jemand, der mit übernormalen Kräften ausgestattet ist, sieht mit geschlossenen Augen. Er vermag selbst in die Zukunft zu blicken und zu sehen, was sich hundert Jahre später an einem bestimmten Ort zuträgt oder was einem Menschen nach zehn Jahren zustossen wird.

In welchem Lichte sieht er nun die Zukunft, die der übrigen Menschheit dunkel und verhüllt ist? Er sieht sie im höheren psychischen Licht. Hinter diesem psychischen Licht in uns befindet sich das göttliche Licht, das Licht, das über allen Lichtern ist. Unsere Intelligenz hört auf zu sein, wenn nicht das göttliche Licht in uns ist - ein höheres Bewusstsein, durch dessen Anwesenheit unsere Intelligenz erst wirksam werden kann und das zugleich die Funktion unseres Atems erhält. Dieses höhere Licht oder Bewusstsein in uns, das die Tätigkeit der Intelligenz aufrechterhält, ist Sitz endloser geistiger Fähigkeiten, wie auch anderer Kräfte und Möglichkeiten. Weil dieses Bewusstsein vorhanden ist, kann unser Wissen unbegrenzt sein, können uns unendlicher Friede, endloses Glück und unbegrenzte Macht zuteil werden.

Was verleiht dem Körper Wärme? Wäre kein Bewusstsein in ihm, hätte sich die Seele zurückgezogen, dann wäre der Körper starr und kalt. Was also gibt ihm die Wärme? Wir nennen es Lebenskraft, hinter der als belebendes Element die Seele steht. Was ist in der Seele? Das göttliche Bewusstsein. Woher kam diese Wärme also? Sie ging letztlich aus dem göttlichen Bewusstsein in uns hervor. Es ist also etwas wie Feuer - oder sagen wir ein feinstoffliches Feuer - im innersten Bewusstseinsurgrund Deiner Seele. Dieses steht und läutert alles. Es ist Schönheit. Es ist schöpferisch. Es ist transzendent. Es ist Licht. Es ist das Feuer des unendlichen Bewusstseins, das Feuer Gottes, in dem alles enthalten ist. Dieses Feuer des unendlichen Bewusstseins, das nichts mit dem Feuer Deiner Leidenschaften, dem Feuer Deines Zorns, dem Feuer von Leiden und Begierden, von Eifersucht und Habgier zu tun hat - dieses göttliche Feuer, das von all diesen Feuern verschieden ist und das hervortritt, wenn sich Deine Seele in Gott vertieft - dieses Feuer des unendlichen Bewusstseins in Dir ist eins mit dem Feuer des unendlichen Bewusstseins in allem.

Dieses Unendliche, dieses reine Bewusstsein ist die Mitte unseres Seins. In ihm sind wir unsterblich und unzerstörbar. Wir können nicht von dieser Wirklichkeit losgelöst werden. Und wiederum ist jede nur denkbare Erkenntnis in ihr enthalten. All die wissenschaftlichen Tatsachen, die erst nach Jahrhunderten oder Jahrtausenden entdeckt werden, sind in dieser Wirklichkeit enthalten.

Das Reich des Göttlichen ist unser eigentliches Wesen. Die Wahrheit ist die Substanz, aus der wir geformt sind. Die Erfahrung von uns selbst als Mann oder Frau, als jung oder alt, als dumm oder intelligent, ist eine nur oberflächliche Erfahrung. Sie kann wechseln, sie kann überwunden oder erweitert werden. Der Mensch der Weisheit, der Mensch der Wahrheit ist beständig im Bewusstsein dieser inneren Existenz verwurzelt. Er ist in seinem inneren Erleben über Zeit und Raum erhaben. Er ist furchtlos. Er ist überall, weil die Wahrheit überall ist. Er ist voller Schönheit, weil die Wahrheit unendliche Schönheit ist. Er ist voller Weisheit und Erkenntnis, weil die Existenz in ihm unendliche Erkenntnis ist.

Wir können es das reine Bewusstsein nennen, oder Gott, Wahrheit, Schönheit; es ist das, wonach ein Beethoven und Bach, ein Raphael und Michelangelo Ausschau hielten. Wir wollen dies die Wahrheit nennen, die zu erkennen die grössten Philosophen und Weisen ihre kostbare Zeit und Kraft eingesetzt haben, oder wir wollen es Gott nennen, das ewige Ziel des Strebens der Heiligen durch alle Jahrtausende hindurch. Mit dieser wundersamen inneren Gegenwart wollen wir Gemeinschaft suchen. Aus diesem Licht und diesem Bewusstsein wollen wir etwas von Seinem unerschöpflichen Frieden und Glück, von Seiner Erkenntnis und Stärke beziehen!

Erinnerungsvermögen

Gibt es eine Zeit in unserem Bewusstsein? Es ist keine Zeit in ihm vorhanden, in diesem einfachen, dimensionslosen Punkt des göttlichen Lichtes. Doch trägt er nicht nur alle Formen und Grade des Erkennens in sich, sondern kann auch nach Belieben Zeitordnungen erschaffen. Innerhalb von drei Minuten kannst Du eine Lebenszeit von siebzig Jahren durcheilen und erleben. Dringen wir tiefer zur Erkenntnis dieses Bewusstseins vor, so werden wir immer mehr erleuchtet, und die Kräfte dieses höheren Bewusstseins, seine Weisheit, seine Freude, seine Schönheit und sein Friede treten immer deutlicher in Erscheinung. So wunderbar ist dieses unser inneres Sein beschaffen. Um wieviel wunderbarer ist nicht dieses göttliche Bewusstsein, das überall zugegen ist und alles sieht und weiss! Nur ein wenig wollen wir die Fähigkeiten betrachten, die im Menschen zum Ausdruck kommen. Auf der Fahrt von Bern nach Basel wirfst Du einen kurzen Blick durchs Fenster Deines Zugabteils. Irgend ein auffälliger Gegenstand fesselt Dein Bewusstsein oder vielleicht siehst Du ihn sogar nur halbbewusst. Du denkst nicht mehr daran. Zehn Jahre später taucht plötzlich das Bild aus der Erinnerung auf. Oder Du träumst nach zwanzig Jahren noch davon. Kein Eindruck, den wir in uns aufgenommen haben, geht je verloren. An vieles meinen wir uns nicht mehr zu erinnern, vor allem, was die früheste Kindheit anbetrifft. Doch wenn wir glauben, alles sei so ganz und gar verloren, dann haben wir vorschnell geurteilt, denn tatsächlich hat unser Inneres nicht nur viel mehr gesehen als wir glauben, sondern es auch aufbewahrt. Auch diesem unglaublichen Vermögen liegt das göttliche Bewusstsein in unserem tiefsten Inneren zugrunde, das alles sieht, versteht und weiss.

Das Phänomen der Sprachengabe

Alles ist im Inneren enthalten. So einzigartig ist das Bewusstsein im Menschen, dass es alles, aber auch wirklich alles in sich trägt. Es ist zeitlos, unzerstörbar, allwissend, allmächtig und alldurchdringend. Im Bereich der Parapsychologie zeigt sich das verhältnismässig seltene, aber dennoch unbestreitbare Phänomen, dass Menschen in besonderen Bewusstseinszuständen Sprachen sprechen, die sie nie zuvor in ihrem Leben vernommen haben. Eine geläufige und einleuchtende Erklärung dafür lautet, dass der Betreffende in einem früheren Leben diese Sprache gesprochen oder erlernt haben müsste. Diese Erklärung ist durchaus vernünftig und einleuchtend. Immerhin erklärt sie etwas, das sonst unerklärlich ist. Sie braucht allerdings nicht die einzige Erklärung zu sein. Zuweilen geschieht es, dass die innere Seele, die ja alles weiss und alles sieht, sich in fremden Sprachen manifestieren oder ausdrücken kann, denn alle Sprachen, alle Wissenschaften und alle Erkenntnisse sind latent in ihr vorhanden. Das Licht des göttlichen Bewusstseins kennt keine Grenzen, keine Dunkelheit und keine Schwäche. Sein Name ist Vollkommenheit. Sein Charakter ist Schönheit, unbegrenzte Schönheit, unbegrenztes Glück, unbegrenzter Friede, Freiheit und Kraft.

Das Gewissen

Gibt es weitere Hinweise auf die Anwesenheit des göttlichen Bewusstseins in unserem Inneren? Gewiss, es sind Fingerzeige dafür vorhanden. Nehmen wir als den nächstliegenden die Stimme des Gewissens. Begehen wir ein Unrecht, und sei es auch nur in Gedanken, dann meldet sich etwas zutiefst in unserem Inneren und sagt uns: «Das ist nicht gut.» Was ist dieses Etwas? Es ist die feine, leise Stimme des Gewissens. Wer belehrte uns darüber, dass es falsch war, was wir dachten oder taten? Niemand brauchte uns darüber zu belehren. Die Belehrung erfolgte durch unser Inneres, zunächst über die mentalen Fähigkeiten des Fühlens und Denkens, und dann auch durch das Gewissen, das über die mentalen Erkenntniskräfte hinausreicht. Dieses ist nicht der Belehrung von aussen zugänglich - wie dies für die oft mit ihm verwechselte soziale Anpassungsfunktion zutrifft -, sondern es leuchtet aus sich selbst und ist ein Ausdruck und eine Funktion des höchsten, alles bezeugenden Bewusstseins in uns. Das Gewissen als Stimme des höheren Bewusstseins in uns ist ein Prinzip, das zwar unsere guten wie unsere schlechten Erfahrungen ermöglicht, aber dennoch selbst nicht in diese Erfahrungen einbezogen, nicht von ihnen betroffen oder beeinflusst wird, sondern seinem Wesen getreu stets rein bleibt. Angenommen, Du begehst einen Fehler. Das Bewusstsein sagt Dir, dass Du einen Fehler gemacht hast. Doch beging das Bewusstsein selbst diesen Fehler? In diesem Zusammenhang und von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist das Bewusstsein in diesen Fehler nicht mit einbezogen.

Nur wenn die menschliche Erfahrung von gefühlsmässigen Erlebnissen überdeckt und in sie verstrickt ist, widerfahren seiner äusseren ichverhafteten Persönlichkeit all diese Erfahrungen von guter und schlechter, von reiner und unreiner Art. Das Bewusstsein selbst bleibt makellos, eine Säule des Lichtes, und dieses Bewusstsein ist eine Eigenschaft der Seele. Die Seele gleicht innerhalb der ewigen Seinswirklichkeit einem kleinen Laubblättchen auf dem endlosen Ozean. Der Druck dieser Wirklichkeit, dieses Göttlichen, ist überall.

Aus den Wirkungen des Gewissens lässt sich mit Sicherheit auf die Anwesenheit des göttlichen Bewusstseins in uns schliessen. Wenn es ein himmlisches Reich gibt - das heisst: ein Göttliches, Allvollkommenes, Allheiliges und Allwissendes -, dann muss es in diesem sich allem entziehenden und doch alles beobachtenden inneren göttlichen Zeugenbewusstsein seinen Sitz haben. Wäre das Göttliche hier nicht zu finden, dann würden wir es wohl auch anderswo vergeblich suchen. Dann würden wir auch in uns vergeblich nach diesen Funktionen des höheren Bewusstseins Ausschau halten.

Höhere Intuition

Noch weitere Beweise gibt es für die Anwesenheit des göttlichen Bewusstseins im Innersten eines jeden Menschen. So finden sich auch im alltäglichen Leben Augenblicke und Zeiten, in denen der Mensch plötzlich von einer seltsam kostbaren Liebe ergriffen wird, von einer Liebe, die alle Schöpfung umarmen möchte. Wie liesse sich behaupten, diese steige aus dem Unterbewusstsein empor? Wie kann ein Bereich dunkler Kräfte zugleich der Schöpfer und Erhalter lichtvoller Gefühle, Gedanken und Erfahrungen sein?

Die Grossen des Geistes werden von Intuitionen überrascht, sie mögen sich aufhalten, wo immer sie wollen. Sie mögen baden, essen, umhergehen - bei jeder Gelegenheit erfahren sie hohe intuitive Einsichten. Auch diese sind als Ausstrahlungen des göttlichen Bewusstseins anzusehen. Ganz sicher dürfen wir ein Göttliches in diesen grossen Geistern vermuten; doch dieses ist ebenso in allen anderen Menschen vorhanden, genau so wie jeder ein Gewissen in sich trägt, auch wenn dieses zuweilen verschüttet sein mag.

Niemand sollte sich darüber betrüben, wenn ihm höhere Erlebnisse oder Erfahrungen einer anderen als der unseren Sinnen zugänglichen Welt einmal gegeben und dann wieder genommen wurden. Der Geber all dieser Erfahrungen, das Göttliche, aus dem all diese göttlichen Erfahrungen hervorgingen, ist ja in ihm selbst. Ihr Ursprung ist immer noch in ihm und kann nicht von ihm genommen werden, nämlich das Göttliche voll unendlicher Wunder, das alle Universen erschuf, sie trägt und erhält. Auch wenn er viele mystische Erfahrungen hatte und alle restlos verschwunden sein sollten, macht das doch nichts, denn der Eine, der tausend noch viel höhere Erfahrungen hervorbringen kann, ist noch in ihm. Das höchste Göttliche, das dem Menschen Allwissenheit, Allmacht und Allgegenwart als Grundzüge seines Lebens verleihen kann, ist nach wie vor in ihm. Die Tatsache, dass jemand in früheren Tagen schon einmal einen Zugang zu Gott fand, ist ein Grund zur Freude.

Meditieren und Beten, Ringen und Streben, um uns dem Göttlichen zu nahen, öffnet uns wirklich Türen und erbringt uns einen Beweis dafür, dass etwas Unvergängliches, Göttliches in uns ist. Von Ihm kann der Mensch auf die Dauer nicht Abstand nehmen. Seine Gotterfahrung, seine Bewegung auf die unendliche göttliche Vollkommenheit hin, ist eine Notwendigkeit seiner Höherentwicklung. Selbst wenn ein Mensch Gott nicht haben möchte, so gibt es doch Augenblicke in seinem Leben, in denen er sich heimlich nach Gott sehnt. Aus diesem inneren Geheimnis seines zur Höherentwicklung drängenden Wesens heraus wird er immer wieder neue Meditationsmethoden finden und schliesslich neue Erfahrungen des Göttlichen erlangen. In der Meditation treten wir ganz bewusst in den Bereich höherer Bewusstseinsebenen ein. In Zuständen künstlerischer, mentaler und psychischer Sensitivität gelangen einige der verborgenen Kräfte und Fähigkeiten in uns zur Wirkung. Es gibt eine Menge weiterer Beispiele aus dem Bereich des täglichen Lebens, an denen sich feststellen lässt, dass das Bewusstsein in uns höhere Fähigkeiten in sich birgt. Diese kommen bei der einen oder anderen Gelegenheit zum Vorschein. So kann etwa ein Mensch, der sich so schwach fühlt, dass er kaum die Tasse an den Mund heben kann, bei einem Brand in seinem Zimmer plötzlich in der Lage sein, eine dicke Glasscheibe zu durchstossen und aus dem Fenster zu springen. Woher nahm er plötzlich diese Kraft? Die Bedrohung seines Lebens und das Bestreben, den Flammen zu entrinnen, riefen Kräfte in ihm wach, die schon zuvor latent vorhanden waren, nur dass er sie nicht nützte. Erst angesichts des drohenden Flammentodes gelangten sie zur Auswirkung.

In solchen Ausnahmezuständen gelangen die in uns schlummernden höheren Fähigkeiten leichter zum Durchbruch. Wir brauchen nur etwas aufmerksam zu beobachten, dann stossen wir immer wieder auf Situationen des Lebens, die uns in dieser Hinsicht etwas lehren können. Überall ergeben sich Gelegenheiten, um tieferen Einblick in die verborgenen Wunder des Bewusstseins zu gewinnen und die Gottgegenwart in diesem völlig reinen Bewusstsein zu entdecken und zu erfassen, das alles beobachtet und niemals in irgend etwas einbezogen wird. Wer solche Gelegenheiten zu nützen weiss, kann dadurch der Gotterfahrung näherkommen. Es ist dies ein höherer Erkenntnis-prozess, der auch all jenen förderlich sein kann, die auf dem Wege des Glaubens und der tätigen Liebe, im Gebet und durch andere geistige Übungen Gott näherzukommen versuchen.

Das Traumbewusstsein und
seine schöpferischen Fähigkeiten

Das Traumbewusstsein ist eine sehr begrenzte und entstellte Wirkweise des göttlichen Bewusstseins in uns - und dennoch höchst bewundernswert. Wir schlafen ein und träumen. Während es draussen weder regnet noch die Sonne scheint, können wir dennoch beides im Traum erleben. Oder wir schreiten ohne Schirm durch den Regen. - Wo spielt sich dieses Traumerlebnis ab? Im dunkeln Zimmer, in dem wir schlafend liegen. Und woher kommt uns all dieses Erleben? Irgend ein Bewusstseinspünktchen hat es projiziert. Wenn wir nach dem Wesen dieses Bewusstseins fragen, dann müssten wir antworten: Es ist ein allschöpferisches Licht. Doch von welcher Grössenordnung? Niemand kann es sagen. Vielleicht von der Grösse einer allerwinzigsten Nadelspitze. Aus diesem dimensionslosen Pünktchen ging das ganze weite Himmelszelt, gingen Sonnenschein und Regen in unserem Traum hervor.

Wir können auch träumen, dass wir in einem Düsenflugzeug weit über allen Wolken fliegen. Wohin wir blicken, erstreckt sich die Unendlichkeit des Raumes. Wer könnte die Tiefe dieses Raumes ermessen? Wo nähme sie ein Ende? Ist dieser Raum, den wir im Traum erleben, unwirklich? Er ist ja eine Erfahrungswirklichkeit in unserem Traum. Das dimensionslose Bewusstseins-pünktchen hat nun unermessliche Weiten des Raumes vor uns ausgebreitet und eine Welt der Erfahrung für uns erschaffen. Es muss daher einer höheren Ordnung angehören als der Raum, den es aus sich hervorbringt. Wie wunderbar ist dieses Bewusstsein - und doch ein Nichts, verglichen mit den Wundern, die sich in Gott befinden. Im Traumerleben sehen wir uns über ferne Berge wandern und an heisse Quellen kommen. In diesen baden wir. Nun gibt es aber kein heisses Wasser in unserem Kopf noch Platz für hohe Berge. Wie können wir dieses erleben? Ist das heisse Wasser etwa unwirklich? Dann könnten wir es nicht erleben. Wir könnten keine Wärmeempfindung gewinnen. In das von einem Künstler auf die Leinwand gemalte Kirchlein können wir nicht eintreten, und an einem Feuer, das er malt, keine Kerze entzünden; im Traum können wir an einem Feuer, das wir träumen, sehr wohl etwas entzünden. Was wir im Traum erleben, hat eine höhere Form von Wirklichkeit als ein gemaltes Bild.

Traumwelten durchdringen sich im Raum

Angenommen, es befinden sich vierzig Personen in einem einzigen Saal; alle schlafen und jeder träumt irgend etwas. Auf diese Weise begegnen sich in einem einzigen Saal vierzig verschiedene Welten. Wo nun befinden sich diese vierzig Welten? Sie sind hier in ein und demselben Saal zugegen. Sehen wir sie? Sicherlich nicht.

Nun, die Wissenschaft verfügt heute über Geräte, um den Traumzustand zu registrieren, ohne allerdings etwas über das Wesen des Traumes aussagen zu können. Wer kann dann diese verschiedenen Traumwelten der vierzig schlafenden Personen festhalten? Die Fähigkeiten des menschlichen Denkens sind zur Zeit noch primitiv. Weder die äusseren Augen noch irgend eine Wahrnehmungskraft ist im gegenwärtigen Evolutionsstadium der Menschheit imstande, uns das Wesen der vierzig verschiedenen, in diesen Saal projizierten Welten zu erschliessen. Doch die Intelligenz des Göttlichen nimmt sie wahr; das Bewusstsein der höchsten Wirklichkeit in uns sieht sie.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal: vierzig verschiedene, weite, unermessliche Welten durch-dringen sich im gleichen Raum. Wir glauben, nur eine einzige Welt sei hier zugegen, eine materielle Welt; Raum und Zeit im physikalischen Sinne seien vorhanden, und dieser Raum sei leer. Doch die Wahrheit ist, dass vierzig verschiedene Menschen vierzig verschiedene Welten projizieren, und jeder von ihnen erlebt seine eigene Traumwelt auf eine äusserst lebendige, dynamische Weise, ohne im geringsten an deren Wirklichkeit zu zweifeln. Diese vierzig verschiedenen Traumwelten durchdringen sich im Raum, genau so wie auch viele verschiedene Programme, die gleichzeitig von den Fernsehstationen der Erde ausgestrahlt werden, den Raum durchdringen und sogar durch unsere Körper hindurchgehen. Es sind auch noch tausend andere Dinge da, die wahrzunehmen wir heute noch unfähig sind. Es gibt wissenschaftliche und subjektive psvchische Wunder, die alle im Raum gegenwärtig sind.

Die Materialität der Welt wird
in wissenschaftlicher Analyse zur Energiestruktur

Alle Wunder sind hier und jetzt zugegen, und sie durchdringen einander. Warum sollte nicht auch eine gewaltige, herrliche Gotteswelt diese unsere Welt durchdringen können - eine mächtige Welt, unendlich subtiler als elektromagnetische Wellen, die Fernsehbilder übertragen, oder als die Tonsendungen der Radiostationen -, unendlich subtiler als die psychische Welt all dieser Träumenden, die alle in ihrer jeweiligen eigenen Erfahrungswelt leben. Warum sollte nicht auch diese unendlich subtilere göttliche Welt den ganzen Kosmos durchdringen? Sie durchdringt ihn in der Tat. Der Bereich des göttlichen Bewusstseins ist überall. Unsere Erfahrung der Welt im Äusseren erweist sich in letzter logischer und philosophischer Analyse als eine funktionale Welt, deren Materialität genau so verschwindet, wie die Festigkeit des materiellen Universums für das Verständnis der heutigen Wissenschaft nicht mehr besteht.

Ehe die Röntgenstrahlen entdeckt waren, dachten wir, Licht könne niemals unsere dichte Haut durchdringen. Doch sind wir heute in der Lage, mit Hilfe dieser Strahlenart die Knochen unseres Körpers zu fotografieren. Die Astrophysik offenbart uns eine Menge Wunder, ebenso die moderne Physik, so dass sich schliesslich alle Festigkeit der Materie in Raum auflöst. Grosse Physiker wie Max Planck, Einstein und andere, die Folgerungen aus den Ergebnissen der physikalischen Forschung ziehen, sind über das frühere Konzept, dass alles eine Energiestruktur sei, bereits hinausgelangt. Angesichts dessen, was uns das Elektronenmikroskop erschliesst, ist die Wissenschaft zu sagen geneigt, alles sei eine Struktur des leeren Raumes. So verschwindet selbst auf der Ebene der Physik, der Wissenschaft von der Materie, einer reinen Erfahrungswissenschaft, die Materialität der Welt.

Die Traumwelt ist von geringerer Solidität
oder Stofflichkeit

Auch dem Träumenden entschwindet die Solidität seiner Welt. So kann etwa Thomas in seinem kleinen Zimmer träumen, er befinde sich in einem schweren Sturm mitten auf dem Ozean, erleide Schiffbruch und gerate ins tiefe Wasser hinein, wo er schliesslich ertrinkt. Wie kann der Raum dieses weiten Ozeans in diesem kleinen Zimmer sein? Die Festigkeit der Welt ist für Thomas verschwunden, und er lebt in einer anderen Dimension. Sein Bewusstsein bringt seinen eigenen Raum und seine eigene Zeit hervor, erschafft sich diesen Ozean, seine eigene Welt, seine eigenen Berge, seine Erfahrungen und seine eigene Raum-Zeit-Ordnung. Für uns sind nur fünf Minuten vergangen, seitdem Thomas eingeschlafen ist, während er in seiner eigenen Raum-Zeit-Ordnung mehrere Jahre durchlebte.

Wie relativ wird doch alles, wenn die dichte, feste Welt selbst in den Augen der Wissenschaft von der Materie, der modernen Physik verschwindet, wenn selbst die Medizin so weit vorangeschritten ist, dass sie psychosomatische Krankheiten anerkennt. Es wird dann leicht für uns, ein Verständnis dafür zu gewinnen, dass diese Welt von Zeit und Raum und Materie, die wir erleben, mehr funktionaler als realer Natur ist. Ist der Ozean, den Thomas erlebt, Realität ein Ozean auf der Wirklichkeitsebene der physikalischen Welt um uns her? Wäre er in diesem Sinne wirklich, müsste er von anderen rings um Thomas ebenfalls erfahren werden können. Doch, kann man deshalb Thomas klarmachen, dass alles, was er da träumt, nicht wirklich ist, dass es sich nur um einen Traum handelt, in dem er befangen ist? Begäbest Du Dich in diese Traumwelt hinein und sagst ihm: «Siehe da, es ist ja nur ein Traum. Du bist ja gar nicht in diesem Ozean», dann würde er Dir nicht glauben und Dich vielleicht für wahnsinnig halten. Solange er ihn erlebt, ist er für ihn wirklich. Ist er deshalb ebenso wirklich, wie unsere materielle Welt? Ist er nicht etwas, das vom Bewusstsein im Traumzustand hervorgebracht wurde? Ist es nicht wahr, dass es sich nur um eine funktionale Erfahrung handelt, um eine Erfahrung im Bewusstsein?

Vom Standpunkt göttlicher Wirklichkeit, des göttlichen Bewusstseins, ist selbst unsere äussere Erfahrung, unser äusseres materielles Universum von Zeit und Raum nur funktionaler Natur. In diesem funktionalen Universum befinden sich andere Welten, auch Traumwelten anderer Menschen, wie auch die Ton- und Bilderwelten, die von verschiedenen Radio und Fernsehsendern ausgestrahlt werden. Sie alle durchdringen den Raum ebenso, und damit auch unseren Körper. Genau so durchdringt der subtilste aller Bereiche, das göttliche Reich, auch diese unsere Welt.

Der Mensch als Bildnis Gottes

Die grössere Wahrheit ist, dass wir nicht in einem drei- oder vierdimensionalen materiellen Universum leben, sondern in einem einzigen schöpferischen Bewusstsein voll göttlicher Wunder, das die Energie hinter jeder Energie darstellt, die Kraft hinter allen Kräften und das Leben hinter allen Mächten.

Dieses Bewusstsein ist das höchste göttliche Prinzip. Es ist das Göttliche, das Himmelreich voll endloser Vollkommenheit, voll Frieden und Glück. Es ist überall. In ihm gibt es keine Zeit- und Raumbegrenzungen mehr. Alles in ihm ist ein Hier und Jetzt. In diesem Bewusstsein leben wir, bewegen wir uns und haben unser Sein.

Wie viel Zeit nimmt es denn in Anspruch, bis wir in die Traumwelt und die Traumerfahrung entschlüpft sind? Wie lange dauert es, bis wir im Schlaf einen stockfinsteren Urwald erleben können? Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, und schon sind wir in eine neue Welt des Traumerlebens versetzt. - Genau so schnell können wir auch ins Reich des Göttlichen gelangen. Im Lichte der Wahrheit gesehen, besteht ja nichts als dieser göttliche Bereich. Er ist die Wahrheit aller Wahrheiten, die Wirklichkeit aller Wirklichkeiten. Er ist die zentrale Stütze aller Existenz. Er ist alles und ist in allem.

Wenn wir die Welt vom Standpunkt dieser letzten Wahrheit aus betrachten, trägt die äussere Erscheinungswelt, die wir durch unsere Sinne wahrnehmen, nur aktiven Charakter. Vom Standpunkt des Unendlichen, mit den Augen Gottes und vom Standpunkt Seines Lichtes und Seiner Liebe aus betrachtet, verliert sich ihre Existenz, ihre Bedeutung und Essenz. Die Seele in ihr wird mit dem Allbeseelenden zu einer Einheit verwoben. Das Licht in ihr wird eins mit dem Licht, das überall ist.

Zur Erläuterung stellen wir uns einen Eisberg vor, der bewusst erkennen könnte, wie er im Meere schwimmt. Solange er im Zustand des Eisberges verharrt, erfährt er sich als unterschieden und vom Meer getrennt, auch wenn er aus ihm geboren und von ihm erhalten wird. Er sieht sich anderen Eisbergen gegenüber und von diesen wie vom ganzen Meere abgesondert. Er befindet sich in einem Zustand der Begrenztheit, in einem Zustand, der nur zeitweiliger, nicht bleibender Natur ist, während das Meer in seiner Zeitlosigkeit, die immer war, ruht. Es ist das Unbedingte, Unendliche, während der Eisberg bedingt und Begrenzungen unterworfen ist.

Wie lange Zeit braucht es nun, bis der Eisberg die unbegrenzte Freiheit, Weite und Herrlichkeit des Meeres zurückerlangt? Er könnte seine Einheit mit dem Meere augenblicklich herstellen, indem er sie erkennt. Im Falle des Menschen ist dieses Erkennen möglich, und die Auflösung seiner Begrenztheit geht über die geistige Übung und Höherentwicklung vonstatten. Solange der Eisberg auf seinem «Eisbergsein» beharrt und nicht seine Einheit mit dem Ganzen des Ozeans erkennt, begreift er nicht, dass er in Wahrheit der Erhalter all der unzähligen Lebewesen im Meere ist und alle anderen Eisberge aus ihm hervorgingen, dass er in seiner zeitlosen Majestät unbegrenzbar und unzerstörbar ist und dass er niemals austrocknen kann. So wird seine Freude und seine Stärke grenzenlos.

Ebenso steht es mit dem Menschen: so lange er in seinem inneren Bewusstsein, in seinem begrenzten, bedingten menschlichen Dasein lebt und nicht durch die Gottesgnade oder durch das Feuer und die Kraft göttlichen Bewusstseins befreit ist - sei es durch Entwicklung von Heiligkeit oder durch dynamische, überbewusste göttliche Erkenntnis - fällt es ihm schwer, seine lebendige Beziehung zur unendlichen Gottheit zu erkennen. Dennoch - es besteht eine innere Identität seines Seins mit Gott. Das Königreich Gottes, das Gott selbst ist, liegt ja in ihm.

Das Bildnis Gottes in ihm ist das gleiche wie Gott selbst. Und wenn Gott den ganzen Kosmos, die ganze Schöpfung trägt und erhält, dann bedeutet das nichts anderes, als dass das Reich Gottes im Inneren des Menschen ebenfalls die Schöpfung trägt und erhält. Also ist das Bild Gottes oder das Reich Gottes im Menschen der erhaltende Atem aller Geschöpfe. Die Schönheit der Blumen, die Intelligenz im Menschen, das Licht der Sonne, das kühle Leuchten des Mondes, das Wirken von Güte und Liebe, wo immer es sich zeigt, alles, was im Leben und auf Erden wertvoll und gross ist, steht in lebendiger Beziehung zum Königreich Gottes im Menschenherzen.

Gott, der überall zugegen und wirksam ist, wohnt auch im Menschenherzen. Gott ist keine Zweiheit, sondern ein Einziger, und darum überall der Gleiche. Das ganze Problem des menschlichen Lebens ist ein Problem der Begrenzungen, des Unglücklichseins, ein Problem der bedingten Existenz, ein Zustand, der funktionell möglich, aber von der letzten Wirklichkeit aus betrachtet nicht eigentlich wirklich ist, da er nur so lange anhält, als der Mensch sich weigert, in Erkenntnis und Liebe zu wachsen. Er hat nur so lange Bestand, als der Mensch sich nicht innerlich aus der Begrenztheit befreit. Dies kann durch Glauben oder durch Weisheit geschehen. Durch ständige Selbstdisziplinierung gelangt der Mensch schliesslich dahin, sich geistig auf eine Reise zum inneren Fortschritt zu begeben und immer grössere Erkenntnis der letzten Wahrheit, die Gott ist, zu erlangen.

Bewusstsein und Materie

Die Welt der vielen Dinge und Erfahrungen im Traum des Thomas ist nichts als Bewusstsein, das sich unter dieser Form und mit jenem Namen offenbart. Materie und Bewusstsein sind wie zwei Seiten einer Münze - wenn dieser Vergleich in bezug auf die unendliche Existenz erlaubt ist. Einmal nimmt das gleiche Sein Form und Namen der Materie an, das andere Mal ist es ungeformt und heisst Bewusstsein. Unwissenheit bedeutet Nichterkennen, dass Materie Bewusstsein ist und umgekehrt, dass beide im unendlichen Sein der einen absoluten Wirklichkeit ihr Dasein haben. Diese Art der Unwissenheit ist der menschlichen Betrachtungsweise eigen und ist die Hauptursache aller Begrenzungen im Menschenleben.

Die ganze materielle Welt ist also eine Zustandsform des göttlichen Bewusstseins. Wir leben inmitten von Wundern, die unvergleichlich grösser sind als alle Wunder von Wissenschaft und Technik. Die Raumraketen sind noch lange nicht so wunderbar wie jene Wunder, die im Menschen, der sie hervorgebracht hat, verborgen liegen, und zwar in jedem Menschen Jeder kann zum Übermenschen werden. Auch wenn wir nichts in Händen halten, können wir doch alles besitzen; ohne einen Schritt zu tun, können wir doch überall zugegen sein; ohne einen Menschen zu berühren, können wir im Herzen aller Wesen wohnen. Zahllos und unbeschreiblich sind die Freuden, die einem erleuchteten Bewusstsein offenstehen. Spricht ein Mystiker mit einer leeren Wand, so erscheint das in den Augen der anderen als ein Phänomen, das dem Wahnsinn nahekommt; doch kann der Mystiker dabei dem Angesicht der höchsten Wahrheit und Wirklichkeit gegenüberstehen. Wenn das erleuchtete Bewusstsein in ihm unmittelbare intuitive Wahrnehmungskräfte geweckt hat, kann er mit einer Erkenntnisebene in Einklang sein, auf der die Wand als das unendliche Bewusstsein in Erscheinung tritt. So wie das Eis die eine der möglichen Zustandsformen des Wassers ist, so ist die Welt die eine Zustandsform des göttlichen Bewusstseins, und so wie jene, die das Eis nicht mehr als Eis zu sehen wünschen, die Freiheit haben, es in Wasser zu verwandeln, so können jene, die unsere Welt nicht mehr in ihrem Zustand der Begrenztheit erleben möchten, sie auch als göttliches Bewusstsein in Erfahrung bringen. Doch wie es der Zufuhr von Wärme bedarf, um Eis in Wasser überzuführen, so sind auch hier bestimmte Bedingungen zu erfüllen, um die Welt in ihrem wahren Zustand als göttliches Bewusstsein zu erleben.

Der träumende Thomas

Da ist ein gewisser Thomas Billionär. Er ist mächtig, reich, jung, schön, gesegnet, angesehen und tüchtig in allem, was er tut. Alles bewundert ihn. Er träumt, er sei ein armer, alter Mann, der Hunger leidet und von erbarmungslosen Menschen umhergestossen wird, indessen sein Körper die Zeichen unheilbarer Krankheit trägt und er zu schwach ist, um sich selbst zu helfen. Während er in diesem Traumerleben befangen ist, sagt in ihm etwas: «Das ist nur ein Traum. Ich bin nicht dieser arme, alte und geplagte Mensch. Ich bin der Thomas, ich bin jung und reich, schön und angesehen, und was ich jetzt erlebe, träume ich.» Es ist auch ein Teil des Traumbewusstseins einbezogen, denn im Traume selbst sagt ihm ja etwas, dass er in Wahrheit der Thomas Billionär ist und nicht der arme Alte, als den er sich im Traum erlebt.

Dieses Erkennen nun lässt unseren Thomas heiter und mit innerer Losgelöstheit, ja guten Mutes, voll Glück und Frieden sein Los im Traum ertragen. Genau so erkennt sich der geistig Strebende, der in seiner Hingabe die Gegenwart des Göttlichen berührt hat, als einen Sohn, ein Kind des Göttlichen, ein Licht im grenzenlosen Licht, einen Frieden im unendlichen Frieden, eine Form aus Kraft und Schönheit. Darum betrachtet der geistig Strebende dieses äussere Leben mit grosser innerer Losgelöstheit und voll Frieden und ist so der vollkommene Mensch - ruhig und friedlich unter allen Umständen, auch in der bedrängendsten Lage, der wahre Lebensmeister.

So lässt sich also der Fortschritt auf das Göttliche hin nicht aufhalten. Je eifriger und begeisterter wir uns jedoch um das geistige Leben bemühen, umso rascher wird die innere Entfaltung vonstatten gehen, umso rascher die göttliche Erfahrung möglich sein. Wir können unser Streben nach dem Gottbewusstsein intensivieren, indem wir alle Kräfte des Geistes und des Herzens, alle Lebens- und Willenskräfte dafür einsetzen.

Musik

Musik lässt die feinsten Saiten unserer Seele erklingen. So sehr erhebt sie das Innere des Menschen, der für sie empfänglich ist, dass man es fast schmerzlich empfindet, die Augen wieder zu öffnen. Die Musik entführt den fein beseelten Menschen in ein höheres Bewusstsein, in dem er die ganze Welt umfangen möchte. Das Herz weitet sich und sendet Segensströme in das All. Eine höhere Schau entfaltet sich. Das Wesen Gottes wird unter dem Einfluss der Musik deutlicher erkennbar, und die Seele steht voll Staunen und Anbetung vor dem unermesslich wunderbaren Ursprung aller Musik und Harmonie, aller Weisheit und Erkenntnis, aller Kunst und Wissenschaft. Die Welt versinkt und ist in diesem Lichte des ausgeweiteten Bewusstseins, das von der Schau der Schönheit berührt ist, überwunden. Kein Körper ist mehr spürbar. Er ist über Zeit und Raum und alle Grenzen menschlicher Erfahrungswelt emporgehoben.

Erlebt nun jeder die Musik auf diese Weise? Ganz sicher nicht. Nehmen wir an, ein Mensch in tiefer Trauer hört sie. Er kann so sehr von bitterem Leid gelähmt sein, dass die Musik den inneren Schmerz nicht lindert, sondern aufwühlt. - Oder ein Mensch der die Musik liebt, aber schnell in Zorn gerät, kommt, von einem Unfall aufgehalten, verspätet ins Konzert und findet seinen Platz besetzt. Er kann sich so erregen dass ihn die Musik nicht mehr erreicht. So unterschiedlich reagieren Menschen auf das gleiche Phänomen Musik. Je nach Wesensart und augenblicklicher Stimmung fühlt sich der eine emporgehoben und umgewandelt, der Erfahrung des Friedens und der Freude näher, der andere nicht. So ist die Musik ein Phänomen, das niemals unabhängig vom Bewusstsein wirkt. Die Art der Bogenführung bei der Violine, der Tastenanschlag beim Klavier hängt vom beseelenden Bewusstsein ab, und hinter jeder schöpferischen Tätigkeit steht das Bewusstsein.

So wie ein Herz, das von allen widersprechenden Gefühlen frei ist, die Musik am besten aufnimmt, so wird ein Mensch, der allen gegensätzlichen Gefühlen und Neigungen entsagt, am meisten für das Wunder aller Wunder, für die Gegenwart des göttlichen Bewusstseins in seinem Innersten empfänglich sein.

Der Mass-Stab menschlicher Grösse

Wie weit reichen die inneren Möglichkeiten des Menschen? Die Antwort muss lauten: sie sind potentiell unbegrenzt. Sämtliche Kräfte Gottes finden sich im Menschen. Deshalb liesse sich sagen: Gott im schlafenden Zustand ist der Mensch, oder man könnte den Menschen als schlafenden Gott bezeichnen. In seinem völlig erwachten und erleuchteten Zustand ist der Mensch Gott.

Diese Wahrheit ist nicht leicht zu verstehen, da der Mensch sich für gewöhnlich in tiefer Unwissenheit über Gott und die unendlichen Wunder und Kräfte in sich selbst befindet. Der Mensch verliert sich normalerweise so gänzlich in die Einschränkungen und Bedingungen, die ihm sein materieller Körper und ein sich an die Materie klammerndes Fühlen und Denken auferlegen, dass er ohne bewusste Beziehung zu Gott lebt. Für den Menschen, der so als Naturwesen dahinlebt, ist Gott etwas Unsichtbares und daher auch Unerkennbares, Ungewisses. Selbst der Glaube an Ihn fällt ihm schwer, weil der Mensch im allgemeinen den Beweis für die in ihm liegenden Fähigkeiten schuldig bleibt.

Es erheben sich aus den Reihen der Durchschnittsmenschen immer wieder Genies und Geistesgrössen, die einen Hinweis liefern, dass die menschlichen Bewusstseinskräfte doch nicht so bescheiden sind, als man gemeinhin annimmt. Auch gibt es immer wieder Menschen, die sich das Gottbewusstsein zum Ziel erkoren haben und unter staunenerregender Aufbietung von Kräften des Opfers und des Selbstverzichts diesem Ziele zustreben. Sie bringen eine Liebe zum Ausdruck, die weit über das hinausreicht, was wir innerhalb einer Familie oder unter besten Freunden zu erleben gewohnt sind. Die Güte, die an ihnen offenbar wird, reicht weit über das hinaus, wofür der Durchschnittsmensch fähig ist.

Die Kunst der rechten Einstellung

Das Leben ist eine Kunst, eine wirkliche Kunst. Wir können unsere Seele nicht schön machen, indem wir ein schönes Bild malen; man ist auch nicht schon ein Wissenschaftler, indem man zwei und zwei zusammenzählt und sagt, es ergebe vier. Wissenschaft gehört nicht zu den äusseren Dingen. Sie ist an den Erfahrenden gebunden.

Kunst ist nicht etwas Äusserliches. Sie ist etwas, das zutiefst mit dem erfahrenden Menschen verbunden ist. Ein Bild mag sehr schön sein, ja es mag von erhabenster Schönheit sein und der Zerstörung durch die Hand der Zeit widerstehen. Es mag noch so kostbar und inspirierend sein, wenn wir keine Augen haben, um es zu sehen, wie sollen wir es in Erfahrung bringen ?

Was ist wichtiger: die Kraft der Wahrnehmung oder das schöne Bild? Wie kam denn das Bild zustande? Es ist nur eine materielle Auswirkung im äusseren Bereich, eine Verstofflichung des innerlich Erfahrenden und Wahrnehmenden. Was ist wichtiger, der innere Mensch, der all dies in seinem Inneren erlebt und erschafft, oder der äussere erschaffene Gegenstand? Wenn der erfahrende Mensch wichtiger ist und der Erfahrende und Erschaffende Vorrang vor dem erschaffenen und wahrgenommenen Objekt besitzt, dann lässt sich von wahrer Kunst und von wahrer Wissenschaft nur in bezug auf diesen Erfahrenden sprechen und nicht in bezug auf den von diesem erschaffenen Gegenstand.

Unser Leben ist eine wundervolle Wissenschaft und Kunst und sollte in der Erkenntnis und im Licht dieses unentrinnbaren, unvergänglichen, allvollen, allschöpferischen, allfriedlichen und allschönen Prinzips gelebt werden. Tun wir dies, dann sind wir gesegnet und lassen uns von nichts in der Welt und unter keinen Umständen stören. Wenn wir in diesem Zustand vollkommen werden, dann können wir mit Jesus Christus sagen: «Ich habe die Welt überwunden. Ich bin die Wahrheit. Ich bin eins mit dem Vater. Der Vater ist hier und jetzt und immer.» Das ist ein Leben der Weisheit, ein Leben des Glaubens, ein Leben der Liebe, ein Leben der Fülle, auch wenn die äusseren Umstände nicht danach aussehen mögen. Angenommen, da ist ein Gemälde, das eine Tigerin so lebendig wiedergibt, dass ein Kind davor zu schreien anfängt, während sein Vater, ein Künstler, voll Entzücken über die lebendige Darstellungsweise vor ihm steht. Der gleiche Gegenstand versetzt den einen Menschen in Schrecken, entzückt aber den anderen, zieht sein Interesse auf sich, erfüllt ihn mit Freude und Befriedigung. Genau so kann diese Welt für einen Menschen, der die Wirklichkeit und das göttliche Prinzip nicht kennt, fürchterlich sein, während sie für jenen, der die Wahrheit erkannt hat, alle Schrecken verliert und zum Paradies des Friedens und der Freude wird. Der letztere nur ist fähig, Wellen des Friedens in die Welt hinauszusenden. Wir wollen dieses allen gemeinsame, allgemeine Prinzip geistigen Lebens bewusst in unserem Herzen tragen. Wir sollten uns darüber klar sein, dass das Bewusstsein in unserem Inneren unmittelbar dem grenzenlosen Frieden, der Freude, der Erkenntnis und dem Licht des Göttlichen von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.

Jedem von uns ist es möglich, schon hier in diesem Körper und auf dieser Welt, die so voll Missklang ist, ein Leben der unendlichen Schönheit zu führen, wenn nur die innere Schau in uns geboren wird, die uns die Dimension des Göttlichen eröffnet. Doch sollten wir uns nicht Phantasien über göttliche Erleuchtung und über den Weg der Heiligen hingeben; selbst Paulus ist nicht plötzlich von einem Tag zum anderen durch das Erlebnis vor Damaskus zum Heiligen geworden. Die Gotterfahrung kommt nicht so von ungefähr. Auch bei Paulus gingen Jahre harten Ringens und lebenslange Disziplin voraus. Es herrscht auch hier Gesetz und Ordnung. Keiner wurde an einem einzigen Tag oder durch eine einzige Erfahrung heilig. Millionen von Gebeten und mühevolles Vorwärtsschreiten durch Jahrtausende erst ergeben den Heiligen. Leben um Leben haben sie gerungen, ehe das Wunder geschah und ihnen plötzlich, wie ein Blitz vom Himmel, die Erleuchtung kam und sie die Herrlichkeit des unendlichen Bewusstseins erkennen konnten. Auch einem Edison und anderen grossen Erfindern und Wissenschaftlern wurden ihre Erfolge nicht schon beim ersten Betreten des Laboratoriums geschenkt. Sie kämpften sich durch schlaflose Nächte und verzichteten um ihrer Forschung willen auf persönliche Interessen und viele andere Freuden. Sie vertieften sich so sehr in ihre Arbeit, dass sie selbst das Essen und Trinken darüber vergassen. Sie steckten oft Hunderte von Fehlschlägen ein, bis ihnen nach tausendfachen Mühen ein Treffer gelang.

Ähnlich ergeht es den Heiligen. Nur durch grösste Mühen und Leiden, durch hohes Streben, endlose Ausdauer und Geduld erreichen sie das Ziel. Tausendmal mögen sie gebetet haben, ehe Gottes Antwort sichtbar wurde. Jahrelange Meditationsübung blieb scheinbar ohne Erfolg. Irgendwo fehlte es: vielleicht an der Liebe; vielleicht war ihr Erbarmen mit anderen nicht gross genug; vielleicht war ihr Verlangen nach Gott nicht genügend aufrichtig und tief; vielleicht konnten sie die schwere Anforderung, den Blick stets nur auf das Eine gerichtet zu halten, nicht erfüllen. Doch langes Streben und Ringen mit Versuchungen und Prüfungen lässt die Seele des Heiligen allmählich so gigantisch werden, dass ihm schliesslich die Belohnung seiner Mühe und Kämpfe zuteil wird. Eine Erleuchtung kommt über ihn, die sein ganzes Wesen in Licht taucht.

Denken wir an Jakob Böhme, der ein Flickschuster war und dem es eines Tages zustiess, dass der Blick auf einen blanken Zinnteller genügte, um eine innere Erleuchtung auszulösen, bei der er Gott erleben durfte. Wie nur kam er zu dieser hohen göttlichen Schau? War sie etwa das ausgefallene Geschenk einer launenhaften Vorsehung? Ganz sicher nicht. Auch hinter diesem Erleben liegen viele vorhergegangene Mühen, viele Leben voll der Arbeit und des Strebens verborgen. Gesetze der Höherentwicklung durchwalten das All. Man wird nicht plötzlich zum Weisen, indem man ein wenig Plato oder Kant studiert. Man wird nicht zum Heiligen, indem man ein wenig dem Leben der Heiligen nachforscht und in heiligen Schriften liest. Es gehören ganz wesentlich zahlreiche geistige Übungen und Disziplinen dazu, um eine bestimmte Höhe der inneren Entwicklung zu erreichen. Steinchen um Steinchen müssen wir zusammentragen: tage- und nächtelang müssen wir ringen und unsere Aufrichtigkeit und unseren Ernst unter Beweis stellen. Ein brennendes Verlangen, eine nimmermüde Wachsamkeit, eine erleuchtende Vernunft und ein gütiges, erbarmungsvolles Herz, ein Leben, das von Schönheit, Vernunft und Weisheit regiert ist, bringen uns dem Gottbewusstsein näher. Haben wir dies einmal erlangt, wird uns eine unendliche Freude zuteil, die gänzlich unabhängig von allem Äusseren und weitaus grösser ist als irgend eine Freude der Sinnenwelt. Dann ist die Freude vollkommen; man fürchtet nichts mehr. Man lässt sich von nichts mehr erschrecken, auch nicht vom Tode, und ist sich der Unsterblichkeit, der inneren Beziehung zum Unendlichen bewusst.

So wollen wir denn unermüdlich unsere besten Kräfte und Fähigkeiten nützen und uns, wie ein Riese oder ein Genie bemühen, wie jemand, der nur ein einziges Ziel im Leben kennt, genau so wie wir es bei grossen Wissenschaftlern und Erfindern sehen. Die ganze Zeit hindurch sollten wir uns die Gegenwart des Göttlichen vor Augen halten. Ob wir uns in der Kirche oder in der Küche aufhalten - überall wollen wir das Bewusstsein der göttlichen Gegenwart pflegen, und mit unserem ganzen Leben Gott auf jede nur mögliche Art und Weise verehren. In diesem beständigen Gewahrsein Gottes liegt das Geheimnis unseres Erfolges und unseres Friedens, unseres Glückes und unserer Stärke.

In der Kraft des Geistes wollen wir die Decke durchstossen, die uns das Göttliche in aller Schöpfung verhüllt. In der Macht völliger und unbegrenzter Liebe wollen wir die Schranken durchbrechen, die uns das Göttliche in allen Herzen verbergen. Unsere Vorstellungskraft wollen wir mit dem Licht der Lehren Christi und der Macht des Glaubens nähren. Mit geistiger Wachsamkeit und Empfindungskraft wollen wir uns der unendlichen göttlichen Gegenwart in uns und ringsumher öffnen. All unser Tun und Lassen wollen wir Gott darbringen. All unser Handeln soll um Seinetwillen, in Seinem Namen und zu Seiner Ehre geschehen. Dabei spielt es keine Rolle, welche Arbeit wir verrichten; wir können sie zum Mittel der Gotterfahrung machen und zu einer Gelegenheit, Gott zu verherrlichen. Einzig eine Umwandlung unseres Fühlens und Denkens ist nötig; anstatt mit dem Gefühl zu arbeiten, dass wir unseren Lebensunterhalt verdienen, wollen wir die Arbeit für Gott verrichten. Jeder unserer Wege, ob zur Universität oder zum Einkauf, kann eine Pilgerfahrt sein. Nur ein kleiner Wandel in der Einstellung, im Fühlen und Denken ist nötig, ein wenig mehr Disziplin und Beweglichkeit im Bereich höheren Denkens und nur ein wenig mehr von jener Schönheit, welche die Güte unserem Leben verleiht. Da wir in einer Welt des göttlichen Bewusstseins leben, in einer wunderbaren, super-elektronischen Welt voll göttlicher Energie, mache Dir klar, dass der Gedanke, den Du im gegenwärtigen Augenblick denkst, blitzartig den ganzen Kosmos durchzuckt und das Unterbewusstsein aller Wesen erreicht. Und jener Gedanke, den Du einstmals dachtest - ob ein Gedanke der Liebe oder ein Hassgedanke - wie immer er auch beschaffen sein mag - er ist aufgezeichnet und hier und jetzt im Raum zugegen.

Die Luft selbst ist ein Zeuge von allem, was Du jetzt bist. Jede Deiner Bewegungen hat ihre Auswirkung im ganzen Universum. Tue nur ein wenig Gutes und die ganze Schöpfung wird entsprechend dieser zum Ausdruck gebrachten Güte auf Dich reagieren. Begehst Du ein Unrecht, werden die Bäume es verkünden und irgendwie darum wissen, denn wir alle leben in der einen weiten, unendlichen Bewusstseinssubstanz. Schlägst Du bei den japanischen Inseln ins Meer, dann teilt sich dies dem Ozean auch an der Westküste Amerikas mit. So ist das eine Meer des Bewusstseins überall vorhanden und damit auch das Wissen um alles, was Du tust.

Was hier also geschieht, das zeigt sich überall an, und was irgendwo auf der Welt geschieht, teilt sich sofort auch hier und überall mit. Wir tragen in uns die Kräfte des Bewusstseins, um uns dieser Tatsache klar zu werden. Darum sollten wir äusserst vorsichtig sein und niemals jemanden hassen, denn jede, auch die kleinste Schwingung, wird im Universum sichtbar und kehrt zu uns zurück und trifft uns selbst doppelt, ja fünffach. Hasst Du Deinen Nächsten, so schadet es letztlich nicht ihm, sondern Dir selbst, denn der Schaden fällt auf Dich zurück. Liebst Du ihn indessen, dann kommt auch diese ausgesandte Schwingung als Liebe und Segen für Dich und für die anderen zurück. So sende beständig Gedanken und Gefühle der Liebe aus; sie werden zu Engeln für Dich, denn jede ausgesandte Liebesschwingung wirkt aufbauend. Jedesmal zerbricht sie etwas von der menschlichen Natur Deines Ichs, Du wächst mehr und mehr in das Kosmische und Universale hinein und wirst reicher an Kraft, Energie, Friede und Freude. So sollen wir stets über uns selbst wachen, uns beständig einer psychologischen Selbstbeobachtung unterziehen und einen Zustand der Innenschau, der Reflektion und des Unterscheidungsvermögens pflegen.

Die menschliche Denkkraft

Das menschliche Denken ist aus diesem ganz und gar lichten, sich seiner selbstbewussten göttlichen Bewusstsein hervorgegangen. Gedanken tragen grosse Kraft in sich. Alle Errungenschaften von Wissenschaft und Technik, unsere ganze Kultur und Zivilisation sind ja aus Denkprozessen hervorgegangen. Gedanken liegen unserer Lebensgestaltung zugrunde. Der Gedanke prägt sich nicht nur unserem Gesicht auf, er formt auch unser Schicksal und unser Leben. Gedankenkraft kann ein Instrument des Guten wie des Bösen sein. Ob sich Gedanken positiv oder negativ auswirken, hängt von der Qualität und Richtung ab, die wir ihnen geben. Gedanken können unser Blut in Wallung bringen und Gefühle aufpeitschen. Sie können das ganze körperliche System vergiften und die Nerven zerrütten. Ein Gedanke liegt aber auch jedem Kunstwerk zugrunde. Hinter Gutem wie Bösem steht der Gedanke.

Gedanken machen uns gesund und stark oder schwach und krank. Die psychosomatische Medizin erweist es klar und deutlich, wie sehr unser Denken mit dem Körper in Verbindung steht. So wollen wir nie vergessen, dass sich jeder Gedanke auch körperlich auswirkt. Gedanken spiegeln sich im äusseren Verhalten wider. Unsere Augen verraten, was wir denken. Die äusseren Umstände legen von unseren Gedanken Zeugnis ab. Unsere innere Entwicklung ist wesentlich durch unser Denken bestimmt. Gedanken bilden die Grundlage, den Rohstoff für die Grösse und das Glück, den Frieden und den Fortschritt unseres Lebens.

Die im Denken verborgenen Kräfte sind letztlich unbegrenzt, und wir begehen ein Unrecht, wenn wir diese Kräfte in uns nicht nützen. Wir sollen immer grössere Kräfte aus unserem Inneren anfordern und uns zu immer höheren Fähigkeiten emporstrecken. Unsere Gedanken sind für unsere Vollkommenheit und unsere Unvollkommenheit ausschlaggebend.

Das menschliche Denken als Fessel
des Bewusstseins und als Sprungbrett zur Befreiung

Der Genius menschlichen Lebens besteht in der ihm innewohnenden Fähigkeit, sich selbst zu transzendieren und über seine ihm eigenen Begrenzungen hinauszuwachsen. Wir sind aus dem unendlichen Bewusstseinslicht geformt und werden ganz unweigerlich einmal zur bewussten Erfahrung dieses unendlichen Bewusstseins in uns gelangen. Alle Begrenzungen, denen wir in unserem Leben unterworfen sind, offenbaren Grenzen unseres Denkens und Bewusstseins. Allen menschlichen Erfahrungen und allem Tun liegt etwas Gedankliches zugrunde. Wenn sich das göttliche Bewusstsein in uns von diesen Gedankenfesseln befreien kann, öffnet sich uns eine Welt der Freude und Vollkommenheit, die nicht mehr beschrieben werden kann. Dies zu erreichen, ist grundsätzlich jedem Menschen möglich, doch sind innere Vorbereitungen eine Bedingung, um auf die höheren, transzendenten Bewusstseinsebenen zu kommen. Selbstbeherrschung, Herzensgüte und Reinheit sind erforderlich. Jedes innere Wachstum, jede höhere Entwicklung und Entfaltung geht nicht ohne Anstrengung vonstatten; doch gereicht es dem Menschen zur Ehre, das Schwere zu vollbringen. Wenn wir schon um irdischer Ziele willen so harte Mühen auf uns nehmen, wenn es etwa darum geht, einen Doktortitel zu erwerben oder einen Beruf zu erlernen, warum sollten wir uns da nicht mühen, jenen Frieden zu erlangen, der alles menschliche Verstehen übersteigt, und Gott zu schauen, der doch immer bei uns ist. Sollten wir uns nicht viel mehr bemühen, jenes Bewusstsein zu entfalten, das die Kräfte der Erleuchtung in uns wachruft, die aus unserem Leben ein einziges Fest und immer höheres Erlangen machen.

Das Problem des menschlichen Lebens

In letzter Analyse ist das Problem des menschlichen Lebens ein metaphysisches Problem. So lange man nicht alle übrigen Probleme in diesem Licht und im Zusammenhang mit dieser zentralen Frage betrachtet, kann es für die Probleme des Menschenlebens auf Erden keine wahre Lösung geben. Die endgültige Lösung aller Fragen hinsichtlich des menschlichen Lebens und des Universums ist metaphysischer Natur. Der Schlüssel zum Menschen und seinem eigentlichen Wesen und Sein liegt in der metaphysischen Erkenntnis über den Menschen.

Die Welt hat sich beständig darum bemüht, immer wieder Veränderungen und Verbesserungen zu schaffen und so etwas wie ein Paradies auf Erden zu errichten. Die grossen Zivilisationen und Kulturen der Vergangenheit und der Gegenwart boten ständig ihre besten Energien auf, um etwas wie ein irdisches Paradies zu schaffen. In griechischer und römischer Zeit erreichte die Menschheit hohe Vorzüglichkeit auf den Gebieten der Kunst und Wissenschaft. Bis auf diesen Tag führte die Menschheit jede Art von sozialer Reform, Moralreform, Wirtschaftsreform, politische Reform, Geistesreform, Regierungsreform ein, doch das Herz der Menschheit fand das Paradies nicht, nach dem es ständig Ausschau hielt. Heute ist eine ungeheure wissenschaftliche und technische Revolution im Gange, die das Leben überall beherrscht. Wenn wir die Schaufenster der Geschäfte anschauen, nachts, wenn die Auslagen voll erleuchtet sind und alles andere in Dunkelheit getaucht ist, glauben wir, in einem Paradies zu sein; doch ist dies eine Illusion. Durch die Wahrnehmung des physischen Auges sehen wir ein irdisches Paradies, aber im Herzen ist kein Paradies, und der Geist ist voller Probleme, Kummer, Sorgen, Ängste, und die Seele ist wenig entwickelt und kennt weder inneren Reichtum, Bedeutung und Sinn für innere Werte, noch innere Hilfsquellen.

Es genügt nicht, dass die Menschheit den Einzelnen nur vom Standpunkt des menschlichen Zusammenlebens und von seiner psychologischen Existenz aus beurteilt, sondern sie muss ihn vielmehr als metaphysische Wirklichkeit sehen und dieses Prinzip in ihm anerkennen. Es ist etwas im Menschen, das fortdauert, das unvergänglich, unveränderlich und unzerstörbar und der wirkliche Erhalter seines ganzen inneren wie äusseren Seins und seines Charakteraufbaues ist. Dieses wurde früher mit <Atem Gottes>, mit <Bild Gottes> oder mit <Himmelreich> umschrieben. In rationaler Sprache ausgedrückt würden wir heute sagen, dass dieses <Himmelreich> nichts anderes, als die absolute Wahrheit oder Wirklichkeit oder das unendliche Bewusstsein versinnbildlicht. Wenn wir die Irrtümer des Lebens richtigstellen und das menschliche Dasein aus seinen Begrenzungen herausheben wollen, die das Bild des Alltags beherrschen, um dem Menschen zu wirklichem Frieden, zu wahrer Macht zu verhelfen und ein wirkliches Paradies zu gestalten, dann müssen wir die Aufmerksamkeit des Menschen auf das metaphysische Prinzip lenken, das in seiner inneren Konstitution begründet liegt.

Die Laufbahn der Vollkommenheit

Die Studierenden, die heute die Lehrsäle einer technischen Hochschule füllen, werden morgen als Ingenieure am technischen Fortschritt mitwirken, und die Medizinstudenten von heute sind die Ärzte von morgen. So lässt sich auch von jenen, die sich heute in dieser Erdenschule um höhere Erkenntnis mühen, erwarten, dass sie morgen ein Licht der Welt sein werden, das die Erde erleuchten hilft. Betrachte also die Welt als eine Hochschule, auf der Du Dich zu einer heute noch kaum vorstellbaren Vollkommenheit in der Liebe und der Erkenntnis entfalten sollst. Und tatsächlich ist ja die Welt nichts anderes als ein Bereich, in dem wir innerlich heranwachsen und uns zu höchster Vollkommenheit erheben sollen. Der Schlüssel für diese Laufbahn rascher innerer Entfaltung zu einer heute noch kaum fassbaren geistigen Vollkommenheit - ist die Liebe. Die Menschen der göttlichen Erfahrung, Mystiker, deren Gedanken von kosmischer Liebe durchpulst sind, deren Seelen vom höchsten göttlichen Bewusstsein erleuchtet sind, lieben tatsächlich den Nächsten wie sich selbst, weil sie wissen, dass sie selbst im innersten Wesen dieses Nächsten sind.

Wie aber kann der andere und ich eins sein? Ist er nicht eine von mir getrennte Person und soziale Einheit? Ja - und dennoch ist er mein eigenes Selbst, denn tief in seinem Inneren, hinter seiner Person mit ihren äusseren Gegebenheiten, hinter dem Bewussten, dem Unterbewussten und dem Unbewussten in ihm befindet sich ein Bewusstseinsprinzip, in dem wir beide zutiefst verbunden sind. Der Bereich des Göttlichen befindet sich in ihm wie auch in mir. Dieses eine und gleiche Bewusstsein, dieses Himmelreich in allen, fordert ihn und mich zur Liebe auf. Der Atem Gottes, das Bildnis Gottes in ihm ist nicht verschieden von dem Atem Gottes und dem Bildnis Gottes in mir. Er und ich sind im tiefsten Inneren der Seele eins. Das göttliche Bewusstsein in ihm ist das gleiche göttliche Bewusstsein wie in mir. Das Bewusstsein, das alle seine bewussten Tätigkeiten hervortreten lässt, ist das gleiche zeitlose, ewige und unsterbliche Bewusstsein, das auch in mir wirkt. Wir unterscheiden uns nur an der Oberfläche voneinander, in unseren Veranlagungen, unserem Entwicklungsstand, unserer Stellung in der menschlichen Gesellschaft, in unserer Sprache. Doch sind solche Unterschiede nicht von Belang. Er hat ein Herz; ich habe ein Herz. Im Innersten dieses Herzens leuchtet das göttliche Bewusstsein hier wie dort. Er hat ein Leben; ich habe ein Leben. Dieses Leben schwingt im Herzschlag des Höchsten. So gibt es also keinen Unterschied im Innersten zwischen diesem Herzen und meinem Herzen, keine zwei unendlichen Wirklichkeiten, sondern nur das eine göttliche Bewusstsein, das gleiche Prinzip, das in ihm wie auch in mir ist. Das genügt, um ihn zu lieben wie mich selbst.

Betrachten wir den Menschen unter diesem Gesichtspunkt, werden wir zur Einsicht kommen, dass seine Würde ohne Grenzen ist. Seine Bedeutung überragt den ganzen Kosmos. Seine Dimensionen erstrecken sich ins Göttliche. Er trägt die Möglichkeit zur Allwissenheit in sich. Er kann allgegenwärtig sein. Dieses Saatkorn Mensch - um in diesem Bild zu sprechen, ist in seiner Möglichkeit bereits ein Baum, der Blüten und Früchte trägt.

Der Mensch ist also potentiell allgegenwärtig, allwissend und allmächtig. Das Problem des Lebens besteh darin, das was potentiell vorhanden ist, zu offenbaren Es kommt dies dem Bemühen des Gärtners gleich hervorzuholen, was im Samenkorn schon angelegt ist. Er legt das Samenkorn ins Erdreich und wartet Tag um Tag und Woche um Woche. Jahrelang bemüht er sich, bis aus dem Sämling ein Baum wird, der Blüte und Früchte trägt.

So bedarf auch der Same des Göttlichen in uns der Pflege. Es mag Jahre dauern, ehe wir die Wirklichkeit der unvergänglichen Schätze in uns erfahren können, diese schöpferische Kraft in uns, die so voll unfassbarer Schönheit, voll Frieden, Vollkommenheit und Kraft ist. Ein solch wunderbares, hohes Ziel ist jeden Einsatz wert. Kein Kampf, kein Opfer ist zu gross. Auf der Suche nach dieser Wahrheit haben Herrscher ihrem Reich entsagt, haben Heilige und Philosophen grösste Opfer gebracht. Tausende streben auch heute diesem Ziele zu. Wer nicht nachlässt, wird das Ziel erreichen, doch ist Geduld und Ausdauer vonnöten, wenn sich Früchte zeigen sollen.

Tausende von Männern und Frauen auf der ganzen Welt streben diesem Ziele zu. Man darf nur nicht ermüden und nachlassen in seinem Suchen und Bemühen, so wird eines Tages das Ziel erreicht sein! Dein Streben muss von Beständigkeit und Ausdauer sein, wenn die Ergebnisse gross sein sollen.

Wachstum ist ein unsichtbarer Vorgang

Ein unweiser Mensch kaufte sich ein kleines Stückchen Land, auf dem nichts als ein einziges winziges Bäumchen stand. Nun kam er jeden Tag und sass zwei Stunden lang bei seinem Bäumchen, um nachzusehen, ob es wächst. Nach zwei Stunden sagte er jedesmal: «Es wächst nicht» - und ging heim. So ging es weiter, Woche für Woche, Monat um Monat, Jahr um Jahr, und nie gelang es ihm, zu sehen, wie das Bäumchen wächst.

Doch eine Veränderung ging dennoch vor sich: Nach so manchem Jahr war es tatsächlich grösser geworden und hatte fast die Grösse eines Baumes erreicht. Der arme Mann jedoch verstand nicht, dass die Pflanze Stunde um Stunde wächst, das Wachstum jedoch so fein und unbemerkbar langsam vor sich geht, dass man es nicht merkt, auch wenn man Stunden darauf wartet. Wir müssen der Pflanze dazu Zeit gewähren und nicht uns selbst mit Ungeduld plagen, indem wir das sehen wollen, was nicht so leicht zu sehen ist. Wenn wir zuschauen und beobachten, ob die Pflanze wächst, dann wächst sie darum nicht schneller, und wir helfen ihr auf keine Weise bei ihrem Wachstum. Wenn jemand Jahre später auf die Pflanze schaut, dann sieht er, dass es nicht mehr das Bäumchen von einst ist, sondern ein wunderbarer, grosser Baum, der Tausende von Früchten und Blüten trägt. So verhält es sich auch mit unserem geistigen Fortschritt. Tag für Tag sitzt Du zwei Stunden da und meditierst, und nun willst Du sehen können, ob nach jeder Meditation Deine Seele ein wenig gewachsen ist und an geistiger Grösse zunimmt - und merkst nichts davon. Doch solltest Du lieber, anstatt Deine kostbare Zeit damit zu vergeuden, Dein geistiges Wachstum beobachten zu wollen, Dich weiterhin mit gutem Tun beschäftigen und mit Deinen Bemühungen und Übungen, um Gott näher zu kommen, weiter fortfahren. Eines Tages wirst Du feststellen, dass Du ein voll herangewachsenes Licht geworden bist und anderen tausendfachen Segen bringst. Lege alle Ungeduld ab! Verwirf, was nicht Weisheit ist! Streue Saat aus und bewässere das Land! Lasse die Sonne darauf scheinen und erlaube der Hand der Zeit, das Übrige zu tun.

Die Reaktion des Normalmenschen

Wenn sich der Normalmensch auf die Suche nach diesem Königreich in seinem Inneren macht, schliesst er die Augen und lauscht nach innen. Da taucht vor seinem inneren Auge ein Hassgedanke auf - doch ein Königreich des Himmels wird nicht sichtbar. Er hält weiter Ausschau. Da empfindet er die Liebe zu seinen Kindern und etwas Neid auf andere Menschen, die tüchtiger sind als er und ihn bei der Arbeit übertreffen. Aber das Himmelreich wird nicht sichtbar. Er versucht es immer wieder vergeblich. Soviel er sich auch müht - es steigen nur ablenkende Gedanken in ihm auf, vermischt mit Angst und Fragen, ob das Geld auch reicht und für sein Alter genug Vorkehrungen getroffen sind. Der Gedanke an das Alter bringt ihm Freunde in Erinnerung, die schon hinweggeschieden sind - das ist das ganze Himmelreich, das er in seinem Inneren erlebt.

So denkt er, entweder halte ihn die Bibel zum Besten, oder bei ihm selbst sei etwas nicht in Ordnung. Er findet jedenfalls kein Himmelreich in seinem Inneren. Was er findet, wenn er nach innen schaut, sind Gedanken und Gefühle verschiedener Art, Ängste, Befürchtungen, Impulse, Instinkte, Wünsche, Triebe, glückliche und unglückliche Erinnerungen.

Wenn ein Mensch gründlich verstehen will, wie und warum der Tisch, der Eisenstab und alle festen Gegenstände als energiegeladener leerer Raum bezeichnet werden können, dann muss er sich vom Wissenschaftler darüber belehren lassen, muss sich in wissenschaftliche Bücher vertiefen oder im Zweifelsfall eine massgebliche Persönlichkeit um Auskunft fragen, bis er mit den Tatsachen, die der Aussage des Wissenschaftlers zugrundeliegen, genügend vertraut ist, um sie als wahr erkennen zu können.

Genau so ist es im Bereich des Geistes: um klar zu sehen und selbst zu erleben, was mit dem himmlischen Reich gemeint ist, sollte er sich mit einem Wissenden, einem Heiligen oder Weisen in Verbindung setzen, mit einem Wissenschaftler der letzten Wahrheit, mit einem Menschen, der selber Gotterfahrung hat. Auch sollte er sich in geistige Bücher vertiefen und heilige Schriften aus der ganzen Welt miteinander vergleichen.

Nur jene, deren innerstes Bewusstsein erleuchtet ist, deren Wahrnehmung über die Sinnenwelt hinausragt, nur sie erkennen, dass alles aus der zeitlosen Wirklichkeit hervorging, in ihr ist und durch sie erhalten wird. Sie wissen auch, dass wir Bild und Offenbarung des Göttlichen sind und mit Christus Erben aller Vollkommenheiten dieser wunderbaren Bewusstseins-Wirklichkeit, dass der gleiche Geist, der in Christus war, die gleiche Weisheit und Macht, die gleiche Liebe, das gleiche Licht, das gleiche Leben auch in uns ist. Diese Einsicht bedarf der Fähigkeit zu überrationaler Erkenntnis. Diese Gotteskindschaft zu erfahren, bedarf es eines erleuchteten Blickes. «Der Geist Gottes gibt Zeugnis unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind» Röm. 8,16.

Wie sollen wir uns diese Erfahrung zu eigen machen? Es ist dies nur durch Läuterung unserer menschlichen Sinne, unserer menschlichen Erfahrung möglich. Wer das erkennt, verliert alle Angst. Neue Dimensionen erschliessen sich in seinem Inneren. Der Sinn für Unsterblichkeit erwacht in seinem Herzen, da er weiss, dass er mit dem Göttlichen in allem eins ist. Er segnet jeden. Wenn er die Augen schliesst, dann weiss er, dass alle Häuser auf Erden ihm gehören, dass das Wohlergehen jedes Hauses sein eigenes Wohlergehen ist. Er segnet jedes Haus. Jede Blume fühlt er als aus seinem eigenen Bewusstsein hervorgegangen. Wer so in allem Gott erkennt, hat die Essenz in allem wahrgenommen und erlebt in jedem Leben das Leben des Göttlichen. Er ist ein Mensch universalen Wohlwollens, dessen Herz weder Abneigung noch Schwächen kennt. Er ist voll Stärke und voll Frieden, und sein Leben findet die Erfüllung.

Das Saatkorn Mensch

Die Dynamik des unendlichen Bewusstseins in uns drängt nach immer neuem Ausdruck. Die ekstatische Freude, die sich aus diesem Bewusstsein heraus ins tägliche Leben ergiesst, ist Philosophie und Wissenschaft nur wenig bekannt, und auch die geistige Literatur gibt nur ungenügend und teilweise Auskunft. Es steht dem Menschen zu, ja es ist seine Bestimmung hier auf Erden, seine Vernunft zu einem Gefäss und Instrument des aus sich selbst erkennenden Lichtes göttlichen Bewusstseins werden zu lassen und diesem allvollkommenen, ganz und gar lichten göttlichen Bewusstsein eine Ausdrucksmöglichkeit zu gewähren. Nicht jeder wird es leicht finden, diese Wahrheit in ihrer vollen Bedeutung zu erkennen. Am Beispiel des Samenkornes soll es uns klar werden. Ein so unscheinbares kleines Samenkorn trägt so grosse Möglichkeiten in sich! Ein ganzer Baum mit Zweigen, Blättern, Blüten samt dem Duft, der diesen Blüten entströmen wird, und all den Fähigkeiten, wie jene, Chlorophyll zu bilden; die ganze Lebenskraft des Baumes, ist schon in ihm angelegt.

Nicht anders verhält es sich mit uns. Jeder ist ein Saatkorn. Betrachtest Du den Menschen als das, was er gegenwärtig ist, dann ist er noch reichlich unbedeutend, ja ein Nichts. Doch erinnere Dich an das unscheinbare Samenkorn, das noch viel wertloser erscheint und doch den ganzen grossen Baum schon in sich trägt, der hundert Jahre leben und unzählige Blüten und Früchte tragen kann.

Freilich haben wir unsere Rolle als Mensch zu spielen. Doch sind die äusseren Bedingungen in Wahrheit ohne grosse Bedeutung. Ausschlaggebend ist das Innere. Der grosse Fehler besteht darin, uns von dem, was vordergründig wichtig scheint, blenden zu lassen, weil wir innerlich nicht genügend Abstand nehmen von all dem kleinlichen Erleben an der Oberfläche, weil wir nicht nach der Grundlage, den Ursachen der Ursache, dem Wesentlichen fragen, die all unsere Erfahrungen erst möglich machen.

Versuchst Du, Dein Leben mit Abstand zu sehen, seine Grundlagen zu erforschen, den inneren Gehalt zu prüfen, die menschlichen Neigungen, Wünsche und Triebe tiefer zu ergründen, dann bist Du imstande, der Wirklichkeit der Dinge in Dir näher zu kommen. So wie der ganze Baum mit aller Blütenpracht, voll Duft und Schönheit, mit all den vielen hundert Früchten, die er tragen wird, mit all den ungezählten Blättern, die er jedes Jahr von neuem treiben wird, im Samenkorn vorhanden ist, so findet sich das ganze Himmelreich, die ganze Allmacht Gottes, das ganze göttliche Bewusstsein im Saatkorn Deines inneren Wesens. Die ganze Herrlichkeit, jeder einzelne Aspekt des Göttlichen ist schon in Deinem inneren Sein zugegen und leuchtet aus sich selbst hervor. Das ist die Wahrheit, die eigentliche Wahrheit über Dich! Dies ist in der Tat Dein wahres Wesen.

Es gibt viele Wege und Methoden, viele Übungen und Disziplinen, um den Zugang zu diesem Reich zu finden. Es sollen darum einige Hinweise gegeben werden, die auf dem Weg zu diesem inneren Königreich von Nutzen sein können.

Auf der menschlichen Ebene wird viel Wachsamkeit und Selbstbeherrschung von uns verlangt. Wir haben die Möglichkeit, von den in uns aufsteigenden Gedanken innerlich Abstand zu nehmen. Diese Fähigkeit sollten wir entfalten. Ferner sind wir in der Lage, unsere eigenen Gedanken zum Gegenstand der Beobachtung zu machen, wir können einen Gedanken so vor uns hinstellen, wie wir uns einen materiellen Gegenstand im Geist vergegenwärtigen. Wir sollten also die Fähigkeit zur Introspektion, zur Selbstwahrnehmung, aber auch zu grösserem Überblick entwickeln, um zu erkennen, aus welchen Quellen er emporsteigt und wo sein Ziel liegt. Jeder Gedanke, der unserem inneren Wachstum nicht förderlich ist und nicht zum grösseren Frieden und Glück anderer Menschen beiträgt, muss ausgeschaltet werden. Dafür sollten wir uns mit den höchsten und erleuchtendsten Gedanken der grössten Geister der Welt beschäftigen. Dadurch wird unser eigenes Denken diszipliniert und gewinnt mehr Klarheit; vor allem aber finden jene Gedanken, die uns sonst zur Quelle des Leidens werden, keinen Platz mehr in uns. Die Grösse der Gedanken, die wir unterhalten, ist ausschlaggebend für unser menschliches Format.

Üben wir uns in der Disziplinierung unserer Gedanken Jahr um Jahr, dann wird unser Inneres immer lichter werden. Aus diesem Zustand grösserer Reinheit heraus wird es dann leicht, auf eine transzendente Bewusstseinsebene zu gelangen. Ehe wir jedoch die nötige innere Reinheit erlangt haben, werden wir vergeblich nach einer wirklichen geistigen Erfahrung oder dem höheren Bewusstsein Ausschau halten. Bis dahin wird all unser Mühen nicht zum Ziel führen, weil alle möglichen menschlichen Gedanken uns stören wollen.

Wie ergeht es denn gewöhnlich einem Menschen, der still auf seinem Stuhl sitzt und nun einmal die Augen schliessen und die Gegenwart Gottes fühlen möchte? Kaum hat er die Augen zu, fallen alle möglichen nutzlosen Gedanken über ihn her. Will er sich vom einen befreien, taucht schon der nächste auf und fordert seine Aufmerksamkeit, so dass es für ihn zu einem schwierigen, wenn nicht unmöglichen Unterfangen und zu einer Nervenprobe wird, auch nur einen Sekundenbruchteil Gedankenleere zu erzeugen. Der Grund liegt einfach darin, dass aus seinem Unterbewusstsein mit seinen Erinnerungsspuren äusserer Eindrücke sowie aus den Bedrängnissen seines Herzens immer wieder neue Gedanken aufsteigen. Unerfüllte wie auch erfüllte Wünsche, Versagungen und Hoffnungen, Sorgen und Nöte machen ihm zu schaffen. Wenn wir unsere geistige Natur entfalten und hier im Leben die Kräfte des Göttlichen erwerben wollen, müssen wir uns aus dem verheerenden Netzwerk gewöhnlicher menschlicher Gedanken und Gefühle befreien. Schon allein die Tatsache unserer angeborenen Geschlechtlichkeit ruft Gedanken und Gefühle in uns wach, lässt Eindrücke in uns entstehen und Einflüsse aus der menschlichen Gesellschaft wirksam werden. Von früher Kindheit an empfangen wir prägende Einflüsse, die dem Erwachen der uns natürlichen Funktion des göttlichen Bewusstseins im Wege sind. Befreiung von diesen verhüllenden Eindrücken erlangen wir durch umwandelnde Disziplinen.

Vielseitige Selbstbeherrschung ist notwendig. Es kann kein rasches Wachstum geben, ohne dass eine solche Disziplinierung unser Verlangen nach göttlicher Vollkommenheit begleiten würde. Doch soll dies nicht heissen, dass der Mensch aufhören sollte, ein Mensch zu sein, eine eigene Persönlichkeit zu haben, sich mit einem Beruf oder sonstigen Lebensinteressen zu befassen. Vielmehr geht es darum, einen Weg zu finden, wie wir uns nicht von Gedanken tyrannisieren lassen müssen, die uns einmal unglücklich machen, ein anderes Mal ein wenig vergnügt sein lassen. Jeder Mensch ist tatsächlich mehr oder weniger ein Sklave seiner eigenen Gedanken- und Vorstellungswelt, während doch die ganze Vollkommenheit und Macht, der ganze Friede und das Licht Gottes jedem Menschen zur Verfügung steht. Dennoch lassen sich die Menschen beständig von kleinlichen Gedanken, Vorhaben, Aufgaben und Zielen leiten. Es besteht also die dringende Notwendigkeit, nach einem Ausweg zu suchen, wie wir uns von diesen Erfahrungen, Gedanken und Tätigkeiten, die durch die äusseren Lebensumstände bedingt sind, weniger gefangennehmen lassen, und von der Gedankenebene zum transzendenten Bewusstsein emporsteigen können.

Wir können tatsächlich in einem Bewusstsein leben, das von keinem Gedanken mehr gestört und von keinem Leiden mehr getrübt wird, das sich nicht mehr damit befassen muss, Wünschen und Begierden zur Befriedigung zu verhelfen, weil es sich selbst genug ist in der Unendlichkeit seines Friedens, seines Glückes, seiner Macht. Allerdings ist dazu die Gnade Gottes einerseits und andererseits eine beständige Gedankenkontrolle unerlässlich. Ein inneres Voranschreiten im guten, edlen Denken ist wichtig, um schlechte, dunkle oder niederdrückende Gedanken zu überwinden. Von dieser Stufe reiner, edler, guter, hoher, anregender und erleuchtender Gedanken ist der Sprung zur nächsten Stufe, wo die Gedanken aufhören und nur noch ein allsehendes göttliches Bewusstsein herrscht, leichter möglich.

Die Überwindung der Gedankenebene
durch einen Hauptgedanken

Um über die Ebene menschlichen Denkens und unserer individuellen menschlichen Persönlichkeit hinauszugelangen, wenden wir uns am besten einem einzigen beherrschenden Gedanken zu. Damit können wir alle anderen Gedanken überwinden. Wissenschaftler, Künstler und andere Menschen, die sich ganz ihrem Fachgebiet zuwenden, erheben sich in ihrem Berufsleben auf eine Ebene der Konzentration, auf der alles, was zuhause geschah und alles, was nicht ihre Berufsarbeit betrifft, völlig ausgeschaltet wird. Die Konzentration geschieht hier einer beruflichen Aufgabe zuliebe, die zu ihrer erfolgreichen Durchführung die Ausschaltung aller anderen Gedanken erfordert. Der Hauptgedanke ist hier eine wissenschaftliche oder künstlerische Idee.

Im Fall des geistig Strebenden dreht sich der Hauptgedanke um Gott. Im Mittelpunkt des Denkens steht das Göttliche. Die Liebe und das Verlangen nach Gott, die innige Gotteserkenntnis wird ständig wachgehalten. Durch diese im Vordergrund stehende Leidenschaft und innere Beschäftigung bleiben viele Dinge einfach unbeachtet. Manche Gefühle, die im Herzen aufsteigen wollen, finden in einem so gearteten Menschen keine Beachtung und können darum auf die Dauer auch nicht bestehen bleiben. Ein solcher innerer Zustand trägt zur Läuterung des inneren Wesens bei. Je reiner unser inneres Wesen ist, umso stärker ist der Einstrom von Kraft und Licht, Intuition und Offenbarung aus dem göttlichen Bewusstsein.

Der einzige Weg, den Menschen wirklichem Frieden, Glück, Macht, Schönheit und Vollkommenheit näher zu bringen, besteht darin, seine Aufmerksamkeit auf den endlosen Reichtum zu lenken, der in seinem Inneren verborgen liegt. Dieser unendliche Schatz und Reichtum ist das metaphysische Prinzip in der menschlichen Konstitution, das Göttliche im Menschen. Was im Menschen wirklich von erstrangiger Bedeutung ist und ihn erhält, ist nicht der menschliche Geist, nicht das menschliche Herz, und auch nicht der äussere Atem; es ist vielmehr das, was man als das Leben unseres Lebens, die Seele unserer Seele bezeichnen kann, dieses letzte metaphysische Prinzip, Gott, die Wahrheit, die Wirklichkeit, das Absolute. Das ist unsere Stärke, das ist unsere Grundlage, die Existenz unserer Existenz, ohne die kein Leben, keine Erfahrung möglich ist, ohne die wir nicht denken und nicht fühlen können. Von diesem metaphysischen Prinzip, das die Grundlage von allem ist, sollten wir eine tiefere Erkenntnis erwerben. Die Probleme im Materiell-Körperlichen lassen sich mit menschlicher Intelligenz lösen; die Probleme des Denkprinzips ihrerseits jedoch lassen sich nur im Licht eines höheren Bewusstseins lösen. Die Probleme eines höheren Bewusstseins können nur durch das überwunden werden, was das höchste Bewusstseinsprinzip darstellt. Sie können nur im Lichte des göttlichen Bewusstseins bewältigt werden.

Die grundlegende Disziplin zur Höherentwicklung

Zur Disziplinierung auf dem Weg zur Gotterfahrung gehört das stetige Bemühen, unser ganzes Wesen zu läutern und zu vergeistigen, unser Bewusstsein auf immer höhere Stufen emporzuheben und immer höhere Perspektiven zu gewinnen, indem wir beständig über das Wesen der Wahrheit, des Lebens und der höheren Werte nachdenken. Diese Läuterung und Umwandlung unserer normal menschlichen Natur, die eine wachsende innere Antwortbereitschaft auf universale Faktoren bewirkt, ist unerlässlich, wenn wir zu höheren Stufen der Entwicklung emporsteigen wollen.

Da ist nichts Gefühlsmässiges, Überschwengliches und Falsches auf diesem Pfad. Keine Selbsttäuschung und auch kein Verlust ist mit diesem Pfad der inneren Höherentwicklung und des Fortschrittes verbunden. Der geistige Pfad ist auf der Wahrheit und Wirklichkeit der göttlichen Existenz aufgebaut. Unser Fortschritt misst sich daran, wie lichtvoll unsere Intelligenz, wie friedlich unser Wesen, wie weit unser Bewusstsein, wie würdig und wie stark unser Leben bereits ist und wie viel von den Vorzügen dieses inneren Bewusstseins sich in unserer äusseren Persönlichkeit widerspiegelt.

Auf diesem geistigen Pfad schreiten wir zu immer höherer Vernunftentfaltung und grösserer Erkenntnis voran, bis sich die Begrenztheit menschlichen Wissens zur Weite und Freiheit göttlicher Erkenntnis hin öffnet. Von den vordergründigen Wahrheiten des menschlichen Alltags, die immer nur ihren begrenzten Gültigkeitsbereich haben, schreiten wir weiter voran zu einer Wahrheit, die nicht mehr dem Spiel der Gegensätze oder irgendwelcher Umstände und Bedingungen ausgesetzt ist.

Die wir aus Gott geboren sind, können uns niemals in den Bedingungen zurechtfinden, die uns Natur, Materie und Leben auf Erden bereiten. Das ist der Grund, warum Hunderte, ja Tausende auf der ganzen Welt beständig nach etwas Grösserem, als das Leben ihnen bieten kann, Ausschau halten. Sie sind insofern gesegnet, als ihre Intuitionen in bezug auf das, was unsichtbar, unsterblich und ewig ist, stärker sind als ihr Glaube an die Welt. Sie halten nach dem Licht einer grösseren Weisheit und Erkenntnis Ausschau. Sie sind von höherem Streben erleuchtet. Sie sind sich zunehmend mehr dessen bewusst, dass es etwas gibt, das über dieses Leben hinausreicht. Sie werden gegenüber einer geistigen Gegenwart in unserem Wesen empfänglich und fangen an, die Offenbarungen, die in den grossen Schriften der Welt niedergelegt sind, besser zu verstehen. Sie halten nach einem Frieden und einer Freude Ausschau, die nicht verderben und nicht vergehen. Als aus dem göttlichen Bewusstsein Hervorgegangene, können sie sich zu keinem Kompromiss mit den Bedingungen des Lebens in einer Welt von Zeit und Raum bereit finden. Wie sehr wir auch immer versuchen mögen, unsere höhere Natur zu unterdrücken, der Glaube erweist sich schliesslich als Notwendigkeit, und die Hingabe ergreift uns, wenn die Liebe für alles Hohe, Edle und Ausgezeichnete im Dasein zunimmt und der Wunsch zur Selbstbemeisterung, der Wunsch, Herr über unseren Körper und unser psychologisches Wesen zu sein, Macht in uns gewinnt.

In Zuständen innerer Erleuchtung erschliessen sich uns neue Horizonte, und wir werden gewahr, dass der Weg, auf dem wir uns befinden, dem Reich der unendlichen Vollkommenheit entgegenführt. Weil dieses Reich sich hier und jetzt in uns befindet, ist es durchaus möglich, das himmlische Reich als gegenwärtig zu erleben, indem wir unser Bewusstsein vom Körperlichen und von der Umwelt lösen und es nach innen kehren, indem wir unser Inneres der alles umwandelnden Liebe und dem Lichte göttlicher Erkenntnis öffnen. Diese Erfahrung machten die Grossen der Menschheit schon seit Jahrtausenden, und auch uns ist diese Erfahrung vorbestimmt. Dieses Ziel unendlicher göttlicher Vollkommenheit ist die Antwort auf ein Leben, das in Krankheit, menschliche Begrenzungen und Tod eingekerkert ist. Das Leben hier auf Erden wird umso reicher, je deutlicher wir dieses allvollkommene Reich des Göttlichen in unseren Blick bekommen. Es ist nicht nötig, uns darum von der Welt zu trennen. Wir gewinnen nichts dabei, wenn wir die Welt verlassen. Die Erfahrung des Göttlichen schenkt uns die Welt aufs Neue, indem sie die Schöpfung durchscheinend werden lässt für das latent in ihr anwesende Göttliche.

Angenommen, wir haben eine Rose vor uns. Wir sehen, dass sie rot ist. Durch unsere Sinne nehmen wir Farbe, Form, Duft und andere Gegebenheiten wahr. Die Schau der göttlichen Erfahrung indessen lässt uns klar erkennen, was hinter dieser äusseren Erscheinung verborgen liegt. So erleben wir die Welt auf eine neue Art und Weise, indem uns aus allem das Reich des göttlichen Bewusstseins entgegenleuchtet. Die äussere Erscheinung tritt zurück, die äusseren Formen verlieren an Kontur; das latent Göttliche wird offenbar. Die Rose selbst weiss nichts von dem, was sich hinter ihr verbirgt. Sie kennt nicht die Quelle ihres Duftes und ihrer Schönheit, ihres Lebens; doch der Mensch, dem die Augen der Gotterfahrung geöffnet sind, erblickt das Reich des Himmlischen in dieser Rose. Die Schönheit der Rosenblätter führt ihn hin zur inneren Schau und lässt ihn die unendliche Schönheit, die Grundlage und beseelende Wirklichkeit der Rose erblicken. Er ist in Berührung mit jenem Sein, dem die Rose ihr kurzes Dasein verdankt. Mit jedem ihrer Atome erschliesst sie ihm die unendliche Vollkommenheit des Göttlichen, bringt sie ihm die allsehende, allschöne und auf alles Antwort gebende Gegenwart des göttlichen Bewusstseins nahe.

Auch im Wirken menschlicher Erfindungsgabe und Intelligenz sieht er die höchste Bewusstseinskraft am Werk. Was der im Menschen wirkenden Vernunft entgeht, was als das Unendliche dem Zugriff der menschlichen Verstandeskraft nicht erfassbar ist, was von dieser Intelligenz nicht mehr begriffen werden kann, weil es ja ihre ureigene innere Seele ist, das sieht er in allen Wesen, in allem Offenbargewordenen. Er lebt in einer Welt unendlicher göttlicher Freude, des Friedens, des Lichtes und der Vollkommenheit. Zeit, Raum und äussere Umstände sind bedeutungslos für ihn. Die Freiheit, die er im Bewusstsein geniesst, ist ohne Grenzen.

Dieser Zustand des Unbedingten, dieses göttliche Gesegnetsein allein ist dem göttlichen Sein in uns natürlich. Unser Leben ist nur dann wahrhaft erfüllt, wenn wir diesen Zustand erreicht haben. Er kann durch einfache Gottesliebe, durch Glauben und Hingabe an das Göttliche und von manchen auch durch das Wirken ihrer hochentwickelten Vernunft- und Geisteskräfte erlangt werden. Besonders begabten Künstlern ist es möglich, durch die Entfaltung ihrer künstlerischen Fähigkeiten und Kräfte dahin zu gelangen. Auch im kontemplativen Leben lässt es sich erringen. Auf hundert Weisen ist dies möglich. Jede Lebensbedingung kann einen Weg zur unbedingten Freiheit und göttlichen Vollkommenheit in sich tragen, einen Pfad, der uns das Leben unseres Lebens, den Atem unseres Atems, das Bewusstsein unseres Bewusstseins offenbart. Auf ihm wollen wir dahineilen, indem wir alles aus unserem Dasein entfernen, was uns von der Erfahrung dieses wunderbaren, unbedingten Bewusstseins trennt.

Machen wir es also zu unserem Vorrecht, unser Herz zum Ausstrahlungsmittelpunkt göttlicher Liebe werden zu lassen. Unser grosses, weites Fühlen soll den ganzen Kosmos umspannen. Wir wollen an innerem Reichtum und an Erleuchtung gewinnen, indem wir unsterbliche göttliche Gedanken von Menschen der Gotterfahrung in uns aufnehmen. Da Gott Liebe, Licht und Frieden ist und ringsumher in allen Wesen wohnt, soll unser ganzes Leben nichts anderes als Liebe, Licht und Frieden offenbaren. Wenn wir dies geduldig immer weiter üben, wird uns eines Tages die ganze Schöpfung das Antlitz des Göttlichen schauen lassen. Etwas im Herzen der Natur, etwas im Herzen aller Schöpfung wird uns als wahre Söhne und Töchter Gottes erkennen, weil etwas von der Weisheit, Freude und dem Wesen Gottes beständig durch unser äusseres Leben und unsere Persönlichkeit im Alltag hindurchscheint.

Damit dieses Ziel schneller erreicht werden kann, wollen wir versuchen, die irreführenden Kräfte unserer noch nicht umgewandelten Natur zu disziplinieren und alle Formen der Unwissenheit aus unserem Inneren zu verbannen. Es ist eines vernunftbegabten Wesens unwürdig, sich mit dem zu identifizieren, was äusserlich ist. Wir sind doch nicht unsere Sorgen, unsere Schmerzen und unsere Freuden! Wir sind von ihnen verschieden. Wir sind auch etwas anderes und etwas Grösseres als die Gedanken, die in uns auftauchen und die wieder verschwinden. Wir sind mehr als das, was Kindheit und Umwelt aus uns gemacht haben, mehr auch als irgend ein Stadium, irgend eine Altersstufe unseres kurzen Lebens auf dieser Erde. Wir sind unendlich viel mehr als alles, was wir besitzen. Möge niemals unser Besitz Macht über uns gewinnen und unsere Weisheit, unsere Freiheit und unseren Frieden schmälern. Wir wollen uns in zunehmendem Masse der Wahrheit bewusst werden, dass das Leben und die Essenz unseres Daseins unvergänglich sind und unverbrüchliche Beziehungen zum ewigen, allgegenwärtigen Sein voll Allmacht und Allwissenheit haben. Darum sollte uns nichts im Leben je aus der Ruhe bringen, aus der Bahn werfen oder irreleiten. Es gibt keinen anderen Weg, der uns rascher die Begrenzungen, Probleme und Prüfungen dieses Erdenlebens überwinden liesse als die Erkenntnis dieses unvergänglichen Bewusstseins in uns. Wer dies erkennt, ist weise und ohne Furcht. Er lässt sich von nichts mehr verwirren. Er ist friedlich, voll Kraft und innerer Heiterkeit. Er ist ohne Probleme, weil Herz und Geist, weil sein ganzes Wesen in der Erkenntnis dessen wurzelt, was unvergänglich ist.

Wirklichkeitsbewusstsein

Rings um uns ist eine Welt. Während wir in ihr leben, leben wir dennoch nicht in ihr, sondern ausserhalb von ihr. Wie ist das zu verstehen? Wir leben im göttlichen Bewusstsein in uns. Während wir in der Welt leben, befindet sich doch etwas in unserem Geist und Herzen, das nicht in sie verstrickt ist. Etwas von unserem Denken und Fühlen lebt beständig im Gedanken an Gott, fühlt beständig Gottes Gegenwart, lebt im Gottbewusstsein. Du magst auf der Strasse dahingehen; doch nicht die Menschen und die Autos sind es, die Dein Herz und Denken erfüllen. Sie nehmen Deine Aufmerksamkeit nur so weit in Anspruch, als es nötig ist, um Dich dem Verkehr anzupassen und Dein Ziel zu erreichen; nicht aber gelingt es ihnen, Dein ständiges Verweilen in der Gegenwart Gottes, Dein Fühlen der Macht und der Gnade, die bei Dir, um Dich und über Dir ist, zu stören.

In jeder Situation des Lebens solltest Du Dich jederzeit mit diesem allsehenden, allwissenden und allvollkommenen Gottbewusstsein verbinden. Wenn Du schöne Blumen siehst, dann solltest Du Deine Aufmerksamkeit nicht von den äusseren Erscheinungsformen der Blüten gefangennehmen lassen, sondern in der Schönheit der Blumen die Gegenwart des Göttlichen erblicken. Und wenn Du Gott Verehrung zeigen willst, wenn Du mehr zu Seiner Erfahrung gelangen möchtest, dann biete die Blumen im Geiste als Ausdruck Deiner Anbetung Gott dar.

Erfinderisch solltest Du selbst Methoden entwickeln, wie Du den ganzen Tag hindurch so intensiv als nur möglich im Gottbewusstsein verharren kannst. Arbeit gilt nicht als Ausrede, und Liebe macht erfinderisch. Ich versichere Dir, dass es möglich ist, bei jeder Arbeit im Gottbewusstsein zu leben. Schliesslich gibt es kaum eine Tätigkeit, die auf die Dauer alle Kräfte der Aufmerksamkeit beständig in Anspruch nehmen würde. So kann auch während dieser Zeit ein Teil Deiner Aufmerksamkeit im Gottbewusstsein bleiben. Wie macht es denn eine junge Mutter, die ihr erstes und einziges Kindlein zuhause hat, während sie auf dem Büro arbeitet? Während sie dort in ihre Arbeit vertieft ist, bleibt doch etwas in ihrem Inneren ständig bei ihrem kleinen Einjährigen. Etwas in ihrem Fühlen und Denken kreist beständig um ihr Kind, auch wenn sie sich auf der Strasse befindet. Ihre Liebe ist beständig mit dem Kind beschäftigt, wo immer sie sich aufhält und was immer sie tut. So kannst auch Du, wenn schon nicht immer mit Deiner ganzen Aufmerksamkeit, so doch mit einem Teil Deines Bewusstseins in Deinem Herzen beständig mit der Gottheit beschäftigt sein, und ich versichere Dir: Dein ganzes Leben wird dadurch vergöttlicht werden.

Die Welt im Licht des göttlichen Bewusstseins

Diese Welt um uns her, die Welt von Zeit und Raum, die Welt der Materie, die durch unsere äusseren Sinne und unser menschliches Denken erfahren wird, diese selbe Welt erfahren wir in kontemplativen Zuständen als strahlendes Gottbewusstsein voll endloser Wunder. Dann werden die Vollkommenheiten des Göttlichen unverhüllt offenbar. Um dies zu verstehen, wollen wir uns eines Gleichnisses bedienen. Angenommen einer der Anwesenden schlafe ein und beginne zu träumen. Das würde bedeuten, dass er hier und jetzt in die Welt der Traumerfahrung entrückt wäre. Genauso können wir hier und jetzt auch in die unmittelbare Erfahrung Gottes gelangen. Wir brauchen nur unsere Augen zu schliessen und unser Bewusstsein gänzlich vom Körperlichen abzulösen, dann verweilen wir im allwunderbaren Bewusstsein Gottes, das alldurchdringend überall zugegen ist. Eine Unendlichkeit der Erkenntnis, der Freude, des Friedens eröffnet sich uns, sobald unser äusseres Bewusstsein in die göttliche Gegenwart in uns und um uns hineingezogen wird.

Diese Gottgegenwart ist überall. Dieses Sein Gottes, das überall zugegen ist, bringt sich im geläuterten Geist und Herzen durch höhere Fähigkeiten zur Entfaltung, welche die Kräfte des Göttlichen wahrnehmen und erfahren können. Jedem von uns ist es jederzeit und überall möglich, in kontemplativen Bewusstseinszuständen eine direkte Erkenntnis des eigentlichen Wesens Gottes zu erlangen, ist doch der Mensch das einzigartigste unter allen erschaffenen Wesen. Er ist wahrlich die Krone der Schöpfung. Die ganze Natur - hätte sie das Verlangen, Gott zu erfahren könnte es nur durch den Menschen zur Erfüllung bringen.

Der Mensch allein ist so reich mit Fähigkeiten und Gaben ausgestattet, dass er in der Lage ist, sich der unendlichen Vollkommenheiten des Göttlichen bewusst zu werden. Der Mechanismus des Gehirns und der psychische Apparat im Menschen sind so reich organisiert, dass die Kräfte des Gottbewusstseins im Menschen eine herrliche und wunderbare Ausdrucksmöglichkeit finden. Darum ist er der eigentliche Genius, die schöpferische Spitze der Weltentwicklung und trägt die Verantwortung, aber auch die Möglichkeit in sich, die Vollkommenheiten Gottes zu erfahren und zum Ausdruck zu bringen.

Ein tieferer Einblick in das psychische Sein des Menschen lässt uns erkennen, dass endlose Fähigkeiten, Kräfte und Möglichkeiten in ihm verborgen liegen. Die Psychologie führt uns die Wirklichkeit und wirksame Gegenwart des Unbewussten vor Augen. Die Parapsychologie erschliesst uns weitere Dimensionen des menschlichen Geistes, die man das unterschwellige Wesen des Menschen nennen kann. Tiefere Meditationszustände machen uns klar, dass sich weitere und höhere Bereiche in unserem Bewusstsein befinden. Selbst die verstandesmässige Analyse unseres eigenen subjektiven Seins wird uns die zentrale Wirklichkeit eines fundamentalen Bewusstseins als Grundlage unserer Erfahrung und unseres Daseins enthüllen.

Mit diesem göttlichen Bewusstsein im Hintergrund können wir in innige Beziehung und Gemeinschaft treten. Dazu müssen wir jedoch Abstand nehmen von unseren psychologischen Erfahrungen. Wir dürfen uns von unseren äusseren Erfahrungen nicht beherrschen und nicht gefangennehmen lassen. Nur indem wir in unser innerstes Wesen blicken, gelangen wir zu einem wirklichen Verständnis der Quelle unseres Daseins, das im Reich Gottes in uns liegt. In ihm entdecken wir den göttlichen Bereich in uns, den Mittelpunkt unseres Seins, die erhaltende Seinsgrundlage all unseres Lebens und Erlebens. Dieses Sein und Bewusstsein begleitet uns, wohin wir gehen. Wo immer wir uns hinbewegen - das göttliche Bewusstsein geht mit uns. Wo immer wir weilen, es ist bei uns. Ohne dieses grundlegende göttliche Bewusstsein in uns können unsere Augen nicht sehen, können wir nicht atmen, nicht leben und nicht erleben. Es ist die Grundlage all dessen, was wir sind. Und dennoch - obschon vom Göttlichen erhalten befindet sich der Mensch in einem Zustand der Unvollkommenheit, der eine Begrenzung unseres göttlichen Bewusstseins bedeutet, ein Gefangensein. Diese Barriere hindert uns daran, das Universum zu sehen, wie es in Wirklichkeit ist. Aufgrund dieser schwerwiegenden Begrenzungen ist der Mensch unglücklich und ruhelos, sein Erkennen ist unzulänglich, seine Kraft begrenzt, sein Leben ganz offensichtlich dem Tode verfallen. Ein solcher Zustand ist nicht das Natürliche. Unser wesentliches Sein besteht im ständigen Bewusstsein der göttlichen Wirklichkeit. Der endlose Friede, die Freude, die Kraft, das Leben des Göttlichen ist uns natürlich und wesentlich zu eigen. Wenn unser Streben erwacht, wenn durch grosse Geister feinere Einflüsse unser Leben erreichen, werden wir nachdenklich, werden wir zu Menschen, in denen der Geist des Fragens und Forschens erwacht ist, und wir beginnen zu verstehen, dass die Welt der Sinneserfahrung äusserst begrenzt ist. Wir versuchen, zu den Quellen des Lebens vorzudringen und den Sinn des Lebens zu erforschen und die Bedeutung unserer Existenz auszukundschaften.

Der Mensch ist im allgemeinen so sehr in Unwissenheit verstrickt, dass er die begrenzte Freiheit, die er auf seiner gegenwärtigen Entwicklungsstufe hat, dazu benützt, sich zu einem Tier herabzuwürdigen, als was er von kritischen Beurteilern aus dem Bereich der Psychologie und der Naturwissenschaften angesehen wird. Doch dieser für ihn wenig angenehme Zustand lässt ihn nach Befreiung Ausschau halten, und dieses Streben nach Freiheit hört nicht auf, bis es sich so ausgeweitet hat, dass es fast die Proportionen des Göttlichen angenommen hat.

Alle Teilansichten über den Menschen, wie sie den verschiedenen Wissenschaftsgebieten entspringen, beziehen sich nur auf diesen in völliger Unwissenheit über sich selbst lebenden Menschen und nicht auf den Menschen als solchen, nicht auf den Menschen als das, was er tatsächlich sein könnte und als was er sich einst auch offenbaren wird.

Wenn das Herz eines Menschen völlig geläutert und seine Natur sublimiert ist, wenn das Feuer göttlicher Erkenntnis alle Unreinheiten seines inneren Seins verbrannt hat, befindet sich ein solcher Mensch in Stunden kontemplativer Versenkung in Vereinigung mit Gottes lebendiger Gegenwart und Macht. Er erwirbt zeitloses Wissen, ewig gültige Erkenntnis. Die Erkenntnis, welche die Wissenschaft heute darlegt, ist widerlegbar und wird sich einmal als unrichtig erweisen. Das Wissen jedoch, das der geistige Mensch erlangt, ist zeitlos und immer gültig. Die Freude, die man aus dieser unmittelbaren Erfahrung des Göttlichen gewinnt, ist ebenfalls eine ewig ununterbrochene. Die Freuden, die wir auf der Welt erleben, sind begrenzt, sind abhängig. Sie sind auf die Funktionsfähigkeit unserer Sinne angewiesen. Die Glückseligkeit, die uns überflutet, wenn das Gottbewusstsein zur Einheit mit dem göttlichen Bewusstsein in uns gelangt, ist ein von allem Äusseren unabhängiges und beständiges Glück.

Warum fühlen wir uns nach der Meditation frisch?

Meditation ist die Kunst, mit der Glückseligkeit in Kontakt zu kommen und ganz von ihr durchglüht zu werden; die Kunst, sich von Zerstreutheit und oberflächlichem Denken zu befreien und so unser Leben zu einer Freude umzugestalten, die unter allen Umständen anhält. Meditation ist ein Mittel, uns der göttlichen Gnade zu öffnen und Einblick in das unmanifestierte, ganz und gar vollkommene göttliche Bewusstsein in unserem Inneren zu gewinnen. Dieses höchste Sein der grenzenlosen Erkenntnis voll Licht und Schönheit, das den ganzen Kosmos, alle Menschen und Dinge ins Dasein rief, ist in allen Dingen gegenwärtig und doch von ihnen verschieden und reicht über sie hinaus. Diese Mutter aller Dinge, das göttliche Bewusstsein, ist eine formlos-namenlose Schönheit voller Licht; es durchdringt den ganzen Kosmos und steht doch weit über allem, während es tätig als Erkenntniskraft und Liebe in allen Wesen wirkt und sie beseelt. Wer dieses Bewusstsein wahrhaft kennt, lebt in grenzenlosem Glück, in Frieden und Kraft im Reich des Göttlichen.

Das menschliche Bewusstsein ist jedoch so gänzlich in der Erfahrung der Aussenwelt befangen, dass der Meditierende, auch wenn er die Augen schliesst, sich immer noch der Erde unter seinem Körper, seines körperlichen Befindens und der menschlichen Umwelt bewusst ist. Gedanken, Erinnerungen und Pläne, Gefühle und Stimmungen drängen sich auf und nehmen das Bewusstsein gefangen. So gebunden, ja versklavt, bleibt es von Gott getrennt. Dieser Zustand ist der Freiheit des göttlichen Wesens in uns, dem wahren Frieden oder wahren Glück, in dem man sich des Absoluten oder Göttlichen bewusst ist, gerade entgegengesetzt. Ist jedoch das Herz bereits geläutert, dann setzt der Mensch sich zur Meditation nieder und weiss im gleichen Augenblick nicht mehr, dass sich Erde unter ihm befindet. Er weiss nichts mehr von Menschen ringsumher. Keine Gedanken tauchen auf. Die Erfahrung sinnlich wahrnehmbarer Gegenstände fehlt. Das Bewusstsein ist vom Unendlichen eingesogen.

Ein Mensch, der wirklich meditiert, ist immer frisch und friedlich, stets innerlich fröhlich und fähig, tüchtig zu arbeiten. Der Grund dafür ist: er hat in seinem überbewussten Zustand das zeitlose und raumlose göttliche Bewusstsein voll Frieden, Harmonie, Glück und Gesegnetsein berührt.

Das Bewusstsein des äusseren Lebens und seiner Begrenzungen muss von der Erkenntnis unseres überbewussten Seins überflutet werden. Wir wollen versuchen, wenigstens in Stunden des Gebetes und der Meditation mit dem Überbewusstsein in Verbindung zu treten, uns von unserem äusseren Empfinden von Zeit und Raum zu befreien und uns in die göttliche Gegenwart, ihren Frieden und ihre Freude zu vertiefen.

Das eigentliche Ziel der Meditation ist die dynamische, innerliche, persönliche Erfahrung des göttlichen Reiches, des Bewusstseins, das unendlich und absolut ist. Es geht dem Meditierenden um die dynamische Verwirklichung all der unbeschreiblichen Gotteskräfte, um sie im täglichen Leben zum Ausdruck zu bringen. Es geht um das Offenbarwerden des inneren Himmelreiches, des Göttlichen oder der absoluten Realität endloser schöpferischer Liebe und des Lichtes in all seiner Freude, seiner Schönheit und Macht. In der Meditation erkennen wir, dass wir tatsächlich Berge versetzen können. Das Unsichtbare wird uns sichtbar und das Unbekannte bekannt. Wir gewinnen unmittelbaren Einblick in Jenseitswelten, in Welten jenseits unseres irdischen Erfahrungshorizontes. Wir können auch in frühere Zeitalter zurückblicken und vergangene Leben erkennen. Es kann uns ein Sprachvermögen geschenkt werden, das uns befähigt, mit Bäumen zu reden und die Sprache der Tiere zu verstehen. Ein Licht wird uns zuteil, das uns auch noch im Finsteren erkennen lässt. Es ist nicht möglich, all die unzähligen, übernormalen Erfahrungen und Kräfte aufzuzählen, die uns zuteil werden, wenn wir in der Meditation voranschreiten. Höchst wunderbare Dinge geschehen, und es wird uns verständlich, was Jesus meinte, als er sagte: «Ich und der Vater sind eins». Dies wird Dir zur selbstverständlichen Wahrheit des Alltags, und Du lernst, indem Du weiter in der Meditation voranschreitest, die wunderbare Liebe und das Gottbewusstsein Jesu immer besser zu verstehen. Alles in Deinem Herzen und alles an Deinem Körper, ja selbst Deine Haare werden verkünden: «Ich und der Vater sind eins».

Viele Erfahrungen, die uns zuteil werden können, sind letztlich gar nicht zu beschreiben, weil das Bewusstsein in uns mehr als wunderbar ist. Es kann uns in der Spitze einer Nadel das Unbekannte offenbaren und uns alle Universen schauen lassen. Dieses Bewusstsein ist voll von unaussprechbar hohen Wundern und Herrlichkeiten. Welche Kräfte und Möglichkeiten in ihm vorhanden sind, lässt sich schon ein wenig erahnen, wenn wir das menschliche Bewusstsein untersuchen. Was ist es denn anderes als ein ganz schwacher Abglanz des inneren göttlichen Bewusstseins? Diese winzig kleine Kraft, die das menschliche Denkvermögen tatsächlich ist, kann nur als schwacher Schatten des inneren göttlichen Bewusstseins bezeichnet werden. Das menschliche Denken muss in der Meditation zurückgelassen werden. Und dennoch birgt es solche erstaunlichen Möglichkeiten in sich, wie sie etwa im Wissenschaftler, im Dichter, im schöpferischen Künstler offenbar werden. Oder erinnern wir uns, welche Wunder dieses menschliche Bewusstsein im Traumzustand erschaffen kann.

Das innere göttliche Bewusstsein in Dir ist grenzenloses Licht allschöpferischer Liebe. Es war vor zehn Millionen Jahren schon vorhanden und wird nach weiteren zehn Millionen Jahren in Dir zugegen sein. Es war in Dir in allen Erdenleben. Es ist in Dir auch jetzt und wird in alle Zukunft in Dir sein. Es war in Dir seit Deinen Kindertagen. Es ist in Dir, auch wenn Du schläfst und träumst, und ist in Dir, wenn Du dieses liest.

So wollen wir uns nicht der Täuschung ergeben, als ob Gott nicht alles um uns wüsste. So oft Du Seinen Namen nennst, so oft ein Streben und Verlangen nach dem Göttlichen in Dir erwacht, findet es im Herzen Gottes Widerhall und Nachklang auf immer. Rufe Seinen Namen millionenmal mit allem Ernst und kindlichem Vertrauen an - und Du wirst Erleuchtung finden.

Unser Bewusstsein verfügt im Traumzustand über ungewöhnlich schöpferische Fähigkeiten: Trägt es etwa Feuer, Wasser, Sonnenschein und Regen, Berge oder heisse Quellen in sich? Vertiefe Dich in das Bewusstsein und betrachte es. Du findest nichts dergleichen, - und doch gehen die wundersamsten Dinge aus ihm hervor. Und nun vertiefe Dich in das göttliche Bewusstsein, in Gott. Auch da findest Du nichts als völlige Leere und Reinheit, die blosse Existenz, das Sein, die reine Wahrheit. Wie gingen dann aus diesem Nichts die ganzen Weltsysteme, die ganze Schöpfungswelt hervor? Wie kamen all die höchsten psychischen und geistigen Ordnungen des Seins ins Dasein? Gott ist ein ganz reines, einheitliches, lichtvolles Wesen und schafft und erhält doch alles. Er ist immer in uns, und ohne Ihn vermögen wir auch nicht einen Sekundenbruchteil zu leben. Nichts, was wir sehen und erleben, kann je ins Dasein treten und zum Gegenstand unserer Erfahrung werden, wäre nicht das göttliche Bewusstsein als Seinsgrundlage vorhanden.

Im Traumzustand projiziert unser Bewusstsein, das so reich an schöpferischen Möglichkeiten, das namenlos, formlos und schwer zu beschreiben ist, unsere eigene Persönlichkeit in die Traumerfahrung. Wir sind also auch im Traum wir selbst. Manchmal verdoppeln oder verdreifachen wir sogar unsere Persönlichkeit im Traum. Diese Möglichkeit haben wir in unserem Traumbewusstsein. Gott, der unendlich viel mehr und unendlich wunderbarer als dieses träumende Bewusstsein in uns ist, trägt alle Möglichkeiten in sich. Im selben Augenblick gibt Er Millionen Seiner Kinder auf der ganzen Welt und in all den sichtbaren und unsichtbaren Welten Antwort, indem er ihre Gebete erhört. Er ist allvollkommen.

Das Bewusstsein nimmt die Form an, auf die unsere
Aufmerksamkeit gerichtet ist

Betrachte eine Kerzenflamme und versuche so lange als möglich nichts als ausschliesslich diese Flamme zu sehen. Wenn Du dies täglich zu bestimmten Zeiten regelmässig übst, dann wirst Du nach Wochen oder Monaten solchen Übens feststellen, dass Du diese Konzentration schon längere Zeit hindurch beibehalten kannst.

Was geschieht nun durch die völlige Konzentration der Aufmerksamkeit? Dein Denken, Dein Bewusstsein nimmt die Form der Flamme an. Du siehst innerlich wie äusserlich nichts anderes mehr als nur die Flamme. Du bist in gewisser Hinsicht selbst zur Flamme geworden. Du bist Dir Deines Körpers nicht mehr bewusst und auch nicht des äusseren Raumes und der Zeit oder sonstiger Umstände. Dein Bewusstsein geht in die Form der Flamme über. Richtest Du Deine Aufmerksamkeit gesammelt auf die göttliche Wahrheit und konzentrierst Dich auf den grenzenlosen Frieden, das Licht und die Schönheit dieser raumlosen Wirklichkeit, dann nimmt Dein Bewusstsein die Form dieses Friedens, dieses Lichtes und dieser Schönheit an. Fragt Dich nun jemand in diesem Zustand, was Du siehst, dann sagst Du: «Ich sehe die Schönheit und das Licht des Göttlichen.»

Der geistige Mensch, der beständig über die unentrinnbare, allsehende, allreine, allwunderbare Gegenwart der Wahrheit nachdenkt, besitzt einen seltenen, kostbaren inneren Frieden, eine Freude und eine Schönheit, die für gewöhnliche Augen nicht sichtbar sind, die jedoch jene wahrnehmen und erkennen, die ähnliches erfahren haben und höheren Wirklichkeiten gegenüber empfänglich sind.

Es wird von uns erwartet, dass wir unser Leben auf Erden im Empfinden unendlichen Friedens und Glücks, der Fülle und des Lebens führen. Anstatt kleinlich enge und negative Gefühle zu hegen, fordert die Wahrheit, die unser Inneres bildet, von uns die Erfahrung des grenzenlosen Friedens und der Freude des Göttlichen hier in den täglichen Ereignissen, Umständen und Bedingungen des Lebens. Die Erfahrung grenzenlosen Friedens, des Glückes, der Kraft, des Lichtes, der Schönheit, der Gnade und Fülle ist nicht nur für die Wenigen und für die Alten da, sondern für jeden, denn jeder trägt in sich die Fähigkeiten zu einer solchen Erfahrung. Auch ist diese Erfahrung des unendlichen Friedens, der Freude, des Lichtes, der Gnade und der Fülle nicht etwas, das in der Einsamkeit von Berghöhlen zu finden wäre. Es kann auch hier in der Küche, wo wir unsere Nahrung zubereiten, erlangt werden oder bei der Arbeit im Büro, in der Strassenbahn oder im Eisenbahnabteil auf dem Weg zu unserem Bestimmungsziel. Anstatt kleinliche Gedanken und enge Gefühle in uns zu hegen und uns von ihnen belasten zu lassen, sollten wir die unentrinnbare, allsehende, allreine Gegenwart des Göttlichen, die Frieden, Freude, Licht und Schönheit ist, tief in uns selbst empfinden.

Die Grösse, Güte und die Leuchtkraft unseres Lebens beruhen auf unserer Fähigkeit, die Gegenwart des Göttlichen und unsere Beziehungen zu ihr zu erkennen. Die Menschen fürchten sich vor dem Tod. Sie fürchten sich vor der Schwäche des Körpers, fürchten sich vor Umständen und Bedingungen, fürchten ihr eigenes wechselhaftes Gemüt wie auch die Launen der Menschen, mit denen sie zu tun haben. So hegen sie hunderterlei Befürchtungen; all diese verschwinden, wenn wir im Hintergrund ein Gefühl für die unzerstörbare, zeit- und raumlose, unentrinnbare, allsehende und allsegnende Gegenwart des Göttlichen haben.

Wir wollen nicht im Alltag aufgehen

Vielleicht wirfst Du am frühen Morgen einen Blick durch das Fenster und sagst: «Heute ist das Wetter schlecht.» Das wäre ein Bericht zufolge Deiner äusseren Erfahrung, die Dir die Sinne übermitteln. Daneben liegt ein Kind und schläft. Als es gestern einschlief, schien noch die Sonne. Für dieses schlafende Kind ist Dein Wetterbericht sinn- und bedeutungslos. Genau so wenig wäre die Wetterlage für einen völlig geistesabwesenden Kranken oder einen Ohnmächtigen von Bedeutung. Aber auch ein Mensch, der von ekstatischer Gottesliebe durchglüht ist, weiss nichts vom Wetter draussen. Er nimmt es nicht zur Kenntnis.

Wenn wir so unseren Alltag prüfen, dann werden wir erkennen, dass in bezug auf unsere Erlebnisse viele Standpunkte und Einstellungen möglich sind. Was für Dich Wirklichkeit ist, kann einem anderen unwirklich erscheinen, und was unter einer bestimmten Voraussetzung wahr ist und für einen bestimmten Bewusstseinszustand Gültigkeit besitzt, braucht unter anderen Bedingungen und für einen anderen Bewusstseinszustand nicht wahr zu sein. So kann Dein jetziges Erleben auf einer höheren Bewusstseinsstufe jeden Sinn verlieren. Sei also klug, vernünftig und kritisch. Übe Deine Unterscheidungskraft. Es ist der Würde eines denkenden Menschen wenig angemessen, sich mit kleinlichem Erleben zu befassen; wir sind doch Wachsende und sollten darum ständig die Kräfte unseres Bewusstseins, unseres Denkens und Fühlens weiten. Wir sollten uns mit den Begrenzungen des Lebens nicht einfach abfinden, sondern sie genauer untersuchen. Wenn wir sie genau durchleuchten, werden sie entweder ganz verschwinden oder doch an Wichtigkeit verlieren. Du solltest also stets bemüht sein, Dich von neuen und nicht nur von den üblichen Standpunkten aus zu sehen.

Der Felsengrund

Wir sollten unser Haus - unser Glück, unseren Frieden, unsere Freude, unsere Liebe und Vollkommenheit - auf dem Felsengrund des göttlichen Bewusstseins in uns errichten, das zeitlos-unvergänglich ist. Die Zeit besteht ja nur in der Welt der Relativität und Vielheit. Nur wo das Eine herrscht, da ist Vollkommenheit und Freude ohne Ende, unbegrenzter, absoluter Friede. Dieses raumlos-zeitlose Bewusstsein, dieses innere Himmelreich ist dem Menschen im allgemeinen nicht bewusst. Worum er weiss, das ist sein menschliches Fühlen und Denken, und dieses macht ihn beständig zum Sklaven äusserer Dinge, des Körpers, der äusseren Umstände und Bedingungen, die einem in geistiger Unwissenheit Befangenen wohl zuweilen zusagen mögen, ihn aber beständiger Selbsttäuschung ausliefern. Immer ist der Mensch auf der Suche nach dem Frieden und der Freude, nach dem Fortschritt; doch so oft er einen Becher voll Freude erhascht, steht auch schon ein Kelch des Leidens bereit, und sei es auch nur das Verblassen, das Schalwerden der Freude, sei es Misserfolg oder Langeweile, Überdruss oder das Umschlagen des Glückes im Spiel der Gegensätze.

So erlebt der Mensch unvermeidlich die Unvollkommenheit alles Irdischen, die allein schon durch sein menschliches Denken und Fühlen bedingt ist und ihm immer wieder Täuschung und Enttäuschung bringt. Weil er das Himmelreich in sich nicht erkennt, müht er sich, den Himmel im Äusseren zu errichten und gedenkt, indem er ein paar Häuser, eine Million Franken, Reichtum und Prestige erwirbt, einen Himmel um sich zu erschaffen. Doch gibt es viele Menschen auf der Welt, die all dies besitzen, die sich alles leisten können, was sie sich wünschen, und denen dennoch der Friede und der Himmel fehlt.

Schon die alten Griechen mühten sich, einen Himmel auf Erden zu erschaffen. Die Römer rangen hart darum, das Paradies auf Erden zu errichten, und viele andere Kulturen haben ebenfalls danach gestrebt. Heute sind es Wissenschaft und Technik, die sich bemühen, ein Paradies zu schaffen; doch der Himmel ist dem Zugriff des Menschen bisher immer noch entwischt. Nicht eine einzige Familie lässt sich auf Erden finden, die durch alle Jahre hindurch beständig glücklich wäre. Immer gibt es Auf- und Niedergang, Ebbe und Flut für das menschliche Glück. Darum sollten wir den Himmel nicht im Äusseren suchen, nicht unser Glück auf Sand errichten, nicht auf Fleisch und Blut vertrauen. Wir irren, wenn wir glauben, wir könnten wahres Glück erlangen oder gar den Frieden und den Himmel finden, indem wir unseren Körper pflegen und unser Glück in äusseren Dingen suchen.

Der Mensch von heute leidet, weil es ihm an dem Kontakt mit dem Himmelreich in seinem Inneren mangelt. Würde ein solcher Kontakt bestehen, dann wären die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik ein grosser Segen, dann wäre die Welt frei von Kriegen, frei von Not und Unglück, frei von allem Übel und Irrtum. Die Mühen, die man auf sich nimmt, um das Leben im Äusseren schöner zu gestalten, sind gut, doch nutzlos, ja gefährlich, wenn der innere Kontakt mit diesem Himmelreich in unserem Inneren fehlt.

So wollen wir uns klar vor Augen führen, dass der Körper als solcher keinen Wert hat, dass alle Energie und alles Wissen, dass Friede und Freude im Bewusstsein in unserem Inneren liegen. Soll der Körper wirklich wertvoll werden, muss dieses Reich im Inneren berührt, müssen die Kräfte des Bewusstseins, die Kräfte der Liebe und Erkenntnis im Inneren entfaltet werden. Erst wenn sich diese Quellen der Freude und des Friedens öffnen, wird aller Gewinn im Äusseren zur wahren Freude, ohne uns zu versklaven. Nur so kann die Freude, der Friede, ja, der Himmel beständig sein und aus der Liebe, der Erkenntnis und dem Glück des inneren Bewusstseins immer neuen Zustrom erhalten. Dein äusseres Leben wird so reich sein wie das innere Bewusstsein, das Du in Dir trägst. Wenn Dein Herz voll Liebe ist, dann können Dich auch die Häuser einer Grossstadt zur Inspiration erheben. Wenn Dein Inneres voll Erkenntnis, Glauben und Liebe ist, dann trägt die Welt das Siegel des Himmlischen für Dich. Wie gross eine Not, wie bedrückend die Verhältnisse auch sein mögen, nichts bringt Dich aus dem inneren Gleichgewicht. Unser ganzes Leben wird auch im äusseren Bereich den Himmel widerspiegeln, sobald ein paar der Eigenschaften aus dem inneren Bewusstsein, dem Himmelreich in uns zum Vorschein kommen. Reichtum und Kraft, Glück und Frieden hängen davon ab, wie weit uns dieses gelingt. Wenn wir nur Glauben haben, einen Glauben, der aus der Erkenntnis des Himmlischen in uns hervorquillt, wird dieser schon eine Quelle der Freude und des Friedens für uns sein. Wenn wir nur versuchen, uns nicht von ungezügelten Impulsen und Gewohnheiten beherrschen zu lassen und unser Denken und Fühlen in Zucht zu nehmen, dann wächst die Reinheit in unserem Herzen und macht uns zu grösserer Liebe und Weisheit fähig. Das innere Bewusstsein zu berühren, heisst Kontakt mit Gott gewinnen. Hast Du in Dir die Liebe, die in dem göttlichen Bewusstsein in Dir verborgen liegt, entdeckt, dann kannst Du auch mit der gleichen Liebe in allen anderen in Verbindung treten. Die höchste Mutterliebe ist nur ein schwacher Abglanz dieser Liebe, die in Deinem inneren Bewusstsein wohnt. Je mehr Liebe wir üben, umso mehr wird dieser Himmel in unserem Inneren offenbar. Je gütiger wir sind, umso mehr kommt von dem Guten, das in uns liegt, zum Ausdruck. So machen wir die Schätze dieses inneren Reiches sichtbar.

Wissen ist Macht; Glaube ist Macht; Liebe ist Macht; Hingabe ist Macht. Es sind dies Eigenschaften der unendlichen Macht, die dem Bewusstsein in uns zu eigen sind. Dieses unendliche Bewusstsein, dieses Königreich in unserem Inneren wohnt auch im Herzen aller anderen Wesen. Es ist das Reich, das uns im Sternenlichte grüsst, es ist der Himmel auch der unsichtbaren Jenseitswelten. In aller Schöpfung ist dieses Himmelreich zugegen. Dies wird uns offenbar, je mehr wir durch Erkenntniskraft und Liebe, durch Güte und Glauben empfindsam werden.

Menschen von hohem Denken und weitem Fühlen sind glücklich, ganz unabhängig von äusseren Objekten und Sinnesfreuden. Es scheint ein Himmel in ihnen selbst zu liegen. Wo und wie erweist sich dieser? Er offenbart sich in den hohen Gedanken, die sie hegen, in den grossen Gefühlen, die Ihrem Herzen entsteigen. Woher kommen diese? Wurden sie etwa vom Körper hervorgebracht? Dann müsste auch der tote Körper noch dazu imstande sein. Es ist das Bewusstsein als das Leben allen Lebens, das sie hervorbringt. Solche hohen Gedanken und Gefühle nun werden zum Mittel, um uns diesem göttlichen Bewusstsein in uns näherzubringen. Das Verlangen nach diesem Bewusstsein liegt schon im Menschen. Deshalb kennen wir das Bedürfnis, grosse Gedanken und hohe Gefühle in unser Leben einzulassen, sie aufzunehmen oder zu entfalten. Reine Seelen, die vom Licht des Glaubens erhellt sind, erweisen sich als glücklich, stark und voller Frieden. Wohin sie auch gehen, tragen sie den Himmel in sich. Glaube und Reinheit sind erforderlich, und das Mass ihrer Entfaltung bestimmt das Mass ihres Friedens, ihres Glückes und ihrer Kraft.

Das Geheimnis, wie wir unser ganzes Leben zum Himmel gestalten können, liegt in der Entwicklung dieser Eigenschaften und Merkmale des göttlichen Bewusstseins in uns, und diese offenbaren sich in Liebe, Hingabe, Glaube, Erkenntnis und hundert weiteren guten Eigenschaften und Vorzügen.

Wenn sich unser Denken aus der Umklammerung des Körperlichen befreit, und wir uns klar darüber werden, wo die eigentlichen Schätze zu finden sind, dann versucht das Himmlische in uns sich im Äusseren zu entfalten. Man betrachte doch einmal das Tierreich. Hier herrscht das Leben im Körperlichen vor. Hier gibt es keine Kunst und Wissenschaft, keine Kultur. Es ist das Geistige im Menschen mit seinen besonderen Kräften, das ihm seine besondere Stellung verleiht. Ein Mensch, der sich nicht Mühe gibt, seine Geisteskräfte und höheren Eigenschaften zu entfalten, verdient es nicht, ein Mensch genannt zu werden. Doch ist der Mensch in seiner gegenwärtigen Entfaltung noch lange nicht das letzte Ziel der Schöpfung. Sein Zustand ist noch unvollkommen, voll Irrtum und Übel, Kummer und Not und nur durch wenig Freude erhellt. So lange er sich nicht auf eine höhere Stufe des inneren Wachstums und der Entfaltung emporschwingt - und das ist nur durch Entwicklung von Glauben, Liebe und Weisheit möglich - kommt er dem Himmelreich nicht näher, wird er die Qualitäten des Himmlischen nicht offenbaren können.

Wissenschaft und Geist

Nenne dieses Reich, wie immer Du willst - es ist ein höchst Lebendiges, ein Bereich, aus dem Dir Antwort zuteil wird. Wie hochempfindlich sind doch manche unserer wissenschaftlichen Messgeräte! Unendlich viel empfindlicher als das höchstentwickelte Präzisionsinstrument ist diese Wirklichkeit. Wenn Du auch nur im Scherz das Wort <Gott> aussprichst, so wird es gehört und festgehalten. Eine Million Jahre später wo immer man auch sein mag - wird es Dir aus dieser Wirklichkeit entgegenhallen: «Damals, da und dort, sprachst Du Gott an.» Nichts was immer wir zu tun vermögen, kein Wort, keine Tat kann je aus diesem unerfasslichen Gedächtnis, das alles in sich trägt, getilgt werden. Sprich tausend Gebete - sie alle sind im Herzen Gottes gegenwärtig. Die Erhörung kommt, Du wirst es sehen. Übe Dich beständig und mit Geduld. Jeder gute Gedanke, der in Dir aufsteigt, jedes gute Gefühl, das in Dir erwacht, wird vermerkt und kommt auf Dich zurück. Immerzu ist dieses göttliche Reich bei Dir. Wenn Du nur das innere Empfangsgerät eingeschaltet hast, wirst Du schliesslich auch das himmlische Reich zu sehen bekommen. Es ist ja schon bei Dir - wirklicher als Dein Atem, wunderbarer als Deine Intelligenz, höher als die höchste Liebe, die Du jemals empfinden kannst und unerreichbar in seiner Schönheit. So wie Du die Anwesenheit verschiedener Arten elektromagnetischer Wellen, die zur Übertragung von Nachrichten und Bildsendungen dienen, in der Dich umgebenden Atmosphäre feststellen kannst, indem Du einen Radio- oder Fernsehempfänger einschaltest, so kannst Du auch diese göttliche Gegenwart erkennen, indem Du Dein Herz öffnest und Dein inneres Empfindungsvermögen auf die Wirklichkeit des alldurchdringenden göttlichen Bereiches einstellst. Wenn wir dies wissen und beständig, den ganzen Tag hindurch und über Jahre, ja unser ganzes Leben lang uns dieses Göttlichen bewusst und ihm gegenüber stets empfänglich sind, werden wir unserer Persönlichkeit neue Dimensionen hinzufügen. In dieser Erkenntnis wollen wir leben. Geistige Unwissenheit ist Tod und beraubt uns der Wunder inneren Glückes, raubt uns die Kraft, setzt uns Befürchtungen und Ängsten aus, bringt Probleme, Fragen, Schwächen und Nöte mit sich. So wollen wir also über alles Analphabetentum im geistigen Bereich hinauswachsen. Es ist so, als ob die Menschen zuerst einmal die Unwissenheit in Dingen der Naturwissenschaft überwinden lernten. Es ist noch kein halbes Jahrtausend darüber verflossen, dass die Menschen in der Vorstellung lebten, die Erde sei eine flache Scheibe und viel grösser als die Sonne. Heute liesse sich das kein Schuljunge mehr weismachen.

Die wissenschaftliche Unwissenheit wurde inzwischen beseitigt, doch haben wir auch unser Nichtwissen in bezug auf das Göttliche überwunden? Wir haben die Wahrnehmungskräfte dafür noch nicht entwickelt. Wir haben uns noch nicht genügend diszipliniert und zu einer solchen Erfahrung qualifiziert. Es gibt hier Voraussetzungen, die sich nicht umgehen lassen. Wir sollten uns um eine solche Erkenntnis bemühen, die uns zu einem Licht und zu einer Kraft werden lässt, uns von Furcht befreit und zu jeder guten Tat bereit macht. Wenn wir keine Gelegenheit zu grossen Taten haben, dann wollen wir wenigstens die kleinen Taten in einem grossen Geist und in einer hohen Gesinnung ausführen. Das Reich der Wirklichkeit ist unendliches Glück, ist Frieden und Erkenntnis. Es durchdringt uns jetzt und immer. Wir atmen in ihm. Wir leben in ihm. Wir arbeiten in ihm. Es ist die geheime Kraft unserer Seele, das Licht hinter unserer Intelligenz, die Kraft, die unsere Liebe trägt.

Bewusstsein und Existenz

Bewusstsein ist unendliche Existenz, es ist etwas, das ist, war und immer sein wird - grenzenlos, ewig, unaussprechlich und endlos. Wenn Du am Morgen erwachst, gilt der erste Gedanke Dir selbst. Im Augenblick, in dem Du aus der Dunkelheit, der Stille und dem Nichts des Tiefschlafs auftauchst, wirst Du Deiner selbst gewahr. Du wirst Dir plötzlich bewusst, dass Du bist. So ist also Leben oder Existenz die Grundlage allen Bewusstseins, aller Erkenntnis und jeder Aktivität. Wer immer es sein mag, der aus dem Schlaf erwacht, weiss im Augenblick des Erwachens, dass er ist, dass er existiert. Er wird sich seiner Umgebung bewusst oder des Raumes, in dem er sich befindet. Wo immer Existenz ist, ist auch Bewusstsein, Wahrnehmung, Erkenntnis, geistig-seelische Tätigkeit und Gefühl.

Gott ist die unendliche Existenz, grenzenloses Leben, namenlose, formlose und absolute Existenz. Indem Er weiss, dass Er ist, tritt Bewusstsein und Erkenntnis in Kraft. Dieses Bewusstsein, dieses Erkennen, das unbegrenzt, unendlich, grenzenlos wie die Existenz selbst ist, dieses Bewusstsein ist das göttliche Licht.

Ohne Licht ist Sehen unmöglich, so ist auch Erkenntnis oder Bewusstsein Licht, und wo immer Licht ist, da ist auch Schönheit. Ist völlige Finsternis selbst etwa Schönheit? In der Finsternis liegt keine Schönheit und nicht nur das - es steigen auch Probleme, Nöte und Schwierigkeiten aus ihr auf. Du magst über etwas stolpern, Dir ein Bein brechen oder gegen etwas stossen und Dich verletzen. Unglücklichsein, Schwäche und Furcht befällt Dich in der Dunkelheit. Du kannst auch nicht ohne Gefahr raschen Schrittes dahingehen. Die Dunkelheit birgt unzählige Probleme. Mit einer solchen Dunkelheit lässt sich das menschliche Leben vergleichen, denn es ist ein Leben in Unwissenheit. Wo aber Erkenntnis ist, da ist auch Licht, die Probleme lösen sich, und wir finden Schönheit und Glück.

Bewusstsein, Licht, Erkenntnis und Schönheit gehören untrennbar zusammen. Sie sind ein und dasselbe. Bewusstsein, Erkenntnis und Licht sind eine Macht, eine Kraft, die alles erschafft. Das Bewusstsein vermag ein ganzes Universum zu erschaffen und kann im Traumzustand wunderbare Welten hervorbringen; es ermöglicht uns, im Wachzustand schöpferisch zu wirken, Televisionsgeräte, Weltraumraketen und andere neuartige Dinge hervorzubringen.

Bewusstsein ist eine schöpferische Macht; Bewusstsein und Kraft bilden eine Einheit. Auch Erkenntnis und Bewusstsein sind ein und dasselbe. Wie kannst Du wissen, dass Du kalte Hände hast? Vorausgesetzt, Du bist bewusstlos, weisst Du dann, dass Du kalte Hände hast? Bestimmt nicht. Nehmen wir an, Du befindest Dich im Tiefschlaf, würdest Du dann wahrnehmen, dass Du kalte Hände hast? Und wärest Du tot, würdest Du dann wissen, dass Deine Hände kalt sind? In all diesen Zuständen ist weder Erkenntnis noch Kraft, doch sobald das Bewusstsein einsetzt, weisst Du, ob Du kalte Hände hast, ob es Tag oder Nacht ist, ob Du Dich wohl oder krank fühlst.

Demnach ist also Bewusstsein Erkenntnis, schöpferische Kraft und Licht. Und wo immer Licht und Erkenntnis sind, da ist Schönheit, und wo Erkenntnis und Schönheit sind, da ist auch Glück. Sobald Du erwachst, wirst Du Dir Deiner Umgebung bewusst, und Du weisst, dass Du bist, und aus der Erkenntnis, dass Du bist, entspringt Freude und Glück.

Im Moment, wo ein Kleinkind erwacht, beginnt es zu weinen, da es sich noch nicht an den Übergang vom Schlaf in den Wachzustand gewöhnt hat. Es weint, weil es nicht weiss, wo es ist, wo es war und wo seine Mutter ist. Es schreit nach seiner Mutter, sucht sie, auch wenn jemand anderes bei ihm ist; es wird noch mehr schreien und noch mehr nach seiner Mutter verlangen, denn es sehnt sich nach der Geborgenheit, die es nur dann empfindet, wenn es in den Armen seiner Mutter ist; nur dann ist es glücklich und ruhig. Aus diesem Wissen um die Nähe seiner Mutter entspringt sein Glücklichsein. Wenn dann die Mutter liebevoll mit ihrer Hand über das Haar des Kindes streicht, weint es nicht mehr; jetzt fühlt es sich frei von aller Angst. Erkenntnis birgt Glück, Erkenntnis ist Glück. Bewusstsein, Licht, Schönheit, Erkenntnis, Glück, Kraft - sie alle sind ein und dasselbe.

Das menschliche Wesen hat ein begrenztes Bewusstsein, begrenztes Leben und begrenzte Existenz. Gott ist unendliches Leben, unbegrenzte Existenz; deshalb ist auch Sein Bewusstsein unendlich. Existenz und Bewusstsein sind untrennbar eins. Mit der Existenz tritt das Bewusstsein in Funktion. Das Göttliche ist unendliches Bewusstsein, Wissen, Kraft, Schönheit, Friede, Glück und Licht.

Innerer Reichtum

Wenn jemand innerlich arm ist - und vielleicht nicht nur arm, sondern wenn seine Armut noch durch eine Art negativer Einstellung verstärkt und verschlimmert wird - dann kann er ein Billionär und der erfolgreichste Mensch der Welt sein und sich dennoch stets unbehaglich und elend fühlen. Er wird stets irgendwem die Schuld zuschieben wollen.

Was eigentlich und wirklich zählt und von grösster Wichtigkeit im Leben ist, das sind die Schätze unseres Inneren. Diese sind es, die das Glück und Gesegnetsein oder das Unglück und Elend eines Menschenlebens ausmachen. Darum sollten wir in jeder Minute unsere inneren Schätze mehren.

Unsere inneren Zustände sind ausschlaggebend für das, was wir sind - vor Gott, und letztlich auch vor menschlichen Augen. Das Denken und das Bewusstsein im Inneren, unser Herz - sie sind weit wichtiger als irgend etwas anderes. Hier fallen die Entscheidungen. Bist Du innerlich lichtvoll und rein, dann bist Du es wirklich. Bist Du innerlich reich und schön, dann bist Du es in Wahrheit. Ein Mensch kann äusserlich sehr arm sein und dennoch von innerem Reichtum und von erhebenden, anregenden, erleuchtenden Gedanken überfliessen. Der innere Reichtum entscheidet. Ein Armer kann die ganze Welt bereichern. Du kannst zu arm sein, um für Gott eine Blume zu kaufen; im Geiste jedoch kannst Du Ihm die schönsten Blumen aus allen Gärten der Welt zu Füssen legen. Du bist vielleicht nicht in der Lage, armen Kranken eine Stärkung zu kaufen, Kleidung oder Geld zu spenden; doch im Geiste kannst Du allen Gesundheit und ein langes Leben wünschen. Was Dir im Äusseren nicht möglich ist, kannst Du im Geiste tun, und dieses innerliche Vollbringen zählt vor Gott, der nicht auf äusserliches Tun, sondern auf den Beweggrund Deines Herzens schaut, der die Gedanken sieht und richtet. Wenn Du bei dieser Prüfung von Herz und Denken bestehen kannst, dann steht alles wunderbar für Dich!

Deine äusseren Verhältnisse mögen es Dir vielleicht nicht gestatten, grosszügig an andere Dinge weiterzugeben, und doch kannst Du in Deinem Inneren der freigebigste Mensch der Welt sein und alle Welt mit Kostbarkeiten überhäufen. Was Dir im äusseren Tun nicht möglich ist, kannst Du im Geist, im Herzen und im Denken tun.

Habe ein grosses, weites Herz und wünsche allen Wesen Wohlergehen! Fülle die Taschen aller Menschen mit den allerbesten Dingen! Entzünde Millionen Kerzen zur Ehre Gottes! Wenn Du innerlich grossmütig bist, dann wird sich das auch im äusseren Leben erweisen. Im allgemeinen ist es bei den Menschen gerade umgekehrt: während sie sich nach aussen gross und erhaben gebärden, sind sie innerlich klein und eng, voll Neid, Stolz und Gier, voll Hass und Ruhelosigkeit, voll Streitsucht und Unglück. Doch besser ist es umgekehrt: wir sollen versuchen, innerlich voll Licht und Liebe zu sein, jeden zu segnen und zu lieben, selbst wenn es nach aussen nicht immer möglich ist. Wenn wir in unserem äusseren Tun nicht allen Menschen in allen Ländern zugleich helfen können, im Geiste ist es möglich. Du kannst die Augen schliessen und an allen Orten der Welt zugleich sein und allen liebend dienen. Versuche also, innerlich rein und reich, erleuchtet und geistig zu sein. Dein äusseres Leben wird dabei unweigerlich vergöttlicht werden. Wenn Dein Inneres, Dein Bewusstsein, Dein Herz, Dein Denken lichtvoll und in strahlender Verfassung ist, immer froh und lauter, frei von moralischen Schwächen wie Neid und Eifersucht, Abneigung und Gier - wenn Du innerlich so beschaffen bist, dann können die äusseren Umstände noch so ungünstig sein, Du bist dennoch ein Licht der Welt. Rein äusserlich besteht kein Unterschied zwischen einem Weisen und einem Alltagsmenschen: beide arbeiten, beide sind in jeder Hinsicht rege. Was jedoch den Weisen vom Durchschnittsmenschen unterscheidet, ist das gänzlich erleuchtete Herz, der voll erleuchtete Geist. Innerlich ist er der freigebigste und liebevollste aller Menschen. Er ist bei jeder Gelegenheit und bei jeder Arbeit zutiefst im Gottbewusstsein. Sein Inneres ist voll Licht, voll grenzenloser Liebe, voll Dienstbereitschaft und Opferfreude, voll Erkenntnis, Weisheit, Frieden und Glück.

Ehe Du also Deine Forderung nach Gotterfahrung stellst, prüfe, ob Du innerlich auch schon lichtvoll genug bist. Im Geist, in Herz und Denken kannst Du immer der Fürstlichste, immer der Grossmütigste sein. Wenn Gott uns Reichtum zukommen lässt, dann sollten wir diesen sofort an andere weiterreichen. Sei also hundertprozentig freigebig und opferbereit, hundertprozentig froh und friedlich, und Du wirst bald das Antlitz Gottes schauen und Gotterfahrung haben. Erfüllst Du diese Bedingung nicht, sind Dein Bewusstsein, Dein Herz und Denken nicht frei von Eifersucht, von Gier und Neid, von Abneigung oder von sonstigen Problemen, dann kann Dein äusseres Leben noch so asketisch sein, Du kommst doch keinen Schritt voran und wenn Du noch so viele Jahre darum ringst. So sei innerlich voll Grossmut und Licht, voll Reinheit und Güte! Halte Herz und Denken stets in Anbetung vor Gott und wünsche allen Wesen Glück und Wohlergehen! Wo immer Du Dich befinden magst, sende allen Segen zu! Verneige Dich in Ehrfurcht vor allen Menschen, auf die Du eifersüchtig sein könntest. Verehre Gott in ihnen! Dadurch wird Dein Inneres geläutert. Bringe allen Geschöpfen, Männern, Frauen, Kindern und auch Tieren, im Geiste Deine Gaben dar und trage stets den Namen Gottes in Deinem Herzen! Sei in Deinem Inneren vollkommen von der Erkenntnis der Gottgegenwart erfüllt und von der Grenzenlosigkeit des inneren Bewusstseins erleuchtet! Entfalte die Fähigkeiten des Herzens und des Geistes und mache Dich von allen Schwächen und Unvollkommenheiten frei! Lasse Deine Liebe immer grösser und grösser werden! Was wird dann geschehen? Dein innerer Fortschritt wird gewaltig sein. Auch wenn die äusseren Umstände es Dir vielleicht sehr schwierig machen, Dein göttliches Wesen zu offenbaren, so kannst Du innerlich doch voll Bereitschaft sein und Dir damit den Weg zur Gotterfahrung ebnen. Darum sei Dein Herz und Dein Denken gross, rein und voll Gottbewusstsein!

In dem Masse, wie wir diese wunderbaren Eigenschaften, die in jedem Menschen ruhen, in uns entfalten, gewinnen wir das innere Licht, das unser Denken, unser höheres geistiges Erkennen erhellt, kommt uns die Erleuchtung, die uns das Reich des göttlichen Bewusstseins gewahr werden lässt, und wir beginnen, unser wahres Wesen zu verstehen. Dieses innere Bewusstsein, das Sitz jeder Kraft und guten Eigenschaft ist, und im Gegensatz zum Körper niemals stirbt, lässt uns erkennen, dass wir mehr als blosse Körper sind.

Gotterfahrung durch Drogen?

Frage: Was halten Sie von Drogen? Jemand nahm LSD in der Hoffnung, damit Gott und das Überbewusstsein zu erlangen und hat manches dabei gelernt. Ist es wirklich möglich, Gott dadurch näher zukommen - vorausgesetzt, dass man nicht süchtig wird?

Antwort: Durch Drogen kann man verschiedene Formen von Bewusstseinszuständen deliriöser Art erlangen, niemals aber göttliche Erfahrung. Durch deren spezifische Wirkung auf die Gehirnzellen können seltsame und auch schöne Erfahrungen erlangt werden. Diese mögen sogar, verglichen mit Erfahrungen des menschlichen Alltagslebens in täuschender Weise nach makelloser Reinheit, weiter, allumfassender Liebe und nach Gottbewusstsein aussehen. Doch solche Erfahrungen sind ohne jeden Wert.

Der Weg zur Wahrheit geht über die Wahrheit. Der Weg zur Gotterfahrung geht über Gott, durch Gott, nicht über Drogen, oder sonst einen Weg. Was soll das heissen: der Weg führt über Gott? Angenommen, da sei ein armer Bettler. Er wünscht den Präsidenten zu sehen und mit ihm zu sprechen. Er begibt sich zum Regierungsgebäude. Der Präsident ist leutselig und gütig. Er achtet jeden gleich. Die Wachen lassen ihn ein, doch der Bettler muss sich zuerst waschen. Man gibt ihm neue Kleider, ehe er vor den Präsidenten treten darf. Etwas von der Grösse einer solchen Persönlichkeit muss angenommen werden, ehe wir ihr näher treten dürfen.

Um Gott zu erkennen, haben wir über Gott zu gehen. Es gibt keinen anderen Weg. Darum sagt auch Jesus Christus: <Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben>. Er sagt nicht, die Droge sei der Weg zu Gott, die Droge sei der Weg zur Wahrheit. Wenn Er der Weg, das heisst, wenn Gott der Weg zu Gott ist, dann heisst das: Liebe ist der Weg zu Gott, denn das Wesen Gottes ist Liebe. So müssen wir, um zu Gott zu kommen, um Gott zu erleben, das Wesen Gottes annehmen, das Liebe ist. Doch Liebe ist nicht die einzige Eigenschaft Gottes. Reinheit ist ebenso eine Seiner Eigenschaften, desgleichen Güte, Weisheit und Erkenntnis. All das sind wesentliche Eigenschaften, die wir annehmen müssen, ehe wir Gott erfahren können. Manche Mystiker sprechen es so aus: <Um Gott zu erkennen, sei selber Gott>. Die Erfahrung des Göttlichen beruht auf dem Offenbarwerden geistiger Eigenschaften in unserem Wesen. Der Weg zu Gott führt über innere Höherentwicklung, Wachstum und innere Entfaltung. Es gibt hier keine Alternative. Es bleibt uns keine Wahl. Sucht man einen anderen Weg, täuscht man sich selbst und kommt nicht ans Ziel, oder man erreicht ein falsches Ziel, das viel Unglück mit sich bringt, und der Rückweg ist beschwerlich, verursacht Verzögerung, und es dauert lange, bis wir den rechten Weg wieder finden.

Nun, betrachten wir einmal Beethoven. Er ist in musikalischer Inspiration befangen, ganz vertieft in die Wahrnehmung schöner Tongebilde. Es ist eine wundervolle Erfahrung. Aus diesem Zustand heraus kann er zeitlos-unsterbliche Musik schaffen. Neben ihm befindet sich ein Trinker im Delirium. Auch er ist inspiriert und macht seine eigenen Erfahrungen. Er ist so sehr in seine Erfahrung absorbiert, dass er es nicht spürt, wenn man ihn schlägt. Vielleicht erzählt er uns, er habe Wundervolles erlebt, einen höheren Bewusstseinszustand, der wohl dem Beethovens vergleichbar sei. Doch ist ein solcher Vergleich berechtigt? Sicher nicht. Der inspirierte Zustand Beethovens ist die reife Frucht jahrelangen Mühens in grosser Selbstdisziplin und reiner Hingabe an die Musik. Es ist hier ein natürliches Wachstum gegeben, und dieses ist wirklich und wunderbar in seinen Auswirkungen auf die Menschheit. So wird sein Name unsterblich. Es kommt vor, dass jemand träumt, er sei im Himmel. Ein goldener Thron stehe da, und er sehe Gott, der ihn berührt und segnet - und dann ist der Traum vorbei. Ist das nun Gotterfahrung? All diese anormalen Zustände, die vom Traumbewusstsein oder durch Drogen angeregt werden, wie wundervoll sie auch sein mögen, sie halten keinen Vergleich mit einer wirklichen Erfahrung des Göttlichen aus.

Für die Natur nimmt es Tausende und Abertausende von Jahren in Anspruch, um einen Propheten oder ein Genie hervorzubringen, und es gibt für die Evolution keinen Ersatz. Doch lebt im Menschenherzen ein Wunsch und ein Verlangen, diese höheren Bewusstseinszustände und die Erfahrung des Göttlichen so rasch als möglich zu erlangen. Es ist dies ganz natürlich, und es ist notwendig, ja wir müssen immer begeisterter auf eine solche Erfahrung zustreben, doch dürfen wir nicht versuchen, auf Abwegen dorthin zu gelangen.

Sagen wir beispielsweise, eine Million Gebete seien notwendig, um Gott zu erfahren. Statt nun die Gebete auf eine Million Tage zu verteilen, indem man jeden Tag ein Gebet spricht, kann man sich auch beeilen und vielleicht tausend Gebete am Tag beten. Damit verkürzt sich der Evolutionsprozess. Und wenn es noch schneller gehen soll, kann man die Gebete mit dem Atem verbinden, so dass mit jeder Einatmung und mit jeder Ausatmung die Verbindung mit dem Göttlichen erneuert wird. Oder man verbindet das Gebet mit dem Herzschlag, so dass das Herz beständig mit dem Namen des Göttlichen pocht. Etwas in ihm gibt Antwort auf die Gegenwart des Göttlichen. Ein solches Herz kennt keinen Hass, ein solches Herz ist göttlich; ein solcher Mensch ist ein Segen. Friede wohnt in seinem Inneren, Glück ist sein Name, Weisheit seine Gestalt, Liebe sein Wesen. Die Güte ist ihm natürlich. Er wächst und entwickelt sich höher und höher und wird schliesslich die Gotterfahrung erlangen.

Demnach können Erfahrungen, die durch Einnahme von Drogen erlangt werden, nur anormale Zustände ohne grundlegenden und tiefgreifenden Wert für die Höherentwicklung des Menschen nach sich ziehen. Drogen mögen angenehme Zustände erzeugen, in denen man sich der Zeit und dem Raum enthoben fühlt, in denen man die Begrenzungen des Körpers, der Welt, der Materie nicht mehr empfindet und Glücksgefühle erlebt. Wie lange das aber andauert, bleibe dahingestellt - wesentlich ist, ob irgend eine Wirkung auf die endlose Dunkelheit und die unguten Kräfte, die sich im Unbewussten befinden und von denen die Psychologie spricht, ausgeübt wird.

Angenommen, Du hast ein schönes Haus. Dieses ist innen ganz und gar dunkel, obwohl oben auf dem Dach eine starke Beleuchtung angebracht ist. Welchen Wert hat das für die Menschen, die sich im Haus befinden? Kann das Haus auf diese Art erhellt werden?

Nun, durch die Droge magst Du äusserlich betrachtet eine interessante Erfahrung haben. Doch findet dabei eine Veränderung unseres Herzenszustandes statt? Wird dadurch unsere Liebe vermehrt? Wird dadurch unser Bewusstseinslicht heller? Werden wir dadurch von menschlichen Schwächen und Charakterfehlern befreit? Wo bleibt dabei das gute Wirken und Arbeiten, durch das etwas von der Gnade Gottes durch uns zum Ausdruck kommen kann, und wo die Disziplinen, die das ganze Wesen strahlend werden lassen? Verändert die Erfahrung, die durch Drogen bewirkt wird, das ganze innere Wesen im höheren Sinne? Bestimmt nicht. Darum glaube ich auch nicht, dass dabei für die innere Entwicklung etwas gewonnen wird. Vielmehr verhält sich der Drogenkonsument wie ein sehr unglücklicher Mensch, der seine Frau verloren hat und nun versucht, seinen Kummer darüber im Rausch zu ertränken. Während er sich unter dem Einfluss des Alkohols befindet, ist er von seinem Schmerz befreit. Doch hält dies an? Sobald er wieder normal wird, ergreift die Trauer wiederum Besitz von ihm. Wenn die Wirkung des Giftes nachlässt, dringen erneut all die dunklen Schwächen, die Traurigkeit und die ganze Armseligkeit der Menschenseele auf ihn ein und bedrängen ihn. Das ist nicht der rechte Weg zur Gotterfahrung. Der Weg zur Gotterfahrung geht über die beständige Entfaltung göttlicher Eigenschaften, über das beständige Wachstum an innerer Güte, in der Liebe, in wahrhaft höheren Qualitäten unseres Charakters, unserer Erkenntnis, in wachsender Hingabe an Gott und wahrer Geistigkeit. Wenn Drogen Gotterfahrung gewähren könnten, dann hätten uns jene alten Weisen, denen intuitiv die Wirkung und Eigenschaft von jedem Kräutlein bekannt war, längst den Gebrauch von Drogen empfohlen und allen das Gottbewusstsein damit ermöglicht. Damit hätte schon längst das Himmelreich auf Erden errichtet werden können.

Das unsterbliche Bewusstsein

Wenn die menschliche Vernunft sich dem Licht öffnet, das seine Erkenntnis aus sich selbst bezieht, und wenn das menschliche Herz sich Tag um Tag und Jahr um Jahr in wacher Gottesliebe emporschwingt und so unser ganzes inneres Wesen ins Feuer und in die Kraft göttlichen Lichtes und göttlicher Weisheit hineinverwandelt wird, dann erfahren, sehen, erkennen und entdecken wir in diesem Hineingehobensein in höhere Bewusstseinszustände die Wunder des göttlichen Bewusstseins. Ein Leben wird uns zuteil, das keinen Tod mehr kennt, ein Leben, das durch Zeitlosigkeit, Raumlosigkeit und Unvergänglichkeit gekennzeichnet ist, ein ewiges Leben, das um alle vergangenen kosmischen Manifestationen wie auch um die endlose Zukunft kommender Schöpfungszyklen weiss.

Das ewige Leben ist ein Leben absoluter Furchtlosigkeit, unendlicher Freude, grenzenlosen Friedens und unendlicher Weisheit. Es trägt in sich eine unermessliche tiefe, innige Freude, Liebe, Schönheit, Milde und Wahrheit, und wir sind im Grunde nichts anderes als Zentren dieses unendlichen, ewigen Lebens und unsterblichen Bewusstseins. Die innere Erfahrung, die Vernunft, wo sie sich am reinsten offenbart, eine gereifte Weisheit und ein lauteres, reines Herz lassen uns ganz klar erkennen, dass wir nicht Geschöpfe der Natur und nicht die Sklaven von Zeit, Raum und Umständen sind, sondern ganz grundlegend und wesentlich Mittelpunkt dieses wundersamen, unendlichen göttlichen Bewusstseins.

So wollen wir hart darum ringen, die Gnade Gottes zu erlangen. Jede Minute unseres Lebens wollen wir dazu benützen, nach dieser Gottesgnade zu streben, um die rechten Augen zu bekommen, die das Reich des Himmels und die Vollkommenheit überall erschauen - jene Augen, die nicht das Äussere sehen, sondern die überall das unvergängliche Licht des unendlichen göttlichen Bewusstseins erblicken.

Wir sollten also innige Verbindung mit diesem wunderbaren Gottesreich suchen. Es ist ja der Allgegenwärtige, der Unbegrenzte selbst, den wir in unseren Händen, in unseren Herzen tragen, der uns rings umgibt. Er sieht und hört uns. Er ist der stete Zeuge, der Antwort gibt und auch unsere Worte lenkt. Er ist eine ganz wunderbare, unentrinnbare Gegenwart. Nichts, was auf der Welt geschehen mag, ist für diese unendliche und grenzenlose, wunderbare Vollkommenheit je von Bedeutung. Sie weiss alles und ist in jedem Menschen gegenwärtig. Wo immer auf der Welt ein Mensch nach Gott ruft und Ihn um Hilfe anfleht, kann er Erhörung finden, kann Gott ihm sichtbar werden.

Bereiten wir uns nun innerlich vor, dass unser Herz in rechter Weise beten lernt und wir die Antwort hören und verstehen können. Jedes Gebet, das aus einem Herzen voll Hingabe, Glaube und Liebe aufsteigt, findet die Antwort der allsehenden und alles erhörenden Gottheit. Versuche also, Dich innigst mit dem Göttlichen zu verbinden. Wenn Du etwas zu Dir nimmst, dann teile es mit Gott. Biete es erst Gott dar und bitte Ihn, es mit Dir zusammen einzunehmen. Er ist in jeder Form, die Ihm Dein Herz verleiht. Er antwortet auf alle Namen, auch wenn Er selbst der Namenlose ist. Nenne Ihn Vater oder Jesus, Maria oder Mutter. Rufe Ihn als Wahrheit oder als unendliche Wirklichkeit an. Rufe Ihn an, wie immer Du willst, wenn Dein Rufen nur aufrichtig und voll Hingabe ist. Versuche, mit dem Göttlichen in engste Verbindung zu treten, indem Du Gott stets an Deiner Seite weisst. Bete Ihn in allem an, was schön ist. Überall erblicke Ihn. Lasse Dein Bewusstsein auch im Alltag bei Ihm verweilen, indem Du alles zu Seiner Ehre und Freude, aus Liebe zu Ihm vollbringst. So möge Er Dein ganzes Leben beherrschen! Bitte Ihn, Dich zu führen, wie Er schon Tausende geführt hat, zu Dir zu sprechen, wie Er zu Tausenden gesprochen und sich Tausenden geoffenbart hat! Wie vielen ist Er doch zu allen Zeiten schon erschienen! Die heiligen Schriften aus aller Welt berichten von persönlichen Begegnungen mit Ihm, und die Fähigkeit zur Gottbegegnung liegt in jeder Seele. Wollten doch auch wir sie nützen und um Gnade ringen! Dieses Ringen besteht in ständiger Bemühung, selbstlos zu werden, rein und gütig, voll Glauben und Hingabe zu sein. Übe diese Eigenschaften Tag um Tag, und Du wirst schliesslich unerschütterlich in jeder Lage feststehen als Kind des Höchsten, das niemand aus der Ruhe bringt, das sich von äusserem Schein nicht trügen lässt - gesegnet, voll des Friedens, voll Licht und Kraft.

Eine neue Welt

Wenn es möglich wäre, einem Blindgeborenen augenblicklich das volle Sehvermögen zu schenken, was ginge da in ihm vor? Eine wundersame neue Welt würde sich ihm auftun. - Unendlich viel wunderbarer ist die Welt, die sich uns eröffnet, sobald die Gottesgnade uns berührt. Das Wunder dieser Welt ist unbeschreiblich. Selbst das beste Leben im irdischen Bereich - und sei es auch das Leben des grössten Staatsmannes, Wissenschaftlers oder Künstlers - ist arm, verglichen mit dem Leben eines Menschen, dessen Herz von Gott berührt ist.

Jede irdische Freude, wie intensiv sie auch sein mag, ist vergänglich und begrenzt und hängt von diesem und von jenem ab. Wir selbst sind vergänglich. Unsere Macht und unser Reichtum, unser ganzes Menschenleben ist dem gleichen Schicksal unterworfen. Doch wenn die Gnade Gottes uns berührt, dann öffnet sich uns eine völlig neue Welt, auch während wir hier in unserem Körper leben und unseren Tagespflichten nachgehen. Eine wundersame Welt gehört uns - dieses Königreich des Himmels. Wir leben in der Welt des allvollkommenen Göttlichen.

Gott ist es, der in Wahrheit Macht verleiht. Er ist es, der uns wahres Glück ermöglicht, wahre Schönheit und wahren Frieden. Er ist es, der das ewige Leben schenkt. Wer von der Gnade Gottes berührt ist, weiss nichts vom Tod, auch wenn der Körper stirbt, auch wenn die Erdenzeit für ihn vorüber ist. Das so gesegnete Herz ist Zeuge, wie der Körper abfällt; doch wird es nicht davon berührt. Es lebt im Sonnenschein der Gnade Gottes und ist von unbegrenztem Licht, von Schönheit, Macht, Erkenntnis, Glück und Frieden erfüllt. Eine wundersame Welt hat sich ihm aufgetan, eine ewige Welt der Wahrheit.

Die Welt, wie sie sich unseren äusseren Sinnen bietet, ist nicht die wahre Welt. Es handelt sich bei dieser unserer Körperwelt um eine Welt des Unbehagens, um eine Welt der Kämpfe und der Mühen, um eine relative Welt, in der die schmerzliche Erfahrung überwiegt und die ein Spielplatz aller Gegensätze von Gut und Böse, Freud und Leid, von Hell und Dunkel wie von Tod und Leben ist. Das Spiel der Gegensätze herrscht in dieser relativen Welt mit ihren engen Grenzen, die für die Seele so beengend sind. Wir finden nirgends Sicherheit auf dieser Welt, so lange wir nicht mit dem Königreich des Göttlichen und Seiner Gnade in inniger Berührung sind. Tritt diese jedoch ein, ergeht es uns wie einem Blindgeborenen, dem das Augenlicht geschenkt wird: es öffnet sich uns eine neue Welt. Unser Herz ist in Freude getaucht, in grenzenloses Licht gehüllt. Unser äusseres Handeln, unser Bedauern über ein Missgeschick, unsere Freude an etwas Gutem oder Schönem wird zum Spiel, denn das Herz im Inneren wurzelt in der Erfahrung des zeitlos-wunderbaren Gottesreiches. Frage das Herz eines solchen Menschen, ob es Menschen ringsumher sieht, oder ob es selbst zugegen ist? Es sieht nur überall die wunderbare neue Welt, die Welt des Göttlichen, die Welt der unbegrenzten Vollkommenheit in jeder Richtung, in jeder Eigenschaft, Kraft und Vollkommenheit.

Diese Welt des Göttlichen ist allein die wahre Welt, die Welt, die unseres Strebens wert ist. So lange wir nicht von der Gnade Gottes berührt sind, gleichen wir dem Blinden, sind wir schwach und haben unsere Nöte und Probleme, unsere Ängste und Schwierigkeiten und klagen über dies und jenes, machen Unterschiede zwischen Mensch und Mensch, haben unsere Fehler und finden keinen Frieden. Das heisst nicht wirklich leben; es ist eher ein Tod, wenn wir es mit dem Leben vergleichen, das dem von Gott berührten Herzen gegeben ist. Das ist es, was die Propheten, die grössten Heiligen und Mystiker veranlasst, weiter in der Welt wie andere zu wirken, obwohl sie als Erlöste mit neuen Augen in einer neuen Welt, einer in jeder Hinsicht unbegrenzten Vollkommenheit, leben. Das Erbarmen treibt sie, anderen zu helfen. Ein Mensch, der nicht in Blindheit befangen ist, hat keine Probleme mehr. Er ist unsterblich, unzerstörbar. Er ist das unbegrenzte Glück, ist Friede, Freude und Schönheit. Sein ganzes Sein ist mit dem Vater im Himmel eins. Das wahre Königreich, das wahre Glück, der wahre Reichtum gehören der Welt des Göttlichen in unserem Inneren an. Ein äusserlich Armer hat zuweilen das Herz eines Kaisers oder irgend einer anderen grossen Persönlichkeit. Was wir sind, wird also vom Inneren her bestimmt. Der Wert unserer Besitztümer, unsere Stellung in der Gesellschaft und unser Bankkonto - all das ist nicht von Belang, wo es um die Frage wahren Glückes, wahrer Grösse und wahren Reichtums geht.

So wollen wir unbeirrt fortfahren, uns durch ständiges inneres Beten und durch Gemeinschaft mit dem Göttlichen, durch Pflege höchster göttlicher Gedanken und Gefühle innerlich zu bereichern.

Wähle immer das Schwierigere, immer das Höhere, immer das Bessere - nie das, was man für gewöhnlich als angenehmer betrachtet, was nicht das Höhere, oder was gar schlecht ist. Und dieses Bessere vollbringe mit der Freude inneren Verstehens, mit Erkenntnis und dem Licht der Liebe im Herzen.

Der Fortschritt soll beständig sein, die Bemühungen dürfen nicht nachlassen. Das braucht zuweilen viel Geduld und Durchhaltekraft. Dennoch sollten wir alles versuchen, durch die Intensität unseres Strebens und Mühens die Entwicklungszeit zu verkürzen. Vielleicht sitzt irgendwo neben Dir ein Mensch. Du hältst ihn für einen ganz gewöhnlichen Menschen. Doch sein Bewusstsein kennt geheime Türen, und er befindet sich in einer anderen Welt. Alle Zeit-Raum Ordnungen erschliessen sich ihm. Er schaut die ewigen Prinzipien. Er hat Gemeinschaft und pflegt Umgang mit den Mächten Gottes. Zukunft und Vergangenheit der Menschheit liegen offen vor ihm. Er lebt in einem zeitlosen Bewusstsein voll endloser Wunder. Für ihn gibt es keinen Tod. Er weiss um seine Unsterblichkeit. Er arbeitet mit Gott. Er spricht mit Gott. Er sieht alle Wohnungen innerhalb des weiten, unbegrenzbaren himmlischen Reiches. Alle überbewussten, über-menschlichen Kräfte kommen in ihm zur Auswirkung, und die ganze Zeit kann er sich hier unter uns bewegen, ohne dass jemand erkennen würde, wer er ist.

Er ist Meister seiner selbst und dadurch auch Meister des Universums. Dies ist wahres Menschsein. Bis wir auf dieser Stufe inneren Reichtums und innerer Vollkommenheit angelangt sind, wird das Leben weiterhin ein trübes Spiel sein, das von hundert Sorgen belastet ist. Darum wollen wir versuchen, von Augenblick zu Augenblick, auf jede nur mögliche Weise innerlich reicher zu werden. Nichts vermag uns so schnell und so wunderbar zu bereichern, als wenn sich unser Herz an Gott festklammert, indem es beständig den Namen des Höchsten anruft.

Ein gutes Herz - der kostbarste Besitz

Ein Herz, das nur sich selbst liebt, ist ein armes, kleines Herz. Es ist eng und voll Kleinmut, unglücklich und bedrängt; armselig ist solch ein Leben. Ein Herz, das seine Liebe auf die Familie ausdehnt, ist schon ein wenig glücklicher, ist reicher und gesegneter. Ein Herz, das auch die Nachbarn und die weitere Umgebung lieben kann, ist noch viel glücklicher und gesegneter. Es ist eines Menschen würdig und von Licht erfüllt. Ein Herz, dessen Liebe die ganze Menschheit umfasst, ist noch weit gesegneter, glücklicher und mächtiger. Es ist schon ein Multimillionär in seinem Reichtum.

Ein Herz jedoch, das Gott liebt, ist höchst gesegnet. Es ist göttlich. Es ist das reichste und das weiteste, das friedlichste von allen Herzen, ein Herz, das leuchtet und Frieden ausstrahlt. Es erfreut sich eines Glückes, das von allem ganz und gar unabhängig ist. Es kennt ein Glück, das mit keinem sinnlich wahrnehmbaren Glück vergleichbar, das viel intensiver und unaussprechlich höher ist als irgend ein Glück, das wir je aus den Empfindungen der äusseren Sinne beziehen können. Es ist ein Herz der überquellenden, ekstatischen Gottesfreude. Ein Herz, das Gott liebt und von Seiner Freude überfliesst; es ist ein Herz, das alles transzendiert, das hier auf dieser Welt von Zeit und Raum in irdischen Begrenzungen Gottes Liebe, Gnade und Vollkommenheit verkündet.

Es gibt eine Liebe, die noch über die höchste menschliche Liebe hinausreicht. Es ist die Gottesliebe. In ihr umfängt das Herz alles Erschaffene. Sie greift über alles Offenbargewordene hinaus und liebt das Göttliche, das doch unendlich mehr ist als alles, was je in allen Welten erschaffen wurde. Der Schöpfer ist ja weit über alle Schöpfungen erhaben. Welten kommen und vergehen, während Gott, der sie erschuf, alles überlebt. Er war vor aller Schöpfung und wird nach aller Schöpfung sein. So ist ein Herz, das Gott liebt, über alles gesegnet, denn Seine Liebe umfasst die ganze Menschheit, die belebte und unbelebte Natur und reicht noch über sie hinaus. Sein Bestreben ist es, Gott besser zu erkennen. Ein Mensch, der nur ganz wenig weiss, der völlig ungeschult und unerfahren ist, wird höchstwahrscheinlich viele Fehler machen. Ein Mensch, der grosses Wissen erworben hat, wird schon klarer, friedlicher und glücklicher sein und verständiger den Umständen des Lebens gegenüberstehen. Ein höheres Mass an Wissen wird die Wahrscheinlichkeit der Fehler noch verringern. Doch am meisten ist jener gesegnet, der sich um die Erkenntnis Gottes bemüht. Ein Wissenschaftler, und sei er noch so gross in seinem Fach, ist deshalb nicht schon ein Gesegneter. Ein Philosoph, ein grosser Dichter ist auch nicht immer als gesegnet zu bezeichnen. All diese Grossen haben ihre Sorgen, Probleme, Nöte, ihre Grenzen, Zweifel, Schwierigkeiten. So lässt sich schwerlich sagen, dass sie gesegnet seien, auch wenn sie von hohem Nutzen für die Menschheit sind.

Ein Mensch, der wirklich weiss, was Gott ist, ein Mensch, der Gott erkennt, ist in höchstem Mass gesegnet. Ein Wissenschaftler oder Philosoph, ein Anführer der Menschheit braucht noch nicht zu wissen, was Wahrheit ist, was Wirklichkeit bedeutet. Er kann in der Welt der Auswirkungen leben. Der Bereich, in dem er forscht, ist das Erschaffene. Er kennt nicht den Erkennenden an sich. Er weiss nicht, was das Leben wirklich ist. Er kennt die Natur des Lichtes nicht. Er weiss nicht, was Denken, Geist und Bewusstsein ist. Er kennt weder Gott noch sein eigenes inneres Wesen.

Wer diese Wahrheiten erkannt hat, dass ausser diesem allschöpferischen, allwissenden und allschönen Licht im Grunde nichts besteht, der wird beständig in diesem Prinzip verweilen, das der Schöpfer aller Wahrheiten, Tatsachen und Daseinsordnungen ist, während sonst der Mensch auf Erden in der Welt der geschaffenen Dinge mit ihren Mängeln und Fehlern lebt. Die Kraft, die der Schöpfer aller Dinge ist, dieses unendliche Bewusstsein, das alles erhält, das ganz und gar schöne, endlose, unsterbliche, ungeborene Licht ist unsere Stärke, unsere Kraft, ist Sinn und Substanz unseres Lebens. Und diese Kraft aller Kräfte, die höchste Gottheit, die alles erschaffen hat und alles erhält, ist in uns zugegen. Die Macht, die alle sichtbaren wie unsichtbaren Welten, all die riesigen Weltsysteme innerhalb unseres ungeheuren weiträumigen Universums hervorgebracht hat, ist dieselbe Kraft, die auch in Dir vorhanden ist. Warum sollten wir nur so wenig von diesem göttlichen Sein in uns nach aussen offenbar werden lassen? Warum sollten wir nicht auch im Alltag all die Kräfte und Vorzüglichkeiten, Aspekte und Möglichkeiten dieses göttlichen Bewusstseins in uns zum Ausdruck bringen? Jene Unendlichkeit des göttlichen Bewusstseins, das die eigentliche Grundlage Deiner Gedanken, Deines Atems, Deines Lebens und zugleich die Grundlage und Ursache all dessen ist, was im ganzen Universum in Erscheinung tritt, ist unsterblich, furchtlos, eine Kraft über allen Kräften. Warum sollten wir nicht etwas von dieser Furchtlosigkeit und Stärke beweisen?

Die philosophische Erkenntniskritik wie auch die psychologische Forschung lassen uns klar erkennen, dass unsere Vernunft mit Schwächen belastet und begrenzt ist. Warum lassen wir nicht etwas von diesem göttlichen Bewusstsein von unserem Denken Besitz ergreifen? Das Menschenleben, so wie es auf Erden aus Mangel an Erkenntnis, Bildung und Erfahrung üblicher-weise gelebt wird, ist durch allerlei Unvollkommenheiten, durch Nichtwissen und Unbewusstheit belastet. Selbst wenn das Leben unter dem Zepter der Vernunft und auf einer weit überdurchschnittlichen Ebene der Wertverwirklichung gelebt wird, wird in ihm doch nur ein kleiner Bruchteil der Schätze des inneren Bewusstseins offenbar. Weil dieses Bewusstsein in uns die Macht aller Mächte, die Grundlage aller Intelligenz, der Erhalter aller Schöpfung ist, können wir auf unbegrenzte Möglichkeiten und Kräfte zurückgreifen, sind unserer Weisheit, unserem Verstehen, unserem Glück und Frieden keine Grenzen gesetzt. Wenn es etwas höchst Wunderbares auf der Welt gibt, dann ist es das Licht, das unsterbliche Leben der unendlichen Kraft in uns.

Was könnte es Wunderbareres geben als dieses Licht, dieses unsterbliche Leben der unendlichen und unbesiegbaren Kraft in uns? Was immer es an Wunderbarem in der Gottheit gibt - und Gott ist wunderbar - ist auch in uns. Wir sind ja selbst dieses Unendliche. Wenn wir erkannt haben, wie unzertrennlich wir von diesem Göttlichen in uns sind, dann können wir in jedem Augenblick unseres Lebens eine Vernunft zum Ausdruck bringen, die weit über den normalen menschlichen Erkenntniskräften liegt; dann können wir in unserem Leben einen Frieden offenbaren, der alles Verstehen übersteigt, eine Freude, die in allen Lagen standhält.

Die Welt des Göttlichen in Dir, die uns alle gleichermassen umgibt und die letztlich alles ist, wenn wir die Dinge auf den Grund verfolgen, erweist sich schliesslich als die einzige Wirklichkeit, die einzige Wahrheit. Diese Welt endlosen göttlichen Lichtes, allschöpferischen Bewusstseins, der reinen Liebe und des allvollkommenen Lebens entgeht der Erfahrung des Menschen, weil der Mensch versucht, die Welt ausschliesslich durch seine Körpersinne wahrzunehmen und durch ein Denken, das begrenzt ist und ausserhalb von Zeit und Raum seine Funktionen nicht mehr auszuüben vermag. Er hat sich nie darum bemüht, die Welt zunehmend durch das innere Bewusstsein in ihm in Erfahrung zu bringen. Er hat noch nicht entdeckt, dass sich in seinem inneren Sein und Bewusstsein Kräfte befinden, die allein fähig sind, eine richtige Sicht und Erlebensweise zu erlangen.

Wir haben noch nicht einmal ein Drittel der Wunder in uns ausgelotet. Noch nicht einmal die Möglichkeiten unseres menschlichen Denkvermögens sind voll ausgeschöpft; demzufolge leben wir in einer Welt, die durch flüchtige und vergängliche Erscheinungen gekennzeichnet ist. Wir halten uns an äussere Wirkungen und Illusionen, an flüchtige, vergängliche Phänomene, und das führt schliesslich dazu, dass wir der Existenz Gottes selbst misstrauen; so geht der Mensch aller Vollkommenheit des unendlichen göttlichen Bewusstseins verlustig und erlebt nur noch Unvollkommenheiten, Leiden, Kümmernisse, Begrenzungen und Krankheiten, Not und Tod. Doch können sich die Menschen auf die Dauer mit diesem krankhaften Zustand von Unwissenheit und Übel nicht abfinden. Einige wenigstens versuchen, die höheren Möglichkeiten ihres inneren Seins zu ergründen und erheben sich zu dem Licht, das in ihnen liegt und sie rings umgibt. Sie nehmen das Ringen und die Selbstbeherrschung auf sich, die nötig sind, damit eine Anzahl höherer Kräfte in ihnen wach wird. Wenn sie dann durch diese hindurch die Welt erblicken, erkennen sie in allem, was ihre Augen schauen und ihr Herz empfindet, allein nur das Göttliche. Wahres Menschsein besteht darin, sich zu den höchsten Möglichkeiten unseres inneren göttlichen Bewusstseins zu erheben. Da sich dieses Bewusstsein in allen befindet, kannst auch Du auf Erden ein Segen, eine Quelle der Kraft und der Inspiration für andere sein. Wirkliches Menschsein bedeutet, allen Kummer in Freude zu wandeln. Wahres Menschsein besteht darin, die Kräfte des Verstandes zu höchstem Leuchten zu bringen und all ihre Möglichkeiten auszuschöpfen, sich nicht von der Welt und ihrem Unglück überwältigen zu lassen, sondern die Welt zu überwinden; sich nicht von menschlichen Gefühlen, Gedanken und Erfahrungen beherrschen zu lassen, sondern auf dem Felsen höherer Einsicht, Vernunft und Weisheit zu stehen. Wahres Menschsein besteht nicht darin, in Furcht vor etwas zu leben, sondern ruhigen Auges selbst dem Tod ins Antlitz zu schauen und ein Leben zu führen, das die Unsterblichkeit schon in sich trägt. Der Mensch sollte sich das ihm geschenkte Leben nicht entgleiten lassen, ehe es ihm all seine Geheimnisse enthüllt hat.

Die Logik des Unendlichen

Wir sind tatsächlich Miterben Christi über das ganze Reich des Göttlichen. Doch ist dieses Reich des Göttlichen, da es in seinem allschöpferischen Bewusstsein und in seiner absoluten Macht unendlich ist, nicht aufteilbar unter Vielen. Wir sind vielmehr Erben des himmlischen Reiches zusammen mit Jesus, und das entspricht ganz und gar der Wahrheit. Doch bedeutet das nicht, dass wir nur eine Hälfte oder nur ein Stück von diesem Königreich bekommen, während die andere Hälfte Jesus gehört, wie das der Fall wäre, wenn auf Erden ein Vater ein Bankkonto hinterlässt, von dem jeder seiner beiden Söhne die Hälfte erbt. Hier, im Falle des himmlischen Königreichs, geht es nicht um etwas, das aufgeteilt werden könnte. Jeder einzelne bekommt hier das ganze Reich zu eigen. Das klingt paradox, denn wenn es nur ein einziges Himmelreich gibt, wie kann es dann jedem einzelnen von uns vollkommen zuteil werden? Hier herrscht die Mathematik der Unendlichkeit. Die Unendlichkeit ist unteilbar. Sie ist so gut in uns wie in der übrigen Schöpfung zugegen. Sie ist mit all ihren Vollkommenheiten so gut in uns wie in Jesus und in allen Propheten. Jedem von uns wird dieses Reich übergeben. Hier herrscht die Logik der Unendlichkeit. Wenn Du ein Unendliches von der Unendlichkeit abziehst, ist das Ergebnis wiederum unendlich. Die Unendlichkeit ist eine unteilbare Einheit. Mystische Erfahrung erschloss den alten Weisen Indiens diese Wahrheit.

Das Göttliche in Dir, das Königreich, das Himmelreich in Dir ist ebenfalls Unendlichkeit. Diese Unendlichkeit ist mit der anderen Unendlichkeit identisch. So sind wir Erben und Miterben Jesu am himmlischen Reich, wobei jedem das Ganze des Reiches zuteil wird. Wenn wir auf dieser Stufe des unendlichen Bewusstseins angelangt sind, dann wird unsere Erkenntnis unbegrenzt, unsere Macht und unser Friede absolut und endlos, und wir selbst werden zur Seele des allschöpferischen Bewusstseins. Tod, Krankheit, Stofflichkeit, Menschheit sind nicht mehr da. Alles ist in jedem; jeder ist in allem; und wir sind alles in allem. Tatsächlich ist der Mensch ein geistiges Wesen voll endloser göttlicher Kräfte. Die sichtbare äussere Persönlichkeit ist nur ein zeitweiliger psychologischer Überbau, dem Wechsel unterworfen, von Grenzen umgeben und mit zahllosen Mängeln behaftet - ein Phänomen, das nicht für alle Zeiten Bestand hat. Eine Kleinigkeit genügt, um es umzustossen. Schon der Schlaf, der uns während kurzer Zeit gefangen nimmt, bringt dieses schwankende Gebilde zum Verschwinden. Während ein Mensch schläft, ist er weder gut noch schlecht, weder Mann noch Frau; die wachbewusste Persönlichkeit ist vorübergehend aufgehoben. Ebenso kann Hypnose und Bewusstlosigkeit die Persönlichkeit an ihrem Wirken hindern. Auch in einem Zustand vertiefter innerer Betrachtung hört die äussere Persönlichkeit mit ihren Unvollkommenheiten und engen Sinnesgrenzen zu wirken auf. Oder wenn jemand - ob Mann oder Frau, ob Sünder oder Heiliger - von einer dichterischen Inspiration überwältigt und emporgehoben wird, dann weicht die äussere Persönlichkeit dem schöpferischen Bewusstsein, das sich zum Ausdruck bringt. Oder wenn ein Mensch gänzlich von der Liebe zum Göttlichen ergriffen ist auch dann brechen die menschlichen Fassaden und Strukturen nieder. Darum sollten wir nicht den Fehler begehen, dem so viele Menschen erliegen, den anderen nach dem zu beurteilen, was unsere Sinne über ihn berichten. Der Augenschein gibt keine letzte Auskunft. Er bleibt an der Oberfläche haften.

Wenn wir stille werden und von uns selber Abstand nehmen - von unseren eigenen psychologischen Gegebenheiten, wie auch von jenen unserer Nebenmenschen - dann öffnen sich uns neue Dimensionen und neue Möglichkeiten unseres inneren Wesens; eine neue Seite unseres Daseins wird offenbar. Wir werden Zeugen unserer eigenen Gedanken und Gefühle und werden mit dem eigenen menschlich psychologischen Wesen und seinen Zuständen bekannt. Wir erlangen Einblick in die Art unserer Gefühle, in unsere Befürchtungen und Probleme, unsere Wünsche und Impulse, unsere Bestrebungen und Ziele.

Diese psychologische Selbsterkenntnis ist notwendig, um innerlich ins Gleichgewicht zu kommen; doch ist nicht viel damit gewonnen, wenn es darum geht, den unendlichen Frieden und das Glück des Göttlichen zu finden und zu erfahren. Vor dem Hintergrund der Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen - was unser eigentliches Wesen ist - hat eine nur psychologische Kenntnis unserer selbst keinen allzu grossen Wert. Auf dem Weg der geistigen Entfaltung ist eine überpsychologische Erkenntnis von höchster Wichtigkeit. Die Wahrheit sollen wir erkennen, dass unser eigentliches Wesen in Gott gegründet ist, und dass Gott in uns wohnt. Nur so werden wir von den Problemen unseres Lebens frei; nur so erlangen wir Unsterblichkeit und kommen der Vollkommenheit des Göttlichen näher. Es geht nicht ohne die Erkenntnis unseres innersten Seins, das geistiger Natur, das Sitz und Mittelpunkt endloser göttlicher Kräfte ist.

Wir brauchen diese innere Ruhe, um von unserem äusseren Wesen Abstand zu gewinnen und in bewusste Verbindung mit dem göttlichen Wesen zu gelangen. Eine ganze Anzahl von Disziplinen kann uns hilfreich sein. Sind wir innerlich erregt und ruhelos, bedrückt und sonstwie aus dem Gleichgewicht geraten, dann fehlt es uns an Geistesklarheit.

Ohne die nötige innere Ruhe ist eine überpsychologische Erkenntnis unseres Inneren nicht möglich, und zur Stille gelangen wir durch die Kontrolle, die wir über unsere Gefühle und Impulse im Alltag haben. Wir dürfen uns nicht treiben lassen, uns nicht zum Spielball unserer vergänglichen Gedanken und Gefühle machen, sondern sollen innerlich von ihnen Abstand nehmen und unser Leben mit Bewusstsein führen.

So nur gelangen wir zum Frieden und zur Einsicht; so nur werden wir Menschen voll Glück und inneren Fortschritts; so nur werden wir nicht zum Sklaven dessen, was sich in unserem Fühlen, unserem Denken, in unserer Umwelt abspielt, sondern erlangen innere Würde und eine Haltung der Vernunft und Meisterschaft über das, was in uns und um uns her geschieht. In der inneren Stille nur wird das Bewusstsein aus dem Hintergrund, das nicht in unsere psychologischen Erfahrungen miteinbezogen ist, die Fähigkeit zur klaren Schau der Dinge und die höheren Kräfte zur Wirksamkeit gelangen lassen und uns zur richtigen Unterscheidung und Wahrnehmung befähigen. Die innere geistige Schau lässt uns erkennen, dass überall, in jedem Punkt des leeren Raumes, unter allen Formen und Namen verborgen, ein gewaltiges, alles durchglühendes göttliches Bewusstsein voll endloser schöpferischer Fähigkeiten wohnt. Vom letzten Standpunkt aus betrachtet hat dieses allein wirkliches Sein. Aufgrund dieser Existenz werden alle Erfahrungen auf dieser Welt erst möglich. Ohne dieses Sein, ohne diese Allgegenwart, ohne dieses Einssein und die Unendlichkeit von Gottes Bewusstsein und Kraft ist keine Schöpfung, keine Erfahrung, kein Leben da. Doch wird dieses göttliche Bewusstsein auf keine Weise von dem berührt, was in ihm vorgeht. Das Göttliche in uns und um uns bleibt von unseren Leiden und Kümmernissen, von den Freuden und Leiden, von den Komödien und Tragödien unseres Lebens verschont. Und doch - ohne dieses Göttliche in uns besteht kein Leben, und obwohl es von nichts, was je geschieht, berührt wird, gibt es dennoch unserem Herzen Antwort.

Gott ist keine nur unpersönliche Transzendenz; Er ist eine innewohnende Realität, eine alles beobachtende, allsehende Gegenwart, die immer bei uns ist. Er gibt Antwort auf die Regungen unseres Herzens, wenn unser Verlangen auf Ihn ausgerichtet ist. Er kann als Helfer bei uns stehen; Er kann als Retter in unser Leben treten; Er kann sich als der Vater erweisen, der uns liebt. Seine Möglichkeiten sind ohne Grenzen. Zu keiner Zeit ist Er dem Menschen fern, ist Er doch im innersten Sein des Menschen selbst zugegen. Obwohl das Göttliche im Menschen zu schlafen scheint, so ist es doch genau der gleiche Gott, der alle Welten schuf und sie erhält. Er ist nicht nur die Transzendenz; Er ist es, der in allen Herzen wohnt. Er ist nicht nur die absolute Wahrheit und Wirklichkeit, sondern auch Licht und Liebe unseres eigenen inneren Lebens. Er ist die erleuchtende Intelligenz hinter unserer Verstandeskraft, und der, welcher diese Nähe Gottes nicht erkennt, verliert vieles. Sein Verlust ist nicht gering, denn ein wenig Einsicht in diese Gegenwart genügt, um unserem Leben Kraft und Stärke, Frieden, Glück und Weisheit zu verleihen. Ein wenig Gotteserkenntnis schon hebt uns über die Umstände des Lebens hinaus und lässt uns ständige Verbindung mit jenem Frieden und jener Freude finden, die uns nie verlassen.

So bestünde also der erste Schritt darin, über unsere inneren Beziehungen zu Gott Klarheit zu gewinnen, und der zweite wäre, dieser überpsychologischen Erkenntnis unserer selbst zur dynamischen Auswirkung im täglichen Leben zu verhelfen, denn diese Bewusstseinswirklichkeit soll nicht nur lebendig in uns erkannt und erlebt werden, sondern ihre Eigenschaften, Vorzüge und Kräfte sollen auch in unserem Tun und unserem ganzen Wesen zum Ausdruck kommen. Das bedeutet, dass wir Kontakt aufnehmen mit der Gottgegenwart auch in allen anderen. Es bedeutet kosmisch weite Liebe. Denn wer ist der Nächste?

Psychologisch betrachtet ist dieser tatsächlich verschieden von Dir. Seiner äusseren Erscheinung nach ist er anders, auch wenn er Dein Sohn oder Deine Tochter wäre. In seinen Gefühlen, im Temperament ist er ebenfalls anders und ebenso auch in seinen Zielen und Bestrebungen, seinen Fähigkeiten und Anlagen - in allem ist der andere anders. Dennoch sagt Dir die innere Erkenntnis, dass das Leben hinter dem Leben in jenem Menschen das gleiche Leben ist, das auch hinter Deinem Leben steht, dass Dein eigentliches Sein und sein eigentliches Sein ein und dasselbe ist. In Wahrheit, von dieser geistigen Dimension, diesem Himmelreich, diesem transzendentalen Bewusstsein aus gesehen, bist Du selbst dieser Mensch. Kannst Du, wenn Du das erkannt hast, den anderen noch hassen? Wie könntest Du ihn missverstehen ihn beleidigen oder misshandeln? Eine tiefe Liebe wird in Dir geboren, eine grosse Hochachtung für alles und für jeden. Dein Inneres wird dann ganz wesentlich eine Haltung der Liebe und Verehrung allen Dingen gegenüber einnehmen.

Es gibt Billionen Wellen auf dem Meer. Gibt es darum Billionen Meere? Nein, der Ozean ist ein einziger. So ist Gott ein Einziger, während es Billionen Wesen gibt. In jeder Welle des Ozeans ist das Meer zugegen. In jedem Tropfen jeder Welle sind alle Eigenschaften und Bestandteile des Meeres enthalten. Kannst Du sagen, dass das Wasser der einen Welle im Meer salzig und das einer anderen Welle nicht salzig schmeckt? Alle Merkmale, Eigenschaften und Qualitäten des ganzen Meeres sind in jeder Meereswelle zugegen und auch in all den Wassertropfen, die eine Welle bilden. Genau so werden Billionen Wesen von dem einen Wesen, das Gott genannt wird, erhalten. Ohne das Meer hat keine Welle ihr Dasein. Ohne Gott hat kein Wesen Bestand.

Einen dritten Schritt noch sollten wir unternehmen, nämlich unsere höheren Fähigkeiten bewusst entfalten, pflegen und zur Blüte bringen, und zwar nicht bloss auf der geistigen Ebene des Denkens und Fühlens, sondern auch Fähigkeiten, die dem göttlichen Bewusstsein in uns zu eigen und natürlich sind. Das psychische Wesen, das in uns verborgen liegt, ist die Stätte, wo Gott und Mensch sich in uns begegnen, und dieses psychischen Sein ist voller Fähigkeiten und Kräfte. Die Begrenzungen des Körpers und die menschlichen Geisteskräfte sind diesem inneren psychischen Wesen in uns unbekannt, denn es verfügt über höhere Fähigkeiten zur Wahrnehmung und über höhere Empfindungskräfte. Es geht mit unserem äusseren Körper nicht zugrunde. Der physische Körper und seine Sinnesbegrenzungen sind für dieses innere psychischen Wesen ohne Bedeutung. Es kann uns eine direkte Erkenntnis der Menschen um uns her vermitteln und unsere Vergangenheit oder Zukunft als offenes Buch vor uns hinlegen.

Vom menschlichen Denken
zum transzendentalen Bewusstsein

Wir können in einem Zustand inneren Bewusstseins leben, der durch keinerlei Gedanken behelligt, durch kein Leid getrübt, durch keine zu erfüllenden Wünsche und Begierden in Unruhe versetzt ist, sondern bei dem der Mensch in völligem Frieden, in Glück und Kraft Genüge findet. Dazu ist allerdings auf der einen Seite die Gnade Gottes und auf der anderen Seite eine beständige und ununterbrochene Selbstdisziplin erforderlich, ein beständiges Wachsen in guten und hohen Gedanken, Vorstellungen und Ideen.

Unsere äusseren Bedingungen spiegeln genau die Art der Gedanken und Gefühle wider, die wir hegen. Gehören unsere Gedanken und Gefühle dem Göttlichen, dann wird unser äusseres Leben einflussreich; unsere Hände strahlen Heilkraft und unsere Augen Frieden und Segen aus. Wir sehen die Dinge im Licht der Güte und der göttlichen Gegenwart, und automatisch strömt eine alles einschliessende Liebe von uns aus. Wenn ein gewöhnlicher Erdenbürger Häuser und Menschen betrachtet, dann werden verschiedenartige Gefühle in ihm wach. Der Gedanke an die einen macht ihn froh, während andere Widerwillen in ihm erwecken. Er hat seine Freunde und seine Feinde. Dem einen Haus wünscht er Glück, dem anderen Unglück. So ist das Menschenherz, und daraus entspringen alle Leiden, alles menschliche Unglück, alle Fehler, Schwächen, alle Katastrophen und Sünden. Das gute Herz wird nach und nach immer empfindsamer für ein allsehendes, alles ansprechendes, ewiges Jetzt und Hier, für die Wahrheit. Es reagiert anders. Ein solches Herz sieht in allen Menschen und in allen Dingen das Licht Gottes, wünscht allen das Beste, sieht jedes Haus vom Gotteslicht umhüllt. Nichts als Segen und Erleuchtungsstrahlen gehen von den Schwingungen eines solchen Herzens aus. Die Pflanzen, die ja gegenüber menschlichen Gefühlen sehr empfindsam sind, erfreuen sich der Gegenwart eines solchen Menschen.

Die Erde hat Augen, die Natur hat eine Seele. Alles um uns her gibt Antwort und reagiert auf das, was in unserem Herzen und Denken vorgeht. Ein Elektronenhirn befindet sich in jedem Atom. Alles, was wir fühlen oder denken, kündet sich sogleich im ganzen Kosmos an. Durch die Unreife und aussergewöhnliche Begrenztheit unserer Sinne sind wir nicht in der Lage, diese grossen Wirklichkeiten zu erkennen, diese höheren Tatsachen von Natur und Leben ins Blickfeld zu bekommen. Alles, was wir fühlen, alles, was uns in Zukunft zustossen wird, steht schon jetzt in unserer Hand geschrieben. Die Spiegel Gottes sind überall. Wir leben in einer Welt der Echos. Deine Güte wird überall sichtbar. Die ganze Welt antwortet in gleicher Weise darauf, wenn wirkliche, ursprüngliche Güte Dein Herz erfüllt. Es gibt überall nur die eine Wahrheit, den einen Geist. Das Eigentliche des Lebens in Dir und in den Pflanzen ist ein und dasselbe. Die Wahrheit, welche die Materialität der Materie verursacht und diejenige, die Deinen Knochen Festigkeit verleiht, ist ein und dieselbe. Instinktiv nimmt etwas im Herzen der anderen Menschen wahr, welche Art von Mensch Du bist.

Suprakosmische Mathematik

So wie die Biene von ihrem Instinkt geleitet zur Blüte hinfindet, wie verborgen sie scheinbar auch irgendwo blühen mag, so lassen sich die Engel, die unsterblichen Heiligen, die grossen Mächte und Persönlichkeiten des allmächtigen Gottes dort nieder, wo ein Herz voll Liebe, voll Hingabe und Glaube schlägt. Wo sich das Herz eines Heiligen befindet, da sind die Kräfte Gottes zugegen, da ist das Wohlwollen des Göttlichen in Wirksamkeit, da sind Engel und göttliche Persönlichkeiten machtvoll zugegen. Wo ein Herz der Hingabe schlägt, da ist wirkliche Musik, da ist wahrer Segen, da ist jegliche Art von Güte, da ist Weisheit und Erkenntnis, eine ewige wahre und unvergängliche Erkenntnis der unzerstörbaren zeitlosen Wahrheit. Das Gottesreich nimmt seinen Anfang in den Menschenherzen. Hat es einmal von unserem Inneren Besitz ergriffen, dann wollen tausend Herzen sich an dem unsrigen entzünden und die Kunst erlernen, wie sie das göttliche Reich in sich erbauen können. Lasst uns das ganze Universum mit Gedanken füllen, die aus dem Erleben göttlicher Allgegenwart erstehen! Aus unserem Herzen soll die Liebe in alle Schöpfung strömen. Selbst dann, wenn wir im Schlafe liegen, soll die Strahlkraft unserer Seele den ganzen Kosmos durchlichten ! Die geistige Erkenntnis soll heller leuchten. Das innerste Herz der ganzen Schöpfung wird es spüren, wenn unsere Seele für die liebende Gegenwart des allmächtigen Gottes empfänglich geworden ist. Die innerste Seele der Schöpfung ist wie die unsrige mit dieser Gegenwart identisch.

Das Leben mit all seinen Voraussetzungen und in seiner ganzen Beschaffenheit ist - recht besehen eine grossartige Gelegenheit, der Wahrheit ins Angesicht zu schauen und in der Begrenztheit der Materie den Sieg, die Herrlichkeit des Geistes zu offenbaren. Menschen, die ihre Seele in Ruhelosigkeit und Chaos und in ungeordneten Vergnügungen ertränken, in Freuden, die betäuben und irreführen - sie wissen nicht, was wahre Lebensfreude ist; sie leben mit geschlossenen Augen, und ihre Ohren hören nichts von der zeitlos-himmlischen Musik in ihrem Inneren und ringsumher. Sie sind blind für die Schönheit der Gottgegenwart. Sie fürchten sich vor den begrenzten Mächten dieser Welt. Sie haben nicht die Kraft, die ihnen aus ihrem Innersten Stärke verleiht. Kein Mensch ist zu gering, um ein Kind Gottes, ein Gottessohn zu sein. So wollen wir von dieser Stunde an in innigster Verbindung mit dem Vater stehen, mit Ihm, der die Wahrheit selbst in uns ist. Diese schaut uns durch alle Augen an, denn alle Augen sind ja Seine Augen. Wir sind dazu geboren, die Dimensionen unserer Seele auszuweiten, bis sie das ganze Gottesreich umfassen. Menschen, die dieses Ziel nicht vor Augen haben und denen es an Güte, Glauben und Hingabe fehlt, hängen sich an den Flitter dieser Welt und stehen hilflos da, wenn die Prüfungen des Lebens sie bedrängen. Sie haben keinen Rückhalt im Geistigen, während der, dem der Sinn für das Göttliche gegeben ist, in jeder Prüfung über eine Kraft verfügt, die unerschöpflich ist. Lasst uns nie vergessen, wie viel wir im täglichen Leben versäumen, wenn es uns an der Kenntnis der Wahrheit und am Glauben an das Göttliche mangelt, das jeden Raum und jedes Haus, in dem wir weilen, durchdringt. Wir wollen demütig versuchen, bewusst vereint mit dieser wunderbaren Macht zu leben, die unzertrennlich mit uns verbunden ist. Sie ist die Schönheit über aller Schönheit. Erkenne sie und Du weisst alles! Empfinde sie, und der Himmel wird Dir zur persönlichen Erfahrung! Vertraue ihr, und Dein Leben wird in jeder Hinsicht immer reicher werden, denn die Wahrheit, welcher Du vertraust, ist Fülle ohne Ende.

Berühre die Gegenwart der Wahrheit, und unendliche Freiheit wird Dich in jeder Beziehung erfüllen. Nur die Freiheit, welche die Wahrheit uns schenkt, ist wahre Freiheit. Alle Engel, jede unsterbliche Musik, all die unvergängliche Erkenntnis, all die unaussprechliche Schönheit, der Friede, der alles Verstehen übersteigt - sie alle sind in Dir, sobald Du die Gegenwart der Wahrheit in Dir erfährst. Die Wunder, die unvergleichlich höher sind als alle Wunder des Universums, die je von den grössten Observatorien der Welt beobachtet wurden, die zeitlose Musik, alle Künste, alle Macht, alles Glück - sie wohnen in Dir. Sie sind weit wirklicher als der Zorn samt seinen Folgen, wie sie von einem Zornigen erlebt werden.

Das Leben erobern

Das Leben wird uns keinen Frieden und kein Glück gewähren, so lange wir es nicht erobern. Doch wird uns eine Eroberung im Äusseren nicht viel nützen; das Glück wird unseren Händen immer wieder entgleiten und uns früher oder später enttäuschen.

Das Leben lässt sich nicht durch blossen Reichtum, nicht durch Stärke, Tüchtigkeit oder gar nur äusseren Komfort gewinnen. Auf diese Weise wurde keiner je zum Sieger; wer es so versucht, wird am Ende doch zum Verlierer. Das Leben kann nur durch ein grösseres Licht, durch besseres Verständnis, durch höhere Weisheit und Erkenntnis gemeistert werden. Nicht das Leben kann erweitert werden, sondern das Bewusstsein lässt sich weiten. Du besiegst das Leben nur, indem Du über seine Begrenzungen hinausgelangst.

Wenn Weisheit Dein Leben beherrscht, dann versiegen die Probleme, dann gibt es keine Schwierigkeiten mehr, die Du nicht überwinden könntest. Wenn Du stark genug geworden bist, indem die inneren Kräfte und Energien des göttlichen Bewusstseins zur Entfaltung kommen, dann meisterst Du das Leben spielend und erreichst Dein Ziel: die Gnade, Schönheit und Vollkommenheit des Göttlichen. Gesegnet sind jene, die von Gotteserkenntnis erfüllt sind. Gott erkennen, heisst alles erkennen, heisst um Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wissen, heisst alles unmittelbar und intuitiv erkennen. So ist also Gotterkenntnis das einzig wahre, höchste, unbegrenzte Wissen. Gott allein weiss alles und weiss mehr als alles, denn alles ist in Ihm; und Er ist mehr als alles. Der höchste Ruhm des Lebens, Sinn und Bedeutung allen Menschenlebens ist die Erkenntnis der höchsten Wirklichkeit und Wahrheit; und jener hat die Zeit vergeudet, der sein Leben verstreichen lässt, ohne sich um den Sinn des Seins gemüht und Gott gesucht zu haben, die zu erkennen Einsicht in die zeitlose, ewige Wahrheit und absolutes Bewusstsein bedeutet.

Ein Mensch, der sich Glück von Geld und Gut verspricht, kann niemals wirklich glücklich sein, und das kleine Glück, das er erhascht, zerbricht wie Glas und zerrinnt ihm in den Händen. Ein kleiner Unfall genügt, um ihm ein Ende zu bereiten. Geld bewahrt uns nicht vor dem Verlust des Teuersten und Liebsten, was wir haben, und verhindert nicht, dass das Leben sein Spiel mit uns treibt. Und selbst unter besten Lebensbedingungen kann das Geld seinen Wert für uns verlieren, wenn wir der äusserlichen Freude überdrüssig sind. Wieviele Leben enden in Verzweiflung gerade da, wo keine Art des äusseren Reichtums fehlt. Darum dürfen wir nicht auf das Äussere bauen, wenn wir glücklich werden wollen. Ein Mensch, der sich des Göttlichen bewusst ist, wird von nichts aus seiner Bahn geworfen, und keine Art des Unglücks und der Krankheit, auch nicht der Tod, kann ihm je Schaden bringen.

Die Grösse des Menschen beruht auf dem Wesen seines zentralen inneren Bewusstseins, das um die Gegenwart Gottes kreist. Wer sich beständig dieser Wahrheit bewusst ist, weiss, dass er in Augenblicken der Schwäche von seltener Kraft, die von innen heraus kommt, aufrechterhalten wird. Sein hingebendes Herz hat ihn die Wahrheit erfahren lassen, dass Gott ihn in allen Prüfungen stärkt. Als Kind Gottes ist jeder Mensch für sich und für andere ein Segen, ja eine ganze Segenswelt. Er wird zum Besitzer eines sich nie erschöpfenden Vorrats an Kraft, Gnade, Schönheit und Frieden. Das Leben muss vom Geist geleitet sein, wenn es die geheimen Schätze, die es in seinem Inneren trägt, entfalten soll. Sind wir Kinder des Höchsten, oder sind wir Materie, ein Stoffgebilde, das vom Alter und von vergänglichen, flüchtigen Erfahrungen in dieser ZeitRaum-Welt verfolgt und umgetrieben wird? Wir werden durch die Gegenwart Gottes in uns und um uns in dem gleichen Mass gesegnet sein, wie wir die wahre Hingabe in unserem Herzen tragen und von dem Augenblick an, da ein wenig Glaube und Vertrauen auf diese höchste Wahrheit in uns wirksam wird.

Der Mensch ist in dieses materielle Universum hineingestellt worden, damit er seine Beziehung zur unendlichen Vollkommenheit und zum Glück entdecken möge. Deshalb besteht ein immerwährendes Verlangen nach wahrer geistiger Erkenntnis, welche höchste Psychologie, höchste Wissenschaft, Kunst, Kultur und höchste Religion umfasst. Millionen beten täglich: «Dein Reich komme, Dein Wille geschehe»; doch kann dieses Königreich nicht kommen und Sein Wille nicht geschehen, so lange wir uns Seiner Gegenwart nicht in Glauben und Vertrauen öffnen, und so lange wir nicht wahrhaft geistiges Wissen erwerben und die Dinge geistig betrachten lernen.

Auf jedem von uns ruht eine schwere Verantwortung, denn wir sollen aus dieser Erde ein Himmelreich machen; und damit müssen wir bei uns selber beginnen. Diese eine, ewige, zeitlose Wirklichkeit und Wahrheit ist nicht irgend ein abstraktes Prinzip. Sie ist lebendig, voll lebendig atmender Liebe, allsehend, allwissend und allmächtig. Sie ist der Zeuge aller Dinge und strömt Segen auf alle aus, die sie aufzunehmen vermögen.

Mit dieser Wahrheit können wir innige persönliche Beziehungen pflegen. Wir können beständig und bewusst in ihrer Gegenwart verweilen und über ihren Frieden und ihre Schönheit nachdenken. Wir können unser Bewusstsein im Hinblick auf Frieden und Schönheit bereichern. Wir können sie berühren und mit ihrer Kraft und Gnade erfüllt werden. Wenn unsere Gedanken und Gefühle, wenn unser Herz und unser Bewusstsein in ihr verweilen, dann wohnt sie in uns, und wenn sie in uns wohnt, dann ziehen Schönheit, Furchtlosigkeit, Freiheit, Frieden, Glück, ein Sinn für Unzerstörbarkeit und Fülle in uns ein.

Anstatt uns mit äusseren, vergänglichen Situationen und Bedingungen eins zu fühlen, wollen wir uns doch lieber mit dem Bild Gottes, das in jedem Menschen ist und nach dem wir alle geformt sind, identifizieren. Statt uns mit dem Körper gleichzusetzen, wollen wir uns lieber mit dem Frieden, dem Glück, der Kraft, der Gnade und Gegenwart Gottes einsfühlen. Dann werden wir nicht länger ein hilfloser Sklave körperlicher Zustände sein.

Gott ist die unendliche Wirklichkeit, grenzenlose Wahrheit, Existenz - ein Bewusstsein, in dem unendliche Schönheit, Erkenntnis, Liebe und Vollkommenheit verborgen liegen und aus dessen schöpferischer Bewusstseinsfülle alle sichtbaren wie unsichtbaren Welten hervorgegangen sind. Wunder über Wunder sind in ihm enthalten. Jesus spricht von vielen Wohnungen, die sich im Hause seines Vaters befinden, und jede ist ein Universum, eine Unendlichkeit für sich. Gott oder die Wahrheit ist die grenzenlose Freude, ein Licht und eine Schönheit, die niemand beschreiben kann. In diesem wundersamen Bewusstsein gibt es weder Nacht noch Tag. Es ist zeitlos, raumlos und vollkommen in jedem Punkt dieser Unendlichkeit. Da besteht eine Unendlichkeit innerhalb der Unendlichkeit, und wenn eine Unendlichkeit von der anderen Unendlichkeit abgezogen wird, bleibt immer noch eine Unendlichkeit übrig.

Wenn wir die Welt vom Standpunkt des Unendlichen aus betrachten, ist noch nicht einmal eine halbe Sekunde vergangen, seitdem die Schöpfung ins Dasein trat, denn das göttliche Bewusstsein ist ein ewiges Jetzt. Es war, ist und wird immer sein. Seitdem die Welten erschaffen wurden, ist Gott nicht um eine Sekunde gealtert - und seither sind Billionen und Aberbillionen von Jahren vergangen.

Swami Omkarananda

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