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ZWEIMONATLICH

Jahr 39

OFFIZIELLES ORGAN DES
DIVINE LIGHT ZENTRUMS
8400 WINTERTHUR SCHWEIZ


Aktuelle Ausgabe

Januar/Februar 2005

 

INHALT

Swami Omkarananda:

Der Mensch ist ein kosmisches und überkosmisches Wesen

Die Kraft der Vernunft - Weisheit und Hingabe

Die Wahrheit des menschlichen Lebens

Manifest eines spirituellen Lebens

Philosophische Betrachtungen über die Grundlagen des Lebens

Gott ist eine blosse Hypothese

 

Ununterbrochene Wiederholung
eines mystischen Mantras

ist das höchste Geheimnis, der wichtigste Schlüssel zur Gotterfahrung, die leichteste und schnellste Methode, um jede Art von Reichtum, jegliche Art und Form göttlich-geistigen Segens, doch auch Segens äusserer, materieller Art zu erlangen. Beständige Wiederholung des Mantras auch während der Arbeit bringt langsam aber sicher diese wunderbare, aussergewöhnliche Veränderung hervor. So wie das Meer aus zahllosen Wassertröpfchen besteht, so wird der Mensch durch die zahllosen Tropfen der Mantrawiederholung ins Göttliche verwandelt. Jede Wiederholung gleicht einem Tropfen, und je mehr wir immer weiter wiederholen, desto grösser wird das Meer des Gottbewusstseins in uns.

Am Anfang darf man allerdings nicht zu hohe Erwartungen stellen. So wie man Geduld braucht, wenn man einen ausgetrockneten Boden tropfenweise mit Wasser begiesst. Die ersten tausend Tropfen werden glatt in den Boden verschwinden, ohne dass man etwas davon sieht, ausser dass der Boden etwas angefeuchtet wurde. Doch nach einer Million Tropfen bildet sich schon eine kleine Pfütze, und aus dieser wird ein Teich und schliesslich ein See und ein Meer. Daher gilt es immer weiter zu giessen, sonst trocknet der Boden in der Zwischenzeit wieder aus, und du kannst von vorne beginnen.

Wenn man also einmal auf dem Pfad ist, sollte man keinen Schritt mehr zurückweichen. Rasche Erfolge werden allerdings nur dem reinen Herzen zuteil. Die ersten Jahre der Mantrawiederholung werden hauptsächlich damit vergehen, den Grund anzufeuchten und das Herz zu reinigen. Doch ist der Grund einmal vorbereitet, ist man schnell erfolgreich. Das braucht seine Zeit, doch die Wirkung ist sicher. Nichts war umsonst.

Swami Omkarananda

 
Die ganze Schöpfung ist ein Gedanke im Geist Gottes, so wie die ganze Welt der Traum-erfahrung im Geist des Menschen eine Manifestation der Gedanken oder des Bewusstseins ist. Wir leben - grundsätzlich betrachtet - tatsächlich in einer Welt der Gedanken. Diese materielle Welt ist in Wahrheit nichts anderes als eine Manifestation von Gedanken. Der Gedanke ist der grosse Herrscher in allen Erfahrungen und im Leben.  

Schliesse deine Augen und verehre das Göttliche in Gedanken. Weite dein Bewusstsein zu den Dimensionen des Göttlichen aus, und grüsse und verehre überall, an jedem Punkt des grossen, un-begrenz-baren Universums, die göttliche Gegenwart.

Swami Omkarananda

 

Der Mensch - ein spirituelles Wesen

Der Mensch ist ein spirituelles Wesen, und in seiner eigenen inneren Veranlagung ist alles vorhanden, was man im ganzen Kosmos entdecken, verstehen und wissen kann.

Die Sonne ist im Menschen selbst, der Mond ist im Menschen, das ganze Sonnensystem. Alle Götter und Göttinnen, alle unsichtbaren Kräfte haben ihr Zentrum im Menschen. Deshalb ist der Mensch das bemerkenswerteste Geschöpf in der Schöpfung. Nach Gott gibt es nichts Grösseres als den Menschen, und neben Gott ist der Mensch der Gotterfahrung das Höchste in der Schöpfung.

Aber anstatt diese Tatsache zu erkennen, täuscht sich der Mensch täglich mit falschem Wissen, falschen Idealen, falschen Zielen.

Er will ein Doktor werden, ein Ingenieur, ein Millionär, ein Geschäftsmann; er will Geld verdienen, eine Familie gründen, kurz: Er will die Welt geniessen.

All das ist eine Illusion und eine Selbsttäuschung, verglichen mit dem, was er wirklich in sich selbst ist.

Der Mensch trägt alles in sich selbst

Er hat in sich alle Götter, den ganzen Kosmos, alle Kräfte, die man auch im Göttlichen finden kann. Gott selbst wohnt im Menschen.

Es ist alles im Menschen, auch die äussere Schöpfung ist im Menschen. Zu seinem eigenen Unglück aber hat der Mensch sich selbst in einen Zustand körperlicher Erfahrungen und Begrenzungen hineinhypnotisiert. Was innen ist, erscheint ihm als aussen liegend, wie einem Träumer, der sich selbst etwas vormacht und denkt, dass die Welt, die wunderbare Welt, die er träumt - die Seen, in denen er schwimmt, die Gärten, in denen er spazieren geht, die Gerichte, die er isst, die entfernten Länder, die er besucht - alle ausserhalb seiner selbst seien.

Aber wo sind sie wirklich? - In seinem eigenen Kopf! Sie sind alle in ihm selbst! Die fernen Länder, die er bereist, die köstlichen Gerichte, die er isst, der blaue Himmel, den er sieht - all das ist in seinem eigenen Bewusstsein.

Alles ist also tatsächlich in uns selbst! Die fernen Sterne sind in uns selbst, aber weil wir irregeführt, unwissend und von Gott abgeschnitten sind, leben wir in einem objektiven Bereich der Erfahrung.

In Wahrheit gibt es nichts Objektives

Alles ist in dir selbst. Unendliche Erkenntnis, unendliche Kraft, unendliches Licht, unendliches Leben, -unendliche Schönheit und Vollkommenheit sind alle in dir selbst.

Werde geistig, bringe mehr Opfer, sei aufrichtiger, erlange Reinheit durch selbstloses Dienen, arbeite hart, härter als die meisten Geschäftsleute in der Welt, härter als der Wissenschaftler, härter als der Präsident eines Landes. Das reinigt dein Herz, und ein reines Herz versteht die geistigen Phänomene und wird empfänglich für die kosmischen Kräfte; es beginnt den Willen des Göttlichen zu verstehen.

Das Göttliche ist das Wirklichste - das einzig Wirkliche

Wie wirklich und sinnlich fassbar ist deine Wahrnehmung des Regenbogens! Wie wirklich und sinnenhaft ist das Wesen der Wahrnehmung des Duftes einer Rose! Wie unwirklich, abstrakt und symbolisch aber ist deine Idee vom Atom! Wie unwirklich, symbolisch und abstrakt ist die Vorstellung des Wissenschaftlers vom Raum als das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum! Wissenschaftliche Erkenntnis ist in weiten Bereichen abstrakt und symbolisch. Im Gegensatz dazu ist deine Erfahrung vom Regenbogen und deine Erfahrung des Duftes der Rose so sehr sinnenhaft und wirklich. Noch sinnlich fassbarer, wirklicher und konkreter ist die Erfahrung des Göttlichen. Das Göttliche kann als der Duft der Düfte erfahren werden. Es kann als die Schönheit aller Schönheit, als das Glück aller Formen von Glück erfahren werden, als die Wirklichkeit der Wirklichkeiten, als Friede über allen Formen von Frieden. Auf jede Weise kann Es erfahren werden. Es kann auf eine dynamische und vielfache Weise erfahren werden. Während unser inneres Auge die grenzenlose Schönheit schaut, findet unsere innere Intelligenz in grenzenloser Erkenntnis ihren Urgrund. Unser pulsierendes Herz schlägt mit dem Rhythmus der Gegenwart, der Gnade und des Namens des Göttlichen.

Eine vielseitige und vielschichtige Erfahrung - die Erfahrung des Göttlichen

Wie das Blut in unseren Adern zirkuliert, so zirkulieren Seine Wirklichkeit, Seine Freude und Sein Wesen in uns. Wie du vielfältige Erfahrungen hast und gleichzeitig jemandem zuhörst, das Wasser tropfen hörst, die Leute um dich herum siehst, einen Schmerz in deinem Bein wahrnimmst oder dich einem Gefühl hingibst, auf so vielfältige Weise kannst du auch das Göttliche erfahren.

Wunder über Wunder erschliessen sich dir durch die Gnade des Göttlichen. Gott ist wirklicher als sinnlich erfahrbare Objekte, und wir können Ihn auch sinnlich erfahren als das Objekt höchster Liebe.

Ohne die Wirklichkeit des Göttlichen gäbe es auch keine Liebe zum Göttlichen

Wie sehr liebt die Mutter ihr Baby? - Wie wirklich ist doch das Baby für die Mutter, wie mächtig ist ihre Zuneigung! - Weit mächtigere Emotionen erheben sich in einem heiligen Herzen in Beziehung auf das Göttliche. Solch mächtige Emotionen könnten nicht aufsteigen, wenn das Göttliche nicht wirklich wäre.

Wären deine Kinder nie geboren und du hättest nie Kinder gehabt, dann würde es auch keine Liebe zu den Kindern in der Art geben wie jetzt, wo du die Kinder vor dir stehen siehst. Du weisst, dass die Kinder eine Quelle zukünftigen Glücks sind, und du planst ihre Zukunft.

Wirklicher als die Kinder ist das Göttliche, und gleichzeitig mit dem Aufsteigen der Hingabe in deinem Herzen wird dein Erkennen erleuchtet, und du erkennst, dass der Herr, den du verehrst, und dem du deine ganze Hingabe schenkst, die potentielle Quelle deiner eigenen künftigen Vollkommenheit ist. Er ist die Quelle von allem, was du dir überhaupt vorstellen kannst.

Ein Vater erzieht seine Söhne, damit sie ihren eigenen Lebensunterhalt verdienen können. Er hat eine Vorstellung davon, was für ein Leben sie führen werden und bereitet sie darauf vor, ihr eigenes wirtschaftliches Auskommen bestreiten zu können.

 

Du kannst Gott berühren - lebe bewusst in Seiner Gegenwart!

Der Gottliebende, der geistig Strebende, weiss, dass das Göttliche der Reichtum über allem Reichtum ist. Ein geistiges Herz weiss, dass das Göttliche auch die Schönheit aller Schönheiten ist, dass Es die Universen der Erscheinung durchdringt wie das Wasser den Schwamm. Und man kann mit dem Göttlichen sprechen, mit Ihm leben, Es fühlen und berühren. Es ist das Wunder der Wunder und kann gleichzeitig mit allen Sinnen erfahren werden. Es ist die Wirklichkeit der Wirklichkeiten.

Lebe unter dem Auge dieser Wirklichkeit - das ist die wahre Erfüllung des Lebens.

Der Geizkragen lebt ständig mit einem Geldschein vor Augen. Körperbetonte Leute haben immer irgendwelche sinnlichen Genüsse im Sinn. Weil ihre Einstellung und das Ziel, für das sie leben, begrenzt sind, haben sie Probleme im Leben. Deshalb sollen wir bewusst und ständig unter dem Auge des Göttlichen leben.

Das Göttliche sieht dich immer. Du stehst früh morgens auf. Was war dein erster Gedanke? Wie hast du dich bewegt? Mit welchem Bein bist du als erstes aus dem Bett gestiegen? - Das Göttliche hat alles gesehen.

Hast du gedacht, dass du Gott suchen willst? - Gut, das Göttliche hat es gehört. Hast du gedacht, dass dein Nachbar ein schlechter Mensch sei? - Das Göttliche hat es gehört. Wie oft hast du seit heute Morgen schon deine Hand erhoben? - Das Göttliche hat es gesehen. Wie viele Male hat dein Herz heute schon geschlagen? - Das Göttliche hat es gezählt. Was sind deine unbewussten, geheimen Gedanken? - Das Göttliche hat sie gesehen.

 

Das Göttliche reagiert auf all deine Regungen

Und was das Göttliche dich auch tun sieht, darauf antwortet Es dir in vollem Umfang. Wenn deine Absichten gut waren, kannst du sicher sein, dass die Belohnung ein Vielfaches sein wird.

Hattest du den Wunsch, die göttliche Gegenwart zu fühlen? Und war es ein aufrichtiges Verlangen? - Sei sicher, dass das Göttliche es erfüllen wird, und Es ist schon dabei, dir die Umstände dafür bereitzustellen. Denke daran, dass jemand dich immer beobachtet - das unendliche Wesen. Es ist in allen, sieht alle. Es ist in jedem Winkel des Universums, in jedem universalen -System, sichtbar oder unsichtbar; denn Es ist da im Sichtbaren wie auch im Unsichtbaren. Es sieht jeden zur gleichen Zeit. Es muss Sich nicht anstrengen, das zu tun.

Ist es eine Anstrengung für dich, die Millionen Objekte im weiten Raum zu betrachten und sie alle gleichzeitig wahrzunehmen? - Sicher nicht! Umso weniger ist es eine Anstrengung für das Göttliche, alles gleichzeitig zu beobachten. Es sieht, ohne zu sehen - das ist Seine Grösse. Unbegrenzt ist Seine Macht und Seine Vollkommenheit in jedem Teil Seines Wesens.

Lebe also wie die Propheten der Bibel unter dem Auge des Göttlichen. Denke daran, dass der Raum Ohren und Augen hat, denn das unendliche Wesen ist überall. Seine Ohren sind in allem; sie sind in deinem Herzen, in deinem Geist; sie sind in den Blumen, die du siehst, sie sind überall. Gottes Augen und Ohren sind allgegenwärtig. Denke daran und lebe mit dem steten Gefühl, dass Gott dich immer und überall hört und sieht. Wenn du das beständig Tag für Tag übst, wirst du Gott bald sehr nahe kommen.

Du bist der glückselige Herr

und feiner als das Feinste.

In Dir allein ist Friede!

OM

Shvetashvatara Upanishad

Der Weise und die Welt, die er erfährt

Die Kraft der Vernunft eines Menschen, der Weisheit, philosophische Haltung und Erbarmen besitzt, eröffnet ihm, dass die ganze Weite unserer Sinneserfahrungen - diese kosmische Manifestation, diese Menschheit und die alltäglichen Erfahrungen und Erlebnisse, also der ganze Bereich der Erfahrung - nichts anderes ist als eine Struktur von Sat-Chit-Ananda - des Seins, Bewusstseins und der Glückseligkeit des Göttlichen.

Die gleiche Welt der Erfahrung, die wir als unsere Welt und unser Leben bezeichnen und als Welt der Materie erleben, wird als die Gegenwart des allschönen, allsegnenden, allvollkommenen Herrn entdeckt und erfahren.

Den so Erfahrenden nennt man einen Gottliebenden, einen Heiligen, einen Menschen der inneren Gemeinschaft mit dem Göttlichen, einen, der ununterbrochen in Kontakt mit dem Göttlichen ist, der in diesem materiellen Universum, in dieser Welt der Manifestation und sinnlichen Erfahrung die Gegenwart des Göttlichen wahrnimmt und darin lebt.

So ein Mensch ist ein Weiser, ein Mensch mit höchst entwickelter Intelligenz und Vernunft. Er ist im Grunde genommen ein Erkennender - ein Gnostiker - oder ein göttlicher Denker, ein Denker im Reich göttlicher Erkenntnis und Erfahrung. Er berührt und erfährt die göttliche Wirklichkeit rein nur mit den Kräften der höheren Vernunft, einer Vernunft in ihrer besten Verfassung, einer Vernunft mit messerscharfer Kraft der Unterscheidung und höchster Leuchtkraft.

Wenn du jemals einem solchen Menschen begegnet sein solltest und auch in der Lage bist, grundlegende und einfache spirituelle Erfahrungen zu haben, wirst du verstehen, dass das Wesen eines solchen Weisen ein Meer der Ruhe ist. Er kann Direktor einer grossen Firma sein oder eine sozial engagierte Persönlichkeit - ungeachtet dessen, wie aktiv und dynamisch er auch im täglichen Leben zu sein scheint, sein inneres Wesen ist ein Meer von unerschütterlicher, stabiler Ruhe.

Diese Ruhe kommt von dem, was seine Vernunft entdeckt hat, nämlich, dass diese Menschheit, diese Welt der Erfahrung im Wesentlichen und grundlegend, ihrem Geiste und ihrer inneren Zusammensetzung nach nichts anderes ist als eine Struktur der grenzenlosen göttlichen Wirklichkeit.

Dieses Erfassen, -diese Wahr-nehmung, diese Erfahrung, die der Weise durch seine leuchtende, reine Vernunft erlangt hat, macht ihn zum Meister des Lebens, zum Meister seiner selbst.

Kein Gefühl steigt in ihm auf, das er nicht bewusst bestimmt hat, das nicht in Einklang mit der Weisheit steht, die er besitzt. Er lässt sich nicht vom Körper, den Sinnen oder dem Gemüt leiten und lenken, sondern er ist es, der den Körper, die Sinne, die Gedanken und Gefühle bewusst steuert und beherrscht. Er ist der Meister, und alles auf dem Gebiet der Erfahrung ist ihm untergeordnet. Er ist ein Meer voller Ruhe, Leuchtkraft, heiterer Gelassenheit.

Vergleiche ihn einmal mit einem gewöhnlichen Menschen!

Der Mensch im Allgemeinen 

Wie ist der normale Mensch seiner psychologischen Konstitution nach? - Er ist ruhelos. Auch wenn er auf einem Stuhl sitzt und sich entspannen will und niemand ihn stört, ist er doch ruhelos. Sein inneres Wesen ist ein Meer der Ruhelosigkeit. In jedem Winkel seines Wesens herrscht Ruhelosigkeit. Ruhelosigkeit ist sein Wesen und sein Charakter. Er denkt, er sei ruhig, aber sein Unbewusstes ist ein Meer dynamischer Prozesse, Kräfte, Energien und Emotionen in Bewegung.

Wir wollen das einmal anschaulicher schildern und den körperlichen Mechanismus als stellvertretende Analogie für den Rest des ganzen Systems nehmen: Du denkst, du bist ganz ruhig: Wahr ist lediglich, dass du auf deinem Bett liegst - ganz ruhig. Aber deine körperlichen Funktionen, die bio-logischen Prozesse, die Verdauung, der Herzschlag, die Blutzirkulation - sie alle sind höchst aktiv.

Der ganze körperliche Mechanismus arbeitet also ununterbrochen und eifrig. Millionen von Nerven, -Milliarden von Zellen, verschiedene feine Mechanismen in verschiedenen Teilen des Körpers sind ständig beschäftigt - ohne Rast und Ruh! Wenn man das Geräusch verstärken würde, welches das Herz macht, der Blutkreislauf, das Arbeiten der Drüsen und Zellen und aller anderen Körperfunktionen, dann würde man ein vielfältiges Donnern hören, das dem Lärm einer grossen Fabrik gleicht. Solch dynamische Abläufe regieren den physischen Körper, der so ruhig dazuliegen scheint. Noch weit grössere Aktivität als im physischen Körper kann man nach Aussage moderner Tiefenpsychologie im menschlichen Unbewussten feststellen.

Der Durchschnittsmensch ist im Allgemeinen ruhelos. Ein kleines Kind kann -keine Stunde stillsitzen, auch wenn du ihm dafür jede Menge Schokolade geben würdest.

Aber ruheloser als das kleine Kind ist das Gemüt des Menschen. So ist der Mensch ruhelos im Gemüt, im Körper, im Unbewussten und auf der bewussten Ebene. Ruhelosigkeit ist ein Kennzeichen des normalen menschlichen Individuums.

Unter einem normalen mensch-lichen Individuum verstehen wir hier einen Menschen, der noch nicht von göttlicher Erkenntnis und Weisheit erleuchtet und auch kein geistig strebender Mensch ist.

 

Ein Meer der Ruhe, des Friedens und der Gelassenheit

Im Gegensatz zur Ruhelosigkeit des normalen Menschen in jedem Teil und auf jeder Ebene seiner inneren Beschaffenheit, ist der Mensch der Weisheit ein Meer innerer Gelassenheit, inneren Friedens und innerer Ruhe.

Bitte ihn, in einer bestimmten Körperhaltung ruhig zu sitzen, und zwar Tage, Wochen, Monate oder auch Jahre - er ist dazu fähig!

Stille durchdringt jeden Teil seiner inneren Struktur, und still zu sitzen wäre für ihn eine wunderbare Gelegenheit, in die Freuden, das Licht und die Schönheit der grenzenlosen göttlichen Wirklichkeit einzutauchen. Deshalb werden die Weisen der alten Kulturen immer so dargestellt: in einer ruhigen Stellung sitzend. Und wenn man ihre Biographie liest, findet man, dass sie oft jahrelang schweigend in derselben Haltung sassen. Wie ist das möglich? - Es ist möglich, weil sie innere Stille hatten und gleichzeitig ihr ganzes Wesen in die Wunder der unendlichen göttlichen Wirklichkeit eingetaucht ruhte, die sie mit Hilfe ihrer reinen Vernunft entdeckt hatten.

 

Nicht nur Weisheit, sondern auch Hingabe und Liebe führen zum gleichen Ziel - zur Erkenntnis der Wirklichkeit Gottes

Die gleiche Wirklichkeit kann vom Menschen des Glaubens, der Hingabe, der Gottesliebe entdeckt werden. Nachdem er Gott gefunden hat, erscheint ihm die ganze Welt als von der Gegenwart Gottes erfüllt; er ist überall zu Hause, in allen Umständen und Situationen. In welchem Teil der Welt er sich auch aufhalten mag, wie gross Lärm und Unruhe in seiner Umgebung für die Sinne auch sein mögen - er lebt in der Ruhe einer beständigen Erfahrung des Göttlichen.

Tausende von Gelehrten rund um die Welt zerbrechen sich die Köpfe und lesen ein Buch nach dem anderen - und doch bleiben sie unwissend und sind weit von wahrer Erkenntnis entfernt; sie haben ihre Probleme und Schwierigkeiten nicht gelöst, auch wenn sie Hunderte von ungelösten Fragen gelöst haben. Und ihr Leben ist nicht gesegnet: Weder haben sie wahren Frieden gefunden noch wahre Stärke. Der Gottliebende aber weiss: "Du, o Herr, bist unendliche Erkenntnis, Du bist jetzt bei mir. Ich bin unzertrennlich von Dir. Du begleitest mich, wohin immer ich gehe, und das sogar nach dem Tod. Du bist immer bei mir, und weil Du bei mir bist, ist unendliche Erkenntnis bei mir. Kein Problem kann entstehen, das Du nicht lösen kannst. Kein Schmerz, keine Schwierigkeit kann mich unterkriegen, denn Deine Gegenwart ist die Fülle der Freude. Keine negative Kraft, so gross und destruktiv sie auch sein mag, kann mich berühren, denn Deine Gegenwart ist Allmacht. Du bist die Fülle der Kraft. Neben Dir sind alle anderen Kräfte nichts."

Erwachen aus dem Traum des Lebens 

Wirklicher als diese solide Welt der Materie ist das Königreich des Göttlichen in uns und überall um uns herum.

Alles um uns her, über und in uns setzt sich aus dem grenzenlosen, unendlichen Licht der unbegrenzbaren Schönheit, Liebe, Gnade und Wahrheit zusammen.

Die Situation des Menschen ist die eines Träumenden. Wir träumen alle, und der Traum wird ermöglicht durch die extrem starke Begrenztheit unse-rer Wahrnehmungsfähigkeit. Wir sind durch die Kräfte dieser sinnlich-materiellen Erfah-rung gefangen.

Wo befindet sich diese Welt der Begrenzungen und des Un-glücks? - Sie befindet sich im strahlenden Licht des Himmels!

Wir müssen unser Bewusstsein ändern, unsere Einstellung korrigieren, wir müssen zur Wirklichkeit des strahlenden Lichts des Königreichs des Himmels, das uns umgibt, erwachen.

Diese Wirklichkeit ist immer da, und unsere Welt der Begrenzungen ist nur eine Projektion in diese Welt des Lichts.

Diese begrenzte Welt ist unsere Schöpfung, und es liegt keine Unentrinnbarkeit in ihr; wir können aus diesem Traum der Begrenzungen erwachen und der Erfahrung einer Welt der Unglückseligkeit entrinnen.

Jene, die aus diesem Traum erwacht sind und das strahlende Licht des Königreichs des Himmels erfahren, werden "Weise" genannt.

Was ist ein Weiser? - Ein Weiser ist einer, der, während er in dieser Raum-Zeit-Welt der Begrenzungen, der Materie, des Irrtums, in dieser Welt von Gut und Böse, von Freude und Schmerz, von Erfolg und Versagen, von Leben und Tod lebt, mit einem Teil seines Bewusstseins überall das strahlende Licht der göttlichen Gegenwart gewahrt.

So ein Mensch wäre etwa ein Weiser auf den ersten Stufen der Weisheit.

Durch die Gnade Gottes und als Belohnung, als Segen und Geschenk eines an Liebe wachsenden Herzens und gestärkten Glaubens verlieren viele angehende Heilige das Gefühl, als menschliche Individuen in einer Welt des Irrtums, des Unglücks und der Gegensätze gefangen zu sein, und sie erleben sich selbst als Kinder des strahlenden Lichts des Königreichs des Himmels. Deshalb ist ihr Leben durch grossen Frieden, grosses Glück, grosse innere Furchtlosigkeit und innere Freiheit gekennzeichnet. Während sie in dieser Welt der Begrenzungen leben, leben sie doch in der anderen Welt des Königreichs des Himmels und deshalb im strahlenden Licht der Schönheit, des Friedens, der Liebe und Freude.

Nimm als erstes Gott in Dein Leben auf, der die wahre Quelle aller Macht und allen Friedens ist, dann wird dein Leben eine Freude, ein Kunstwerk werden; es wird voller Frieden und Licht sein und gesegnet, grossartig und vollkommen werden.

Swami Omkarananda

 

Die Wahrheit ist, dass der Mensch verwurzelt ist in Gott, und Gott verwurzelt ist im Menschen. Der Mensch kann keine Erfahrung Gottes haben, ausser er sein in Gott und Gott kann sich in der Welt nicht zum Ausdruck bringen, ausser durch den Menschen. Beide sind voneinenader abhängig und ineinander verwoben, miteionander verbunden. Es sind die zwei Seiten ein und derselben Münze. Gleicherweise verhält es sich mit dem Leben: Leben ist verwurzelt in Gott, und Gott ist verwurzelt im Leben. Desgleichen die Welt: Die Welt ist verwurzelt in Gott, und Gottt ist verwurzelt in der Welt. Dies zu erkennen, dazu sind wir geboren.

Selbsterkenntnis, Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung stellen das höchste Ziel und die Erfüllung des menschlichen Lebens dar. Der innere Drang des Menschen, sich selbst zu erkennen, sich über das, was er gegenwärtig ist , hinauszuentwickeln, der in seinem Inneren erfahrene Zwang, sich selbst zu transzendieren, der Hunger nach dem Wahren, Rechten, der die vielen, in allen Formen des empirischen Lebens einbezogenen Gegensätze aufhebt - dies sind wesentliche Funktionen, verursacht und bestimmt durch den Genius der Evolution, der dem Plan der menschlichen Existenz innewohnt.

Selbsterkenntnis ist das Ziel der Evolution des Bewusstseins im Menschen. Selbsterkenntnis war von jeher das höchste, allumfassendste Ziel allen Strebens, Denkens und Tuns des Menschen.

 

1.

Jede unserer kleinen Handlungen ist ein Ziegelstein, und niemand kann ihn uns stehlen.

Die Gesetze Gottes sind so vollkommen, dass du nicht der Ergebnisse deiner Aktivitäten beraubt werden kannst.

Tue also so viel Gutes wie möglich, und deine Schätze im Himmel und auf Erden werden vervielfacht werden.

Es mag zu Verzögerungen kommen, sodass du ein wenig auf die Ergebnisse deiner Bemühungen warten musst; aber sei deshalb nicht ungeduldig und kleinlich, mache weiter und arbeite, und ganz plötzlich wirst du eines Tages als grosser Riese auferstehen.

2.

Lass jeden Halt fahren und halte dich nur am Göttlichen fest. Nichts als das Göttliche soll es für dich geben.

3.  

Tue nichts, ohne zuerst mit dem Göttlichen in deinem Herzen zu sprechen.

Schaue niemanden an, ohne zuerst das Göttliche in der betreffenden Person zu sehen.

4.

Gott hat den Menschen mit seiner eigenen Kraft ausgestattet. Er hat ihn aus seiner eigenen Substanz und seinem eigenen Wesen geformt.

Sein Bewusstsein ist allgegenwärtig; alles existiert in Seinem Bewusstsein, und ausserhalb desselben existiert nichts.

5.  

Das ganze Problem der menschlichen Existenz besteht in seinen Begrenzungen. Aber diese Begrenzungen sind rein funktionell, ohne -Wirklichkeit zu besitzen. Sie existieren nur solange das menschliche Individuum sich weigert, in Selbstverwirklichung und Liebe zu wachsen.

Durch Beständigkeit und Selbstdisziplin erreicht der Mensch eine Stufe, die ihm schnellen geistigen Fortschritt und göttliche Verwirklichung ermöglicht.

6.  

Mitten im Lebensstress, mitten im Gewühl des Lebens, ziehe dich ab und zu für eine kurze Zeit von all den ablenkenden Aktivitäten zurück und versuche deinen Blick nach innen zu richten: Yoga ist reines Verstehen. Es ist eine gedankliche Bewegung hin zum göttlichen Sein, zum Erleben des göttlichen Lebens, das frei ist von Düsternis und Traurigkeit, von Verdrängung und Melancholie.

7.

Denke immer über die Worte der Heiligen und Weisen nach, der Philosophen und Dichter, und lass dein Gemüt so ruhig wie möglich sein, selbst dann, wenn du äusserlich springst und tanzt und lachst.

Lebe ein doppeltes Leben: ein friedliches inneres Leben und das äussere Leben eines Menschen der Welt.

Aus der Ferne verfolge die hohle und pompöse Schau der Welt ohne Anhänglichkeit an ihr flüchtiges Glück oder ihre irreführenden Objekte.

Fahre mit deinen alltäglichen Aktivitäten fort, ohne auch nur ein Senfkorn Glauben an diese Welt zu hegen.

8.  

Sei ruhig und sorge dich nicht, auch nicht unter den Wellen von Depressionen.

Strahle nicht vor Freude, auch nicht wegen des intensivsten weltlichen Vergnügens.

Praktiziere Gleichmut allem gegenüber und ruhe stets in der Freude des Gedankens ans Göttliche, das ewige Freude ist.

9.  

Setze dich an einen Platz, ruhe mit ruhigem Gemüt im Zentrum deines Bewusstseins und fühle einfach die Gegenwart Gottes rings um dich; dadurch, und indem du ein weises Leben führst, wirst du dich über die ärgerlichen Wechselfälle des Lebens erheben.

10.

Denke nur Gutes, tue Gutes und sei gut, und du wirst das ewige Gute ernten.

Alles ist gut. Meditiere über das Gute, über nichts anderes: Im Lauf der Zeit wirst du mit der höchsten Seligkeit gekrönt werden, die das vollkommene und immer währende Gute ist.

11.  

Durch Verstehen und aufrichtiges Beten wirst du die animalischen Tendenzen und menschlichen Eigenschaften zerstören, dann werden alle göttlichen Tugenden dein Eigen sein, und du wirst ein sorgenfreies und von Frieden erfülltes Leben im Unsterblichen führen.

12.

Setze nie dein Vertrauen in den Fluss des Lebens, sondern verstehe die Wahrheit des Seins, das eine homogene Leben, durch tiefe Meditation über die philosophischen und metaphysischen Wahrheiten, die du von den Weisen und Heiligen vernommen hast.

13.

Sei ein blosser Zeuge von Ebbe und Flut des Lebens: Das ist der sicherste Weg zu unaufhörlichem Frieden unter allen Umständen und zu jeder Zeit.

14.

Wenn du die eine Wirklichkeit siehst und das eine Leben, das Gott oder die Wahrheit ist, erkennst -das eine Leben, das in allen und überall ist -, dann wirst du an nichts Mangel leiden, kein Hindernis wird sich dir in den Weg stellen, und schwere Sorgen werden dich nicht überfallen.

15.

Die Wahrheit ist das ewige Brahman. Wahrheit ist Stille. Die Wahrheit kann nicht ausgedrückt werden. Ausdruck ist Veränderung. Und alles Veränderliche ist in sich selbst Unwahrheit.

16.

Neben der Wahrheit existiert nichts und kann nichts sein.

Die Wahrheit existiert als eins mit allem.

Die Wahrheit ist das Einssein mit der unsterblichen Essenz.

Die Wahrheit ist unvergänglich. Aus Ihr geht alles hervor. In Ihr existieren alle Dinge. In Sie kehrt alles wieder zurück.

17.  

Die Wahrheit ist die unvergängliche Heimat aller Wesen.

18.

Die Wahrheit ist ein Ozean ungetrübter Seligkeit. Ein kleiner Teil dieser Wahrheit erhält das ganze Universum.

19.

Wahrheit ist Leben und Sein. Unwahrheit ist Zerfall und Tod.

20.

Universale Liebe ist Wahrheit. Barrieren zwischen einem Ding und einem anderen: Das ist Unwahrheit.

21.  

Das Wirkliche ist die Wahrheit der Wahrheiten. Das ist es, was existiert, triumphiert und herrscht.

22.

Alle, von Brahma* angefangen bis hinunter zum Grashalm, sind auf der Suche nach der einen Wahrheit - die einen unbewusst, die anderen bewusst; sie unterscheiden sich nur durch den Grad der Bewusstheit, dem Ausmass der mentalen Reinheit und der Subtilität ihres Zustands.

23.

Jeder Akt des Lebens hier ist ein Schritt näher zur Wahrheit hin, denn die Wahrheit ist die freudige Wohnstätte aller Wesen. In Sie gehen alle ein und finden in Ihr vollkommene Erfüllung und höchsten Frieden.

24.  

Im Tempel deines eigenen Herzens wohnt Gott, der die Quelle des Lebens, der Weisheit und der Freude ist.

Ruhe zu finden in Gott, ist deine höchste Bestimmung.

Beschleunige von dieser Stunde an deine Bewegung auf Gott zu und lass deine Seele in Ihm weilen und unendlichen Reichtum, vollkommene Gesundheit, absoluten Frieden und höchste Freude finden.

25.

Füttere dein Gemüt mit Gedanken an Gott, dein Herz mit Reinheit und beschäftige deine Hände mit Dienen. Das ist der Weg, die Unwissenheit und alle anderen Übel des Lebens zu zerstören.

Überwinde das niedere Selbst und praktiziere die geistigen Wahrheiten, denn dadurch wirst du erleuchtet und befähigt werden, deinerseits die Welt zu erleuchten.

26.

Wo immer du auch sein magst, erinnere dich daran, dass die alldurchdringende Gottheit dich von allen Seiten umgibt, dass Sie der Mittelpunkt deines Herzens ist, dass Sie dein Zuhause erfüllt und alles sieht, was du tust.

27.

Um unerschöpfliche Kraft und Reichtum zu erlangen, den Schlüssel für die Probleme des Lebens und aller Lebensumstände zu besitzen, Glück und Frieden für andere auszustrahlen, solltest du stets im Göttlichen weilen, und zwar durch Mantrawiederholung und Meditation.

28.  

Ertränkt in Unwissenheit, hält der Mensch das Falsche für das Richtige, das Unwirkliche für das Wirkliche: Er hegt den Glauben an die vergänglichen, vom Denken erzeugten Objekte. Er verlässt die Wirklichkeit der Seligkeit und klammert sich an den Alptraum des Elends. Seine Fähigkeit zu verstehen und zu unterscheiden, ohne die er nicht besser ist als ein Bewohner des Tierreichs, ist verdunkelt durch das unlautere Ego, das mit selbstsüchtigen Wünschen angefüllt ist.

Nichts bindet den Menschen wirklich, als nur seine Aufmerksamkeit für den Tanz der Erscheinungen und die Anziehung, die dieser auf ihn ausübt.

29.

Des Menschen Wille zu leben und sich zu reproduzieren hat ihn im trügerischen Spiel des Lebens gefangen.

Er hat schreckliche Samen des Verlangens nach gespenstischen Unwirklichkeiten gesät, die den Hunger und Durst seiner Seele nach dem Plenum der Wahrheit durch Nichtigkeiten und irreführende Vergnügungen, die aus dem Kontakt mit vergänglichen Objekten entstehen, zu stillen scheinen.

Die Jagd des Menschen nach den unwirklichen Dingen momentaner Sinnesfreuden in dieser flüchtigen Welt füllt sein Leben mit Eindrücken an und lenkt die Seele auf ihrer Reise zum unendlichen Geist des Lichts, dem Zentrum von Kraft und Weisheit, ab.

Des Menschen Planen und Ränkeschmieden, seine fruchtlosen Spekulationen und innig gehegten Hoffnungen in diesem Leben, sein weltlicher Ehrgeiz und seine Erwartungen haben ihn in ein Königreich des Leidens versetzt.

Das selbstsüchtige Leben in Begrenzungen ist die Ursache allen Schreckens und Verlorenseins, aller Armut und Düsternis und aller anderen Sorgen.

30.

Das höchste Selbst ist der unendliche Geist, das absolute Sein. Dieses Selbst wird Gott genannt oder Brahman und hat noch die verschiedensten anderen Namen.

Der Jiva oder das niedere Selbst, die individualisierte Persönlichkeit, das ortsgebundene Wesen, das der Mensch der Unwissenheit darstellt, ist die Nabe mit ihren starken tragenden Speichen des Stolzes, der Eitelkeit, der Täuschung, der närrischen Einbildung, der bedeutungslosen Interessen, die ihn in den immer währenden Kreislauf der weltlichen Existenz werfen.

Wenn du dich an dieses niedere Selbst klammerst, wirst du alles mit der dunklen Farbe des Irrtums bemalen und ein Fegefeuer für dich selbst erschaffen.

31.

Der Mensch ist ein geistiges Wesen. Gott ist die Substanz, aus der es geschaffen ist. Wir leben und bewegen uns in Seinem Licht. Das höchste geistige Bewusstsein ist latent in allen gegenwärtig.

Es ist das Gesetz des Herrn, das dem Tautropfen seine Rundung verleiht; es ist Sein Leben, das die Knospe blühen und das trockene Blatt auf der Strasse rascheln lässt.

Der Mangel an dieser Erkenntnis Gottes ist die Wurzel aller Sorgen des Lebens und allen Elends in der Welt.

Wahres Lebensglück besteht im Besitz göttlicher Weisheit und darin, dass wir unser alltägliches Tun in Seinem Licht vollführen.

32.  

Das Selbst im Menschen ist Gott.

Nichts ist falsch am Menschen, obwohl Unwissenheit und Dunkelheit direkt in das Gewebe seiner Seele und seines Lebens eingedrungen sind.

Er mag ein Narr sein, und trotzdem ist er ein Gott, der diese Rolle spielt. Er mag elend sein, aber das könnte nur eine Verkleidung der Gottheit sein. Er mag ein wandelnder Schrein der Dunkelheit sein, und doch hat er die Lampe todloser Schönheit immer bei sich. Er mag Bürger der Halb-Hölle dieser Welt sein und hat doch schwache Erinnerungen an seine himmlische Bürgerschaft, an das Königreich Gottes in sich selbst.

Und obwohl er sich kopfüber in Sinnlichkeit stürzt, hat er doch ein Gefühl für das Gottähnliche.

33.  

Die Tragödie aller Tragödien liegt nicht in dem, was der Mensch ist, sondern darin, dass er nicht weiss, was er ist und was seine Essenz ausmacht.

Seine tiefste Torheit und sein zerstörerischster Irrtum sind, dass er sich nicht selbst erforscht.

34.

Dem Wesen nach ist der Mensch die Wahrheit, und die Wahrheit ist kein Ergebnis logischer Schlussfolgerungen, keine metaphysische Idee, kein moralisches Prinzip, kein unerforschliches Geheimnis und auch kein Problem, das gelöst werden muss.

Die Wahrheit ist das -tiefste Bewusstsein in uns, eine Wirklichkeit, die erfahren werden kann - ein Werden, ein Sein.

35.  

Als das eine Lebensprinzip belebt der Mensch die ganze Schöpfung, pulsiert in den Adern eines jeden Geschöpfs; als die Quelle des Lichts macht er Sonne und Mond zu dem, was sie sind; als unergründlicher und alldurchdringender Geist umfasst er die unendlichen Himmelsräume.

Er ist überall und für immer.

36.

Was ist es denn, was den Menschen so blind für seine eigene Wahrheit macht? Was bindet seinen unsterblichen Geist an diesen zerbrechlichen Körper? Was versperrt ihm die Strasse zum grenzenlosen Licht und der höchsten Wahrheit?

Nichts als die unsichtbaren und scheinbar so zarten Fäden - das Netz der Maya!

Nur in gewissen merkwürdigen Stimmungen, in Momenten der Meditation, in den Stunden der Selbstanalyse und Innenschau beobachtet der Mensch das Spiel der zwei Welten - der geistigen und der zeitlichen - auf der Bühne seines Herzens und gewahrt die Schleier, die seinen universalen Geist überschatten, die zarten Bande, die sein unendliches Selbst binden.

37.

Geistiges Streben (Sadhana) ist eine Anstrengung, um Gott zu verwirklichen. Es ist eine Bewegung gegen den Strom der Maya oder Illusion. Es zerreisst die Knoten der Täuschung und Verblendung.

Sadhana ist das völlige Aufgeben der niederen egoistischen Individualität um der höheren Freude des geistigen Reiches willen.

38.

Sadhana sollte im täglichen Leben praktiziert werden und nicht nur das: Jeder Akt des Menschen muss in eine geistige Anstrengung umgewandelt werden.

Es sollte keine Notwendigkeit bestehen, Dinge und Hand-lungen voneinander als entweder geistig oder materiell abzugrenzen.

39.

Alles in der Welt hat eine geistige Botschaft mitzuteilen.

40.

Das gewöhnliche Leben eines weltlich orientierten Menschen wird zu einem Schritt auf der Reise zum Unendlichen, sobald er sein Ego aufgibt und das universale Leben umarmt.

Das Leben auf der Erde ist die Zeit, die sich das Selbst nimmt, um den Menschen auf die göttliche Existenz vorzubereiten.

41.

Lass dein kleines Selbst sich auflösen, liefere es dem Göttlichen aus oder beachte es einfach nicht, und sofort wird es vom Grossen Wesen, dem Höchsten Herrn überflutet, die Grenzen deines menschlichen Wesens werden zerbrochen, und es geht von selbst in das All-Ganze ein.

42.

Weihe dich dem Ewigen Wesen. Denke an Gott und freue dich in Ihm. Du wirst beschützt sein. Es wird dir an nichts mangeln. Du wirst unsterblich werden. Du wirst in immer währendem Frieden und unendlicher, nie endender Freude leben.

 

43.

Es gibt eigentümliche Augenblicke im Leben, in denen wir unsanft geweckt und mit den ernsten Angelegenheiten der weltlichen Existenz konfrontiert werden, was die Kräfte unserer Vernunft im Nachdenken darüber aufs Äusserste anstrengt.

In einer solchen Stimmung vernunftmässiger Unterscheidung oder intensiven mentalen Suchens geschieht es, dass wir erkennen, dass das Leben Augenblick für Augenblick eine Reihe schwieriger Dilemmas für uns bereithält, dass es uns in ein Netzwerk monströser Pervertierungen und ein Labyrinth verblüffender Geschicke verstrickt. In solchen Momenten stellen wir uns erschrocken die Frage: "Wer bin ich? Was bedeuten diese anscheinend so soliden Phänomene um mich herum?"

Es geschieht in solch kritischen Momenten, dass Wissenschaft und Philosophie sich als unfähig erweisen, jene subtilen Probleme zu lösen, die aus dem tiefsten Bewusstsein in uns selbst geboren werden.

Hier eilt uns die Religion zu Hilfe und löst das Problem, indem sie unser Herz stärkt, uns ein ewiges Gut verspricht und uns den Weg dorthin zeigt. In solch schicksalhaften Krisen gibt uns die Religion allein eine neue Einstellung, mit deren Hilfe wir einen Weg aus der Sackgasse der menschlichen Natur finden können; eine neue Einsicht, die uns das Wesen, wenn nicht die Nicht-existenz der verwirrenden Rätsel des Lebens verstehen lässt; ein neues Herz, mit dem wir das Bewusstsein der absoluten Wahrheit erfühlen können; ein neues Leben, das in der vollkommenen Schönheit des universalen Hier und des immer währenden Jetzt ruht.

Ohne wahre Religion ist das Leben ein unerklärlicher Schatten, ein -bedeutungsloser Traum und ein verwickeltes Rätsel; mit Religion sind wir Götter mit unbegrenzter Kraft und atmen ewigen Frieden.

Das ist so, weil die Religion wie nichts anderes uns die Fähigkeit verleiht, den letzten Zweck hinter all unseren Aktivitäten zu erkennen sowie die spirituelle Bedeutung und die Notwendigkeit all der Tragikomödien der menschlichen Existenz.

In anderen Worten:

Was erreicht werden muss, ist die Wahrnehmung der vitalen Harmonie, die aller scheinbaren Disharmonie zugrunde liegt, die Erkenntnis der Einheit hinter der scheinbaren Verschiedenheit, das Wissen, dass der Eine in allem ist und alle in dem Einen sind.

Religion besteht nicht im blossen Besuch von Kirchen und Tempeln; sie setzt sich auch nicht zusammen aus unvernünftigen Dogmas und falsch verstandenen Ritualen. Vielmehr ist sie eine Bewegung des Individuums hin zum Tempel Gottes in den Herzen aller, eine Verehrung des Göttlichen Geistes.

Religion ist wirkliche Frömmigkeit in der Praxis, die Manifestation der Gottheit im Menschen, das Verstehen der Anwesenheit Gottes im Menschen und der Existenz des Menschen in Gott, die Einstimmung des Individuums auf das Unendliche.

Das äussere Leben ist ein flüchtiger Traum,

gleich einer Dichtung;

wie eine Geschichte auf Wasser geschrieben,

wie eine Wolke die bald zerstiebt;

es hat keine Existenz in sich selbst,

es ist nicht von Bestand.

Was allein unvergänglich ist,

ist die Existenz des Göttlichen,

das unendliche Licht, die unbegrenzte Liebe. 

Swami Omkarananda

 

 

Der liebende Weise erkennt jene Wirklichkeit (Tat Sat),

die im Geheimnis verborgen liegt,

in der das Universum sein einziges Zuhause findet.

In Diesem (Tat Sat) vereinigt sich alles,

und aus Diesem (Tat Sat) kommt alles hervor.

Das alldurchdringende Eine ist die Substanz

in den erschaffenen Dingen.

Yajur Veda

 

Das menschliche Leben ist ein zusammengesetztes Kontinuum von wechselnden Phasen des Bewusstseins, von unterschiedlichen Gedankenprozessen. Das Leben des Menschen umfasst einige Glieder in der langen Kette der Evolution, einige Sprossen in der hohen Leiter der Evolution. Es ist eine Reihe von Zuständen, Entwicklungen, Ereignissen, die immer über sich selbst hinausreichen und auf etwas Entfernteres, Weiteres und doch Unerreichtes hinweisen.

Das Leben ist deshalb eine stets zunehmende Organisation des Bewusstseins, niemals in sich selbst ruhend, niemals zufrieden, sondern immer darauf hoffend, in einem Seinszustand vollendet zu werden, der sich in der gegenwärtigen Erfahrung des Individuums schwach widerspiegelt.

Jeder Erfahrungszustand scheint wirklich und vollständig zu sein, wenn es sich um denjenigen handelt, der unmittelbar über dem augenblicklich direkt im Bewusstsein erfahrenen liegt. Der gleiche Zustand offenbart jedoch seinen unbefriedigenden Charakter, wenn er selbst zum Inhalt der unmittelbaren Erfahrung wird.

Unerreichte Ziele scheinen Erfüllung und Vollkommenheit zu versprechen, werden aber Fingerzeige auf andere unerreichte Zustände, wenn sie tatsächlich erfahren werden. Das zeigt, dass das Leben nur ein Schritt, eine Stufe, ein Mittel ist, nicht das letzte Ziel, die Bestimmung oder das Ende des Strebens.

Jeder niedrigere Zustand des Lebens erscheint von einem höheren Zustand aus unwirklich, obwohl kein Zustand vom Standpunkt seiner eigenen vorübergehenden Existenz aus unwirklich ist.

Obwohl alle Stadien in einem gewissen Sinn wirklich sind, haben sie verschiedene Werte, und deshalb müssen wir Grade an Wirklichkeit zugeben. Der höhere Zustand schliesst den niedrigeren ein und transzendiert ihn. Der höhere ist die Erfüllung des niedrigeren. Das Gefühl der Befriedigung ist im höheren stärker als im niedrigeren.

Das Ziel des Lebens ist deshalb, im unmittelbaren Bewusstsein den höchsten Zustand der Wirklichkeit, die letzte Wirklichkeit nämlich, zu erfahren, wo alles Streben seine Erfüllung findet und der höchste Zweck des Lebens seine Verwirklichung erlangt.

Philosophie beginnt mit der Erkenntnis der Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Zustands des Lebens. Sie ist das Ergebnis der Entdeckung, dass etwas jenseits des menschlichen Lebens existiert. Unzufriedenheit mit dem, was sich dem empirischen Bewusstsein darbietet, ist die Quelle aller Spekulation und spirituellen Anstrengung. Die zur Verwirklichung dieses höchsten Seinszustands angewandte Methode hängt von der Vorstellung ab, die man von diesem Höchsten hat. Die Vorstellung von der Wirklichkeit ist eine Form des mentalen Bewusstseins, objektiviert als Vervollständigung der subjektiven Notwendigkeit, die dem in den Tiefen des Individuums gefühlten Grad der Unvollständigkeit entspricht. Somit unterscheiden sich die Vorstellungen vom Wesen der Wirklichkeit zwangsläufig, entsprechend der Intensität der von verschiedenen Individuen gefühlten Grade von Unzufriedenheit.

Wir müssen deshalb die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der Wirklichkeit bedenken, die direkt die Methoden der Annäherung an dieselbe beeinflussen.

Existenz und Wert 

Das Problem der Wirklichkeit hat einen direkten Bezug zu dem der Existenz und des Wertes. Existenz ist das, was von allem anderen unabhängig ist, sich von Beziehungen jeder Art unterscheidet.

Wert ist das Wesen der Existenz, sobald sie zu einem wahrnehmenden Subjekt in Beziehung steht. Es ist die Art, auf die eine äussere Existenz zum Inhalt eines inneren Bewusstseins wird.

Ein Objekt als etwas Erkanntes oder Wahrgenommenes stellt deshalb einen Wert dar, und nicht die Existenz als solche. Aber das wahre Wesen des Objekts, solange es nicht zu einem Erkennenden in Beziehung steht, ist Existenz.

Das Problem der Wahrnehmung schliesst die Bestimmung des Wesens von Existenz und Wert mit ein; denn darauf beruht der Wert der wahrnehmenden Erkenntnis.

Was nehmen wir wirklich wahr? Ist es nur eine Illusion oder ein Irrtum oder ist es eine Tatsache in sich selbst? Nehmen wir durch die Sinneswahrnehmung nur ein Phantom wahr oder haben wir eine wirkliche und echte Erkenntnis von irgendetwas, das wahrhaftig existiert? Das Erforschen dieses Phänomens der Beziehung zwischen Existenz und Wert, zwischen Wahrheit und Irrtum führt uns zu verschiedenen metaphysischen und erkenntnistheoretischen Spekulationen.

Jenes Gedankensystem, das aus der direkten und vielseitigen Erfahrung des Göttlichen geboren ist, verbindet alle empirischen Ansichten der Wirklichkeit, taucht tief in die Erfahrungstatsachen ein und verkündet, was am massgebendsten und direktesten ist und in Harmonie mit den verschiedenen Phänomenen des Universums und des Individuums steht.

Um den exakten Wert der philosophischen Position und der Aussagen einer solchen göttlichen Erfahrung zu verstehen, beginnen wir am besten mit den frühesten Anschauungen jener, die sich auf das verlassen haben, was an der Oberfläche der menschlichen Erfahrung sichtbar wird.

Naiver Realismus

Es gibt eine Theorie, die allgemein als Naiver Realismus bezeichnet wird. Nach dieser Theorie ist das durch die Sinne Wahrgenommene das wahre Wesen des so wahrgenommenen Objekts. Das durch die Erfahrung Gegebene ist identisch mit der Realität, die sich dem wahrnehmenden Bewusstsein in der Form äusserlicher Objekte zeigt. Es besteht kein Unterschied zwischen dem Objekt, wie es wahrgenommen wird und dem Objekt, wie es in sich selbst ist. Das Universum der objektiven Wahrnehmung ist in genau der Form wirklich, in der es durch die Sinne erfahren wird. Das Universum ist seinem Wesen nach materiell, verschieden in der Form, und selbst der Geist, der der Wahrnehmende ist, ist eine Art Modifikation der kosmischen Materie. Das ist, in anderen Worten, die materialistische Sicht der Wirklichkeit.

Die grosse Schwäche dieser Anschauung liegt darin, dass sie die Tatsache einer fehlerhaften Wahrnehmung nicht erklären kann.

Was heisst irrtümliche Erkenntnis? Was ist die Bedeutung einer falschen Wahrnehmung? Wie kommt es, dass wir manchmal nicht in der Lage sind, die Dinge so zu erkennen, wie sie sind, sondern uns gezwungen sehen, ein Phantom für das Gegebene der Erfahrung zu halten? Wie kann die Wahrnehmung von Wasser in einer Fata Morgana erklärt werden, wenn das, was durch die Sinne erfahren wird, identisch ist mit dem, was tatsächlich äusserlich in der Welt existiert?

Die Theorie, dass die Wirklichkeit materiell und so beschaffen ist, wie sie individuell erfahren wird, ist aus verschiedenen Gründen unhaltbar.

Das, was wirklich materiell ist, kann nicht in unser Bewusstsein assimiliert werden, und was nicht assimiliert ist, kann vom Bewusstsein nicht erkannt werden und zwar aufgrund eines ewigen Abgrunds zwischen dem Erfahrenden und dem Erfahrenen.

Wenn Geist und Bewusstsein Produkte der Materie sind, dann müssen sie der Materie inhärent sein. Was nicht in der einen oder anderen Form in der Ursache befindlich ist, kann nicht als Wirkung hervorgebracht werden.

Wenn die Ursache die Materie wäre, wäre die Wirkung ebenfalls Materie. Wenn Geist und Bewusstsein Erfahrungstatsachen sind, und wenn man sie als Wirkungen ansieht, dann müssen sie auch eine bewusste Ursache haben. Wie kann etwas aus nichts entstehen?

Der Versuch, den gesamten individuellen Erfahrenden in einem materiellen Universum aufgehen zu lassen, muss fehlschlagen. Erkenntnistheoretisch und metaphysisch wird die Theorie des Naiven Realismus aufgrund ihrer Unfähigkeit, die Tatsachen des Bewusstseins und der Erfahrung von Materie durch das Bewusstsein zu erklären, als unbefriedigend befunden.

Was ist die Beziehung zwischen dem erfahrenen Objekt und dem erfahrenden Bewusstsein? Wenn wir als gegeben annehmen, dass das Objekt materiell und verschieden vom Bewusstsein ist, werden wir verpflichtet sein, in den Abgrund eines nie endenden Unterschieds zwischen dem in der Erfahrung Gegebenen und dem Erfahrenden zu fallen. Was ist es, das zwischen dem Erfahrenden und dem Erfahrenen existiert? Dem groben Realismus nach kann es sich dabei weder um Materie noch um Bewusstsein handeln. Denn, wenn die Beziehung materiell wäre, wäre sie ununterscheidbar vom Objekt. Ist sie aber bewusst, kann sie nicht vom subjektiven Erfahrenden getrennt werden. Ist sie weder das eine noch das andere, bleibt die Beziehung unerklärt, ausser es wird ein rein willkürlicher und unbewiesener Stoff als Erklärung dafür vorgebracht. Sind Subjekt und Objekt völlig voneinander verschieden, kann keine Erkenntnis stattfinden, noch kann gesagt werden, dass Subjekt und Objekt von identischer Natur seien und diese Natur materiell wäre; denn, da Materialität nicht das Gleiche ist wie Bewusstsein, kann keinerlei Erfassen von irgendwas stattfinden, wenn der Erfahrende seiner Natur nach ebenfalls materiell wäre. Materie ist unbewusst und kann nichts erkennen.

Naiver Idealismus

Es gibt eine andere Theorie von der Realität, die unter dem Namen Naiver Idealismus bekannt ist. Dieser vertritt die Auffassung, dass das, was erfahren wird, dasselbe ist wie das Wirkliche, und dass dieses Wirkliche identisch ist mit der Idee vom individuellen Subjekt. Das ist gleichbedeutend mit einem Aufgehen des ganzen Kosmos in der Idee oder dem Bewusstsein des Individuums. Die ganze Substanz der Erde und des Himmels ist meine Idee; ihr seid alle in meiner Vorstellung oder Idee enthalten. Die Welt ist eine Projektion des erfahrenden Subjekts.

Diese Auffassung ist ganz gut, soweit sie auf die privaten Reaktionen, die das Subjekt manifestiert, beschränkt ist, die in Übereinstimmung mit den Interessen sind, die das Subjekt aufgrund des Wirkens verschiedener Arten von Wünschen und Eindrücken hegt, die in ihm selbst eingebettet sind.

Aber wenn diese Theorie als eine metaphysische genommen wird, das heisst als eine Theorie von der Wirklichkeit, dann fällt sie in sich zusammen. Man kann nicht behaupten, dass ein Individuum äussere Objekte wahrnehmen kann, wenn es aussen überhaupt nichts in Form irgendwelcher Grade von Wirklichkeit gibt. Es kann nicht einmal die Erscheinung eines Aussen geben, wenn für diese Erscheinung keine Grundlage existiert. Erscheinung setzt Wirklichkeit voraus.

Weiterhin ist es nicht wahr, dass der individuelle Erfahrende volle Kontrolle über das hat, was er aussen als Universum erfährt. Die Erfahrung zeigt, dass das Individuum des Wissens über das weite Universum und der Macht über dieses beraubt ist, und dass andere Individuen im Universum dem, der diese anderen erfährt, in keiner Weise unterlegen sind, so weit es den Wert ihrer eigenen Existenz angeht. Alles innerhalb einer besonderen Ebene existiert im gleichen Grad von Wirklichkeit. Wäre dem nicht so, könnte es keine Subjekt-Objekt-Beziehung geben. Wenn das Subjekt wirklicher ist als das Objekt, kann keine Interaktion zwischen den beiden stattfinden und somit auch keine Erkenntnis.

Das beweist, dass das äussere Universum dem Individuum nicht untergeordnet ist. Wirklichkeit und Wert des Universums sind unabhängig eine Tatsache, die kein Individuum verleugnen kann. Der Erkennende und das Erkannte haben auf einer parallelen Grundlage denselben Status. Es gibt zwischen dem Erfahrenden und dem Erfahrenen keinen Unterschied im Grad der Wirklichkeit. Die Theorie des Naiven Idealismus ist somit nicht haltbar.

Kritischer Realismus

Die Theorie des Kritischen Realismus besagt, dass die Wahrnehmung des Individuums neutral ist, und das wirkliche Objekt, das sich der Erfahrung darbietet, von seiner Wahrnehmung verschieden ist. Das in der Erfahrung durch die Sinne Gegebene ist an Qualität und Realität verschieden vom wahren Objekt, das sich im äusseren Universum befindet. Es gibt also einen Dualismus zwischen der eigentlichen Erfahrung der Sinne und der Wirklichkeit hinter der Sinneserfahrung.

Es gibt hier ein so genanntes Universum des Subjekts und ein Universum, das unabhängig von der Erfahrung des Individuums besteht. Die Wirklichkeit wird nicht mit den Sinnen erkannt. Was erkannt wird, ist die persönliche Angelegenheit der Individuen, aber was tatsächlich im Universum existiert, ist etwas ganz anderes. Die Wirklichkeit kann deshalb nicht mit den Mitteln des Individuums erkannt werden. Es liegt hier eine erkenntnistheoretische Dreiheit vor, das heisst das Subjekt, das Objekt und der Vorgang des Erkennens und Erfahrens, und hinzu kommt ein metaphysischer Indeterminismus. Es gibt einige, die das Wirkliche mit dem Material in der Natur gleichsetzen. Dass die metaphysische Wirklichkeit nicht Materie sein kann, wurde bereits bewiesen.

 

Objektiver Idealismus

Der Objektive Idealismus ist ein erkenntnistheoretischer Dualismus und unterscheidet sich vom Kritischen Realismus dadurch, dass er einen kosmischen Geist oder kosmischen Gedanken als wahres Objekt (nicht Subjekt!) der Erfahrung ansieht. Dieser universelle Geist ist vom Geist der Individuen unabhängig.

Empirische Wahrnehmung ist die Form, die vom subjektiven Bewusstsein verwendet wird, aber die Wirklichkeit hinter dieser Wahrnehmung ist der universelle Geist. Das Wesen des universellen Geistes kann durch individuelle Wahrnehmung nicht erkannt werden. Es ist notwendig, dass das Individuum sein Bewusstsein zur Universalität ausdehnt, damit es fähig ist, die Wirklichkeit zu erfahren.

Gott, das Universum und das Individuum 

Diese Betrachtungen führen uns zum Problem der Beziehung zwischen Gott, dem Universum und dem Individuum.

Alle Schlussfolgerungsprozesse entstammen der Erfahrung der Erfahrung des individuellen Selbst. "Ich bin" diese Erfahrung bedarf keines anderen Beweises als der direkten Erfahrung selbst. Sie ist selbstverständlich.

Alle Beweise ergeben und entwickeln sich aus dieser unzweifelhaften Tatsache. Das Bewusstsein meiner Existenz als ein Individuum ruft sofort in meiner Vorstellung die Existenz anderer Individuen in einem äusseren Universum hervor. "Ich bin" bedeutet: "Du bist auch", was heisst, die Welt existiert auch. Die Existenz der Welt ist das Korrelat meiner Existenz als Individuum. Es kann kein Subjekt ohne ein Objekt der Erfahrung geben. Die Welt ist die notwendige Implikation des Individuums.

Aber diese uns bekannte Position des Individuums und der Welt erklärt nicht alle Angelegenheiten, die sich aus ihr ergeben. Denkende, der Reflexion fähige Wesen sind begierig darauf, die Beziehung zwischen der Welt und dem Individuum zu ergründen.

Was ist die Ursache dieser Welt? Wie bin ich mit allem anderen in dieser Welt verbunden? Was ist meine Pflicht hier? Fragen dieser Arten steigen in verschiedenen Personen auf. Und diese Fragen können durch nichts beantwortet werden, was Inhalt der Sinneserfahrung ist. Doch ist die Notwendigkeit einer Lösung der Schwierigkeiten, die sich aus der Erscheinung der Welt und des Individuums erheben, dringend.

Diese Lösung kann durch eine Synthese erlangt werden, die durch das tiefere, in der gewöhnlichen Erfahrung implizierte Bewusstsein erfolgt jenes Bewusstsein, das in solch höheren Betrachtungen zum direkten Erfahrenden wird.

Das Glied zwischen der Welt und dem Individuum sollte entweder von der Natur des Objekts oder der des Subjekts sein. Das objektive Universum wird als materiell erfahren, und wenn diese Materialität als vom Wesen der Beziehung zwischen der Welt und dem Individuum betrachtet wird, dann wäre diese Beziehungssituation nur gerade ein Teil unter den zahllosen Teilen, aus denen sich das Universum zusammensetzt. Sie wäre ein Teil des Universums oder in anderen Worten: so etwas wie eine Beziehung würde es gar nicht geben.

Gleichzeitig aber sollte einen der Eifer, mit dem man das Universum als mit dem erfahrenden Bewusstsein identisch seiend betrachtet, nicht zum Positiven Idealismus führen; denn die Mängel dieser Anschauung wurden schon erwähnt.

Irgendwie lässt uns etwas fühlen, dass diese Beziehung eine bewusste sein sollte, und doch kann sie nicht identisch mit dem subjektiven Bewusstsein sein.

Die Beziehung zwischen zwei Dingen kann nicht eines der beiden sein. Es muss etwas Drittes hinzukommen, denn sonst gäbe es keine Wahrnehmung eines Unterschieds.

Unterschied ist eine dritte Kategorie, und doch kann dieser Unterschied ohne eine zugrunde liegende Einheit zwischen dem Erkennenden und dem Erkannten nicht wahrgenommen werden.

Absolut nicht in Beziehung zueinander stehende Dinge können sich nicht gegenseitig ergänzen.

Die höhere Synthese, die im Bewusstsein liegt, sollte deshalb die empirische Unterscheidung zwischen Subjekt und Objekt transzendieren. Die Welt und das Individuum sollten in diesem höheren Bewusstsein eingeschlossen sein, und doch sollte keines von beiden dadurch seine Eigenart verlieren. Wenn wir fähig sind, diese universelle, bewusste Beziehung zwischen der Welt und dem Individuum zu beweisen, dann haben wir damit die Existenz Gottes bewiesen.

Gott ist das notwendige Postulat, das allein das wahre Wesen der verschiedenen Phänomene des Universums erklären kann.

Die Ordnung, das System, die Regelmässigkeit und Harmonie des Universums können keine angemessene Erklärung finden, ohne dieses allumfassende Wesen vorauszusetzen, das wir Gott nennen. Es ist unerheblich, mit welchem Namen wir dieses Wesen nennen, aber wir müssen seine Existenz zugeben, um in unserer Erklärung der im Universum herrschenden inneren Übereinstimmung konsequent zu sein. Unsere tiefste Wirklichkeit ist ein unwiderlegbares Bewusstsein, das sich in jeder unserer Anstrengungen, Erfahrung zu erklären, geltend macht sei diese Erfahrung nun subjektiv oder objektiv.

Ohne Bewusstsein kann es weder ein Universum noch ein Individuum geben. Nichts kann ohne Bewusstsein existieren. Wert und Existenz lösen sich in nichts auf, wenn das Bewusstsein aus dem Gebiet der Erfahrung verbannt wird. Höchste Intelligenz oder Bewusstsein muss gleichgesetzt werden mit dem souveränen Herrscher des Universums mit Gott.

 
In jedem Zustand unseres Lebens

kann Gott sich offenbaren,

jede Lebenslage kann zur heiligsten werden,

zum Weg, der uns in das Erleben der Gemeinschaft mit der erhabensten Schönheit,

dem höchsten Schatz führt.

Bedenke ständig dies eine:

Du bist das unendliche Sein,

das die Rolle einer endlichen Wesenheit spielt.

Swami Omkarananda

 

Du kannst die griechische und die deutsche Philosophiegeschichte durchsehen, kannst Plato, Aristoteles, Kant und Hegel lesen und wirst überall Bezugnahmen auf die höchste Wahrheit finden. Sie alle sprechen von der Wahrheit, doch keiner sagt dir, wie sich diese Wahrheit letztlich auch in Erfahrung bringen lässt. Keiner zeigt dir, auf welche Weise die Wahrheit unmittelbar bei dir zugegen ist und wahrgenommen werden kann, wie man mit ihr sprechen und leben kann. Geistesmenschen machen die Wahrheitserfahrung möglich. Sie leben in dieser Wahrheit, statt nur darüber zu philosophieren und nachzudenken. Deshalb ist bei ihnen alles klar und deutlich. Die unerreichbare Wahrheit wird in ihrer Anwesenheit erreichbar. Die unsichtbare Wahrheit wird in ihrer Gegenwart sichtbar. Die zeitlosabsolute unendliche Wahrheit wird in ihrer Gegenwart zur Person.

Üblicherweise denkt man auf dieser Welt: "Wenn ich eine bessere Gesundheit hätte, dann wäre ich glücklich. Wenn ich mehr Geld hätte, dann hätte ich nicht solche Schwierigkeiten. Wenn ich mehr gute Freunde hätte, dann käme ich besser über die schlechten Zeiten hinweg. Wenn ich ein eigenes Haus hätte, dann wäre ich meine finanziellen Probleme los."

So denken die Menschen auf dieser Welt. Man verlässt sich auf dieses und auf jenes, um seine Zukunft abzusichern und um glücklich und friedlich leben zu können. Immer meint man, die Umstände und Personen oder das noch zu erwerbende Gut würden es ausmachen. Doch leider sind die meisten Freunde nicht da, wenn es einem schlecht geht.

So lange alles zum Besten steht, man selbst gesund ist und über die nötigen Mittel verfügt, sind die Freunde da, doch wenn man alt und krank wird, mittellos dasitzt und womöglich geistig schon geschwächt ist, will keiner mehr etwas von einem wissen. Dann will man dich eher loswerden.

Darum ist es besser, sich gar nicht erst auf Freunde zu stützen, und auch nicht auf die Umstände, die sich doch einmal ändern. Das geistige Herz verlässt sich einzig auf Gottes Hilfe, nicht auf Vater und Mutter, Geschwister oder Freunde, die dir deine Schmerzen doch nicht abnehmen können. Sie folgen dir auch nicht in den Tod. Dazu ist einzig und allein das Göttliche in der Lage. Wenn du Hilfe am nötigsten hast, lässt dich die Welt, lassen dich Menschen und Umstände im Stich. Auch Vater und Mutter können dir nicht immer helfen, denn sie sind in ihrem Wissen und Können begrenzt und müssen dir so manche Antwort schuldig bleiben. Auch sind sie selbst dem Tod unterworfen und können dir den Tod nicht ersparen. Sie sind ja selbst auch nicht vollkommen, sondern mit Schwächen behaftet und daher auch nicht immer voll innerer Ruhe, Frieden und Freude.

Nur die allgegenwärtige, allwissende, allmächtige göttliche Wirklichkeit voller Schönheit und Fülle kann dir wirklich helfen. Deshalb wendet sich der Weise mit Hilfe des Mantras dem Göttlichen zu.

 

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