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ZWEIMONATLICH

Jahr 39

OFFIZIELLES ORGAN DES
DIVINE LIGHT ZENTRUMS
8400 WINTERTHUR SCHWEIZ


Aktuelle Ausgabe

Mai/Juni 2004

 

INHALT

Swami Omkarananda:

Jnana - Wahre Erkenntnis Teil III

Die Wissenschaft vom Selbst

Die Wissenschaft vom Selbst ist die höchste Wissenschaft,
die Wissenschaft aller Wissenschaften

Die Natur der Welt, in der wir leben

Einheit und Existenz

Das Wesen des Menschen und sein Platz im Plan der Schöpfung

 

Eine tiefere Prüfung oder Analyse der Natur der Begrenzungen, über die sich der gewöhnliche Mensch beschwert, offenbart die fast vollkommene Bedeutungslosigkeit der Klagen, die er vorbringt. In dem Augenblick, in dem der gewöhnliche Mensch dem Vorbild eines geistigen Menschen zu folgen versucht, entdeckt er, dass das Leben gar nicht so unvollkommen, unglücklich und vom Tode beherrscht ist, wie er immer dachte; und alles was ihn früher geplagt hat - die Sorgen, Schwächen, Begrenzungen, Krankheiten, das Elend und der Tod - hören auf, in seinem Leben eine wirksame Rolle zu spielen. Er beginnt zu sehen, zu verstehen und erhebt sein Bewusstsein und Gewahrsein über die Begrenzungen, in die er sich selbst gehüllt hat. Er beginnt die unendliche göttliche Gegenwart und Macht zu entdecken, zu erfahren und zu verstehen. Er begreift, dass im Zentrum des Lebens und überall nichts anderes ist als das unendliche, unsichtbare göttliche Bewusstsein.
Swami Omkarananda

Jnana - Wahre Erkenntnis

Teil III

Wenn das Gewahrsein der allsehenden, allbewussten und vollkommenen Gottheit im Menschen aufdämmert und immer klarer wird, erreicht der Mensch größeren Frieden, größere Freude, größere Stärke und Weisheit. Und wenn er von da an weitergeht und sich, anstatt in Begrenzungen, in das Bewusstsein der göttlichen Gegenwart in sich und um sich herum hüllt, wenn sich dieses Wissen, dieses Gefühl, dieses Gewahrsein der Gottheit vertieft und soweit heranwächst, dass der Unterschied zwischen dem Menschen und Gott gänzlich verschwindet - von da an ist der gewöhnliche Mensch nicht länger ein gewöhnlicher Mensch. Der Mensch, der mit seiner Geschichte von Leiden und Sorgen kam, ist jetzt ein völlig anderer, ein neugeborener Mensch.

Die Suche nach Selbsterkenntnis ist universal

Selbsterkenntnis ist das grundlegende Wesensmerkmal des Bewusstseins, des Lebens und aller Existenz. Erkenntnis ist das Höchste in der Welt. Sie tilgt die Unwissenheit, die aus vielen Formen von Begrenzungen besteht. Es gibt keine größere Dunkelheit als die Unwissenheit über unsere Beziehungen zum Schöpfer - zur letzten Ursache. All unsere Probleme, unser Leiden, unser Kummer und unsere Sorgen entstehen aus einem inneren Mangel an Erkenntnis dieses allgegenwärtigen, allmächtigen und allwissenden Seins.

Eingefangen im Spiel unberechenbarer Kräfte, wird der Mensch mit verwirrenden Phänomenen konfrontiert und ringt darum, sie zu verstehen und zu überwinden. In diesem unaufhörlichen Lebensdrama sucht er im Grund nur ein Ziel, nämlich Glücklichsein und Befreiung aus seinen Begrenzungen.

Selbsterkenntnis stellt die erfolgreichste und zugleich höchst rationale Lösung dieses zweifachen Problems von Suchen und Ringen dar; dieses Problem ist es auch, das den Menschen unweigerlich auf die Suche nach dem Ideal schickt; denn es setzt ihn unter Druck und hilft ihm dadurch indirekt, Meisterschaft über alle Kräfte zu erlangen, die ihn an der großen Suche zu hindern versuchen.

Je früher wir die Wahrheit erkennen, dass das Göttliche oder das Selbst das zentrale Bewusstsein unseres inneren Wesens, die wahre Substanz unseres inneren Lebens ist, und dass unsere Rettung im täglichen Leben in der bewussten Wahrnehmung dieser göttlichen Gegenwart liegt, desto besser für uns. Das Ausmaß unseres wahren, dauernden Friedens und Glücks, die Macht unserer Güte, die allumfassende Kraft unserer Liebe, der Grad an Weisheit, Größe, an fruchtbringendem Reichtum und pulsierender Freude unseres Lebens beruhen auf dem Grad unseres bewussten Gewahrseins Gottes oder des Unendlichen im täglichen Leben.

Im grenzenlosen und unendlichen Frieden der Gottheit verankert, eins zu sein mit dem göttlichen Selbst, noch während wir hier auf Erden leben, eins zu sein mit der Gottheit in der ganzen Natur - dies ist unser Vorrecht, unsere Herrlichkeit und unsere Bestimmung.

Selbstverwirklichung zu erlangen - das ist unsere Bestimmung und unser Heil

Die alles absorbierende transzendente Erfahrung des göttlichen Selbst zu erlangen und damit eine weit reichende kreative Macht zu gewinnen und ein Erkennen, das alles erklärt und erleuchtet, jenen Frieden, der alles Verstehen übersteigt, jenes Leben, das immerwährend ist, jene unbegrenzbare Vollkommenheit, die von allem unabhängige, bedingungslose, tiefe Freude, das bewusste Erleben unserer Unsterblichkeit, Ewigkeit und Zeitlosigkeit bewusst zu erfahren - dazu sind wir geboren.

Die Wahrheit ist, dass der Mensch in Gott und Gott im Menschen verwurzelt ist.

Der Mensch kann keine Erfahrung Gottes haben, er sei denn in Gott; und Gott kann sich in der Welt nicht zum Ausdruck bringen, außer durch den Menschen. Beide bedingen einander, sind ineinander verflochten und miteinander verbunden. Es sind die zwei Seiten ein und derselben Münze.

Gleicherweise verhält es sich mit dem Leben: Das Leben ist verwurzelt in Gott, und Gott ist verwurzelt im Leben. Desgleichen die Welt: Die Welt ist verwurzelt in Gott, und Gott ist verwurzelt in der Welt. Dies zu erkennen, dazu sind wir geboren.

Selbsterkenntnis, Selbsterfahrung, Selbstverwirklichung stellen das höchste Ziel und die Erfüllung des menschlichen Lebens hier auf Erden dar. Der innere Drang im Menschen, sich selbst zu erkennen, sich über das, was er gegenwärtig ist, hinauszuentwickeln, der in seinem Inneren erfahrene Impuls, sich selbst zu transzendieren, der Hunger nach dem Wahren - dem Wahren, das die vielen, in alle Formen des empirischen Lebens einbezogenen Gegensätze aufhebt -, all das sind wesentliche Funktionen, verursacht und bestimmt durch den Genius der spirituellen Evolution, der die menschliche Existenz beseelt.

Die Erkenntnis des Selbst ist das Ziel der Evolution des Bewusstseins im Menschen. Selbsterkenntnis war von jeher das höchste und allumfassendste Ziel allen menschlichen Strebens, Denkens und Tuns.

Was ist dieses Selbst, und was ist die Bedeutung seiner Verwirklichung - das Selbst, das zu erkennen die griechische Kultur uns nahe legt, und das die indische Kultur zu verwirklichen uns auffordert? - Dieses Selbst ist nicht die kleine, äußere, körperliche Gestalt, nicht das Emotionale des mentalen Selbst, nicht unsere psychologische Persönlichkeit, nicht ein endliches, irrendes, fehlbares, menschliches Einzelwesen.

Dieses Selbst ist das unendliche Bewusstsein, das unsterbliche Prinzip, das Königreich des Himmels im Menschen. Es ist die Wahrheit aller Wahrheiten, Gott in uns, die höchste und letzte Wirklichkeit.

Darum meinen wir mit Selbstverwirklichung oder Selbsterkenntnis die Verwirklichung oder Erkenntnis dieser höchsten und erhabensten Wirklichkeit in uns, die Gott ist.

Jeder Mensch, der dieses göttliche Selbst erkennt, erkennt Gott, und wer das Selbst verwirklicht, verwirklicht Gott.

Selbstverwirklichung ist, vom Standpunkt spiritueller Erfahrung aus betrachtet, identisch mit dem "Erlangen der Vollkommenheit des Vaters im Himmel" und besteht in unserem innigen und dynamischen Einssein mit der höchsten Wirklichkeit, die Gott ist. Diese große Erkenntnis hat Sokrates dazu geführt, die Selbsterkenntnis zum führenden Prinzip seines bewussten Lebens, Strebens und seiner inneren Entfaltung zu machen.

Die Wissenschaften und die Wissenschaft vom Selbst

Unsere moderne Wissenschaft, wie vollkommen sie auch in ihren verschiedenen Fachgebieten sein mag, ist eine sich wandelnde Wissenschaft. Neue Wahrheiten tauchen auf, um alte Wahrheiten als Irrtümer zu erklären. Der von der Wissenschaft heute angehäufte Wissensbestand kann morgen von genau derselben Wissenschaft schon verworfen und als überholt erklärt werden. Die Wissenschaft von gestern ist nicht die Wissenschaft von heute. Wissenschaftliche Wahrheit von heute wird nicht mehr wissenschaftliche Wahrheit von morgen sein.

Wissenschaft beschäftigt sich mit erkannten Tatsachen und physikalischen Wirklichkeiten. Wahre Philosophie oder spirituelle Erkenntnis befasst sich mit höheren Tatsachen und mit den beseelenden Ursachen, mit der wahren Substanz der physikalischen Wirklichkeiten.

Diese höheren Tatsachen sind nur jenen mit besonderer geistiger Begabung versehenen Menschen bekannt. Es gibt eine Erkenntnis der sichtbaren Tatsachen durch die physischen Sinne, dann eine Erkenntnis der unsichtbaren Tatsachen durch die feineren Sinne der entwickelten Intelligenz und eine andere Erkenntnis durch die Fähigkeiten des höheren Bewusstseins in unserem Inneren.

Die Wissenschaft hilft uns auf eine großartige Weise, Satelliten oder Raketen zu konstruieren, jedoch gibt sie uns dadurch nicht die Möglichkeit, über Leid, Krankheit, Unglück und Tod zu triumphieren; dadurch können wir weder Harmonie schaffen noch wahre Schönheit gestalten, keine Weisheit und Liebe zum Ausdruck bringen, auch nicht die Welt bereichern, Zeit und Raum überwinden und uns unserer wahren Macht im Göttlichen erfreuen.

All das ist nur durch Selbsterkenntnis und Selbsterfahrung möglich. Wir leben durch das Unvergängliche. Wir sind verloren, wenn wir unser Leben auf dem Sand des Vergänglichen bauen. Die Wirkungen sind zerstörbar. Immer und ewig unzerstörbar und schöpferisch aber ist die letzte, die ursachelose Ursache.

Alle Wissenschaften der Welt befassen sich mit äußeren Dingen, mit Dingen, wie sie sich unseren begrenzten Sinnen und Erkenntnisinstrumenten darbieten.

Die Wissenschaft vom Selbst - das Wissen um das Göttliche, um die letzte Ursache - befasst sich allein mit dem Eigentlichen, mit den Dingen an sich, mit den Dingen, wie sie ihrem innersten Wesen nach sind, mit der Wirklichkeit in den Dingen, der unwandelbaren, erhaltenden Wahrheit hinter den Erscheinungen, mit dem, was war, ist und immer sein wird. Die Erkenntnis des Göttlichen als solche ist immer dieselbe, gestern, heute und morgen.

Daher ist jede Wissenschaft, die sich um diese höchste Wirklichkeit, um dieses unendliche, immanente und zugleich transzendente Sein oder Selbst zentriert, wahre Wissenschaft, wahre Erkenntnis. Wissenschaft befasst sich mit Wahrheiten, und Gott ist die Wahrheit der Wahrheiten. Wissenschaft befasst sich mit dem menschlichen Verhalten, und Gott ist das, was hinter dem menschlichen Verhalten steht. Wissenschaft untersucht die äußere Natur und die sichtbaren Aspekte des Universums. Gott ist das Wesen der Natur und das, was das Sichtbare möglich macht. Wissenschaft beschäftigt sich mit der Außenseite der Dinge, mit dem, was als vergängliches Phänomen in Erscheinung tritt, und Gott ist das, was alle Phänomene und Erscheinungen möglich macht.

Somit ist jede auf das Göttliche bezogene Erkenntnis allein wahre Wissenschaft. Um diese Wissenschaft als Grundlage müssen daher alle sonstigen Wissensgebiete aufgebaut werden, wenn sie eine sichere Basis haben und der Menschheit in einer Weise nützlich sein wollen, die im Einklang mit dem Genius der göttlichen Realität steht.

Wir erkennen durch das Allwissende. Wie umfassend unser Wissen auch sein mag, wir sind unwissend, wenn wir keine bewusste und lebendige Verbindung mit dem Allwissenden haben.

Da Gott uns nach seinem eigenen unzerstörbaren Ebenbild geformt hat und das Bewusstsein Gottes, dieses unbeschreibliche Sein, seine unbegrenzte Macht, sein Leben, sein Bewusstsein in das "Königreich des Himmels" in uns eingegossen hat, kann es keine Wissenschaft, kein Erkenntnissystem, keine Philosophie oder Ethik noch irgendein soziales Wirken geben, das größer wäre als jenes, das sich mit diesem zentralen Prinzip, diesem göttlichen Selbst in jedem von uns, befasst.

Diese Wissenschaft aller Wissenschaften ist das geistige Gerüst zur allerhöchsten Erkenntnis. Dies ist wahre Wissenschaft. Diesem Wissen allein sollte unser Streben, Forschen und Studium dienen. Das ist die einzige Wissenschaft, in der wir wahren Sinn, Wert und Lebensfreude finden können; und dieses Wissen ist es auch, das zahlreiche große Philosophien der Welt, Schulen höheren Denkens und religiöse Erkenntnissysteme angeregt hat.

Alle Wissenschaften sind Teilwissenschaften - sie befassen sich nur mit den Wirkungen und deren Ursachen

Allen Wissenschaften dient das äußere Universum als Grundlage für ihre Studien. Sie beschäftigen sich mit den Wirkungen, mit der Beobachtung und experimentellen Erforschung der Außenwelt. Somit handelt es sich um Teilwissenschaften, da sie nicht in das Wesen der eigentlichen innersten Ursache eindringen können. Ihre Arbeit beschränkt sich auf den einen oder anderen Aspekt des Phänomenalen, auf das äußerlich Wahrnehmbare der ewigen Wirklichkeit, das heißt auf Wirkungen, die in unterschiedlichen Abstufungen von Substanz und Funktion - Materie, Leben und Gemüt - von dieser ewigen Wahrheit abgeleitet sind. Der Wirklichkeitshintergrund entzieht sich immer dem Griff der Genies und der großen Denker, da er kein Objekt ist, das vom menschlichen Gemüt - dem begrenzten Intellekt - erfasst werden kann. Nur dasjenige im Menschen, das vom Wesen dieses Hintergrunds ist, kann ihn verstehen und erkennen.

Biologie begrenzt ihre Aufmerksamkeit auf das Verständnis von Lebenserscheinungen im physischen Bereich. Die Psychologie begrenzt ihre Forschung auf menschliches Verhalten und etwas, das sie Geist, Selbst, Seele oder psychologische Funktion nennt, ohne von dessen eigentlichem Urgrund irgendeine Kenntnis zu besitzen. Die Parapsychologie wurde vor kurzem erst geboren und bleibt im Allgemeinen eingefangen in die Untersuchung paranormaler Kräfte des menschlichen Gemüts, ohne eine Erkenntnis des wunderbaren Reichtums des höheren Bewusstseins im Menschen zu haben. Der Okkultismus befasst sich mit Aufsehen erregenden Kräften unseres inneren psychischen Wesens, ist aber auch abgetrennt von den Wundern, die in der Unendlichkeit des Selbst - dem Königreich endlosen Friedens, unendlicher Freude und Schönheit - in jedem Menschen verborgen sind. In der Welt des Okkulten und der Parapsychologie findet sich wenig, was von wirklichem Wert für die innere spirituelle Entfaltung und für das Erlangen der göttlichen Vollkommenheit sein könnte - der Vollkommenheit des Vaters im Himmel.

Eine Erforschung des übersinnlichen, parapsychologischen Bereichs ist indessen wesentlich, um die Begrenzungen des psychologischen Bereichs zu korrigieren und unsere Sicht über das hinaus auszuweiten, was unseren stumpfen Sinnen verschlossen ist. Das Übersinnliche hat seine ganz spezielle Rolle zu spielen, um die Illusionen jener zu zerstören, deren Denken ganz vom rein Materiellen und von der physikalischen Welt beherrscht und besessen ist.

Für den geistig Strebenden ist es jedoch nicht nötig, die Gedanken anderer Menschen zu lesen; es ist besser, ihn selbst zu fragen, was er denkt. Es ist auch nicht nötig, auf dem Wasser zu gehen; besser ist es, für wenig Geld ein Boot zu mieten. Es liegt auch keine Weisheit darin, durch die Luft fliegen zu wollen, wenn man ein Flugzeug nehmen kann, um in ferne Länder zu reisen. Welcher Natur die außergewöhnlichen Kräfte, die man gerne besitzen möchte, auch sein mögen, man wird durch sie in keiner Weise der Selbsterkenntnis, Selbsterfahrung und Selbstverwirklichung näher kommen.

Das Wesentliche für den geistig Strebenden ist es, jenes Selbst zu erkennen, wodurch alles andere erkannt wird; jene Macht zu besitzen, ohne die keine Macht auch nur irgendeine Existenz, irgendeinen Wert hat. Die Erkenntnis dieses Selbst, das göttlich, unsterblich, ewig, allmächtig, allvollkommen ist, liegt außerhalb des Bereichs jeder spezialisierten Forschung, Praktik und Zielsetzung.

Wir brauchen die höchste, die ewige, unfehlbare Wissenschaft 

Es besteht ein dringender Bedarf für die Wissenschaft des wahren Lebens, die Wissenschaft des Menschen, wie er an sich ist, die Wissenschaft des erfahrenden Subjekts.

Der Mensch ist in der Tat unwissend, wie groß auch sein Wissen über die Dinge der Außenwelt sein mag, solange ihm kein wirkliches Wissen über sich selbst, sein wahres Sein, die zentrale Wirklichkeit in sich selbst, das erfahrende Subjekt, das göttliche Selbst zuteil geworden ist. Jedes Erkenntnissystem, jede Wissenschaft, die sich mit einem tieferen Eindringen in das Wesen des göttlichen Selbst im Menschen befasst, ist eine wahrhaft große Wissenschaft. Sie gibt dem Menschen eine erlösende Erkenntnis und lässt ihn Gott ähnlich sein, nämlich göttlich im Wesen, im Charakter, in der Erkenntnis, im Frieden und in der Vollkommenheit. Wie Jesus Christus sagt: "Werdet so vollkommen, wie der Vater im Himmel vollkommen ist." Ein solches Erkenntnissystem, eine solche Wissenschaft allein würde im Einklang sein mit den zentralen Lehren der Bibel, den großen Werken unvergänglicher Offenbarung und höchster geistiger Erfahrung.

Welche große Macht belebte die Persönlichkeit Jesu Christi? - Weder waren es Bildung, hohe Kultur noch hohe Errungenschaften oder irgendeine besondere Wissenschaft, auch keine hohe soziale Stellung, nichts, was wir auf Erden hochschätzen, sondern beständiges Bewusstsein und Erfahrung der Anwesenheit des Vaters innen und außen, sowie der lebendige Ausdruck der Liebe und der Weisheit dieses Vaters in jeder Minute und Sekunde des täglichen Lebens. Das ist es, warum die Menschheit Ihn als Licht der Welt, als Erlöser und Retter verehren. In Ihm finden wir das leuchtende Beispiel der Selbstverwirklichung oder der Erfahrung Gottes in einem solchen Ausmaß, dass Er sagen konnte: "Ich und der Vater sind eins."

Jesus Christus ist eine bewusste Offenbarung Gottes, und seine Mission auf Erden bestand in der Erlösung des Menschen aus seiner menschlichen Begrenzung und der Befreiung des göttlichen Geistes in ihm zur Vollkommenheit des Vaters im Himmel. In seinem Erbarmen hat Er alle Menschen zum Teilhaben an den Schätzen und Herrlichkeiten des himmlischen Königreichs aufgerufen. Er hat sein Leben nicht nur vollendetem Dienen und höchster Entsagung geweiht, sondern lehrte uns auch durch das Wort seiner eigenen Weisheit, so vollkommen wie der Vater im Himmel zu sein. Er hat uns aufs Neue das Letzte und Höchste an menschlicher Weisheit gegeben, wenn er spricht: "Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles andere wird euch hinzugegeben werden."

Wie soll uns alles andere hinzugegeben werden? - Nur, wenn wir die höchste Realität, die Gott ist, suchen. Wenn wir den Ozean wählen oder gewinnen, wird uns all das, was im Ozean ist, dazugegeben. Nur wenn wir einen Garten wählen, statt hie und da eine Frucht oder Blume zu pflücken, werden uns alle Blumen, Früchte, Pflanzen und Bäume dazugegeben.

Wenn wir den Schöpfer wählen, wird uns die ganze Schöpfung, die ja in Ihm ist, werden uns Millionen anderer wunderbarer Dinge, die in Ihm sind, hinzugefügt. Das menschliche Gemüt stellt nur eine unter Millionen von Möglichkeiten dar, die dieses allwunderbare Königreich des göttlichen Selbst oder Bewusstseins offenbart. Unser Gemüt vermag einen kleinen Himmel oder eine große Hölle zu schaffen, während das göttliche Selbst in uns die Unendlichkeit an Licht, Liebe, Frieden, Freude, schöpferischer Schönheit, an unendlichem Leben und die Totalität des allvollkommenen Königreichs des Himmels ist. Erkenne das, und du erkennst das universale Prinzip, mit dem, durch das und in dem alles offenbar wird.

Der Schüler der integralen Wissenschaft erfährt die Welt, indem er die Wahrheit in ihr erfährt, die alles erhaltende Existenz in ihr, die alles hervorbringende, unendliche Bewusstseinskraft, Gott in ihr. Darum ist für ihn alles schön auf der Welt. Sogar die abgefallenen Äste sind ihm eine Freude, weil er weiß, dass es keine Zerstörung gibt, dass sich alles nur in einem Umwandlungsprozess befindet. In diesem Umwandlungsprozess ist das Göttliche überaus sichtbar.

Einem der integralen Wissenschaft ergebenen Menschen ist alles heilig. Kein Teil des Lebens ist vom anderen getrennt, und in keinem Teil des Lebens sieht er eine Unvollkommenheit, eine Dunkelheit oder ein Unglück, denn jeder Teil des Lebens wird emporgehoben, veredelt, beseelt, strahlend und lichtvoll gemacht. Der Schüler der integralen Wissenschaft erfährt sich selbst durch die Erfahrung der Wahrheit, durch die Erfahrung des Selbst - des höchsten Bewusstseins - in seinem Inneren; und dieses zu erkennen heißt, die Quelle des Geistes, den Ursprung der Welt, des Lebens, des ganzen Kosmos - die Quelle von allem - zu erkennen.

Im Bereich dieses göttlichen Bewusstseins ist Erkennen Sein und Sein ist Haben. Erkennen ist Haben. Das Reich des Göttlichen zu erkennen heißt, Es zu besitzen.

Erkenne das Selbst. Suche zuerst das Königreich Gottes. Sei so vollkommen wie der Vater im Himmel. Verwirkliche das Göttliche in dir und überall und du besitzt die Macht aller Mächte. Verwirkliche jenes Leben, welches das Leben allen Lebens ist. Erkenne jene Wahrheit, die die Wahrheit aller Wahrheiten ist. Erfahre jenes Licht, das die Sonne, den Mond, die Sterne leuchten lässt, das Licht, das ewig ist, das Licht, das hinter und jenseits der Energie steht, auf welche die Wissenschaft das Phänomen des Universums reduziert.

Die große Mission unseres Lebens im Bereich des Wachstums und der Evolution ist hier auf Erden

Die Grundfrage der göttlichen Wissenschaft befasst sich mit dem eigentlichen Erfahrenden, dem wahren Erkennenden, dem wahren Sehenden. Der Wissenschaftler erforscht die Natur. Der Schüler der integralen Wissenschaft versucht den Wissenschaftler selbst zu erforschen. Der Forschende in der göttlichen Wissenschaft ist die eigentliche Intelligenz oder das Bewusstsein im Menschen. Diese Intelligenz fragt: "Was ist diese Intelligenz im Wissenschaftler, die in die Geheimnisse der Natur einzudringen versucht? Was ist diese entdeckende Intelligenz im Entdecker? Was ist dieses denkende Prinzip in allen denkenden Menschen?" - Den Erkennenden zu suchen und zu erkennen, den wahren Erfahrenden zu erfahren, das zu erkennen, wodurch wir alles andere erfahren und erkennen, die ursprüngliche Grundlage aller Existenz zu erforschen, in die wahren Quellen des Lebens einzudringen, Sinn und Zweck der menschlichen Existenz auf Erden und das Warum und Wofür des Universums zu ergründen - dies ist das Forschungsgebiet der göttlichen Wissenschaft, der Wissenschaft des Bewusstseins.

Im Hinblick auf die Hintergrundfrage, woher wir kommen, wohin wir gehen und was unser eigentliches Wesen ist, ist eine nur psychologische Selbsterkenntnis wertlos. Eine überpsychologische Selbsterkenntnis ist erforderlich. Die Entdeckung der großen Wahrheit, dass unser Wesen seinen Ursprung im Göttlichen hat, dass das Göttliche in uns wohnt - das allein kann uns von allen Problemen des äußeren Lebens erlösen, das allein kann uns die Erfahrung von Unsterblichkeit und die Vollkommenheit des Vaters im Himmel geben.

Nur Menschen der Selbstverwirklichung, Menschen, die Gott als das Unendliche erfahren haben, sind die wahren Meister des Lebens. Ihre alles verstehende, in ihrer Erfahrung des unendlichen Göttlichen begründete Weisheit umschließt und transzendiert alles Wissen in jedem Bereich des menschlichen Lebens und Denkens. Sie allein erfahren die Macht aller Mächte, die Gott ist. Sie allein erfahren jenes Prinzip, das Ursprung aller Manifestation ist. Sie allein kennen die höchste, überpsychologische Wirklichkeit.

Schwere Begrenzungen des menschlichen Lebens und der rettende Ausweg

Der eigentliche Name des Menschen ist Begrenzung. Er ist ein endliches Wesen, begrenzt in jeder Hinsicht, subjektiv wie objektiv. Er ist durch seine körperlich-sinnengebundene Erfahrung hypnotisiert und steht unter einem solchen Zwang, dass er nicht weiß, woher er kommt, was er ist, was das Ziel seines Lebens ist, was Geist ist. Er ist von seinen begrenzten Erfahrungen völlig geblendet, und der Sohn Gottes, der er ist, ist tot in ihm. Das wunderbare Wesen, das er in sich selbst, in seinem Bewusstsein ist, ist ihm fremd geblieben. Von einer Erfahrung der einzigen großen Wahrheit, dass in ihm unendliches Leben, dass überall das Königreich des Göttlichen ist, ist er abgeschnitten und auf irrationale Weise in körperlich-irdischem Tun befangen. Daher rührt die Tragik des menschlichen Lebens: Einmal scheint der Mensch glücklich zu sein, dann aber ist er wieder zutiefst traurig. Er ist Opfer vieler Arten von Unwissenheit: wissenschaftliche und technische Unwissenheit, psychologische, psychische, spirituelle Unwissenheit und so weiter. Was der Mensch durch seine Sinne und sein Gemüt erfährt, ist eine Welt der Begrenzungen, eine Welt von Zeit und Raum, ein materielles Universum, in dem seine Fähigkeiten und Kräfte äußerst beschränkt sind. Er denkt, er sei vernünftig und frei. Tatsächlich aber ist er überall gebunden. Sogar das Wetter macht ihn einmal froh, dann wieder ärgerlich. Er besitzt keine Unabhängigkeit; das Wetter ist mächtiger als er. Wo ist seine Freiheit? Kann er das Wetter ändern? - Die Umstände können ihn glücklich oder unglücklich machen. Er hat keine Macht über sie. Wenn Krankheiten kommen, kann er sich nicht selbst heilen. Wo bleibt seine Macht? - Wenn Ärger in ihm hochsteigt, fehlt ihm die Fähigkeit, ihn unter Kontrolle zu bringen, ihn zu beherrschen. Wo ist seine Vernunft? Wo ist sein Verstand? - Überall ist er Sklave von tausend Dingen und Faktoren. - In Wahrheit ist unendliches Leben in ihm. Er weist dieses unendliche Leben zurück und versinkt mit all seiner Aufmerksamkeit, mit Gefühl und Denken in seinem Körper und dessen Erfahrungen. Er hält seinen physischen Atem für seinen wahren Atem, seinen physischen Körper für sein wahres Selbst; er hält die Körper anderer Menschen für ihr wahres Selbst. Doch wie der Raum ständig in ihm und um ihn ist, so ist die göttliche Gegenwart immer bei ihm, um ihn, in ihm. Er lebt im Göttlichen, ohne dass er es weiß. Er bewegt sich und atmet im Göttlichen, doch er erkennt Es nicht.

Beende diesen elenden, unglückseligen menschlichen Zustand der Unwissenheit und strebe danach, wahre Weisheit, wahre Freiheit zu gewinnen. Gebrauche deine Vernunft; lasse deine Vernunft nicht immer von Emotionen verschlungen werden. Versuche, diesem dauernden Hin- und Herpendeln von Weinen und Lachen ein Ende zu bereiten. Beschäftige dich mit großen Gedanken und beginne dich zu fragen: Was ist die Bedeutung des Lebens? Warum diese endlose Routine des täglichen Lebens? Warum bin ich nicht in der Lage, mich zu jeder Stunde des Tages in Glück, Frieden und Kraft zu erhalten? Wer hat das wunderbare Universum zur Existenz gebracht? Wodurch wird es unterhalten? Woher kommt es? Warum existiert es? Wer bin ich? - Solche Fragen verlangen eine Antwort. Werde zu einem ernsthaften und aufrichtigen Fragenden und Untersuchenden. Erweitere deine Selbstbetrachtungen, beginne zu suchen, und allmählich wirst du, nach stetigem Fortschritt, die Wahrheit verstehen. Die Kraft der Unterscheidung wird in dir erwachen.

Alle Formen von Unwissenheit lösen sich in dem Augenblick auf, in dem die Berührung und die Vereinigung mit der innersten Essenz in uns, dem wahren Selbst, stattfindet

Einige Menschen erwachen allmählich, sei es aufgrund reicher Erfahrung oder weil sie auf die Stimme großer, weiser Menschen hören oder auch wegen eines Übermaßes an Leiden in ihrem Leben oder infolge der Reinheit von Intelligenz und Herz, sodass der Bereich menschlicher Erfahrung versinkt und sie langsam die Dinge klar zu sehen beginnen. Sie suchen nach höherer Erkenntnis und nach Mitteln und Wegen, wie sie sich bewusst mit der zentralen Wirklichkeit in ihrem inneren Wesen verbinden können.

Die Erlösung aus den Begrenzungen des menschlichen Zustandes besteht darin, in unser wahres Wesen, in die Vollkommenheit unseres göttlichen Seins zurückzufinden.

Die Fähigkeiten, dieser Fessel menschlicher Begrenzungen zu entwachsen, sind im Menschen angelegt. Da der Mensch in sich selbst das göttliche Sein trägt, sind die Möglichkeiten dieses göttlichen Seins auch die Möglichkeiten des Menschen. Die höheren Fähigkeiten des Bewusstseins, wie zum Beispiel intuitive Erkenntnis, werden als Resultat der Umwandlung und Reinigung der rohen, unreifen Natur von sich aus wirksam. Die Fähigkeit, das Selbst in uns zu erkennen, die Instrumente der Erkenntnis zur Erforschung der Wunder des schöpferischen Seins sind im Menschen selbst. Sie müssen entfaltet und allmählich immer mehr zur Wirkung gebracht werden.

Wir sind das Unendliche, das funktionell an das Endliche gebunden ist. Wir sind das Absolute, das funktionell in den Menschen eingefangen ist. Das Endliche, das Individuum, wird so lange herumgestoßen und vor Rätsel gestellt, bis es eine dynamische und beherrschende Erkenntnis seiner ihm wesenseigenen Absolutheit besitzt. Da wir strukturell mit der zeitlosen Welt in Beziehung stehen, ist ein Leben, das in seinen Zielen, seinem Planen und Streben nur auf diese wandelbare, vergängliche Zeit-Raum-Welt beschränkt bleibt, Gefahren ausgesetzt und all seiner grundlegenden Bedeutung, seines eigentlichen Wertes, seines wahren Reichtums und seiner Erfüllung beraubt.

Wenn wir es richtig betrachten, ist das Leben in all seinen Umständen, in seiner Beschaffenheit und mit seinen Einschränkungen eine Gelegenheit, um von Angesicht zu Angesicht die Wahrheit zu erschauen, eine Gelegenheit, den Sieg und die Herrlichkeit des göttlichen Geistes in den materiellen Begrenzungen offenbar werden zu lassen.

Der menschliche Zustand gleicht dem eines Träumenden, der etwa an einem Hochsommertag im Garten eingeschlafen ist. Überall ringsum ist Sonnenschein, und er träumt, dass er sich irgendwo in einem dunklen, schrecklichen Wald befindet. Ist es nun wahr, dass es überall dunkel ist? - In Wahrheit herrscht überall strahlender Sonnenschein. Wenn jener Mensch sich nun sagen würde, es sei überall Sonnenschein, sähe diese Aussage wie eine Verfälschung seiner eigenen Traumerfahrung aus. Ist sie jedoch tatsächlich vollkommen falsch? - Angenommen, diese Behauptung "Es ist überall Sonnenschein" wird zur dominierenden Erfahrung für ihn, so wird der Druck der ihn beherrschenden Traumerfahrung schließlich nachlassen, er wird aufwachen und entdecken, dass wahrhaftig überall Sonnenschein ist, dass er sich nicht in einem dunklen, schrecklichen Wald befindet.

Genauso ist der menschliche Zustand. Überall ist der Sonnenschein von Gottes Gegenwart und Macht, aber die Menschen sind so völlig in ihre Begrenzungen verloren, dass sie von ihren Träumen eingefangen und durch diese konditioniert sind. Wenn diese unglücklichen Menschen die Kunst erlernen, die Gegenwart des göttlichen Sonnenlichts überall zu bejahen und beständig ihren Geist mit den Wahrheiten nähren, welche die Erleuchteten entdeckt haben, wenn sie ihr Herz mit großen, universalen, kosmisch weiten Gefühlen erfüllen, wenn sie sich beständig edlem, gutem Wirken weihen, wird nach einiger Zeit der begrenzte, menschliche Zustand durchbrochen werden.

Aus der ewigen, transzendenten Wirklichkeit ging eine schöpferische Kraft hervor, die das Universum ins Leben rief. Diese Kraft ist der Schöpfer, Gott, der Vater des Universums

Erkenne die Ursache und du wirst die Wirkung erkennen. Erkenne den Schöpfer und Du wirst um die Schöpfung wissen.

Für die stumpfen Sinne des Menschen ist alles Materie. Sie nehmen die innere Wirklichkeit nicht wahr. Sie lassen sich von äußeren Erscheinungen täuschen. Für einen wissenschaftlich Gebildeten ist alles Energie. Wer noch feinere Wahrnehmungskräfte besitzt, erkennt alles als Intelligenz. Für den aus höchster Vernunft heraus lebenden Menschen - für den wahren Philosophen, für den Weisen - ist alles göttliche Wirklichkeit. Für den Gottliebenden ist alles Gott; er nimmt überall, in allen Wesen und Dingen, Gottes Gegenwart wahr.

Die Wahrheit der Wahrheiten liegt in der Tatsache, dass überall - was immer wir sehen, was immer wir erfahren, was immer wir fühlen - nichts anderes ist als nur das Göttliche; denn das Göttliche ist nicht als ein Objekt der Wahrnehmung gegenwärtig: Es ist eine leuchtende, allsehende, alldurchdringende Gegenwart.

Vom Standpunkt der spirituellen Erfahrung aus gesehen, sind sogar jene Zustände und Dinge, die dem Göttlichen diametral entgegengesetzt zu sein scheinen, das Göttliche selber. Das Böse, der Irrtum, Unwissenheit, Dunkelheit, Unglück, Leid und Tod, kurz alles, was der Mensch als negativ bezeichnen würde, ist nichts anderes als eine Nebenwirkung der Ausdrucksweisen der positiven Eigenschaften des Göttlichen.

Wo dann liegt die Quelle des Bösen, der Unwissenheit, des Unglücks, des Irrtums, des Leids, der Trauer? - Für die allgemeine menschliche Erfahrung gibt es überall Gegensätze im geoffenbarten Universum, entgegengesetzte Kräfte - Gegensatzpaare wie Tag und Nacht, Leid und Freude, Hitze und Kälte, hart und weich, weiblich und männlich, gut und böse, Vollkommenheit und Unvollkommenheit. Dualität ist ein unvermeidliches Merkmal aller endlichen Phänomene.

Nehmen wir eine Kerze als Beispiel: Ist sie gut oder böse? - Mit ihrer Hilfe können wir ein Haus anzünden oder aber in ihrem Licht ein Gedicht schreiben, das anderen Freude bereitet.

So kann man mit Hilfe einer Kerze also Böses, andererseits aber auch Gutes vollbringen. Das, was wir als ‚gut' bezeichnen, ist immer von etwas begleitet, was wir böse nennen; und es gibt nichts Böses, das nicht auch irgendeine ausgleichende Eigenschaft von Gutem hat.

Wenn Licht strahlt, gibt es auch Schatten: ohne Licht kein Schatten! Es gibt keinen Schatten in der pechschwarzen Nacht. Schatten ist nur da, wo Licht ist.

Wissen, Erkennen, Glück, ewiges Leben, Friede, Schönheit, Vollkommenheit - all das sind charakteristische Eigenschaften des Göttlichen. Wenn sie in einer begrenzten Welt von Raum und Zeit, einer Welt der Gegensätze zu wirken und sich auszudrücken beginnen, entstehen Schatten: widersprüchliche Eigenschaften werden ins Dasein gerufen. Dies ist unausweichlich und wird es in einer relativen, von Ursache und Wirkung dominierten Raum-Zeit-Welt immer geben. Wo sich Begrenzungen dem Licht entgegenstellen, verursachen sie Schatten.

Nur das Göttliche als solches ist schattenlos

Man kann den Schatten auch als Teufel und das Licht als Gott bezeichnen. Aber für Gott gibt es keinen Teufel: Dieser existiert nur in einer menschlich-begrenzten, von Gegensätzen geprägten Sicht der Dinge. Im unendlichen Bewusstsein gibt es keinen Schatten, keine Dunkelheit, keine Zweiheit oder Dualität. Vom Standpunkt der Erfahrung des Göttlichen als dem Unendlichen aus gesehen besteht die Welt nicht aus unterschiedlichen und mannigfaltigen Dingen. Da gibt es nur eines - das wunderbare, unbeschreibliche, allschöpferische, allschöne göttliche Bewusstsein - das EINE ohne ein Zweites.

Materie, Natur und Welt sind Erscheinung. Die wahre Realität ist das absolute Sein und Bewusstsein des Göttlichen - der dynamische Urgrund aller Erscheinung.

Nur jene Menschen, welche sich um Gotterfahrung, beziehungsweise Selbstverwirklichung bemühen, wachsen über das Phänomen von Gut und Böse hinaus und überwinden es. Doch kann das Böse nicht vollkommen überwunden werden, ehe nicht auch das, was gut genannt wird, überwunden ist.

Es können aber weder Gut noch Böse überwunden werden, solange man sie nicht in das transzendiert, was jenseits von Gut und Böse liegt, in das, was das unbegrenzte, absolute unendlich Gute ist - Gott.

Zu keiner Zeit in der Geschichte der Menschheit waren die wissenschaftlichen Voraussetzungen zur Wahrnehmung und Erfahrung der höchsten spirituellen Wahrheit so günstig wie heute. Nie zuvor hätte die Menschheit den nötigen Antrieb finden können, eine kosmisch weite Persönlichkeit zu entwickeln, eine kosmische Vision. Der Impuls war damals noch nicht da. In diesem unserem Zeitalter der Astronauten und Kosmonauten liefert der Begriff des Raums eine schöne Analogie zur besseren Darlegung und zum Verständnis dieser fundamentalen spirituellen Wahrheit.

Alles befindet sich in einem Nichts, dem Raum 

Der Raum, der namenlos, formlos, substanzlos, farblos ist, umgibt uns und hüllt uns ein, während er gleichzeitig auch in uns ist. Im Raum und
durch den Raum sind wir mit allen anderen Menschen und allen Dingen verbunden. Es gibt nur einen Raum, obwohl es darin viele Objekte gibt. Obwohl der Raum als ein Nichts erscheint, findet alles, was wir wahrnehmen, erfahren, fühlen, verstehen, erkennen, im Raum statt. Alle Himmelskörper, die ganze kosmische Ordnung, atomare und subatomare Formationen und Systeme befinden sich im Raum. Elektromagnetische Wellen, Lichtwellen - jedes nur denkbare Phänomen ist innerhalb des Raums, und doch ist der Raum als solcher nichts. In diesem Nichts ist alles, wir selbst und unsere Erfahrungen mit eingeschlossen.

So wie es nur einen Raum gibt, so ist auch überall nur ein Sein: das göttliche Sein. So wie es nichts gibt, was nicht innerhalb des Raums wäre, so gibt es auch nichts, was sich nicht innerhalb dieses subtilsten göttlichen Prinzips befände. So wie unser träumendes Bewusstsein aus sich selbst heraus seinen eigenen Raum und die Wälder, Städte und Welten darin erschafft und entfaltet, so sind alle Welten, die wir durch unsere physischen Augen erblicken, Schöpfungen im Bewusstsein des Göttlichen.

Das Absolute ist ein Nichts, eine Null, ein Vakuum

Da ist nichts. Wo etwas ist, da gibt es Probleme. Hier, im absoluten göttlichen Sein-Bewusstsein - da ist nichts. Aber es ist ein unendliches Nichts - eine Null. In dieser Unendlichkeit jenseits aller Zahlen, aller Gestalten, aller Namen liegt die absolute Befreiung, absolute Erleuchtung, der Besitz absoluter Kraft, absoluter Vollkommenheit. Null ist die Unendlichkeit, Ewigkeit.

Darin gibt es kein Zweites. Wenn man ,eins' sagt, hat man schon ,zwei' gesagt. Da ist immer eine Dualität; aber wenn man null sagt, kann man nicht auch noch eins oder zwei sagen. Null mal tausend ist immer noch null.

Diese Null ist etwas, das Buddha entdeckt und erfahren hat - Nirwana, Nihil, Nichts, ein Vakuum, eine absolute Leere. Alle Universen, alle Phänomene entstehen aus diesem Vakuum und verschwinden wieder darin. Es ist nichts. Und in diesem Nichts liegt alle Kraft, alle Schönheit, Qualität, Macht, Erfüllung und so weiter. Es ist die Quelle aller Segnungen. Es ist das Licht aller Lichter - dieses Nichts, diese Null.

Eine gewöhnliche Person hat Angst vor dem Nichts, vor diesem Vakuum, weil sie keine Ahnung davon hat, was dieses Nichts, diese Null ist - jenseits aller Nummern und Zahlen, jenseits aller Namen und Gestalten. Zahlen, Namen, Gestalten bilden dieses Universum, diese Manifestation. Ohne diese Zahlen, Namen und Gestalten gibt es keine Welt. Alles ist Name und Gestalt, alles hat seine Zahl.

Jenseits der Zahlen eins bis neun steht die Null - und in der Null ist absolute Vollkommenheit, absoluter Reichtum, unendlicher Reichtum, ewiger Reichtum, unerschöpflicher Reichtum.

Es gibt nur einen Geist im ganzen Kosmos - den göttlichen Geist

Wir alle befinden uns im Geist Gottes, im kosmischen Geist. Wir alle sind geformt im Bewusstsein Gottes. Es gibt nur eine Intelligenz, die göttliche Intelligenz, die sich in zahlloser Mannigfaltigkeit ausdrückt. Und die verschiedenen individuellen Intelligenzen befinden sich innerhalb dieser einen Intelligenz. Es gibt nicht viele 'Bewusstseine', sondern nur eines, und dieses eine Bewusstsein bringt sich auf verschiedene Art in den verschiedenen Individuen der Welt zum Ausdruck. Bald wird es als guter, bald als schlechter Mensch bezeichnet, als Frau oder als Mann; hier wird es Kind genannt, dort als Baum oder ein Stück Eisen bezeichnet - aber immer ist es dasselbe göttliche Bewusstsein.

Nichts existiert außerhalb dieses Bewusstseins. Es durchpulst die ganze Natur. Es befindet sich in allen atmenden Wesen. Es ist im Pulsieren des Herzens, in der Zirkulation des Blutes, im Ein- und Ausatmen. Es ist in der Macht der Sprache und des Sehvermögens. Überall ist Es, innen und außen, im ganzen Universum. Es gibt nur die eine, die höchste göttliche Intelligenz, und alle Intelligenzen sind verschiedene Formulierungen derselben Intelligenz in sich selbst. Im Mittelpunkt von allem und jedem ist dieses Eine, das göttliche Bewusstsein, das sich durch die Blumen als Schönheit und Duft zum Ausdruck bringt, durch das Leuchten der blinkenden Sterne oder sich in dem Licht zeigt, das mit den Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke bricht.

Dasselbe göttliche Bewusstsein, das sich im Atom als unbegreifliche Kraft manifestiert, erhält gleichzeitig Millionen von Universen jenseits weiter, unermesslicher Räume und drückt sich zugleich auch als Intelligenz und Liebe durch das Herz des Menschen aus.

So wie das Element Wasser sich sowohl in Form von Flüssigkeit oder Eis, wenn es gefriert, als auch in Form von Dampf, wenn es erhitzt wird, zeigt, so kann sich das göttliche Bewusstsein ebenfalls verdichten oder vergröbern und sich auf diese Weise in verschiedenen Graden von Intensität und Licht durch die mannigfaltigen Daseinsformen in der Welt manifestieren. Dieselben Formen können wieder zurückverwandelt werden in die Seinsweise des göttlichen Bewusstseins, so wie Eis und Dampf wieder zu Wasser werden können.

Das Absolute ist die einzige Realität. Die relativen Dinge, Erfahrungen, Objekte und das Universum, das wir sehen, sind lediglich Wirkungen, und in jedem von ihnen ist das Absolute anwesend. Das Zeitlose ist die wahre Seele und Substanz aller Zeitprozesse. Das Ungesehene und Unsichtbare ist der wahre Erhalter von allem, was sichtbar ist. Wenn wir also ein materielles Objekt sehen und unsere Aufmerksamkeit nur auf die äußere Erscheinung richten, sind wir begrenzt, ist unser Wissen falsch, sind wir unwissend - daher ist auch unsere Erfahrung falsch: Wir leiden, sind versklavt und unglücklich.

Lasst uns also Erkenntnis gewinnen und die Dinge erkennen, wie sie in sich selbst sind. Da die Existenz - das Bewusstsein in der ganzen Schöpfung - in jedem Menschen oder Wesen dieselbe ist wie die Existenz in uns, das in uns wirkende Bewusstsein, ist es uns möglich, zu allen anderen Formen dieser einen Existenz durchzudringen, mit der ganzen Schöpfung identisch zu werden und direktes und unmittelbares Wissen von allem zu erlangen.

Das Universum, in dem wir leben, ist Gottes Universum, es ist Gottes Welt von innen und von außen. In einer unendlichen Vielfalt ist Gott in der Welt gegenwärtig. Das eine, immer gleich bleibende, ruhende, unwandelbare göttliche Prinzip ist die Grundlage und Quelle der sich immer bewegenden und verändernden Faktoren Mensch und Natur. Der ganze Kosmos ist ein Bewusstseinsprozess - ein Prozess des Einen, das zum Vielen geworden ist. Ein Prozess des Transzendenten, das manifest und immanent geworden ist.

Dieses eine göttliche Sein ist die absolute Wahrheit, die letzte transzendente Realität, die eine unteilbare absolute Existenz.

Wenn wir uns zu höheren Zuständen kontemplativen Bewusstseins emporentwickeln, wenn unsere Liebe zu Gott überwältigend ist und allen Umständen und Versuchungen, allen Herausforderungen standhält und über sie hinaus fortdauert, dann bricht das Licht des inneren göttlichen Bewusstseins plötzlich hervor und wir sehen überall das Königreich des Göttlichen.

Nur durch Selbsterkenntnis erlangen wir Meisterschaft über alles

Wie sehr sich auch geniale Menschen durch rein empirische Methoden um eine vermehrte Erweiterung ihres Wissens über den Kosmos bemühen mögen, sie werden uns nie wahre Einsichten in das bringen, was allein die Rätsel der kosmischen Manifestation lösen kann, noch viel weniger aber können sie uns jenes Glück und jenen Frieden geben, welche das Ziel unseres bewussten Lebens sind. Die Erkenntnis des Manifestierten, wie nützlich und wunderbar sie auch sein mag, ist nie wirklich wertvoll, ja sie kann ohne Erkenntnis dessen, aus dem sie hervorgegangen ist und von dem sie erhalten wird, sogar gefährlich werden.

Niemals werden wir das Nichtmanifestierte durch intellektuelle, rationale oder empirische Prozesse erkennen, die ja ihrerseits bereits dem Nichtmanifestierten entstammen. Die Erkenntnis des Nichtmanifestierten ist nur durch das Wirken solcher Fähigkeiten zu erlangen, die dem Nichtmanifestierten innewohnen - mit oder auch ohne die Zweckdienlichkeit intellektueller oder rationaler Prozesse.

Wir erkennen die Wahrheit durch die Wahrheit und nicht wirklich und wahrhaft durch das, was aus ihr entstanden ist. Wir erkennen das Selbst durch etwas innerhalb des Selbst. Dunkelheit kann niemals das Licht erkennen, es sei denn, sie höre auf, Dunkelheit zu sein, indem sie sich zum Licht erhebt. Wir erfahren Gott wahrhaft nur durch Umwandlung unseres inneren Bewusstseins, indem wir es in das Wesen Gottes verwandeln; denn Gott erkennt sich selbst, indem Er Gott ist. Niemals kann der göttliche Geist durch die Wahrheiten der Materie erkannt werden, während die Wahrheit des göttlichen Geistes alles über die Wahrheiten der Materie weiß, weil Letztere durch den Geist geoffenbart wurden.

Darum erkenne das Selbst in dir, das Selbst in allen, das Selbst im Universum, das immanente und transzendente Selbst, was bedeutet: Erkenne die höchste Gottheit! Erkenntnis des Selbst zu gewinnen ist dasselbe, wie Erkenntnis unseres zutiefst innersten Göttlichen zu erlangen. Durch eine solche Erkenntnis allein wäre uns in Übereinstimmung mit der biblischen Verheißung die Herrschaft über Erde und Himmel gegeben.

Letztes Ziel menschlicher Existenz 

Gott ist die wahre Essenz und der Atem unseres inneren Wesens. Gott ist das höchste Bewusstsein in uns, das göttliche Selbst, ein Bewusstsein, in dem sich alle Schätze des Königreichs Gottes befinden, ja das selbst dieses Königreich ist.

Die Menschen sind kleinwinzige Geschöpfe auf einem wirbelnden Stück Staub, das die Erde ist. Doch ist in jedem Menschen ein Prinzip, das in seinen Dimensionen den ganzen Kosmos und Raum transzendiert, ein Prinzip, welches das göttliche Selbst, das Königreich Gottes oder das transzendente Bewusstsein genannt wird. Welch große Torheit wäre es, dies zu ignorieren, zu vernachlässigen, zu verschlafen und unser Leben in Kleinlichkeit, Minderwertigkeit und Schwäche zu leben. Welch kolossale Unwissenheit wäre es, unser Leben auf ein beschränktes wissenschaftliches und mechanisches Wissen zu gründen, vollkommen blind für die Gottheit, die in uns wohnt, in Dunkelheit umhertappend, total ahnungslos, dass das Königreich des göttlichen Selbst in uns wohnt und dabei unsere wahre Stärke und Lebenskraft zu verfehlen!

Welche Narrheit wäre es, unserem innersten Sein entfliehen zu wollen!

So wie die Stärke eines Zweiges in seiner integralen Einheit mit dem Baum liegt, so liegt unsere Stärke und unser Glück in unserer integralen Einheit mit der Gottheit.

So wie die Stärke der Welle im Ozean liegt und nur durch die Einheit mit dem Ozean besteht, genauso verhält es sich mit uns: Wir sind kleine Wellen im weiten, unermesslichen Ozean des unendlichen Bewusstseins. Unsere Stärke besteht im Suchen nach Verwirklichung unserer ewigen und untrennbaren Identität und Einheit mit dem grenzenlosen Meer des Bewusstseins, das Gott ist.

Wir werden nicht wahrhaft leben, solange wir uns nicht der unendlichen Stärke in der Tiefe unseres Seins bewusst geworden sind - des göttlichen Selbst, des Königreichs des Himmels.

Solange wir das Göttliche nicht berührt haben und nicht eine bewusste und dauernde Beziehung mit diesem göttlichen Sein erreicht haben, werden wir nicht über den Tod lachen und über Krankheit hinweggehen können, werden wir nicht in Frieden und in Freude leben können. Darum müssen wir uns der göttlichen Macht bewusst werden, der todlosen Macht, die in unseren Herzen wohnt. Bis dahin sind wir wie ein Kind, das mit einem Holzpferdchen spielt und in ihm ein wirkliches Pferd sieht, während es doch allezeit nichts anderes als ein Stück Holz in Händen hält. Genauso sehen wir die Verschiedenheiten, die Gestalten, Namen und Formen der Welt und halten sie für die Wirklichkeit. Wir spielen mit ihnen als ob sie wirklich wären, und darum leiden wir und versäumen es, die wahre Substanz in ihnen zu erkennen: die Substanz des Göttlichen. In unserer Unwissenheit sehen wir nicht die Substanz, sondern konzentrieren uns auf die Formen, die aus dieser Substanz bestehen.

Wenn wir wach geworden sind für die wunderbare, alles durchdringende Macht des göttlichen Seins, die insgeheim in allen Formen, Gestalten und Wesen der kosmischen Welt des Werdens wirkt, wird das spirituelle Sein in unserem Inneren seine eigenen, einzigartigen Methoden anwenden und seine eigenen zwingenden und notwendigen Weisen gebrauchen, um zum Selbstausdruck zu erblühen und die innere Essenz aller Formen zu enthüllen.

In jedem Menschen findet das aus sich selbst bestehende Licht des inneren Bewusstseins, dieser in seinem Wirken nie endende, fundamentale, aufwärts führende spirituelle Prozess statt - diese Leitung und Führung des ganzen Lebens - und zwar solange, bis jede Unterscheidung und Trennung zwischen der Gottheit und dem Selbst des Menschen aufgehoben ist, bis die Gottheit und das Selbst des Menschen bewusst ineinander wohnen, bis das ganze Leben ein Gefäß geworden ist, das den Glanz des Göttlichen ausstrahlt.

Darum ist das höchste Ziel menschlicher Existenz hier auf Erden, uns des Göttlichen in uns selbst bewusst zu werden und die bewusste Erfahrung unserer Einheit - unserer untrennbaren Einheit - mit dem göttlichen Sein, diesem höchsten Bewusstsein, diesem Königreich Gottes in uns wiederzugewinnen.

 

Verschiedene Bewusstseinsebenen des menschlichen Wesens

Der Mensch allein ist das wahre Forschungsobjekt im Universum. In ihm befindet sich ein doppeltes Element: die innere, spirituelle unveränderliche Identität und das äußere, sich verändernde Phänomen. Es gibt verschiedene Schichten in seinem Bewusstsein; verschiedene Bewusstseinsebenen befinden sich in seinem inneren Wesen. Obwohl er einerseits der Tierwelt angehört und auf der physischen Ebene lebt, ist er doch nicht auf diesen von ihm bewohnten physischen Körper beschränkt. Dass der Mensch ein Naturgeschöpf ist, macht also nicht seine ganze Persönlichkeit aus.

Die physischen Sinne im Menschen sind ständig aktiv; er möchte immer etwas sehen, schmecken, hören, etwas haben. So führen sie die Seele auf chaotische Weise hierhin und dorthin. Durch die Sinne veräußerlicht sich die Seele und vergisst sich selbst. Sie hält irrtümlicherweise ihr Sinnenleben für ihr wahres Leben. Doch grundlegend ist der Mensch eine metaphysische, ontologische Wirklichkeit, ein überbewusstes Sein; doch ist er eingefangen im Netz der Unwissenheit in Bezug auf sein eigenes wirkliches Selbst.

Das physisch-psychologisch-mentale Wesen des Menschen ist ein unvollkommener Seinszustand, eine vorübergehend bestehende Struktur. Tatsächlich aber ist der Mensch etwas anderes als diese zeitbedingte Struktur. Da die wahre Grundlage allen Denkens das Bewusstsein ist, ist Bewusstsein auch die Voraussetzung aller mentalen Aktivitäten und Funktionen, die Voraussetzung des menschlichen Gemüts.

Das Gemüt oder Denkorgan des Menschen ist ein bewusstes Prinzip. Bewusstsein steht hinter ihm, es ist von Bewusstsein erfüllt. Doch ist das menschliche Gemüt äußerst begrenzt, es erschöpft das Ganze des Bewusstseins bei weitem nicht, sondern ist nur eine bruchstückhafte Manifestation des unbegrenzten, weiten Ozeans des dahinter liegenden Bewusstseinsmeeres, eine kleine, matte Widerspiegelung, ein Schatten des inneren göttlichen Bewusstseins. Es ist ein Instrument dessen, was größer ist als es, nämlich des Selbst. So wie die physischen Sinne physikalische Gegenstände nur durch die unterstützende Aktivität des Denkorgans wahrnehmen können, so kann seinerseits das Denkorgan nur durch das Licht des göttlichen Bewusstseins in Wirksamkeit treten. Da ein Verständnis für das Wesen des menschlichen Gemüts äußerst wertvoll für den spirituellen Fortschritt ist, wollen wir hier etwas genauer darauf eingehen.

 

Das Gemüt

Das Gemüt oder das Denkorgan selbst ist zusammengesetzt aus bewusstem Gemüt, das die Grundlage unseres Denkens und Fühlens ist, aus unterbewusstem und unbewusstem Gemüt. Letztere sind vom bewussten Gemüt verschieden. Das bewusste Gemüt steht darüber, steht an der Spitze, doch dringt vom Unbewussten etwas in das Bewusste ein. Das Unbewusste ist von Instinkten, Trieben und Leidenschaften erfüllt. Alle niederen Tendenzen, Erinnerungen, Eindrücke von Millionen von Jahren sind darin aufgespeichert. Es ist das Lagerhaus aller Rückstände an Kräften, Erfahrungen und Möglichkeiten aus vergangenen Existenzen, die sich nun durch die verschiedenen Tendenzen in diesem Leben ausdrücken. Bevor dieser Inhalt des Unbewussten nicht ausgeräumt ist, kann es keine Reinheit, keine Selbstverwirklichung geben.

Das Gemüt des Menschen ist ein Prinzip, das in der Welt der Dualität, in Zeit und Raum wirkt. Es ist die Ursache dafür, dass wir uns mit unserem Körper, mit den Dingen in der äußeren Welt identifizieren. Es besteht aus einer endlosen Folge von Gedanken, Einbildungen und Vorstellungen und ist eine irreführende Kraft, eine Kraft der Unwissenheit. Es ist immer eingefangen in die Wahrnehmung von Sinnesobjekten.

Das menschliche Gemüt - unser Denken und Fühlen - ist der Anlass dazu, dass wir uns schwach fühlen oder die Arbeit schwierig finden oder das uns denken lässt, der andere liebe uns nicht. Es ist eben dieses Gemüt, das uns misstrauisch macht, das Missverstehen und Klagen hervorruft sowie eingebildete Ängste, unnötige Sorgen, Zweifel und Komplikationen. Es ist das Gemüt, das hundert Gründe für uns schafft, um stolz, eitel, egoistisch, selbstsüchtig oder deprimiert zu sein.

Es entspricht ganz dem Wesen des denkenden Gemüts, von einem Gegenstand zum anderen zu springen, immer mit irgendetwas beschäftigt zu sein, dem einen oder anderen Gedanken oder Gefühl nachzuhängen. Es entspricht seinem Wesen, zu mögen oder nicht zu mögen, abzuwägen, zu betrachten, zu urteilen, Unterschiede zu machen, Standpunkte einzunehmen, Vergleiche anzustellen, einen Menschen zu lieben, den anderen zu hassen: Hin- und herzupendeln ist sein Wesen. Täglich nimmt das menschliche Gemüt Tausende von Eindrücken in sich auf. Es ist äußerst sensitiv und absorbiert alle Eindrücke, die dem entströmen, was es wahrnimmt oder worüber es nachsinnt. Es sagt, dass diese bestimmte Frucht gut sei, und nimmt diesen Eindruck in sich auf. Was immer es sieht, weiß, fühlt oder wahrnimmt, hinterlässt einen Eindruck in ihm. So bewegt sich das Gemüt des Menschen in einem Hexenkessel von Gedankenbildern und widersprüchlichen Gefühlen. Das Gemüt identifiziert sich mit all den Gedanken und Eindrücken. Der Mensch wird somit zu dem, was er denkt.

Auch schöpferische Kräfte befinden sich im Gemüt des Menschen, die sich besonders in Dichtern, Philosophen, Wissenschaftlern und anderen genialen Menschen offenbaren. Doch wie brillant das Gemüt des Menschen auch sein mag, es bleibt doch ein Zustand der Begrenzung, ein unglückseliger Zustand, ein Prinzip der Unwissenheit. Es lässt das Unendliche die Rolle des Endlichen spielen. Es trennt uns los von der unendlichen göttlichen Liebe und lässt uns in kleinen Gefühlen von Liebe und Hass befangen sein. Es schneidet uns von der unendlichen Erkenntnis Gottes ab und lässt uns ruhelos nach Wissen in der Außenwelt forschen. Er lässt uns das Bildnis Gottes, das innere göttliche Selbst, mit unserem Körper verwechseln. Wir glauben, unsere Kraft liege in der Stärke des Körpers. Ist der Körper alt und schwach, sind wir bedrückt von dem Gedanken, dass wir alt und schwach sind, während sich doch in Wahrheit die grenzenlose Macht und Stärke des Göttlichen als unser innerstes Selbst in uns befindet.

Es entspricht dem Wesen des Gemüts, den Menschen herabzuziehen, ihn an die Außenwelt zu ketten, an Namen und Formen zu fesseln und ihn in dieser Welt von Namen und Formen gefangen zu halten, so wie es andererseits das Wesen der Seelenkraft ist, ihn emporzuheben und ihm göttliche Schau zu gewähren, ihn zu befähigen, in die eine Essenz in allen Namen und Formen einzudringen.

Diese Seelenkraft innerhalb des psychischen Wesens des Menschen zeigt uns, dass der Mensch wesenhaft nicht das ist, was er seinem Gemüt nach zu sein scheint. Er ist viel mehr als das, was in seiner Intelligenz sichtbar wird. Ein äußerst sensitives psychisches System befindet sich in ihm, welches in sich selbst das kosmische Bewusstsein trägt, das höhere, allwissende Prinzip. Es ist ein Bereich der Begegnung von Gott und Mensch in uns.

Das höhere Prinzip in uns ist aus dem Licht des transzendenten Bewusstseins gebildet und steht in ursächlicher Beziehung zu unserem denkenden Gemüt und unseren empirischen Erfahrungen. Dieses psychische System trägt in sich selbst eine Anzahl höherer Kräfte. Es ist die Quelle von Hellsehen, Hellhören, Telepathie und so weiter.

In diesem psychischen Wesen liegt das Geheimnis des Menschen, sein Herz und seine Seele verborgen. Daraus erhebt sich sein Streben nach Höherem, seine Genialität, seine Begabungen, Fähigkeiten, sein unsterbliches Suchen nach seinem eigenen innersten Selbst sowie das Verlangen nach Schönheit und die Liebe zur Wahrheit, sein Wunsch nicht zu sterben, sondern Unsterblichkeit zu erfahren, seine Unzufriedenheit mit allem, was er besitzt, und die Sehnsucht nach mehr: nach mehr Glück, mehr Frieden, mehr Liebe, mehr Schönheit.

Doch ist die psychische, individuelle Seele nicht die höchste Seele, das Selbst, obwohl sie den physischen Tod überdauert. Sie ist nur ein geistiger Mechanismus, in dem sich unser Bewusstsein, das Unterbewusste, das Unbewusste und alle psychischen Sinne befinden. Sie ist eine Wesenheit in unserem inneren Sein, auf die unsere äußere Persönlichkeit aufbaut und welche die Basis all unserer endlichen Erfahrungen mittels Gemüt und Körper ist.

Um dieses Zentrum herum sind die verschiedenen Körper angeordnet: der physische, der vitale und der mentale Körper, jener der höheren Intelligenz sowie der allersubtilste, jener der göttlichen Glückseligkeit. Mit anderen Worten: Die Seele ist ein Bewusstseinswirbel, in dessen Zentrum eine Unendlichkeit an Friede, Freude, Kraft und Vollkommenheit befindlich ist, und der sich ins Unendliche erweitern sowie sich auch zu einem unendlich winzigen Punkt zusammenziehen kann.

Der Mensch, so wie tatsächlich jedes Wesen, hat eine Seele, einen Mittelpunkt, in dem etwas vom göttlichen Bewusstsein anwesend ist, und dieser Brennpunkt ist wie eine Art Flamme, ist wie ein Licht, unbegrenzbar, allwissend, allvollkommen, göttlich.

Das Licht der Seele ist das höhere Selbst, die Gottheit in uns. Es ist das Göttliche. Das göttliche Selbst ist vom Wesen des Lichts.

Intelligenz ist nur durch Bewusstsein möglich. Wenn wir einen Satz lesen, erfassen wir den Sinn, verstehen die Worte und schließen daraus: Ich verstehe, ich sehe klar. Wahrnehmung und Erfassen sind ein Prozess des Verstehens, und Verstehen ist Licht. Alle Wahrnehmung ist nur im Licht möglich. So ist also Intelligenz, ob im guten oder im schlechten Menschen, vom Wesen des Lichts. Intelligenz und Licht sind ein und dasselbe. Und was ist Bewusstsein anderes als der Ursprung von Intelligenz und darum die Quelle des Lichts?

Die Seele im Menschen ist eine endliche Gestaltwerdung des Unendlichen. Sie ist das relativ Unsterbliche. Als solche ist sie nicht unsterblich, sondern nur relativ unsterblich. Diese ihre relative Unsterblichkeit oder Endlosigkeit erlischt, sobald der Mensch Kontakt mit dem Absoluten, dem Unendlichen hat. In diesem Augenblick werden die Begrenzungen der Seele sowie die Seele selbst aufgelöst, das innere Licht wird eins mit dem Licht des Unendlichen. Das ist die Erfüllung und Erlösung unseres Lebens, die Erlangung des höchsten und letzten Ziels menschlicher Existenz.

Das wesentliche Sein des Menschen: das Selbst

In jedem Menschen lebt das allwissende, allmächtige Selbst, dessen Wesen Licht ist. Es ist unbegrenzt in seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Der Normalmensch ist absolut unwissend hinsichtlich dieses großen Schatzes in sich selbst und darum tastet er suchend im Dunkel einer materiellen Welt, kämpft und ringt um Glück, während zugleich grenzenloses Glück im göttlichen Selbst in seinem Inneren ist. Er ringt um Erkenntnis, während doch immerzu ein allsehendes, lichtvolles, allwissendes Sein in ihm ist. Er kämpft und ringt um Macht in der äußeren Welt, begeht viele Fehler, wird aggressiv und fügt im Streben nach Machtgewinn anderen Leid zu, gewinnt jedoch niemals wirkliche Macht, bis er in sich selbst die Quelle und den Mittelpunkt unendlicher Macht, den unsterblichen göttlichen Geist entdeckt.

Während unsere körperliche Verfassung, unser Denken und Fühlen dauernd Veränderungen unterworfen ist, geht das wahre Selbst in uns niemals verloren. Es ist alldurchdringend und doch verschieden von allem. Es ist die Quelle des Identitätsempfindens durch zahllose Verwandlungen hindurch. Es ist die eine unveränderliche Konstante, die den vielfältigen Aktivitäten im Universum zugrunde liegt. Der Körper wurde vor einigen Jahrzehnten geboren und wird einige Jahrzehnte später sterben. Er ist Wachstum und Alter, Krankheit und Tod unterworfen, während das Selbst in uns keinem Alterungsprozess und keiner Krankheit unterliegt. Es ist zeitlos und endlos, allvollkommen und allmächtig.

Unser inneres Wesen kann sich vom Körper zurückziehen. Im Traum sind wir vom physischen Körper losgelöst und befinden uns im Traumkörper. Im Tiefschlaf haben wir kein körperliches Gewahrsein. Darin sind wir vom Körper unabhängig. Ebenso können wir die körperliche Erfahrung transzendieren, wenn wir in eine künstlerische oder wissenschaftliche Arbeit vertieft sind.

Es gibt Zustände des Bewusstseins, in denen wir deutlich der Tatsache gewahr sind, dass wir nicht der Körper, nicht das Gemüt, nicht die Gefühle sind.

Es gibt einen Beobachter in uns, der auch den Tod des Körpers beobachtet, der zusieht, wie der Körper stirbt und zu Grabe getragen wird. Was ist dieses alles bezeugende Bewusstsein, dieses ICH-Prinzip, das absolut unberührt bleibt vom Tod des physischen Körpers? - Es ist das Selbst in uns, das göttliche Sein in uns. Es ist unsterblich und ewig. Dieses muss erkannt, erfahren, verwirklicht werden.

Dieses Selbst in uns, das verschieden von allem ist, das sich von allem unterscheidet, was im allgemeinen unter dem Wort ,Selbst' verstanden wird, ist der Atem Gottes, ist das Bildnis Gottes in uns. Es ist nicht das Gemüt, weder das bewusste Gemüt noch das Unterbewusstsein, das die unterdrückten und untergetauchten Gedanken, Erfahrungen und Erinnerungen speichert, und auch nicht das unbewusste Gemüt, in dem die zutiefst versenkten Erinnerungen, Tendenzen, Impulse, Gedanken und Einprägungen lagern.

Das Gemüt kann durch das innere Bewusstsein in uns beobachtet werden. Es kann kontrolliert, verändert, umgewandelt werden. Ein schlechter Mensch kann ein besserer Mensch werden, während das Selbst in uns, das Überbewusstsein, keiner solchen Kontrolle unterworfen ist.

Das Unbewusste kann verändert werden, nicht aber das Überbewusste, das Selbst. Es ist allvollkommen, allleuchtend und braucht darum nicht geläutert oder verbessert zu werden. Es ist ja absolut vollkommen und ewig rein. Es kann nicht mehr an Erkenntnis erlangen, weil es absolute Erkenntnis ist. Es ist unendliche Freiheit und ist der Beobachter und Lenker von allem. Es ist die Gottheit in der Unmittelbarkeit unserer inneren Erfahrung. Es ist das allsehende Licht Gottes in uns.

Das Selbst sieht das Gemüt, nicht aber das Gemüt das Selbst; es sei denn, es hörte auf, es selbst zu sein, indem es durch innere Identität mit dem Selbst zum Selbst wird. Dieses Selbst in uns steht über der psychologischen Ebene, ohne in unsere geistigen Aktivitäten, in mentale Phänomene mit einbezogen zu sein. Es nimmt Abstand von ihnen und beobachtet sie. Es steht über dem Gemüt und jenseits von ihm, hinter den mentalen Aktivitäten. Das Gemüt ist ein niederes Prinzip. Obwohl es zum Selbst gehört, ist es von ihm völlig verschieden. Vom Selbst aus gesehen ist es etwas Äußerliches.

Das zentrale ICH-Bewusstsein, das Selbst, kann die aufsteigenden Gedanken beobachten. Ob die Gedanken gut oder schlecht sind, berührt dieses beobachtende Bewusstsein nicht. Das Selbst in uns kann aus diesem Grund kein Gedankenphänomen sein. Auch Gefühle und Emotionen können das Selbst nicht berühren.

Jenes Überbewusstsein in uns, das getrennt ist von den Gefühlen und über ihnen steht und Gefühle und Gedanken beobachtet, jedoch seinerseits von ihnen nicht beobachtet oder wahrgenommen werden kann, ist das Selbst. Gefühle und Gedanken haben Anfang und Ende, Geburt und Tod, während das göttliche Selbst, das göttliche Prinzip in uns, geburt- und todlos ist. Es ist der unbeobachtete Beobachter.

Es ist der Beobachter sogar auch unseres beobachtenden Bewusstseins, es ist das bezeugende Ich-Bewusstsein und der Urgrund all unseres Erkennens und Erfahrens. Es ist allrein, weil es nicht einbezogen ist in unsere Aktivitäten, unsere Verfehlungen und Unvollkommenheiten. Es ist ewig und göttlich.

Dieses unveränderliche Bewusstsein in uns - das immer währende Selbst - ist das wesentliche Sein des Menschen, das ewige Subjekt. Es ist der Keimboden, dem jeder Akt der Erkenntnis entspringt und der jedes Organ und jede Fähigkeit mit Leben und Kraft speist. Es ist die unvergängliche, unsterbliche Wahrheit in einem vergänglichen, sterblichen Körper. Das Unveränderliche ist die Wahrheit, nicht das Veränderliche.

Wahre Erkenntnis liegt nur in dem, was seinem Wesen nach unveränderlich ist.

Das höchste, unveränderliche Prinzip im Menschen - das göttliche Selbst

Dieses höchste unwandelbare Prinzip in uns beobachtet unser physisches Wesen und kennt das Drama unseres psychologischen Selbst. Es steht über all diesen. Es wird von unseren intellektuellen und rationalen Aktivitäten nicht berührt, sondern ist der Beobachter all dieser Prozesse. Es ist seinem Wesen nach Intelligenz. Es ist die Wahrheit. Es ist der Zeuge aller Erfahrungen und auch deren Ursache. Dennoch ist es von den Erfahrungen, die es verursacht und deren Zeuge es ist, verschieden. Unser göttliches Selbst bleibt unberührt, wenn unser physischer Körper vergeht, jedoch kann niemand und nichts ohne Es existieren. Es ist das höchste, das unbefleckte Prinzip im Menschen.

Nicht was als Gegensatz einem anderen gegenübersteht, ist unser wahres Selbst, sondern das, was Eines nur ist, ohne ein Zweites neben sich zu haben - das unbeschreiblich, absolut, allvollkommen, eins und identisch mit dem Göttlichen ist. Das sind wir. Das müssen wir erkennen. Erkennen wir es! Wir haben keine Sorgen und Ängste mehr, und der Tod hat keine Bedeutung mehr für uns. Das ist die Erfüllung und Erlösung des Lebens. Dieses Selbst ist das 'Ich bin' in jedem Menschen.

Wenn unser Gemüt still, rein und leuchtend ist, sieht das Selbst, dieses höchste Bewusstsein in uns, sich selbst, erkennt sich selbst, hat Selbsterfahrung, Selbstverwirklichung. Selbsterkenntnis ist unzertrennlich von Selbstexistenz. Es ist die einzige, wahre und direkte Erkenntnis, und alles andere folgt daraus. Es ist die Voraussetzung aller anderen Erkenntnis. In allem Gewahrsein ist das Ich als Grundlage inbegriffen. Direkte Erfahrung - unmittelbares intuitives Erfassen - ist der letzte Urgrund aller Beweise.

Zusammenfassend lässt sich also sagen:

Es ist ein Ich in uns, das egoistisch und persönlich ist, das äußere Ich, das diesen oder jenen Namen trägt und der Erfahrung von Schmerz und Freude, Lob und Tadel, Gut und Böse unterliegt, das verwickelt und mit einbezogen ist in alle Begebenheiten des Lebens und sich mit ihnen identifiziert.

Sodann ist da ein anderes Ich, welches das wahre Ich ist, das in nichts einbezogen ist und von allem unberührt bleibt. Das ist unser eigentliches Selbst. Es ist das Licht in unserem Bewusstsein, das Glück in unserer Seele, die Essenz unserer Existenz. Es kann nicht von uns getrennt werden. Wir selbst sind in unserem tiefsten Wesen diese unveränderliche Wirklichkeit, dieser Gott. Nicht einmal der Tod kann uns vom Göttlichen scheiden. Dieses unser Selbst ist absolut rein, ewig, unendliche Freude, Macht, Friede, Erkenntnis, ein grenzenloses Licht, das Schönheit ist.

Dieses Selbst, das Ich in uns, existiert seit jeher in Gott, ist in Gott und wird immer in Gott sein. Es ist die wahre Person in jedermann. Es ist das fortdauernd Bleibende unseres inneren Bewusstseins. Es ist das innere Gesetz der Identität in uns. Es ist das Ehrfurcht einflößende ,Ich bin', das in sich selbst eins seiende und allbewusste Sein im ständigen Wechsel unserer Erfahrungen. Dieses universale Selbst wird aufgrund mentaler Unreinheiten mit dem empirischen Selbst, dem kleinen Ich, verwechselt.

Unsere Kindheit ist vergangen, unserer Jugend sind wir entwachsen, doch in all diesen Zeitspannen ist dieses Ich-Bewusstsein gegenwärtig, das nicht altert mit fortschreitendem Alter und sich nicht verändert mit sich ändernden Umständen. Dieses Ich- oder Überbewusstsein ist die Grundlage unseres Erkennens von Vergangenheit und Gegenwart.

Es ist beständig und unzerstörbar. Es sah den Kosmos ins Dasein treten, und es wird auch das Ende des Kosmos beobachten. Es sieht die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft: In Ihm sind sie das Jetzt. Keine Zeit ist in Ihm, obwohl es alle Ordnungen von Zeit und Raum, alle Aktivitäten in sich trägt.

Dies ist das Wunder des zeitlosen Selbst-Schauenden im Menschen. Es ist die Grundlage, auf welcher unser inneres und äußeres Leben aufgebaut ist. Es ist das Prinzip der Selbstidentität in uns. Darüber hinaus können wir nicht gehen. Es ist das allerletzte Prinzip, das transzendente Selbst, das transzendente Bewusstsein. Es ist die absolute Existenz, Erkenntnis, Wonne. Es ist der unendliche schöpferische Bewusstseinsäther, der in sich alle Formen von Zeit, Raum und Energie enthält.

Es ist Erfahrung, verschieden von Wahrnehmung oder Vorstellung: Es zu erkennen bedeutet, es zu sein. Es ist das Unbedingte, das Absolute und steht daher über dem Begriff von Dualität und Gegensatz. Es ist die höchste Gottheit. Dieses transzendente Bewusstsein ist überall dasselbe. Es ist in allem und ist mehr als alles. Niemand und nichts hat Sein und Bewusstsein ohne Es. Sobald das Transzendente im Universum geschaut wird, wird es zum Immanenten.

"Ich bin, der Ich bin" spricht Gott, beziehungsweise das Selbst, zu Moses.

Und Jesus Christus antwortete, als die Frage nach seinem Alter aufgeworfen wurde: "Ehe Abraham ward, bin ich." Dieses ICH BIN ist und wird immer sein. Es ist formlos, zeitlos, raumlos, ewig; Es ist Allfülle, selbsterkennend und allerkennend, selbstbezeugend und allbezeugend. Es ist das reine, aus sich selbst leuchtende, sich selbst enthaltende, unsterbliche Prinzip in uns.

Es ist das Königreich des Himmels in uns. Darum verlangt jeder, der um Gotterfahrung ringt, auch nach Erfahrung des Selbst, denn das Selbst ist Gott und Gott ist das Selbst.

Zu dieser Erfahrung müssen wir uns emporentwickeln. Das müssen wir werden. Das ist das Ziel der Evolution.

Gott mit seinen tausend Herzen

hat sich in dein Herz hineinbegeben,

Er hat das absolute Wissen,

dass Er in all und jedem ist.

Er hat seine Schöpfung mit allen Wundern

seines Seins und Bewusstseins durchtränkt

und hat jeden Punkt der Schöpfung mit seiner

Allwissenheit und Allmacht aufgeladen.

Swami Omkarananda

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