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ZWEIMONATLICH

Jahr 56

OFFIZIELLES ORGAN DES
DIVINE LIGHT ZENTRUMS
8400 WINTERTHUR SCHWEIZ



November/Dezember 2021

  

INHALT

Texte aus Ansprachen und Gesprächen von

 


swamiji

Der Schrecken von Geburt und Tod nahm ein Ende,

als der Herr sich mir in seiner Herrlichkeit offenbarte.

Sein Licht erstrahlte in mir, und die Dunkelheit verschwand.

Als ich mich im Innern vertiefte,

erhielt ich einen seltenen Edelstein – Gottes Namen.

Durch dieses glückselige Erwachen verflog all mein Elend,

und meine Trübsal verschwand.

Mein Gemüt verlor sich in Gottes Liebe.

Was immer nun geschieht, o Herr,

nehme ich als Deinen Willen an.

Wer gemäß Deinem Willen lebt, geht auf im Höchsten.

Kabir sagt:

Meine Sünden sind wirkungslos geworden.

Meine Seele ist erfüllt von dem Einen,

der das Leben der gesamten Schöpfung ist.

Kabir


Erkenntnis lässt den erleuchteten Menschen die strahlende Sonne der unendlichen Erkenntnis und Macht erkennen und den Lotos der Liebe und Hingabe in seinem Herzen erblühen.

Anbetung ist nichts anderes als reine Liebe, die von tiefer Ehrfurcht erfüllt ist. Anbetung ist Bewunderung und ein In-Sich-Aufnehmen der Eigenschaften des Angebeteten. Eine solche Anbetung ist totale Selbstauslieferung.

Entbiete deine Anbetung der göttlichen Gegenwart als der subtilsten, höchsten schöpferischen Essenz in allen Wesen. Das zerbricht dein Karma, bringt dir Gnade, sichert dir raschen spirituellen Fortschritt.

Allein schon an das Göttliche zu denken heißt, tausend Reaktionen im Göttlichen in Bezug auf dich hervorrufen. Das Göttliche ist eine machtvolle, auf alles Antwort gebende Gegenwart.

Was geschieht, wenn du eine Flamme ins lodernde Feuer gibst? Sie wird eins mit dem Feuer. Ebenso lasse die Konzentration deines Herzens so machtvoll sein, dass sie die Flamme deiner Seele mit dem lodernden Feuer und Licht des Göttlichen vereint.

Hingabe ist das Einzige, womit du bei Gott ankommst.

Glaube ist es, was den Vogel schon vor der Morgenröte das Licht erahnen und besingen lässt. Glaube ist das Vermögen in der Menschenseele, noch vor dem Aufdämmern der Gotterkenntnis die göttliche Gegenwart zu lieben und zu verehren.

Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!“

(Matthäus. 19,119)

Niemand kann behaupten, dass er seinen Nächsten wie sich selbst liebe, es sei denn, er habe Selbst-Erkenntnis und Selbst-Verwirklichung erlangt.

Warum sollte ich meinen Nächsten wie mich selbst lieben? – Er ist ich selbst, weil tief in seinem Innersten, hinter der Oberfläche seiner Persönlichkeit, hinter seiner äußeren Verfassung, hinter seinem bewussten Gemüt, hinter seinem Unterbewussten und Unbewussten dasselbe Bewusstseinsprinzip lebt wie in mir.

Das Bildnis Gottes in ihm ist nicht verschieden von dem Bildnis Gottes in allen anderen; darin unterscheidet er sich nicht von den anderen. Das göttliche Selbst in ihm ist nicht verschieden von dem göttlichen Selbst in anderen. Körperlich und in seinem physischen Wesen, in seinen Zielen, Bestrebungen und Fähigkeiten mag er völlig verschieden von allen anderen sein. Doch in der spirituellen Dimension ist das Leben des Lebens, das Selbst in ihm und in allen anderen ein und dasselbe.

Den Nächsten zu lieben ist dasselbe, wie das Göttliche zu lieben. Würden wir Opfer von Furcht und Ängsten sein und bliebe da noch Raum für das Spiel des Hasses in unseren Herzen, wenn wir die gleiche Gottheit in allen Wesen erkennen und verehren?

Wenn ein Mensch sich des göttlichen Selbst in seinem Herzen und in den Herzen aller Menschen, aller Natur, aller Wesen bewusst ist, wird es ihm dann nicht sehr leicht fallen, seinen Nächsten wie sich selbst zu lieben? – Eine solche Erkenntnis würde in ihm eine große Liebe wachrufen, er würde erfüllt sein von Liebe und Verehrung für alle Wesen.

Wenn das geschieht, wird kosmische Liebe in unseren Herzen geboren. Unser ganzes Verhalten ist dann von echter Liebe beseelt, sehen wir doch in uns und in anderen nur das göttliche, alles beobachtende, alles bezeugende Selbst.

Die Verwirklichung des Selbst ereignet sich im Bruchteil eines Augenblicks. Wenn unser Wesen vorbereitet ist, flammt sie plötzlich auf. In diesem Feuer der Erfahrung wird das individuelle Selbst durch das universale Selbst, den letzten Erfahrenden, ersetzt. Dieser Erfahrende steht nun anstelle des Egos für die erste Person Einzahl, nämlich „Ich“.

Es ist ein Erfahrender ohne ein Erfahrungsobjekt, ohne einen Vorgang der Erfahrung und verweilt vollkommen in sich selbst als bloße, reine Existenz.

Nichts befindet sich in dieser reinen Existenz, sie ist das Eine ohne ein Zweites: unendlich, absolut und voll reinster Seligkeit, Frieden und Schönheit.

In dieser Einheitserfahrung erfährt man die Wirklichkeit als Wirklichkeit in der Wirklichkeit und verliert sich in dieser Wirklichkeit, doch nicht im Sinne eines Verlustes, sondern eines Verschmelzens mit dieser Wirklichkeit. In dieser Erfahrung ist Bewusstsein in vollkommener Einheit mit Sein. Die Seele ist von all ihren Begrenzungen freigeworden und ist nun eins mit dem Selbst, mit dem Seher.

Obwohl sie jetzt eins ist mit dem Selbst, kann sie in der Welt eine Individualität annehmen und Werke ausführen, kann die Welt erfahren und in dieser Welt die Erhabenheit, die Größe, das Licht, das Glück und den Frieden des Selbst zum Ausdruck bringen.

Während dieser Erfahrung selbst hat sie kein Bewusstsein von sich als individuelle Wesenheit mit Begrenzungen, sondern da gibt es nur das Bewusstsein vom Selbst als die unendliche Individualität. Auch nach der Einheitserfahrung besitzt die Seele noch eine Individualität, aber es ist eine unendliche Individualität. Selbstverwirklichung heißt nicht, dass man alles verliert, sondern dass man alles gewinnt und von allem Positiven in Absolutheit erfüllt ist. Der Mensch verliert dabei nur seine Begrenzungen; andererseits gewinnt er alles hinzu.

Wenn er nach der Erfahrung des Göttlichen, Unendlichen, des höchsten Subjekts wieder in die Welt zurückkehrt, um hier zu wirken, lebt er wohl wie andere Menschen auch in Begrenzungen, diese aber bilden kein Karma mehr für ihn. Er ist insofern nicht mehr wie andere Menschen, weil er nicht mehr von Begrenzungen eingefangen ist, während andere Menschen deren Opfer sind.

Wenn wir eine Erkenntnis des Sehers – des Selbst – haben, wird das Leben leicht, weil wir es unverkrampft leben können. Vorher war das Leben mühsam und anstrengend, eine Bürde und Herausforderung, stets problematisch, trotz aller kleinen Annehmlichkeiten.

Wenn jedoch das Selbst die dominierende Erfahrung ist, gibt es kein Problem und kein unauflösbares Rätsel mehr.

Das Leben wird dann von steter, sich selbst erhaltender und aus sich selbst hervorströmender innerer Freude getragen. Es ist vom Licht göttlicher Intelligenz erfüllt. Tausend Wahrheiten zeigen sich unverhüllt und erschließen uns das Geheimnis von Leben und Bewusstsein. Wir beginnen zu verstehen, und das mit einer Gewissheit, die nur durch ein unmittelbares Erkennen zu erlangen ist. Wir sehen, dass Gott nicht nur im Menschen wohnt, sondern dass unser ganzer Erfahrungsbereich nichts anderes ist als das göttliche Selbst. Und erkennen heißt, ganz hier sein.

So gelangt der Weise durch den Höhenflug innerer Meditation und Kontemplation zur objektlosen Erfahrung. Der Erfahrende erfährt sich selbst als sich selbst. Er befindet sich in einem Zustand wesenhafter Existenz des reinen Seins. Der Erfahrende allein ist.

Um das Wesen der Einheitserfahrung besser zu verstehen, nehmen wir den Tiefschlaf als Beispiel. In dieser Erfahrung des Tiefschlafzustands gibt es keine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt, keine zwei Dinge mehr. Man ist einfach in Schlaf versunken und weiß nichts davon. Wüsste man es, wäre der Tiefschlaf ein Erfahrungsobjekt.

Doch erlebt man den Tiefschlafzustand nicht auf diese Weise. Es ist vielmehr eine Einheitserfahrung, eine objektlose Erfahrung. Doch findet im Tiefschlaf eine Erfahrung von „Nichtsheit“ statt, nicht aber eine Erfahrung der Fülle der Wirklichkeit, wie das beim Weisen der Fall ist. Das objektlose Bewusstsein, zu dem er durch tiefe Kontemplation gelangte, ist eine bewusste Erfahrung, nämlich die Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit.

Diese Wirklichkeit ist erfüllt mit Kraft und Macht, mit Licht, Frieden und unzähligen schöpferischen Eigenschaften. Die göttliche Existenz, mit der wir in tiefer Meditation in Berührung kommen, ist dieselbe Existenz, die wir auch im Tiefschlaf berühren, doch sind wir im Tiefschlaf total unbewusst. Es ist das Bewusstsein, das hier Welten des Unterschieds ausmacht.

Wie jeder den Wachzustand bewusst und den Tiefschlaf unbewusst erfährt, so kann jeder durch kontemplative Übung den überbewussten Zustand erfahren.

Dieser überbewusste Zustand ist latent in jedem Menschen vorhanden und lässt sich von jedem Menschen und zu jeder Zeit erfahren, sobald die richtigen Voraussetzungen und Bedingungen dazu geschaffen sind. Also heißt das, dass all diese Zustände sich latent in uns befinden.

Was geschieht mit unserem Schlafzustand, wenn wir wieder erwachen? Ist er von uns abgetrennt, vollkommen von uns entfernt? – Nein, er ist noch in uns. Er ist nur in dem Augenblick, in dem wir in den Wachzustand eingetreten sind, in den Hintergrund gerückt und latent geworden. Wir können jederzeit wieder in den Schlafzustand zurückkehren. Was geschieht dann in diesem Fall mit unserem Wachzustand? – Er wird seinerseits latent. Desgleichen wird der überbewusste Zustand latent, während wir schlafen, träumen oder wach sind.

Der das Selbst Erkennende,

der Weise, ist das höchste

Phänomen auf Erden

Die wahren Weisen sind jene, die unter allen Umständen das Göttliche erfahren, von nichts beeinflusst werden und über allen Gegensätzen stehen. Ihre innere Stille ist unzerstörbar, ihr Körper ein gefügiges Werkzeug für das Spiel des Göttlichen. Sie sind eins geworden mit dem Licht in allen Herzen, dem spirituellen, alles transzendierenden Bewusstseinslicht, das die ganze Schöpfung durchdringt. Obschon vom eigenen Gemüt befreit, sind sie keineswegs ohne Vernunft, Denken oder Intelligenz, nur dass diese Vernunft, dieses Denken und diese Intelligenz vom göttlichen Bewusstsein erleuchtet und gelenkt werden. Diese Weisen sind zu spirituell erwachsenen Menschen geworden.

Der Weise sieht das Göttliche, doch die anderen sehen nicht, was er sieht. Sie halten ihn für einen Menschen wie jeden anderen auch. Während sein Blick anscheinend ins Leere oder auf nichts Bestimmtes gerichtet ist und rein äußerlich auch nichts weiter geschieht, bemerkt niemand, dass er in Wirklichkeit beständig das Göttliche wahrnimmt und im Göttlichen lebt.

Spiritualität ist eine ausgesprochen innerliche Angelegenheit. Es ist schwierig, den Unterschied zwischen einem normalen Alltagsmenschen und dem größten Weisen der Welt zu sehen, weil es rein äußerlich keinen gibt. Der Unterschied liegt nicht in der äußeren Erscheinung, sondern im inneren Wesen.

Es ist der größte Fehler dieser Welt, dass sie ihre größten Weisen nicht erkennt. Äußerlich mag der Weise als irgendein gewöhnlicher Mensch erscheinen, innerlich ist er in jeder Hinsicht völlig göttlich. Er lebt im Göttlichen, weilt beim Göttlichen, ist zur Verherrlichung des Göttlichen tätig. Seine Liebe für alle ist kompromisslos und unbedingt. Selbstlose Liebe ist ihm so natürlich wie es für die Blume ist zu duften. Sein Leben ist ein ständiges Geben und unablässiges Sich-Verströmen aus den Quellen der Existenz.

Spiritualität ist ein innerer Bewusstseinszustand, ein Zustand der erleuchteten und vollkommenen Seele. Diese Tatsache macht es möglich, dass man in allen Umständen des Lebens innerlich und der Erfahrung nach in der Gotterfahrung verweilen kann.

Der Weise, der eine lebendige Erfahrung des zentralen göttlichen Selbst hat, betrachtet die Welt aus der Höhe der göttlichen Schau, gewissermaßen also mit den Augen Gottes. Seine Reaktion auf die Umwelt ist von der anderer Menschen vollkommen verschieden. Sein Leben spielt sich innerlich ab. Niemand hat den Schlüssel zu seinem inneren Leben, das eingebettet ist ins Licht des göttlichen Bewusstseins. Was aber darin vor sich geht, ist ein großes Mysterium.

Zeitgenössische Weise sind der Menschheit jeweils zu nahe, um von ihr verstanden und in ganzer Größe erschaut zu werden. Doch es fehlt zu keiner Zeit an Zeugen für die große Wahrheit des Göttlichen. Wo immer das Herz eines Weisen ist, sind die Mächte Gottes zugegen, ist das segnende Wesen des Göttlichen am Werk. Er lebt im Hier und Jetzt, weil die göttliche Wahrheit das ewige Hier und Jetzt ist.

Wer die Wahrheit erkennt, sieht alles im Licht der Wahrheit: Was ist eine Frau? – Eine Manifestation der Wahrheit. Was ist ein Mann? – Eine Manifestation der Wahrheit. Was ist der Mond? – Eine Manifestation der Wahrheit.

Das ist die Grundlage seiner Erfahrung, und von dieser aus weiß er dann um Frau, Mann und Mond. Sein Standort ist in der Wahrheit. Das ist seine Stärke und sein Licht.

Aus dieser Hintergrunderfahrung heraus befasst er sich mit allem und ist so in Harmonie und in Frieden mit sich selbst.

Er ist eine wandelnde Weisheit, eine lebendige Liebe, eine ständig wachsende Erkenntnis. Er hat die rechte Sichtweise und ist somit fähig, die Rätsel des Lebens zu lösen.

Wenn ihm, wie einst dem Sokrates, sein Todesurteil überbracht wird, kann er sagen: „Was tut’s, der Körper mag gehen! Die Existenz in mir ist unzerstörbare und unendliche Seligkeit. Mit ihr bin ich eins. Sie ist meine Sicherheit. Ich bin befreit und fürchte mich nicht!“

Der Weise ist Herr über den Tod, weil er in der bewussten Erfahrung der Unsterblichkeit lebt. Er hat längst damit aufgehört, sich mit dem Körper zu identifizieren.

Willst du das Wesen des Göttlichen wahrhaft erkennen, dann geschieht das nicht durch Lesen geistiger Schriften, sondern dadurch, dass du in der Lage bist, ins göttliche Wesen und den Geist eines wahren spirituellen Meisters einzudringen. Da siehst du den lebendigen Gott, das Wesen des Göttlichen widergespiegelt. Die unsichtbare Wahrheit wird sichtbar in seiner Gegenwart; die unpersönliche, zeitlos-absolute Wahrheit wird in seiner Gegenwart persönlich. Er ist ein Bote des göttlichen Geistes in einer Welt der Materie.

In ihm hat sich der Evolutionsprozess vollzogen und erfüllt, hat Ziel und Ende im Göttlichen gefunden.


Kernsätze spirituellen Lebens

Dem Atem gleich muss das spirituelle Leben fließen, das heißt, dass es kontinuierlich sein muss, ohne Unterbrechung.

Wirkliches Leben ist ein nach innen gelebtes Leben, ein Leben, das um das Göttliche kreist. Lasse dein Herz um das Göttliche kreisen, wie die Erde um die Sonne kreist.

Der Prüfstein eines wahren geistigen Aspiranten liegt in der Fähigkeit, unter allen Umständen fröhlich, glücklich und gottbewusst zu sein. Es genügt nicht, nur über das Göttliche zu sprechen, sondern er muss auch sein Leben nach den Prinzipien des göttlichen Lebens ausrichten. Er muss im täglichen Leben spirituelle Wahrheit unter Beweis stellen.

Das geistige Herz ist immerzu berauscht von der göttlichen Weisheit und Erkenntnis, trunken von göttlicher Freude, göttlicher Liebe.

Lasse dein Leben ungeteilt sein: Versuche, weltliches Tun immer reiner werden zu lassen, und bringe göttliches Wirken immer mehr auch in die Welt, bis der Unterschied zwischen beiden aufgehoben und dein Leben ein fortlaufender Prozess spiritueller Erfahrung ist.

Achte gut auf diesen Tag,

denn er ist das Leben –

das Leben allen Lebens.

In seinem kurzen Ablauf

liegt alle Wirklichkeit

und Wahrheit des Daseins,

die Wonne des Wachsens,

die Größe der Tat,

die Herrlichkeit der Kraft.

Denn das Gestern

ist nichts als ein Traum und das Morgen nur eine Vision.

Das Heute jedoch – recht gelebt – macht jedes Gestern

zu einem Traum voller Glück

und das Morgen zu einer Vision voller Hoffnung.

Darum achte gut auf diesen Tag!

Jalaluddin Rumi


Die Inkarnationen des Göttlichen

„Denn immer, wenn die Frömmigkeit hinschwinden will, o Bharata, Ruchlosigkeit ihr Haupt erhebt, dann schaffe Ich Mich selber neu zum Schutz der guten Menschen hier und zu der Bösen Untergang.

Die Frömmigkeit zu festigen wiederum, komm’ in jedem Zeitalter Ich herab.“

Krishna zu Arjuna

in der Bhagavad Gita

Gottes Schöpfung ist wunderbar. Es gibt Welten innerhalb von Welten, Welten über Welten. Es ist ein ewiger Zyklus, und in jedem Schöpfungszyklus erscheinen die Botschafter Gottes, die besonderen Manifestationen oder Inkarnationen Gottes. Diese Inkarnationen sind Teil der Schöpfungsordnung. Die Menschheit braucht spirituelle Führung, und wenn die Zeiten durch eine kritische Periode gehen, die eine besondere Manifestation der Gnade Gottes erfordert, dann kommen aufgrund der unbegrenzten Weisheit und Liebe Gottes seine eigenen Manifestationen – die göttlichen Inkarnationen – auf die Erde.

Diese Inkarnationen sind Teil des Wesens Gottes; es sind keine menschlichen Individuen, die sich langsam zur Vollkommenheit Gottes entwickeln, es sind direkte Manifestationen von Gott selbst.

Diese Inkarnationen behalten ihre Individualität im Unendlichen, und wann immer ein Teil der Menschheit oder auch eine einzelne Person irgendwo auf der Welt eine dieser Inkarnationen zu kontaktieren versucht, findet der Kontakt auch tatsächlich statt.

Alle großen Inkarnationen Gottes existieren noch – die großen Meister. Sie behalten ihre Individualität im unendlichen Gott.

In gewissen Abschnitten der menschlichen Geschichte wurde das Wissen um die Inkarnationen Gottes vergessen und der Kontakt ging zeitweise verloren, doch in einzelnen Fällen, wenn auch nicht allgemein, blieb der Kontakt weiterhin bestehen.

Diese Inkarnationen sind eins mit dem Herzen Gottes. Sie sind alldurchdringend, allwissend, allmächtig und können jederzeit und an jedem Ort erreicht werden. Sie sind unendlich wirklicher als die materielle Sonne, die so hell vom Himmel strahlt. Und sie leben in einem wunderbaren Königreich, welches das „Königreich des Himmels“ genannt wird.

Wahre Erkenntnis

Nur wenn unser Bewusstsein nach außen gewandt ist, haben wir die Erfahrung des äußeren, physikalischen Universums. Wenn hingegen das Bewusstsein diszipliniert, transformiert und vergeistigt ist und sich nach innen auf Gott und die Wahrheit richtet, dann offenbart sich plötzlich das Königreich des Himmels überall.

Nur jene, die von der Gnade Gottes berührt sind, jene die zu seiner Gegenwart erwacht sind, sind wirklich aus dem Traum der Welt erwacht und erfahren eine andere Welt – eine Welt der Vollkommenheit, der Schönheit, der Kraft, der Gnade und des Lichts, und ihr inneres, geistiges Bewusstsein wird sich immer mehr entfalten.

Gottes Königreich ist weitaus wunderbarer als die großen Religionen der Welt es schildern. Und dieses Königreich ist jetzt in deinem Herzen, in deinen Händen, um dich herum – überall. Es ist für jene sichtbar, die Augen haben zu sehen.

Die Wahrheit ist: In uns und um uns herum ist die strahlende Wirklichkeit des allsehenden, allwissenden Gottes.

Die Wahrheit ist: Durch die Liebe Gottes wurden wir in die Existenz gebracht, und durch seine Liebe werden wir erhalten.

Die Befreiung beruht auf Gnade. Nichts ist so wichtig im spirituellen Leben wie Gnade. Und Gnade ist wie der Wind, der weht, wo er will, und ihr Wille ist der Wille des Göttlichen.

Vergiss nie die Wahrheit, dass das äußere Leben niemals so wichtig ist, wie du meinst.

Es soll auch kein Bereich sein, um deine Selbstsucht auszutoben. Ob dich jemand beleidigt, lobt oder nicht lobt, ist nicht so wichtig; auch nicht, wie alt du bist oder ob du ein Mann oder eine Frau bist. Es spielt keine Rolle, ob wir reich oder arm sind, in angenehmen oder schwierigen Umständen leben.

Wichtig ist einzig die Erkenntnis der unbeschreiblichen Herrlichkeit des ewigen Lebens, des zeitlosen Hier und Jetzt!

Was ist Unwissenheit anderes als der Mangel an Erkenntnis, dass das Göttliche die Substanz aller Dinge ist, dass Gott in uns lebt und uns von allen Seiten umgibt.

Unwissenheit ist die mangelnde Erkenntnis, dass das Göttliche die einzige Realität ist, die einzige Substanz von Leben, Geist, Materie, Natur, und dass Es allvollkommen, unsterblich und unendlich ist. Was also ist das Wesentliche für den Menschen? – Das Wesentliche ist wahre Erkenntnis!

Wahre Erkenntnis nimmt den Schleier vom Antlitz der Natur und enthüllt uns die göttliche Gegenwart dahinter. Wahre Erkenntnis ist das, was uns die zentrale Substanz, die Kraft und das Bewusstsein offenbart, aus dem alle Phänomene gebildet sind, was die Materie ihrer Materialität entkleidet und uns die Bewusstseinsdimension in ihr erschließt, was uns erfahren lässt, dass der ganze Kosmos mit der Freude des Göttlichen vibriert.

Das wunderbare Feuer, das unser Ego verbrennt, ist die göttliche Erkenntnis.

Erkenntnis ist Macht, ist Licht, ist Freude, ist Befreiung und sie sagt dir, dass das innerste Sein in allem und jedem dein eigenes Selbst ist, sodass alle Ängste und Sorgen hinfällig werden.

Wie gebildet und gelehrt einer auch sein mag, hat hier nichts zu sagen, denn im Grunde kann er hinsichtlich des eigenen inneren Wesens dennoch unwissend sein.

Nur spirituelle, göttliche Erkenntnis ist wahrhaft erlösende Erkenntnis.


Schöpfung und Vollendung

Die zwei Dimensionen der göttlichen Wirklichkeit sind das Manifestierte und das Nichtmanifestierte.

Das manifestierte, gestalthafte Universum ist aus einer Kraft der nichtmanifestierten göttlichen Wirklichkeit, aus dem ursprünglichen Sein entstanden. Diese erhabene, höchste, alles transzendierende Wirklichkeit ist ohne Bewegung, unwandelbar, allvollkommen.

Obgleich wir diese höchste Wirklichkeit als das Nichtmanifestierte bezeichnen, ist sie doch in jeglicher Schöpfung vorhanden. Aus dem Nichtmanifestierten, dem geistigen Prinzip, hat ein Teil seiner selbst sich als Form manifestiert. Diese manifestierte Wirklichkeit, die Gestaltwerdung des Ewigen, wird von jener göttlichen Intelligenz erhalten, die wir als Gott, Vater oder Schöpfer bezeichnen.

In uns und um uns herum ist die alles durchdringende Gegenwart des allsehenden Gottes. Wir sind ins Leben gerufen von der Liebe Gottes. Wir werden erhalten vom Entzücken Gottes an seiner Schöpfung.

In uns ist das ganze Königreich des Himmels! Die ganze Schöpfung ist erfüllt von der grenzenlosen Glückseligkeit des göttlichen Bewusstseins.

In jedem Punkt des Raums und in jedem Atom befindet sich der Mittelpunkt der unendlichen Seligkeit des göttlichen Bewusstseins. Nicht nur unser innerstes geistiges Wesen, sondern jeder Nerv, jeder Knochen, jede Körperzelle in uns ist ein Punkt der grenzenlosen Seligkeit des unendlichen Bewusstseins.

Das ist der Grund, warum die ganze Schöpfung sich nach Glück sehnt und nach Glück sucht. Glück ist das Ziel allen Tuns des Menschen, das Ziel allen Lebens.

Die gesamte Schöpfung bewegt sich unaufhörlich auf die Erlangung des Glücks hin. Warum aber sucht sie Glück und sehnt sich nach Glück? – Wir sehnen uns doch nur nach etwas, was wir verloren haben, nicht nach dem, was wir besitzen. Unsere wahre Natur, die das grenzenlose Glück, die Gottseligkeit des unendlichen Bewusstseins ist, kennen wir unserem Erleben und Verstehen nach nicht mehr; darum suchen wir unaufhörlich nach Glück und verlangen immerfort nach Freude.

Der Mensch im Allgemeinen ist rastlos damit beschäftigt, die äußere Welt zu erobern. Obgleich er den Mond erreicht und betreten hat, ist er weder um ein bisschen glücklicher geworden noch hat er auch nur den millionsten Teil seiner Probleme gelöst.

Wie groß dein Reichtum auch sein mag, wie viele Häuser und sonstige Anlagen in wie vielen Ländern der Welt du auch besitzen oder wie viel an Schönheit und körperlicher Kraft du auch haben magst, wie fein entwickelt deine Sinne auch sein mögen und welch ausgesuchte Vergnügen sie dir bereiten – du bist ruhelos und unglücklich. Eine Unzufriedenheit ist in deinem Herzen, ein Gefühl des Mangels, und du wirst deshalb immer nach etwas anderem verlangen.

Dazu bist du so lange verurteilt, als du dich innerhalb der Schöpfung bewegst. Egal wer und was du bist, ob ein Dichter, ein Reicher, ein König, ein Genie – du wirst immer ruhelos und rastlos sein; du wirst keine Befriedigung finden, die der Erwähnung wert wäre. Du wirst immer ein Suchender bleiben, auch wenn du gar nicht weißt, wonach du suchst.

Alles Suchen nach Glück in der Außenwelt ist ein Versuch, das Glück, das wir verloren haben, zurückzugewinnen.

In Wirklichkeit und Wahrheit existiert Gott allein als unendliches schöpferisches Bewusstsein, als Schönheit, als vollkommenes Glück.

Materie, Leben und Gemüt sind Schöpfungen, die aus dem göttlichen Bewusstsein hervorgehen.

Der Mensch, in Unkenntnis dieser Tatsache, im Nicht-Erkennen der Wahrheit, verhaftet in Individualität und Egoismus, erfährt deshalb eine Vielfalt der Dinge – die Welt, in der er lebt. Das Göttliche kennt er nicht und deshalb ist er dem Leiden ausgesetzt.

Er lebt in einer Täuschung, indem er das Unwirkliche für das Wirkliche hält. Was aber ist die Wahrheit? – Die Wahrheit ist: Alles ist Gott! Die Welt ist in Ihm. Er ist in der Welt. Er ist die Welt. Er ist mehr als die Welt.

Alles ist eine Offenbarung des Göttlichen, alles existiert in Ihm. Gott ist die erste und die letzte Wahrheit.

Die gesamte Schöpfung ist nicht wichtig; alle Welten sind lediglich Ausdrucksformen des Göttlichen und darum nicht von Bedeutung. Der Schöpfer aller Welten allein ist von höchster Wichtigkeit und Bedeutung!

Die Schöpfung wird erschaffen und wieder aufgelöst. Der schöpferische Geist hinter aller Erscheinung jedoch ist ewig und unvergänglich. Das ganze Universum ist wie ein flüchtiger Traum im Geist Gottes. Solche Träume hatte Er unzählige, und solche Träume wird Er bis in alle Ewigkeit haben. Solche Träume kommen und gehen. Über allem erhaben ist die Gottheit, der höchste schöpferische Geist.

„Bei Anbruch des Tages (am Anfang der Schöpfung) entsteht aus dem Nichtmanifestierten das Manifestierte. Wahrlich, die Wesen lösen sich bei Anbruch der Nacht in das auf, was man das Nichtmanifestiere nennt.

Dieselbe Vielzahl von Wesen wird wieder und wieder geboren und hilflos bei Anbruch der Nacht erneut in das Nichtmanifestierte aufgelöst, o Arjuna, und bei Tagesanbruch manifestieren sie sich wieder.

Doch wahrlich gibt es etwas, das höher ist als dieses Nichtmanifestierte, ein anderes nichtmanifestiertes, ewiges Wesen, das nicht vergeht, wenn alle Wesen zerstört werden.

Dieses Nichtmanifestierte wird das Unvergängliche genannt; es gilt als das höchste Ziel. Wer es erreicht, kehrt nicht wieder zurück. Es ist mein höchster Wohnsitz.

Dieser höchste Purusha, o Arjuna, in dem alle Wesen verweilen, von dem alles durchdrungen ist, kann durch unerschütterliche Hingabe an ihn erreicht werden.“

Krishna zu Arjuna

in der Bhagavad Gita


Was sind wir?

Wer sind wir?

Du bist nicht, was du zu sein scheinst, sondern was in deinem Herzen ist. Du bist das, wovon du erfüllt bist.

Jemand betritt einen Eisenbahnwagen, identifiziert sich mit diesem und denkt, er sei nun der Wagen. Er vergisst, dass er den Wagen betreten hat und wieder verlassen wird.

Ebenso ist das Gemüt in den Menschenkörper eingezogen und hat vergessen, dass er ihn betreten hat und wieder verlassen muss.

Das Gemüt ist das, was das Wirkliche vergessen und das Unwirkliche erfahren lässt, als wäre es das Wirkliche. Die wahre Blindheit des Menschen ist seine Unfähigkeit, das Göttliche zu sehen.

Sünde ist nichts anderes als anders zu sein als das Göttliche, was heißt, das eigene wahre Wesen nicht zu erkennen, das eben das Göttliche ist.

Das ist die eine Sünde, die einen wahren Tausendfüßler an Sündhaftigkeit gebiert.

Das Licht in deinen Augen reflektiert das Licht des unendlichen göttlichen Bewusstseins. Die Liebe in deinem Herzen ist eine Manifestation der Liebe des Unendlichen. Dein Leben ist ein großartiger Ausdruck der unendlichen Freude.

Die Gottheit, die unendliche Existenz und Wonne ist, bereitet sich die Freude, sich als eine endliche Individualität selbst gegenüberzustellen.

Was sind wir? – Gottes Bewusstsein, sich umherbewegend in diesen Formen und mit diesen Namen.

Akzeptiere den Bericht der Sinne nicht, die sagen, dass du in einer Welt der vielen Dinge lebst!

Akzeptiere den Bericht des inneren spirituellen Bewusstseins, das dich überall nur das Königreich des Göttlichen sehen lässt!

Sei dir intensiv der Wahrheit bewusst, dass du von allen Seiten vom Licht des Göttlichen eingehüllt bist. In diesem Bewusstsein lebe, arbeite, meditiere!

Der Raum

Von außen betrachtet ist der Raum der beste Vergleich für das Göttliche. Der Raum ist eine Manifestation der göttlichen Wahrheit, er ist der sichtbare Ausdruck des göttlichen Geistes.

Was aber ist Raum? – Nichts Greifbares. Er ist so subtil, das subtilste dinghafte Etwas, das wir wahrnehmen können.

Raum ist eine mächtige Schöpfung, vollkommen rein, unzerstörbar, überall gegenwärtig, eine unentrinnbare Gegenwart.

Wir können uns von einem Land zum anderen, von einem Planeten zum anderen bewegen, doch gibt es keine Möglichkeit, dem Raum zu entrinnen. Desgleichen gibt es auch keine Möglichkeit, dem zu entrinnen, was den Raum erfüllt – der göttlichen Wirklichkeit: Ihr können wir unter keinen Umständen entrinnen, auch nicht durch den Tod.

Das Wunder deiner Seele

Die Seele in dir ist so groß, dass das ganze Universum darin aussieht wie ein kleiner Ball. Das ganze Universum ist in dir, nicht außerhalb. Unwissenheit bescheinigt dir, dass es „da draußen“, außerhalb deines Körpers, Menschen und Dinge gibt. Das ist zwar vom Standpunkt des Körpers aus gesehen richtig. Aber wenn du das Universum mit den Augen der Seele betrachtest, wirst du finden, dass das ganze Universum in dir ist und nicht irgendwo „da draußen“.

Nichts ist innen, nichts ist außen. Innen und außen sind relative Begriffe. Die Unwissenheit, die darin besteht zu denken, man sei der Körper und sonst nichts, sagt dir, dass du ein Körper unter vielen anderen Körpern bist. Deshalb leidest du. Deshalb hast du seltsame Gefühle, Gedanken und Impulse. Deshalb bist du den Trieben ausgeliefert, hegst Zuneigung und Abneigung – und das nur, weil du die Wahrheit nicht kennst!

Wenn du mit deinen wirklichen Augen schaust, mit den Augen der Seele, dann wirst du sehen, dass das ganze Universum, alle Götter und Göttinnen, alle Welten in deinem eigenen Bewusstsein sind – so groß ist dein Bewusstsein!

Oder man könnte genauso gut sagen, dass das ganze Spiel des Universums, diese gigantischen Himmelsräume, in einem kleinen, winzigen Punkt, kleiner als die Spitze einer Nadel, enthalten sind.

Wenn du die Göttliche Mutter wirklich liebst, sie suchst, findest und erkennst, wirst du all das aus erster Hand wissen und erfahren: nämlich dass alles in dir selbst ist – die ganze Schöpfung, alle Welten und Weltenräume.

Das zentrale Ich-Bewusstsein

Das Gemüt kann durch das innere Bewusstsein in uns beobachtet werden. Es kann kontrolliert, verändert, umgewandelt werden. Ein schlechter Mensch kann ein besserer Mensch werden, während das Selbst in uns – das Überbewusstsein – keiner solchen Kontrolle unterworfen ist.

Das Unbewusste kann verändert werden, nicht aber das Überbewusstsein, das Selbst.

Das Selbst ist all-vollkommen, all-leuchtend und braucht darum nicht geläutert oder verbessert zu werden. Es ist ja absolut gut und ewig all-rein. Es kann nicht ein Mehr an Wissen erlangen, weil es absolutes Wissen ist. Es ist unendliche Freiheit. Es ist der Beobachter und Beherrscher von allem. Es ist die Gottheit in der Unmittelbarkeit unserer inneren Erfahrung. Es ist das allsehende Licht Gottes in uns.

Das Selbst sieht das Gemüt, nicht aber das Gemüt das Selbst; es sei denn, es höre auf, es selbst zu sein, indem es sich im Selbst auflöst.

Dieses Selbst in uns steht über der psychologischen Ebene, ohne in unsere geistigen Aktivitäten, in mentale Phänomene einbezogen zu sein.

Es nimmt Abstand von ihnen und beobachtet sie. Es steht über dem Gemüt und jenseits von ihm, jenseits der mentalen Aktivitäten.

Das Gemüt ist ein niederes Prinzip. Obwohl es zum Selbst gehört, ist es von ihm völlig verschieden. Es ist dem Selbst gegenüber etwas Äußerliches.

Das zentrale Ich-Bewusstsein, das Selbst, kann die aufsteigenden Gedanken beobachten. Ob die Gedanken gut oder schlecht sind, berührt dieses beobachtende Bewusstsein nicht.

Das Selbst in uns ist deshalb kein Gedankenphänomen. Auch Gefühle und Emotionen ereignen sich außerhalb des Selbst.

Jenes Überbewusstsein in uns, das getrennt ist von den Gefühlen und über diesen steht, auf das Steigen und Fallen der Gefühle und Gedanken herabschaut, ihr Erscheinen und Vergehen beobachtet, jedoch seinerseits von ihnen weder empfunden noch beobachtet oder wahrgenommen werden kann, ist das Selbst.

Gefühle und Gedanken haben Anfang und Ende, Geburt und Tod, während das göttliche Selbst, das göttliche Prinzip in uns, weder Geburt noch Tod kennt. Es ist der unbeobachtete Beobachter.

Es ist als das bezeugende Ich-Bewusstsein der Beobachter auch unseres beobachtenden Bewusstseins und der Ur-Grund all unseres Erkennens und Erfahrens. Es ist all-rein, weil es nicht einbezogen ist in unsere Aktivitäten, unsere Verfehlungen und Unvollkommenheiten.

Es ist ewig und göttlich. Dieses unveränderliche Bewusstsein in uns, das immer fortbestehende Selbst, ist das wesentliche Sein des Menschen, das ewige Subjekt.

Es ist der Keimboden, dem jeder Akt der Erkenntnis entspringt und der jedes Organ und jede Fähigkeit belebt.

Es ist die unvergängliche, unsterbliche Wahrheit in einem vergänglichen, sterblichen Körper.

Das Unveränderliche ist die Wahrheit, nicht das Veränderliche. Wahre Erkenntnis gibt es nur im Unveränderlichen, in der Wahrheit.

Das höchste Prinzip im

Menschen, das göttliche Selbst

Dieses höchste unwandelbare Prinzip in uns beobachtet unser physisches Wesen und kennt das Drama unseres psychologischen Selbst. Es steht über all diesen. Es wird von unseren intellektuellen und rationalen Aktivitäten nicht berührt, sondern ist der Beobachter all dieser Prozesse. Es ist seinem Wesen nach Intelligenz. Es ist die Wahrheit. Es ist der Zeuge aller Erfahrungen und auch deren Ursache.

Dennoch ist es von den Erfahrungen, die es verursacht und deren Zeuge es ist, verschieden. Es bleibt unberührt, wenn unser physischer Körper vergeht, jedoch kann niemand und nichts ohne es existieren. Es ist das höchste, das unbefleckte Prinzip im Menschen.

Nicht was als Gegensatz einem anderen gegenübersteht, ist unser wahres Selbst, sondern das, was eines ist, unbeschreiblich, absolut, allvollkommen – das göttliche Selbst. Das sind wir! Das müssen wir erkennen.

Erkennen wir es, haben wir keine Sorgen und keine Ängste mehr, der Tod hat seinen Schrecken für uns verloren. Das verleiht uns höchste Stärke, höchste Erkenntnis. Das ist Erlösung und Erfüllung des Lebens. Dieses Selbst ist das „Ich bin“ in jedem Menschen.

Wenn unser Gemüt still, rein und leuchtend ist, sieht das Selbst, dieses höchste Bewusstsein in uns, sich selbst, erkennt sich selbst, hat Selbst-Erfahrung, Selbst-Verwirklichung.

Selbst-Erkenntnis ist untrennbar mit Selbst-Sein verbunden. Es ist die einzige, wahre und direkte Erkenntnis, und alles andere folgt daraus. Es ist die Voraussetzung allen anderen Erkennens und die letzte Quelle aller Beweise.

In allem Gewahrsein ist das Ich als Grundlage und Voraussetzung inbegriffen.

Wende deinen Blick nach

innen und finde dich Gott

gegenüber!

Gott ist in dir gegenwärtig als das Leben deines Lebens, als das Bewusstsein deines Bewusstseins, die Intelligenz deiner Intelligenz, die Seele deiner Seele.

Und nicht nur du allein hast diese Seele der Seele, Gott, Wahrheit oder Sein genannt, sondern alle anderen tragen sie ebenfalls in sich. Alle Wesen sind Gott, weil es für sie unmöglich ist, ohne Ihn zu existieren.

Kant sagt, dass es in allem ein Ding-an-sich gibt, das der Urgrund des Daseins ist. Dieses Substrat der Existenz ist in allen gegenwärtig.

Doch ist das Sein kein leeres Nichts; es ist voller Kraft, Erkenntnis, Feuer, Macht, Schönheit und unendlicher Möglichkeiten aller Art.

Eine Einsicht in dieses Sein ist möglich, indem wir unser eigenes Bewusstsein analysieren. Dieses schöpferische Bewusstsein ist kein Produkt der Umgebung. Es ist kein Produkt der Gehirnzellen. Es basiert auf dem Sein, und das Sein in dir hat keine Grenzen. In diesem schwachen, kleinen, verletzlichen Körper wohnt ein unendliches Sein, eine unbegrenzte Existenz.

So wie dein Herz in dir pocht, so pocht dieses Sein in allen – es ist ein universelles Phänomen: es pocht im Mann, in der Frau, im Kind, im Tier, im Baum und im Atom. Die Gegenwart Gottes ist überall. Sie ist in unserer Seele, sie ist im Raum, sie ist oben und unten – überall.

Und diese Gegenwart Gottes, aus der wir und alles andere bestehen, ist voll von Kräften, Herrlichkeiten, Möglichkeiten. Sie ist Vollkommenheit und besitzt ewige Schönheit, ewige Macht, unzerstörbare Macht.

Alles ist in dieser Gegenwart Gottes enthalten, darum wird sie Königreich genannt, oder in poetischer Sprache: „Der wunscherfüllende Baum“.

Alle deine grundlegenden Wünsche werden von der Gegenwart Gottes in dir erfüllt. Der Mensch sehnt sich nach Glück, Frieden, Freiheit, Schönheit, ewigem Leben, nach jeder Form von Vollkommenheit, grenzenlosem Wissen. Die Gegenwart Gottes in dir kann dir all das geben. Es ist Gottes Königreich, es ist Gottes Vollkommenheit.

Wo ist die Quelle der ganzen, unendlichen Schöpfung?

Sie ist in OM, dem unendlichen Bewusstsein, dem Licht der unendlichen Wirklichkeit.

OM ist die ureigenste Natur Gottes, das Herz Gottes, Gott selbst in seinem transzendenten und immanenten Aspekt. OM durchdringt das ganze Universum.

Der Ursprung aller Dinge liegt im Transzendenten.

Niemand konnte je eine befriedigende Antwort auf die Frage geben, warum es eine Schöpfung gibt, warum wir überhaupt erschaffen wurden, warum wir uns von Gott entfernen mussten, nur um wieder zu Gott zurückzukehren. Das ist eine schwierige Frage und niemand hat sie je beantwortet, auch nicht die Mystiker.

Einige sagen, dass die Schöpfung ein Spiel der Freude Gottes sei. Andere sagen, dass die Schöpfung vom Standpunkt der unendlichen Wirklichkeit aus gesehen gar nicht existiert, dass sie nur eine Illusion sei.

Wie auch immer, eines ist sicher: Wir alle wissen, dass es eine Schöpfung gibt, dass wir uns in Begrenzungen befinden, dass wir zu Gott zurückkehren müssen, wenn wir frei von diesen Begrenzungen sein wollen, wenn wir wahres Glück und wahren Frieden haben wollen. Lasst uns also so schnell wie möglich Gott erfahren, um die Dinge direkt zu sehen, das heißt, sie so zu erfahren, wie sie wirklich sind.

Gott erschafft und erhält die ganze Schöpfung.

Er löst sie auch wieder auf, indem Er sie in sich zurücknimmt. Nichts und niemand wird dabei zerstört.

Alles zieht sich lediglich zurück in das, was es in Wirklichkeit und seiner Substanz nach immer schon war, ist und sein wird: in die Einheit des göttlichen Bewusstseins.

Es ist Gott, der als Universum erscheint!

Das ganze Phänomen, das ganze Universum, das du erfährst, das tägliche Leben, alles, was du mit deinen Sinnesorganen, den äußeren und inneren Wahrnehmungsorganen, wie Augen und Ohren, Vernunft oder Unterscheidungskraft, mit dem Gedächtnis, der Fähigkeit der Fantasie oder Vorstellung erfährst – kurz alles, was du durch irgendwelche Organe subjektiv oder objektiv erfährst, die ganze subjektive und objektive Welt, das ganze Universum – all das befindet sich im Ewigen und Unendlichen, in der göttlichen Wahrheit.

Werde aus dieser Wahrheit geboren, lebe in dieser Wahrheit und löse dich wieder in diese Wahrheit hinein auf, indem du eins mit ihr wirst!


Unser wahres Ich – das göttliche Selbst

Es ist ein Ich in uns, das egoistisch und persönlich ist, das äußere Ich, das diesen oder jenen Namen trägt und der Erfahrung von Schmerz und Freude, Lob und Tadel, Gut und Böse unterliegt, das verwickelt und miteinbezogen ist in alle Begebenheiten des Lebens und sich mit ihnen identifiziert.

Sodann ist da ein anderes Ich, welches das wahre Ich ist, das in nichts einbezogen ist und von allem unberührt bleibt.

Das ist unser eigentliches Selbst. Es ist das Licht in unserem Bewusstsein, das Glück in unserer Seele, die Essenz unserer Existenz. Es kann nicht von uns getrennt werden.

Wir selbst sind in unserem tiefsten Wesen diese unveränderliche Wirklichkeit, dieser Gott. Nicht einmal der Tod kann uns vom Göttlichen scheiden. Es ist all-rein, ewig, unendliche Freude, Macht, Friede, Erkenntnis, grenzenloses Licht, das Schönheit ist.

Dieses Selbst, das Ich in uns, existiert seit jeher in Gott, ist in Gott und wird weiterhin in Gott sein. Es ist die wahre „Person“ in jedermann. Es ist das fortdauernd Bleibende unseres inneren Bewusstseins. Es ist das innere Gesetz der Identität in uns. Es ist das Ehrfurcht einflößende „Ich bin“, das in sich selbst eins seiende und allbewusste Sein im ständigen Wechsel unserer Erfahrungen.

Dieses universale Selbst wird aufgrund mentaler Unreinheiten mit dem empirischen Selbst verwechselt.

Unsere Kindheit ist vergangen, unserer Jugend sind wir entwachsen, doch in allen diesen Zeitspannen ist dieses Ich-Bewusstsein gegenwärtig, das auch mit fortschreitendem Alter nicht altert und sich nicht verändert bei sich ändernden Umständen.

Dieses Ich- oder Über-Bewusstsein ist die Grundlage unseres Erkennens von Vergangenheit und Gegenwart. Es ist beständig und unzerstörbar. Es sah den Kosmos ins Dasein treten und wird auch das Ende des Kosmos beobachten. Es sieht die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft; sie sind das Jetzt in ihm. Keine Zeit ist in ihm, obwohl es alle Ordnungen von Zeit und Raum und alle Aktivitäten in sich trägt.

Es ist das Wunder des zeitlosen Selbstgewahrseins im Menschen. Es ist die Grundlage, auf welcher unser inneres und äußeres Leben aufgebaut ist. Es ist das Prinzip der Selbst-Identität in uns. Darüber hinaus können wir nicht gehen.

Es ist das allerletzte Prinzip, das trans zendente Selbst, das trans zendente Bewusstsein. Es ist die absolute Existenz, Erkenntnis, Wonne. Es ist der unendliche schöpferische Bewusstseinsäther, der in sich alle Formen der Zeit, des Raums und der Energie enthält.

Es ist Erfahrung, verschieden von Wahrnehmung oder Vorstellung.

Es zu sein bedeutet, es zu erkennen.

Es ist das Unbedingte, das Absolute und steht daher über den Begriffen von Dualität und Gegensatz. Es ist die höchste Gottheit.

Dieses transzendente Bewusstsein ist überall dasselbe. Es ist in allem und ist mehr als alles. Niemand und nichts existiert ohne es. Sobald das Transzendente im Universum geschaut wird, wird es zum Immanenten.

„Ich bin der ich bin“ spricht Gott zu Moses. Dieses „Ich bin“ ist und wird immer sein. Es ist formlos, zeitlos, raumlos, ewig, selbst-erkennend und all-erkennend, selbst-bezeugend und all-bezeugend. Es ist Fülle.

Es ist das reine, aus sich selbst leuchtende, sich selbst enthaltende, unsterbliche Prinzip in uns. Es ist das Königreich des Himmels in uns.

Deshalb verlangt jeder, der um Gotterfahrung ringt, auch nach Erfahrung des Selbst, denn das Selbst ist Gott und Gott ist das Selbst.

Zu dieser Erfahrung müssen wir uns emporentwickeln. Das müssen wir werden. Das ist das Ziel der Evolution.

Der Seher

Schließe die Augen, und was siehst du? – Gedankenbilder! Du hast Gedanken in Bezug auf deine Umgebung oder die Leute rings um dich her. Du hast auch eine Vorstellung davon, ob es gerade Tag oder Nacht ist. Das sind Gedankenbilder, die du vor dir hast.

Es ist ein Seher in dir, und du willst herausfinden, woher dieser Seher kommt und was sein Wesen ist. Ich glaube, das versteht jeder.

Jeder, auch der Analphabet, beobachtet seine Gedanken, sieht Gedankenbilder und weiß, dass da einer in ihm ist, der sieht. Aber er kennt die wahre Natur dieses Sehers in sich nicht.

Der Seher ist immer da, ob Gedankenbilder kommen oder nicht, ob du im Schlafzustand bist oder nicht.

Im Tiefschlaf, im Wachzustand wie auch im Traum – in all diesen drei Zuständen ist der Seher da. Und dieser Seher sagt dir, dass du ein paar Stunden vorher im Schlafzustand warst und jetzt im Wachzustand bist.

Wenn du dich schlafen legst und träumst, bist du im Traumzustand. Doch immer ist der Seher da. Er sieht deine Gefühle und berichtet darüber, berichtet über deine Gedanken und deinen Zustand – über alles berichtet er, ohne ein Teil dessen zu sein, worüber er berichtet, nämlich dessen, was du beobachtest, erfährst, siehst, fühlst, denkst.

Du selbst bist nicht die Gedanken. Gedanken kommen und gehen. Du beobachtest sie. Es ist der Seher, der sie beobachtet.

Dieser Seher in dir ist auch in allen anderen. Diejenigen, die dir als Narren erscheinen, wie diejenigen, die du für intelligente Leute hältst – beide haben diesen Seher in sich. In ihnen allen ist dieser Seher ununterbrochen anwesend, während alles andere kommt und geht.

Was kommt und geht,

kann nicht wirklich sein

Du bist das, was immer als der Seher gegenwärtig ist.

Dieser Seher ist kein Gedanke. Es ist ein Licht in dir, ein unsichtbares Licht, unsichtbar für deine leiblichen Augen. Doch er, der Seher, sieht sich selbst.

Dieser zentrale, sich selbst sehende und aus eigener Kraft sehende Seher in dir, diese immer existierende, unveränderliche Person in dir, ist dein wahres Selbst.

Dieser Seher ist keine Frau. Er ist kein Mann. Er ist kein Ding. Er ist nicht, was du denkst oder fühlst. Er hat keine Gestalt. Dieser Seher in dir ist formlos, namenlos. Diesen Seher sollst du erkennen.

Was ist das Wesen dieses Sehers? – Dieser Seher ist grenzenlos, anfangslos, endlos. Er selbst ist Glück und Frieden.

Doch du hast keine Ahnung davon, was die wahre Natur dieses Sehers in dir ist, weil sie ständig von anderen Erfahrungen überlagert wird. Ich will dir helfen, seine wahre Natur zu ergründen.

Übung: Schließe deine Augen und stelle dir vor, du seist im Tiefschlaf!

Was ist dort? – Stille! Welche Stille? – Unermessliche Stille, vollkommene Stille!

Diese vollkommene, unermessliche Stille ist das Wesen des Beobachters, des Sehers in dir.

Im Tiefschlafzustand ist dieser Seher wach und beobachtet deinen Schlaf. Wenn du wach bist, berichtet er dir über deinen Schlafzustand. Wäre dieser Seher abwesend, gäbe es niemanden, der sich an seinen Schlaf erinnern könnte.

Niemals und unter gar keinen Umständen ist dieser Seher abwesend. In allen Zuständen ist er zugegen. Angenommen, du bist gestorben. Der Seher in dir beobachtet dieses Ereignis. Es macht nichts, wohin du nach dem Tod deines Körpers gehst, der Seher ist unzertrennlich von dir, er geht mit dir und berichtet dir, dass du den Körper, der auf der Erde zurückgeblieben ist, verlassen hast.

Im Leben und im Tod, in allen Zuständen ist dieser Seher da.

Du bist in Wirklichkeit dieser Seher selbst.

Du bist nicht die Gedanken, die kommen und gehen – sie sind etwas Äußerliches. Du bist nicht die Gefühle, die kommen und gehen – auch sie sind etwas Äußerliches. Du bist nicht der Schmerz, nicht die Empfindungen der Sinne, die kommen und gehen und vergänglich sind.

Weil du tatsächlich der Seher bist, berühren diese Erfahrungen dich nicht wirklich. Du hast immer einen Abstand zu ihnen. Alles lässt dich unberührt, unangetastet. Du bist immer frei von allem, was du erfährst und siehst.

Mache dir eine Vorstellung von dem, was der Seher in dir ist, indem du dir den Tiefschlaf vorstellst und einfach das Licht des Bewusstseins hinzufügst!

Du bist unendlich viel

größer als alles,

was du erfahren kannst

Du bist nicht dieser kleine Bub, dieser Mann, diese Frau.

Du isst etwas: Das ist eine Erfahrung. Du bist etwas Anderes als der Vorgang des Essens und das, was du isst. Es berührt dich nicht innerlich, noch kann es dich wirklich ernähren.

Worauf ich abziele, das ist der Seher in dir. Dieser Seher muss nicht ein- und ausatmen. Wenn du deinen Atem anhältst, berührt das den Seher in dir nicht; der Körper stirbt dann, aber es ist nicht dein Tod, nichts ist dir geschehen. Du bist der Seher. Dieser Seher in dir ist dein wahres, ewiges Wesen.

Erkenne das, und du bist frei von Schmerzen und vergänglichen Freuden, frei von sämtlichen Gegensätzen der täglichen Erfahrung.

Diesen Seher in dir kannst du dir besser vorstellen, wenn du deine Aufmerksamkeit auf den Tiefschlafzustand richtest. Du hast ja nicht die Erfahrung eines großen Mystikers und Weisen und kannst deshalb nicht wirklich wissen, was dieser wunderbare Seher in dir ist.

Denke also über deinen Zustand im Tiefschlaf nach, der zeitlos und raumlos ist, der Vollkommenheit und absolute Erfüllung ist – solch eine Erfüllung, dass du keine Wünsche, keine Gedanken, keine Gefühle mehr hast.

Als dieser Seher bist du frei von allem, du hast grenzenlose Freiheit – und die hast du jeden Tag.

Dieser Zustand ist der wahre Zustand des Sehers in dir.

Wenn du zum Zustand des Tiefschlafs noch grenzenloses Licht hinzufügst, ihn mit diesem Licht erhellst, hast du die richtige Vorstellung vom Wesen des Sehers in dir. So gewinnst du eine Ahnung davon, was der wahre Seher in dir ist.

Diese Übung sollst du immer wieder machen, auch im täglichen Leben, im Hintergrund deines Bewusstseins. Innerhalb von kurzer Zeit bringt das in dein Herz ungeheure Reinheit, innerliche Stärke, Frieden, Freude und Furchtlosigkeit. Du bist in diesem Seher verwurzelt, und dieser Seher ist grenzenloses Licht. Er stirbt nicht, niemand kann ihn fassen, niemand kann ihm schaden, keine Macht der Welt kann ihn berühren oder ihn zerstören, weder eine innere noch eine äußere Macht. Dieses Licht bist du, dieser Seher bist du!

Erkenne das und du hast Millionen Segnungen für das tägliche Leben empfangen. Das ist die zentrale Methode, mit welcher man Selbsterkenntnis erlangt. Sie läuft hinaus auf die Beantwortung der Frage: „Wer bin ich?“

Es gibt kein Lebewesen ohne Tiefschlafzustand, und die bewusste Erfahrung des Tiefschlafzustands ist identisch mit der Erfahrung der Mystiker, der göttlichen Erfahrung, der transzendenten Erfahrung der Weisen. Der Unterschied ist geringfügig. Im Schlafzustand ist kein Bewusstsein, keine Ahnung, kein Licht vorhanden.

Darin besteht der Mangel des Schlafzustands. Doch selbst im Schlafzustand bist du im Herzen Gottes, hast du eine Erfahrung von Gott; aber das nützt dir nichts. Du kommst aus dem Schlafzustand mit demselben Elend heraus, mit dem du hineingegangen bist.

Angenommen du sinkst in einen mit strahlendstem Licht und klarstem Bewusstsein erhellten tiefen Schlaf, dann ist alles ganz anders: Du kommst als Gott selbst heraus; mit grenzenloser Freude, endloser Erkenntnis, endloser Stärke, mit Frieden, Ruhe und Liebe für alle Wesen. Du erfährst deine Einheit mit der ganzen Schöpfung; denn der Seher in dir ist derselbe Seher, der in allen wohnt. Er ist der gleiche in den vielen, und all diese vielen sind in diesem einen sehenden, wahrnehmenden, beobachtenden Prinzip enthalten.

Es gibt nur einen Seher, den unendlichen Seher, den ewigen Seher, den absoluten, unbedingten Seher. Er ist allgegenwärtig. Er ist allsehend. In ihm ist wahre Macht, weil er allein existiert. Es gibt keine zwei Dinge, keine Gegensätze.

Es gibt keine andere Kraft, die dieser einen, einzigen Macht Widerstand leisten könnte.

Der Seher in dir ist Gott, ist Wahrheit. Erkenne die Wahrheit! Erkenne Gott!

Das ist Wahrheit! Verwirkliche sie, erfahre sie, lebe als diese Wahrheit!

Finde dich selbst in allem und jedem wieder! Freue dich, denn dein Licht ist in allen Wesen und Dingen. Deine grenzenlose Freude ist in allem! Das ganze Universum ist in deine Freude eingebettet, und das Universum ist nur wie ein kleiner Teppich in einem grenzenlosen Raum, der über alles hinausragt.

Diese Grenzenlosigkeit von Sein und Bewusstsein ist die Seele. Sie ist unermesslich.

Dieser Seher also in dir, der deine Gedanken beobachtet, der die beobachtende Intelligenz in dir beobachtet, dieser Seher ist das ganze Reich Gottes.

Er ist das Ebenbild Gottes in dir. Er ist Gott selbst. Er ist Narayana in dir und in allen. Er ist Devi in dir und in allen.

Devi ist Licht, die Quelle aller Lichter, das Licht aller Lichter, ein unbeschreibliches Licht.

Devi ist absolute Schönheit und Weisheit. Diese Schönheit und Weisheit bist du selbst. Erkenne das!

Bringe diese Schönheit und Weisheit im täglichen Leben zum Ausdruck, dann bist du ein Übermensch; ein Übermensch nicht von der Art eines Nietzsche, der mit endlosen Mängeln behaftet und voller Egoismus in einer flüchtigen, leidvollen Welt der Gegensätze lebt, sondern ein Übermensch kosmischer Liebe, endloser Liebe und endlosen Friedens.

Das ist Weisheit, die Quelle aller Erkenntnis, und das bist du.

„Ich bin“

Wo immer wir uns befinden, ob allein oder unter Menschen: Wir wissen, dass wir sind.

Etwas tief drinnen in uns sagt: „Ich bin“, und das „Ich bin“ in dir, das „Ich bin“ im Baum und in allen Wesen, ist ein und dasselbe. Es gibt nur ein einziges „Ich bin“, und dieses ist die Grundlage aller Erfahrungen.

Dass du bist, ist die erste Tatsache in diesem Selbst-Gewahrsein. In der Wahrnehmung, dass du bist, liegt die Wahrheit.

In unserem unbedeutenden, vergänglichen Körper, unserem Namen, unserer Ego-Persönlichkeit sind wir verschieden voneinander, sind wir von allem getrennt. Doch das „Ich bin“ ist in allen ein und dasselbe. Darin sind wir eins mit allem.

Das Ego, das Körperempfinden, Name und Form sind Ursache unserer Begrenzungen und Probleme und der Grund allen Unglücks, aller Disharmonie.

Der normale Mensch betrachtet sich immer in Bezug auf seinen Körper, seinen Besitz, auf das, was er an der Oberfläche zu sein scheint, was er hat oder nicht hat, was er zu haben scheint.

In dieser kleinen menschlichen Persönlichkeit, in diesem Körperbewusstsein ist jeder Mensch ein Sünder, abgeschnitten von der Wahrheit, die in jedem und allem zugegen ist.

Im „Ich bin“ sind wir alles, sind wir eins mit der ganzen Schöpfung. Im „Ich bin“ ist das Alpha und Omega; im „Ich bin“ ist jeder das Alpha und Omega.

Jener, der, obschon im Körper lebend, voll bewusst im „Ich bin“ verwurzelt ist, kann als Weiser, als Mystiker bezeichnet werden.

Für ihn, der kosmisches Bewusstsein erlangt hat, ist die ganze Natur durchpulst von diesem Selbst, diesem „Ich bin“, denn jedes Phänomen birgt in sich selbst die Gegenwart des göttlichen Selbst. Dieses göttliche Selbst oder Sein ist das schöpferische Prinzip, das alles – alle Universen und was sich in ihnen befindet – ins Dasein gebracht hat, und es ist daher auch in allem mit all seinen Vollkommenheiten gegenwärtig.

Jeder Weise erkennt das „Ich bin“ als das Eine in allem: ungeteilt und ewig, allgegenwärtig, unendlich, das Eine im Vielen – und die Vielen in dem Einen. Er weiß auch, dass dieses Eine überall ist, im Stoff, im Raum, in allen Wesen und Dingen.

Es allein ist, und obwohl in allem und als alles zugegen, ist es doch nicht das Viele, sondern das Eine.

Der Weise sieht, dass nur ein Sein überall ist – das göttliche Sein. Er erkennt die ganze Schöpfung als eine Manifestation der göttlichen Intelligenz in der göttlichen Intelligenz, und überall nimmt er das Wirken dieser göttlichen Intelligenz wahr.

Er erkennt sich selbst in seinem innersten Wesen als eine Manifestation und Gestaltwerdung der höchsten Intelligenz, des göttlichen Seins.

Er weiß, dass die vielen Dinge, die er sieht, zeitliche Gestaltungen ein und desselben gestaltlosen göttlichen Seins in seinem eigenen Selbst sind – in seinem eigenen Selbst, das das Selbst des Göttlichen ist. Er weiß, dass alles strukturell miteinander verbunden ist. Er erfährt dies, daher kann er sagen: „Der ferne Stern ist strukturell mit mir verbunden; ein winziges Tierlein irgendwo im australischen Busch oder in den Meerestiefen steht mit mir in struktureller Beziehung. Der Mond und die Sonne, die Planeten, die Wolken, der Wind, die ganze Menschheit, alles sind Strukturen, die mit mir in Beziehung stehen, und ich in Beziehung mit ihnen. Sie alle haben teil an der unendlichen Stille, dem Frieden und dem schöpferischen Bewusstsein, aus dem auch ich geschaffen bin.“

Alle Sorgen und Ängste der Menschen, all ihre Freuden und Leiden, all ihr Gutes und Böses sind nur zeitweilige Strukturen, die in ständiger Veränderung begriffen sind. Sie hören auf zu bestehen, sobald wir des einen göttlichen Prinzips, des einen unendlichen Geistes, des Selbst in allem, gewahr werden.

Die wirkliche Welt

Es gibt eine wirkliche Welt hinter diesem physischen, materiellen Universum.

Sogar die Wissenschaftler erkennen diese Tatsache und Wahrheit an. Max Planck bezieht sich in seinem Werk „Das Universum in der modernen Physik“ auf drei verschiedene Welten:

1.) die empirische Welt; das ist die Welt, die wir mit unseren Sinnen erfahren;

2.) die Welt, welche die Wissenschaft studiert;

3.) die wirkliche Welt.

Der britische Wissenschaftler Sir Arthur Eddington spricht ebenso von drei Welten: die Welt, die Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist, die Welt des Laien, die eine Schattenwelt ist, und die wirkliche Welt, die er hinter diese Schattenwelt positioniert.

Philosophen früherer Jahrhunderte haben bereits diese Wahrheit mit größerer Intelligenz und auf gründlichere Art und Weise erkannt. Die spirituelle Schau präsentiert dieselbe Ansicht.

Die Welt unserer physischen Erfahrung ist wirklich eine Schattenwelt. Die erhaltende Welt dahinter ist die wirkliche Welt.

Diese innere Welt, die in uns und allen Universen ist, besteht aus einer völlig anderen Substanz. Anders als die äußere Welt, die Zeit und Raum unterworfen ist, die einen Anfang und ein Ende hat, ist die wirkliche, innere Welt zeitlos, raumlos, unendlich, ohne Anfang und Ende.

Die moderne Wissenschaft kann nur zu einer Erfüllung ihrer Anstrengungen kommen, wenn sie die Dimension des Zeitlosen in der Zeit, die Dimension des Raumlosen im Raum berühren kann

Die grundlegende Forschung der göttlichen Wissenschaft befasst sich mit dem wirklichen Erfahrenden, dem wirklichen Erkennenden, dem wirklichen Seher. Der Wissenschaftler studiert die Natur.

Das Ziel des göttlichen Wissenschaftlers ist das Studium des Wissenschaftlers selbst.

Der Forschungsgegenstand der göttlichen Wissenschaft ist die Intelligenz und das Bewusstsein des Menschen.

Die göttliche Wissenschaft stellt die Frage: „Was ist jene Intelligenz im Wissenschaftler, die versucht, die Geheimnisse der Natur zu ergründen? Was ist die entdeckende Intelligenz in den Entdeckern? Wer ist die denkende Person in den denkenden Personen?“

Den Erkennenden zu erkennen, den wahren Erfahrenden zu erfahren, das zu erkennen, wodurch wir alles andere erkennen, den Urgrund alles Seienden zu erforschen – das umschreibt das Forschungsgebiet der göttlichen Wissenschaft.

Wenn wir den Forschenden und das Bewusstsein im Menschen in all seinen Zuständen studieren, dann öffnet sich vor uns eine großartige, allschöpferische, wunderbare göttliche Welt. Doch sind für dieses Erforschen der wesentlichen Quellen des Bewusstseins im Menschen besondere Fähigkeiten und Methoden der Erkenntnis erforderlich.

Die Fähigkeiten, die nötig sind, um die Gottheit in uns zu erkennen, die Erkenntnisinstrumente zur Erforschung der Wunder des kreativen Wesens in uns, die Fähigkeiten, um den Seher zu sehen, sind in uns. Sie müssen entfaltet und zunehmend in Tätigkeit versetzt werden. Um dies zu erreichen, ist eine vielseitige Disziplin nötig.

Unsere Vernunft muss vom Joch der Sinne befreit, unser forschender Geist auf eine höhere Stufe erhoben werden; unsere Intelligenz muss verfeinert, die Kräfte des Denkens und Fühlens müssen veredelt werden. Alle Vorurteile und Leidenschaften, die unsere Klarsicht trüben, müssen beseitigt werden. Unsere intellektuellen Kräfte müssen auf ihren Höchststand gebracht werden. Die Sinne müssen kontrolliert und die Aktivität einer kontinuierlichen Transformation unserer Natur muss aufrechterhalten werden.

Mit der wachsenden Reinheit des Herzens, mit der Zunahme unserer Güte und Selbstbeherrschung befreien sich die Kräfte unserer Intelligenz und unseres Bewusstseins von allen Arten der Versklavung durch niedere Instinkte und Zwänge.

Auch das Annehmen Gottes oder des unendlichen Bewusstseins als zentralen Wert unserer Existenz vermehrt die Kraft unserer inneren Wahrnehmung.

Die Liebe zum göttlichen Wesen als dem grundlegenden Prinzip alles Seienden, als etwas höchst Wünschenswertes, als das Wunder aller Wunder, als das, was in der Lage ist, Millionen und Abermillionen von Universen in einem Augenblick zu erschaffen – diese und andere Disziplinen sind notwendig, wollen wir unsere höheren Geisteskräfte entfalten.

Die zentrale Genialität des Menschen besteht nicht in etwas, was er äußerlich zu erschaffen vermag. Sie liegt nicht in seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfindungen, nicht in seinen unsterblichen poetischen Schöpfungen – in keiner seiner erstaunlichen Taten hier in der Welt von Raum und Zeit.

Die zentrale Genialität des Menschen besteht in der Erfahrung der dynamischen Kräfte seines inneren Bewusstseins, in seiner Fähigkeit, in einer Unendlichkeit von Entzücken, Frieden und Vollkommenheit zu leben.

Ich kenne große Mystiker, die aus dem Nichts, aus dem leeren Raum alles erschaffen können, was wir brauchen. Das ist wirkliche Meisterschaft. Das ist wirkliche Genialität. Das ist wirkliche Macht.

Es ist die wahre Herrlichkeit des Menschen, höchster Meister aller Elemente zu sein, welche die Wissenschaft je entdeckt hat, höchster Meister nicht nur der Natur, sondern auch des Gemüts zu sein.

Vielleicht fragst du dich, wie es möglich sein soll, aus Nichts etwas zu erschaffen? – Das ist physikalisch nicht leicht zu verstehen, aber es ist eine Tatsache der Mathematik des göttlichen Bewusstseins, eine Realität der Dynamismen des göttlichen Bewusstseins.

Die moderne Wissenschaft selbst hat die Hypothese aufgestellt, dass letztlich die Natur des Universums Leere sei.

Könnte man ein Atom fotografieren und dieses Foto Milliarden Mal vergrößern, man würde nichts finden als leeren Raum. Aber wie kommt es dann, dass dieses erstaunliche Universum aus dieser Leere, in dieser Leere und von dieser Leere ins Dasein gebracht werden konnte? –

All das sind Regionen des höheren Verstehens, die uns erst zugänglich sind, wenn unser inneres Bewusstsein sich mehr und mehr entfaltet hat.

Ich lebe nicht als ein Körper, nicht als ein Objekt unter vielen, in einem objektiven Universum. Ich lebe als das Königreich des Himmels.

Swami Omkarananda





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